Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Abhandlungen<br />
Geschäftstätigkeit verursacht werden: Der Unternehmer hätte bei<br />
ordnungsgemäßer Gebarung die Geschäfte gar nicht oder zumindest<br />
anders abgeschlossen, wodurch es nicht zur Zahlungsunfähigkeit<br />
bzw keinem erhöhten Gläubigerschaden gekommen wäre.<br />
Zieht man als (kausale) Tathandlung das Unterlassen hinreichender<br />
Kontrollmaßnahmen heran, werden damit inhaltlich alle während<br />
dieses Zeitraumes abgeschlossenen Geschäfte vorgeworfen.<br />
Nicht mehr überprüft würde dann, ob die einzelnen Geschäfte<br />
ex ante wirtschaftlich sinnvoll waren oder nicht. Selbst die während<br />
des Zeitraumes des wirtschaftlichen Blindfluges eingegangenen<br />
Kreditverbindlichkeiten würden erfasst. Dies würde jedoch in<br />
ganz besonderem Maß den Intentionen des Gesetzgebers widersprechen,<br />
der auf eine Generalklausel ausdrücklich verzichtet hat,<br />
um eine Entkriminalisierung zu erreichen26 ).<br />
Diesem gesetzgeberischen Anliegen würde die Praxis gerecht,<br />
wenn sie die genannten Tathandlungen der Z 4 und 5 nur dann<br />
anwendet, wenn aufgrund des mangelnden Überblicks eine andere<br />
Tathandlung verwirklicht wurde, etwa ein unwirtschaftliches<br />
Geschäft abgeschlossen wurde. Das Vorliegen mehrerer Tathandlungen<br />
wirkt sich auf die Strafzumessung aus.<br />
3. Kridaträchtige Handlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (Abs 2)<br />
a) Allgemeines<br />
Nach § 159 Abs 2 nF ist strafbar, wer in Kenntnis oder fahrlässiger<br />
Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig die<br />
Befriedigung eines seiner Gläubiger dadurch vereitelt oder schmälert,<br />
dass er nach Abs 5 kridaträchtig handelt. Der Schuldner ist<br />
(nur) dann strafbar, wenn er zumindest in fahrlässiger Unkenntnis<br />
der Zahlungsunfähigkeit durch grob unwirtschaftliche Verhaltensweisen<br />
einen zusätzlichen Befriedigungsausfall verursacht. Es handelt<br />
sich – wie auch nach bisheriger Rechtslage – um ein Erfolgsdelikt27<br />
).<br />
b) Insolvenzverschleppung<br />
ba) Keine kridaträchtige Handlung<br />
Nach § 159 Abs 2 nF ist die Insolvenzverschleppung keine kridaträchtige<br />
Handlung. Einerseits befürchtete der Gesetzgeber wiederum,<br />
eine Generalklausel zu schaffen. Anderseits sah der Gesetzgeber<br />
im alten Straftatbestand ein psychologisch bedeutsames<br />
Hemmnis für den Kridatar, ein Konkursverfahren zu beantragen.<br />
Dem Konkursantrag soll eben in vielen Fällen gleichsam die Rolle<br />
der Selbstanzeige zugekommen sein28 ): Ein Unternehmer, der<br />
nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit über eine Insolvenz nachdachte,<br />
hätte sich demnach von der drohenden Strafe wegen zu<br />
spät gestelltem Insolvenzantrag gerade von diesem abhalten lassen29<br />
). Im Regelfall lag das Motiv einer Insolvenzverschleppung<br />
allerdings in der Hoffnung, dass es „irgendwie gehen wird“, aber<br />
wohl nicht in der Furcht vor Strafe.<br />
Nach der Reform ist die Insolvenzverschleppung jedenfalls keine<br />
Tathandlung der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubi-<br />
gerinteressen30 ) Bloß konkursrechtlich verfehlte Bemühungen sind<br />
nach neuem Recht nicht mehr strafbar: Sind die Sanierungsbemühungen<br />
nicht aussichtsreich oder gehen sie über die 60-Tage-Frist<br />
des § 69 Abs 2 KO31 ) hinaus, ist dies nicht per se strafbar.<br />
bb) Anwendung des Abs 5<br />
Verwirklicht der Schuldner eine kridaträchtige Handlung nach<br />
Abs 5, kann eine Strafbarkeit vorliegen. Verschenkt er nach Eintritt<br />
der Zahlungsunfähigkeit Vermögensbestandteile oder treibt er<br />
übermäßigen Aufwand, verwirklicht er unter den sonstigen Voraussetzungen<br />
§ 159 Abs 2. Gerade nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit<br />
soll der letztgenannten Kridahandlung nach den EBRV besondere<br />
Bedeutung zukommen, da sich der Schuldner im Interesse<br />
seiner Gläubiger auf das Allernotwendigste zu beschränken hat.<br />
Die insolvenzrechtlichen Möglichkeiten einer Sanierung sind allerdings<br />
nach wie vor zu berücksichtigen: Bleibt der Unternehmer im<br />
Rahmen des nach § 69 Abs 2 KO Zulässigen, dann handelt er keinesfalls<br />
entgegen den Grundsätzen ordnungsgemäßen Wirtschaftens.<br />
Ist der Sanierungsversuch nicht aussichtsreich oder die Frist<br />
der sechzig Tage abgelaufen, ist der Schuldner strafbar, wenn er<br />
grob fahrlässig gehandelt hat. Nach dem neuen Recht führt daher<br />
nicht jedes Zuwiderhandeln gegen die insolvenzrechtlichen Anforderungen<br />
zur Strafbarkeit.<br />
bc) Auswirkungen auf die zivilrechtliche Haftung?<br />
Für die zivilrechtlichen Haftungsfragen hat die Änderung des Straftatbestands<br />
angesichts der nunmehrigen Rechtsprechung des<br />
OGH zu § 69 Abs 2 KO keine Konsequenzen:<br />
26) Vgl oben Kapitel III 1 und III 2bd.<br />
27) Nach dem noch umfassenden Entwurf 1997 war als Unterscheidungskriterium<br />
zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Krida nach Eintritt der<br />
Zahlungsunfähigkeit deren Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis vorgesehen.<br />
In der Praxis hätten sich dadurch Nachweisschwierigkeiten ergeben,<br />
ist doch der genaue Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit<br />
(und umso mehr deren Erkennbarkeit) schwierig genug zu bestimmen.<br />
Da nur ein Teilbereich des Kridastrafrechts reformiert wurde, hat der<br />
Gesetzgeber diese Differenzierung nicht ins geltende Recht übernommen.<br />
Ebenso wenig wurde das Vorhaben verwirklicht, § 156 Abs 2, § 159<br />
Abs 2 – Entw 97 als abstrakte Gefährdungsdelikte auszugestalten. Das<br />
Strafrecht sollte erst dann eingreifen, wenn der Schuldner die Befriedigung<br />
der Gläubiger durch sein Verhalten tatsächlich vereitelt oder<br />
geschmälert hat.Wenn etwa ein nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit<br />
abgeschlossenes, außergewöhnlich gewagtes Geschäft erfolgreich ist<br />
und der Schuldner ein positives Ergebnis lukrieren kann, dann beeinträchtigt<br />
es nicht die Gläubigerbefriedigung. Bei Ausgestaltung als abstraktes<br />
Gefährdungsdelikt wäre dies irrelevant gewesen.<br />
28) Vgl EBRV.<br />
29) So offenbar die Überlegung des Gesetzgebers.<br />
30) Folgerichtig wurde ebenso wenig die Zahlung von Schulden als Kridahandlung<br />
aufgenommen. Die EBRV bezeichnen deren Strafwürdigkeit<br />
insb bei fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit als fragwürdig.<br />
31) Dazu Breiter, Fahrlässige Krida nach Zahlungsunfähigkeit <strong>11</strong>0ff.<br />
662 AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong>