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Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Strafrechtspflege<br />

Berichte<br />

Hausdurchsuchung bei Rechtsanwälten<br />

Bereits im Wahrnehmungsbericht 1998 wurde eine die Rechtsanwaltschaft<br />

betreffende, dem Gedanken der Rechtstaatlichkeit<br />

abträgliche Entwicklung aufgezeigt. Es wurden in der Vergangenheit<br />

mehrfach im Rahmen von gegen dritte Personen geführten<br />

Strafverfahren bzw im Rahmen von in diesem Zusammenhang<br />

gegen Rechtsanwälte gepflogenen Vorerhebungen vom Gericht<br />

Hausdurchsuchungen in den Kanzlei- bzw Privaträumlichkeiten<br />

von Rechtsanwälten zur Auffindung von schriftlichen Unterlagen<br />

dritter Personen angeordnet.<br />

Da diese Hausdurchsuchungsbefehle ohne vorherige Abklärung,<br />

ob es ihrer wegen mangelnder Mitwirkungsbereitschaft des jeweiligen<br />

Rechtsanwaltes bedarf, ergingen, widerspricht dies dem<br />

Gedanken der Verhältnismäßigkeit einer Zwangsmaßnahme und<br />

wird damit den betroffenen Rechtsanwälten die Mitwirkung an<br />

strafbaren Handlungen Dritter unterstellt.<br />

Es muss daher erneut dringend daran erinnert werden, dass das<br />

Hausrecht verfassungsrechtlich geschützt ist und bereits die Anordnung<br />

einer Hausdurchsuchung einen Grundrechtseingriff darstellt,<br />

sie daher nur Ultima Ratio sein kann. Gerade bei Rechtsanwälten<br />

ist daher zwingend darauf zu achten, dass bereits vor Anordnung<br />

einer Hausdurchsuchung eine Aufforderung zur Herausgabe iSd<br />

§ 143 Abs 2 StPO erfolgt.<br />

Beeinträchtigung der gesetzmäßigen Verteidigung<br />

Es muss umgehend dafür Sorge getroffen werden, dass Zustellungen<br />

und Terminbenachrichtigungen in sämtlichen Verfahren so<br />

zeitgerecht erfolgen, dass Rechtsanwälte die Vertretung ihrer Klienten,<br />

selbstverständlich auch im Rahmen der Verfahrenshilfe, dem<br />

Gesetz und ihren Pflichten gemäß wahrnehmen können.<br />

Beschwerden betreffen insbesondere die unmittelbar vor einem Verhandlungstermin<br />

erfolgende Bestellung eines Rechtsanwalts im Rahmen<br />

der Verfahrenshilfe sowie die nicht rechtzeitige Aushändigung<br />

von Aktenkopien, wodurch eine gesetzesgemäße Vorbereitung auf<br />

die Verhandlung verhindert wird. Es muss darauf hingewiesen werden,<br />

dass eine effiziente und dem Gesetz gemäße Vertretung des Beschuldigten<br />

bzw Angeklagten im Strafverfahren nur dann möglich<br />

ist, wenn laufende Kenntnis des Akteninhaltes ermöglicht wird.<br />

In Verfahrenshilfesachen sollte von den zuständigen Gerichtskanzleien<br />

umgehend mit der Beschlussausfertigung auf Beigebung eines<br />

Verteidigers eine komplette Aktenabschrift angefertigt werden, damit<br />

der von der jeweiligen Rechtsanwaltskammer bestellte Rechtsanwalt<br />

diese nur mehr abholen bzw zugestellt erhalten muss und er nicht<br />

erst abwarten muss, bis über seinen Antrag diese erst erstellt wird.<br />

Verfahrenshilfe für Privatbeteiligte<br />

Bereits im Wahrnehmungsbericht 1998 wurde die Forderung auf<br />

Gewährung von Verfahrenshilfe für Privatbeteiligte aufgestellt.<br />

Denn jedermann, auch das Opfer eines Verbrechens hat gem<br />

Art 6 MRK das Recht auf ein faires Verfahren. Zu einem fairen<br />

Verfahren gehört auch die Verwirklichung des Grundsatzes der<br />

Waffen- und Chancengleichheit. Das Verbrechensopfer, dem im<br />

Gegensatz zum mutmaßlichen Täter kein Rechtsanwalt zur Seite<br />

gestellt wird, ist oft nicht in der Lage, seine ihm im Strafprozess<br />

zustehenden Rechte effizient wahrzunehmen.<br />

Der Gedanke des erweiterten Opferschutzes hat sich in den letzten<br />

Jahren immer mehr durchgesetzt. Behörden haben, da in diesem<br />

Bereich gesetzlich Verfahrenshilfe nicht vorgesehen ist, zum Teil<br />

auf die freiwillige kostenlose Tätigkeit von Rechtsanwälten zurückgegriffen,<br />

da sie sehr wohl erkannt haben, dass rechtsanwaltliche<br />

Vertretung in einem Strafverfahren auch für Privatbeteiligte unumgänglich<br />

notwendig ist, um ihre Rechte und Ansprüche zu wahren.<br />

Dieser Gedanke hat auch zum Teil seinen Niederschlag in den<br />

Überlegungen zur Reform des strafprozessualen Vorverfahrens<br />

gefunden. Zum Teil deshalb, da nur eine bestimmte Gruppe von<br />

Verbrechensopfer nach dem derzeitigen Informationsstand in den<br />

Genuss von Verfahrenshilfe kommen soll. Nicht zu dieser Gruppe<br />

von Privatbeteiligten gehörende Personen, die allerdings aufgrund<br />

der rechtlichen Komplexität des Falles ebenfalls dringend eine<br />

rechtsanwaltliche Vertretung im Strafprozess benötigen würden,<br />

sollen nach derzeitigem Informationsstand weiterhin von der Möglichkeit<br />

der Verfahrenshilfe ausgenommen bleiben.<br />

Die Rechtsanwaltschaft erachtet eine derartige Unterscheidung<br />

und damit die Schaffung von zwei Klassen von Verbrechensopfern<br />

für entbehrlich und kontraproduktiv sowie dem Gedanken des<br />

Art 6 MRK widerstreitend. Es sollten vielmehr jedem durch eine<br />

strafbare Handlung in seinen materiellen oder immateriellen Rechten<br />

Geschädigten die gleichen Rechte, so auch Verfahrensrechte,<br />

eingeräumt werden.<br />

Diversion<br />

Durch die Strafprozessnovelle 1999 wurde im Strafprozessrecht<br />

die gesetzliche Grundlage für die Diversion geschaffen. Sie sollte<br />

eine flexible auf den Einzelfall bezogene Reaktion auf strafbares<br />

Verhalten ermöglichen. Vor allem im Bereich der Kleinkriminalität<br />

sollten alternative Maßnahmen eingesetzt werden, um unnötige<br />

Stigmatisierungseffekte zu vermeiden und gleichzeitig den berechtigten<br />

Interessen des Tatopfers, vor allem jenem auf Schadenswiedergutmachung,<br />

effizienter und rascher zu dienen.<br />

Stichtag dieser gesetzlichen Regelung war der 1. Jänner <strong>2000</strong>.<br />

Die ersten Zahlen wurden vom Justizministerium für die Monate<br />

Jänner bis inklusive März herausgegeben. Interessant ist, in welchem<br />

Verhältnis in den ersten 3 Monaten die möglichen Diversionsformen<br />

gewählt wurden. In 62,9% der Fälle wurden Geldstrafen<br />

auferlegt, in 17,6% eine Probezeit ohne zusätzliche Auflagen<br />

bestimmt, in 15,1% ein außergerichtlicher Tatausgleich durchgeführt,<br />

in 3,4% eine Probezeit mit Bewährungshilfe bzw Übernahme<br />

674 AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong>

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