Die Welt als Gottes Wille und Vorstellung ... - Ht-frings.de

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Die Hypertrophie der menschlichen Selbste
Als ich vor einigen Jahren die Bekanntschaft mit einer negativen Anthropologie des menschlichen
Ichs machte, mit der Theorie von Metzinger, der negiert, dass es so etwas wie menschliche Selbste in
der Welt gibt, der also die Substantialität jeglichen menschlichen Ichs leugnet, war der Schrecken tief
und wäre in der Lage gewesen, schlaflose Nächte der Angst und des Leerseins zu erzeugen, wenn es
nicht das sichere Gespür gegeben hätte, dass er zwar einen Seinsmodus der Moderne in seinem Nerv
getroffen hat, aber die falsche Schlussfolgerung daraus zog. Der Seinsmodus, den er traf, ist die
Überdimensionalität des Personalen beim Homo Sapiens Sapientiae, die durch die Technik maßlos
wurde und durch die moderne Cyber-Technologie noch bis ins Unendliche hinein gewachsen ist. Der
Trugschluss landet in der Negation jeglichen Ichs, die nicht haltbar ist.
Er sagt, dass das menschliche Ich sozusagen eine kybernetische verursachte und gesteuerte
Selbstfiktion sei, da es in der Form, wie wir es sehen, nur Einbildung sei – nämlich als autonomer
Agens unserer Biographie, der sich mit den vielen das Ich heteronomisierenden Faktoren ein Leben
lang herumplagen muss, um das Quentchen Freiheit zu leben, das er mehr ahnt als feststellt, aber
immer nur indirekt beweisen kann und dennoch im Sinne der allgemeinverbindlichen Vernunft zur
Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gemacht hat. Dieses Ich, dieses Selbst, diese
Identifikation einer wirklich vorhandenen Identität sei nur Schein, da in Wirklichkeit ein
steuerungsloser Abstraktionsapparat – unser Gehirn im erweiterten Sinn, also unser gesamter
Körper, dessen Funktionen ja nichts anderes sind als Hirnanhangsmechanismen – dieser
Realisationsmechanismus vermisse auf dem Bild des sich rasant wie im freien Flug durch Raum und
Zeit bewegenden Motionsapparat Mensch in dessen Führungskanzel, die allerdings auch bloß
simuliert ist, also im Flugsimulator des Ego einen Herrn über diesen Prozess, also einen Steuermann,
einen Piloten – einen Kaiser, duce, Führer, Kausalitätsstifter – der die Ursache sei für die beobachtete
Bewegung. Wenn wir also nun alle unsere Taten und Untaten, unsere guten und unsere falschen
Entscheidungen diesem Ich, das uns zugegebener maßen manchmal fremder ist als die uns
umgebende Vertrautheit gesehener Bilder, gehörter Geräusche und gerochener Gerüche, wenn also
dieses Ich Ursache unserer Biographie ist, dann sind wir wir selbst, dann existiert eine
selbstreferentielle Wirklichkeit erlebter innerer Eindrücke, die eine eigenen Substanz, das Ego, ist, die
also ein sprudelnder Brunnen unserer Handlungen und Gedanken, ein Gefäß unserer Werte und
Reichtümer, ein Korb unserer Ernte und ein Planschbecken der Freude und des Fortschritts ist. Aber
hier setzt Metzingers Theorie an: Das Leben selbst, also die kybernetischen Prozesse des Daseins,
fingieren sich in dieses Dasein einen Übermenschen hinein, damit es nicht führerlos und damit
zwecklos dahin steuere. Nach dem traditionellen Satz, dass es keine Wirkung ohne hinreichend
bestimmbare Ursache geben könne, und gemäß den entsprechenden Einflüsterungen, die die
Empiristen seit Jahrhunderten als Entstehungsursache des Ursachebegriffs behaupten, suggeriert
unser Motionsmechanismus durch seine Abstraktionsfähigkeit im Sinne der Selbstreferenzialität sich
ein autonomes Selbst, was wiederum ein Prozess der Kybernetik sei, der sich so selbst überhebe und
sich zum Helden macht. Das Resultat wäre ein rekursives Über-Ich über dem Über-Ich etc. als circulus
vitiosus und als Teufelskreis des menschlichen Lebens.
Anthropologisch war es wohl wichtig für den Menschen, sein (Schein-)Ich aufzublasen zu einer
Größe, die anderen als unangreifbar, unantastbar und unbezweifelbar gelten müsste, dies in der
Sippe genauso wie hinsichtlich des Einzelmenschen. Gemessen an der Erfahrung und Reife der
meisten (Pseudo-)Selbste in unserer Welt, die in Wirklichkeit nur Produkte des kaschierten Egoismus’
(des kybernetischen Daseins, also nicht des Ichs, sondern der steuernden Gene) sind, wenn sie unter