Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Rechtsprechung<br />
<strong>11</strong>.917) oder die Art der entsprechenden Sanktion „von erheblicher<br />
Bedeutung“ ist (VfSlg <strong>11</strong>.906; EGMR Gradinger ÖJZ 1995,<br />
954; Putz ÖJZ 1996, 434), zu verstehen; auch ein aus disziplinären<br />
Gründen verhängtes Verbot der Berufsausübung ist eine<br />
„Strafe“ iS Art 6 (1) MRK (VfSlg <strong>11</strong>.506, <strong>11</strong>.569, <strong>11</strong>.776).<br />
Im vorliegenden E hat der VfGH aber gar nicht auf die Qualifikation<br />
eines (vorläufigen) Berufsverbotes als „Strafe“ abgestellt,<br />
sondern ausgesprochen, dass das gesamte (Zwischen-)Verfahren<br />
der vorläufigen Untersagung der RA-schaft kein Strafverfahren ist.<br />
Es kommt also schon auf das (Sicherungs-)Verfahren und nicht erst<br />
auf die in ihm verhängte Sanktion an. Eine ebenso zutreffende wie<br />
elegante Lösung!<br />
Strigl<br />
7706<br />
§§ 1, 16, 28 und 32 Abs 1 DSt 1990 –<br />
nicht verfassungswidrig<br />
Art 6 Abs 1 EMRK, § 51 Abs 1 DSt –<br />
Öffentlichkeit der Berufungsverhandlung<br />
Art 4 Abs 1 Z 7 ZPEMRK –<br />
Verbot der Doppelbestrafung<br />
§ 28 Abs 2 DSt – Einleitungsbeschluss<br />
§ 36 Abs 2 DSt – konkludente Zustimmung<br />
Wenn die OBDK die Öffentlichkeit aus Gründen<br />
der Sittlichkeit (oder aus anderen Gründen des<br />
§ 229 StPO) ausschließt, ist ein entgegengerichteter<br />
Antrag des Besch unbeachtlich.<br />
Das „Doppelbestrafungsverbot“ gilt nicht, wenn<br />
eine Standesgemeinschaft im Falle schwerwiegender<br />
gerichtlicher Verurteilungen, welcher<br />
Verhaltensweisen des Betroffenen zugrunde liegen,<br />
von denen regelmäßig auch eine Gefährdung<br />
des Standesansehens oder der ordnungsgemäßen<br />
Erfüllung bestimmter standesspezifischer<br />
Berufspflichten zugrunde liegen, sich in<br />
Wahrnehmung des sog „disziplinären Überhanges“<br />
disziplinarrechtliche Reaktionen vorbehält.<br />
Die erforderliche Zustimmung des Besch zur<br />
Ausdehnung des Einleitungsbeschlusses in der<br />
DisVerhandlung auf von ihm nicht erfasste Tathandlungen<br />
kann dadurch auch schlüssig erteilt<br />
werden, dass sich der Besch in die Verhandlung<br />
zum ausgedehnten Faktum einlässt und sich<br />
dazu verantwortet und sich nicht ausdrücklich<br />
gegen die Ausdehnung der Verhandlung und<br />
Entscheidung auf die neue Tat ausspricht.<br />
Zeugenbeweise können abgelehnt werden,<br />
wenn die zu erwartende Aussage nach freier<br />
Ermessensentscheidung der „Tatrichter“ (aus anderen<br />
Gründen) nicht für beachtlich gehalten<br />
werde.<br />
Darüber, ob die ausgesprochene Streichung von<br />
der Liste der RAe oder die Verhängung einer<br />
minderen DisStrafe angemessen ist, hat der<br />
VfGH nicht zu befinden, wenn kein Ermessensexzess<br />
und damit kein so schwerer Fehler (von<br />
den Standesbehörden) begangen wurde, dass<br />
ihr Bescheid wegen gehäuften Verkennens der<br />
Rechtslage mit Willkür belastet wäre. Für die<br />
Frage, welche Strafe zu verhängen ist, kommt es<br />
allein auf das Ermessen der DisBehörden im Einzelfall<br />
an, wobei sie an die Kriterien des § 16<br />
Abs 6 DSt 1990 gebunden sind.<br />
VfGH 21. 6. <strong>2000</strong>, B 578/00, OBDK 27. 9. 1999, 12 Bkd 3/99<br />
Aus den Entscheidungsgründen:<br />
1.1. Die Beschwerde rügt die Verfassungswidrigkeit der §§ 1<br />
Abs 1, 16, 28 und 32 Abs 1 DSt 1990:<br />
1.1.1. § 1 Abs 1 DSt 1990 und § 16 DSt 1990 verstoßen nach<br />
Ansicht des Bf sowohl gegen Art 18 als auch gegen Art 7 B-VG. So<br />
lege § 16 Abs 6 DSt 1990 – wonach bei Verhängung der Strafe<br />
insbesondere auf die Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen<br />
Nachteile, vor allem für die rechtsuchende Bevölkerung,<br />
bei Bemessung der Geldbuße auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse<br />
Bedacht zu nehmen ist – nicht dem Gebot des<br />
Art 18 B-VG entsprechend fest, für welche der möglichen Deliktsarten<br />
– Berufspflichtenverletzung einerseits, Beeinträchtigung von<br />
Ehre und Ansehen des Standes andererseits – welche der einzelnen<br />
in § 16 Abs 1 leg cit aufgezählten Strafen konkret in Betracht<br />
kämen. Es ergebe sich bloß aus der Spruchpraxis der OBDK, dass<br />
tendenziell berufliches Fehlverhalten von RAen gegenüber Fehlverhalten<br />
im außerberuflichen Bereich strenger bestraft werde.<br />
1.1.2. Der VfGH hegt keine Bedenken gegen die Bestimmungen<br />
des § 1 Abs 1 und § 16 Abs 6 DSt 1990 (iVm § 16 Abs 1 DSt<br />
1990). Der Gerichtshof ist in stRsp von der verfassungsrechtlichen<br />
Unbedenklichkeit des § 1 DSt 1990 ausgegangen (siehe VfSlg<br />
13.260/1992, 13.526/1993, 14.237/1995 sowie zu der mit<br />
dieser Norm vergleichbaren Bestimmung des § 2 DSt 1872 VfSlg<br />
3290/1957, 5643/1967, 5967/1969, 7494/1975, 7905/<br />
1976, 9160/1981, <strong>11</strong>.007/1986, <strong>11</strong>.350/1987, <strong>11</strong>.776/<br />
682 AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong>