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Martin Wagenschein und seine Bedeutung für die heutige ...

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Mit <strong>Wagenschein</strong>s Ansichten über Erziehung, Lehren <strong>und</strong> Lernen liegt uns ein<br />

idealisiertes, stark humanistisch angehauchtes Bild vor, von dem wir heute offensichtlich<br />

weiter, als es noch zu <strong>Wagenschein</strong>s aktiver Zeit der Fall war, entfernt sind. Die Gesellschaft<br />

hat sich mehr <strong>und</strong> mehr zu einer bequemen Wohlstands- <strong>und</strong> materialistisch geprägten<br />

Ellbogengesellschaft entwickelt. Schon <strong>Wagenschein</strong> selbst hat gesellschaftliche Strömungen<br />

nicht übersehen, <strong>die</strong> jetzt mehr denn je offenk<strong>und</strong>ig werden: <strong>die</strong> Leistungs- <strong>und</strong><br />

Arbeitsbereitschaft sinkt, <strong>die</strong> Motivation unter Lehrern <strong>und</strong> Schülern sinkt. Die<br />

Reizüberflutung durch <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n <strong>und</strong> <strong>die</strong> stark konsumorientierte Lebensgestaltung drücken<br />

den Heranwachsenden ihren Stempel auf. Deshalb muss <strong>die</strong> Schule sich <strong>die</strong>sen Strömungen<br />

anpassen, um innerhalb <strong>die</strong>ser Bahnen möglichst großen Erfolg zu haben. Ist das aber wirklich<br />

so? Muss <strong>die</strong> Schule tatsächlich im Strom der Zeit mitschwimmen? Oder ist es eher von<br />

Nutzen, wenn man bewusst gegen den Strom schwimmt? Muss <strong>die</strong> Schule nicht ihrerseits<br />

versuchen mit den pädagogischen Mitteln, <strong>die</strong> sie zweifellos hat, <strong>die</strong>sen offensichtlich<br />

negativen Einflüssen entgegenzuarbeiten <strong>und</strong> so das Weltbild <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lebenseinstellung der<br />

jungen Generation positiv zu beeinflussen?<br />

Dass <strong>Wagenschein</strong>s Vorstellungen zwar idealistisch, aber keineswegs absolut unrealistisch<br />

sind, zeigen <strong>seine</strong> Erfahrungen, <strong>die</strong> er dokumentiert hat <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lehrer, <strong>die</strong> nach <strong>seine</strong>n<br />

Maßstäben unterrichten, auch heute noch nachvollziehen können. Auch heute ist <strong>die</strong> Jugend<br />

nicht völlig abgestumpft <strong>und</strong> total verschlossen jedem Versuch des Lehrers gegenüber, den<br />

Unterricht anschaulicher zu gestalten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schüler zur eigenen aktiven Mitarbeit zu<br />

bewegen. Um in <strong>Wagenschein</strong>s Worten zu reden, werden <strong>die</strong> Kinder von Anfang an nicht<br />

sachlich motiviert, sondern ihnen werden lediglich unanständige, auf Konkurrenz ausgelegte<br />

Anreize gegeben, <strong>und</strong> so steht das Notenstreben über jeder Eigeninitiative <strong>und</strong><br />

Arbeitsmotivation, da sie in den ersten Schuljahren schon im Keim erstickt worden sind. Er<br />

wollte „ vom Vorrang des Verstehens ... überzeugen, <strong>und</strong> dass <strong>die</strong>s Verstehen zu geschehen<br />

habe als ein Hervorgehen des wissenschaftlichen aus dem kindlichen <strong>und</strong> dem jugendlichen<br />

Suchen <strong>und</strong> Finden, Denken <strong>und</strong> Entdecken ... Und zwar zur Rettung der Spontaneität <strong>und</strong><br />

Kontinuität“ (18).<br />

In <strong>seine</strong>m letzten Vortrag in der Öffentlichkeit im September 1985, als er den Preis zur<br />

Pflege der Reinheit der deutschen Sprache verliehen bekam, äußerte er <strong>seine</strong> ganze<br />

Erbitterung im Hinblick auf <strong>die</strong> Entwicklungen in Schule <strong>und</strong> Gesellschaft in folgenden<br />

Sätzen: „ Muss man so alt sein, muss man aus den zwanziger Jahren hierher kommen, muss<br />

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