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Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

Täter diesen Erfolg grob fahrlässig herbeigeführt hat. Der Begriff<br />

der groben Fahrlässigkeit wurde bisher im StGB nicht verwendet.<br />

Inhaltlich ist ein „schweres Verschulden“ bloß aus dem Bereich der<br />

Körperverletzungsdelikte bekannt (§ 88 Abs 2) 8 ). Nach den EBRV<br />

liegt eine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn dem Täter eine ungewöhnliche,<br />

auffallende Sorglosigkeit zur Last liegt und für ihn<br />

der Eintritt einer Tatbildverwirklichung nicht nur entfernt möglich,<br />

sondern als wahrscheinlich vorhersehbar war. Der Täter lässt also<br />

unter Verletzung elementarster Vorsichtsgebote das außer Acht,<br />

was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter<br />

den gleichen Umständen hätte einleuchten müssen9 ). Es handelt<br />

sich letztlich um eine Einzelfallbeurteilung. Denn der Umfang der<br />

drohenden Rechtsgutsbeeinträchtigung und die soziale Üblichkeit<br />

des riskanten Verhaltens sind ebenso zu berücksichtigen10 ).<br />

b) Kridaträchtige Handlungen (Abs 5)<br />

ba) Allgemeines<br />

Die Tathandlungen der §§ 159 Abs 1 und 2 werden in Abs 5<br />

taxativ aufgezählt. Voraussetzung aller Tathandlungen ist ein Handeln<br />

des Schuldners „entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens“.<br />

Damit wird auf den im Wirtschaftsstrafrecht einhellig<br />

verwendeten „ordentlichen Kaufmann“ (als konkrete Ausformung<br />

der sogenannten Maßfigur) verwiesen. Die Beurteilung des Schuldnerverhaltens<br />

als in grober Weise gegen diese Grundsätze ordentlichen<br />

Wirtschaftens verstoßend kann nur im Einzelfall erfolgen.<br />

bb) Schmälerung des Schuldnervermögens (Z 1)<br />

Nach Z 1 handelt kridaträchtig, wer einen bedeutenden Bestandteil<br />

seines Vermögens zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht,<br />

verschleudert oder verschenkt. Hier werden in Anlehnung an<br />

§ 156 evident gläubigerschädigende Verhaltensweisen aufgezählt.<br />

Die einschränkende Formulierung, wonach es sich um einen<br />

„bedeutenden“ Vermögensbestandteil handeln muss, zeigt wiederum<br />

das gesetzgeberische Anliegen, grob unwirtschaftliche Verhaltensweisen<br />

zu erfassen. Die Bedeutung des Vermögensteils<br />

wird im Verhältnis zum gesamten, für die Gläubigerbefriedigung<br />

zur Verfügung stehenden Vermögen zu bestimmen sein.<br />

Ein Zerstören oder Beschädigen ist jedenfalls nicht gegeben, wenn<br />

bloß dazu bestimmte Sachen verbraucht werden oder etwa eine<br />

baufällige Lagerhalle abgerissen wird<strong>11</strong> ): dies erfolgt nicht „entgegen<br />

Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens“.<br />

Zur Tathandlung des Verschleuderns wird vertreten, dass dieses<br />

bei Lockvogelangeboten, beim Verkauf verderblicher Ware oder<br />

bei günstigem Einkaufspreis12 ) ebenso wenig vorliegt wie beim<br />

Verkauf zur Gewinnung eines neuen Marktes oder um einem Preissturz<br />

zuvor zu kommen13 ), da auch dies einem ordentlichen Wirtschaften<br />

nicht widerspricht. Eine Vermögensübertragung auf eine<br />

Auffanggesellschaft ist jedenfalls dann keine Verschleuderung iSd<br />

Z 1, wenn die Gesellschaft auch Verbindlichkeiten in entsprechen-<br />

der Höhe übernimmt; ist der Sanierungsversuch durch Vermögensübertragung<br />

wirtschaftlich sinnvoll, dann handelt der Unternehmer<br />

ohnedies nicht „entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens“<br />

14 ). Gründet der Täter eigens zum Zweck der Vermögensverschiebung<br />

eine Gesellschaft und übernimmt diese ohne entsprechende<br />

Gegenleistung Vermögenswerte, ist die Tathandlung des<br />

Verschleuderns erfüllt15 ).<br />

bc) Außergewöhnlich gewagte Geschäfte (Z 2)<br />

Schon nach bisheriger Rechtslage war der Abschluss eines gewagten<br />

Geschäftes, das nicht zum ordnungsgemäßen Betrieb gehört<br />

und mit den Vermögensverhältnissen des Schuldners in auffallendem<br />

Widerspruch steht, kridaträchtig. Der Gesetzgeber hat diese<br />

Tathandlung nunmehr sprachlich dahingehend formuliert, dass ein<br />

außergewöhnlich gewagtes Geschäft vorliegen muss, das nicht<br />

zum gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Dem gleichgestellt<br />

werden Spiel oder Wette.<br />

Zur Veranschaulichung, welche Art von Geschäften „gewagt“ iS<br />

des Kridatatbestandes ist, verwies bereits die ältere Literatur zumeist<br />

auf die Regelungen des ABGB über die Glücksverträge<br />

(§§ 1267 bis 1292) 16 ). Auch in der Judikatur findet sich der Hinweis<br />

auf das 29. Hauptstück des ABGB. Äußerst riskante Spekulationsgeschäfte,<br />

die völlig unberechenbaren Preisschwankungen<br />

unterworfen sind, wurden wegen des aleatorischen Moments als<br />

gewagt qualifiziert17 ). Es werden also von der Tathandlung solche<br />

Geschäfte erfasst, die über das bei jedem Geschäftsabschluss<br />

zugrunde liegende Wagnis deutlich hinausgehen. Ein ordentlicher<br />

Kaufmann tätigt infolge des hohen Risikos kein solches Geschäft.<br />

Der OGH setzte sich, soweit ersichtlich, bisher in diesem Zusammenhang<br />

nur mit gewagten Börseaufträgen auseinander18 ).<br />

8) Der Gesetzgeber weist ausdrücklich darauf hin, dass der Begriff des<br />

„schweren Verschuldens“ nicht verwendet wurde, da der Begriff der<br />

groben Fahrlässigkeit – wie auch bei § 88 Abs 2 – kein Schuld-, sondern<br />

ein Unrechtselement ist.<br />

9) Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch 2 Art 165 – Misswirtschaft:<br />

dieser ist ähnlich aufgebaut wie § 159 Abs 1 aF öStGB und umfasst ua<br />

eine „arge Nachlässigkeit in der Vermögensverwaltung“.<br />

10) Vgl EBRV.<br />

<strong>11</strong>) Tröndle/Fischer, StGB 49 § 283 Rz 6.<br />

12) Stree in Schönke/Schröder, StGB 25 § 283 Rz 2.<br />

13) Weyand, Konkursdelikte 3 , 71.<br />

14) Tiedemann, LK <strong>11</strong> § 283 Rz 30 zur Tathandlung des Beiseite-Schaffens,<br />

die in § 283 dStGB genannt ist. § 159 öStGB nennt zwar nicht das<br />

Beiseite-Schaffen, dafür aber das Verschleudern. Für die Vermögensübertragung<br />

auf Auffanggesellschaften könnten beide Tathandlungen<br />

herangezogen werden.<br />

15) Tiedemann, aaO Rz 34.<br />

16) So etwa Altmann/Jakob, Kommentar zum Österreichischen Strafrecht<br />

Band 1 (Wien 1928) 924.<br />

17) OGH EvBl 1990/78 = Rz 1990/<strong>11</strong>5.<br />

18) OGH SSt 3/104 bzw SSt 5/10; vgl auch OGH EvBl 1990/78. Auch<br />

bei Kienapfel, BT II 3 § 159 Rz <strong>11</strong> wird bloß letztgenannte Entscheidung<br />

zitiert.<br />

660 AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong>

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