Die Welt als Gottes Wille und Vorstellung ... - Ht-frings.de
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vielleicht auch das kybernetische Gr<strong>und</strong>motiv hinter je<strong>de</strong>m Waschzwang, dass man nicht die eigene<br />
Situation retten, son<strong>de</strong>rn das Phänomen an sich beseitigen muss. Insofern wäre es ein heiliges Motiv,<br />
<strong>de</strong>nn auch Jesus-Christus hatte diesen von seinem Vater so gewollten phänomenalen Waschzwang.<br />
Auch er hat sein eigenes Leben dadurch zwanghaft zerstört. Haben wir <strong>als</strong>o großes Verständnis für<br />
Zwangsrituale, in <strong>de</strong>nen etwas Göttliches steckt. Den betroffenen Menschen aber machen sie<br />
unglücklich. „So lernt erst leben“, meinte Nietzsche, „Zurück zur Natur!“ Rousseau, <strong>und</strong> früher <strong>als</strong> alle<br />
seine Interpreten sagte Jesus in seiner schlichten Signifikanz: „Wenn ihr nicht wer<strong>de</strong>t wie die Kin<strong>de</strong>r!“<br />
Insofern ist Gott <strong>de</strong>r Alllieben<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m er die Daseinsstruktur so wählte – <strong>und</strong> aus seiner Totalität<br />
heraus so wählen musste, weil er wollte, da er sich in ihr nicht veräußern kann, ohne die irdische<br />
<strong>Welt</strong>, gemäß <strong>de</strong>m Mythos vom Jüngsten Gericht <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Apokalypse, zu been<strong>de</strong>n –, dass <strong>de</strong>r Mensch<br />
unter Hybris lei<strong>de</strong>n lernen musste, an welchen Aufgaben er wachsen darf, seit<strong>de</strong>m er aus <strong>de</strong>m<br />
Paradies <strong>de</strong>r Unschuld vertrieben ist <strong>und</strong> unter <strong>de</strong>n Ansprüchen <strong>de</strong>r materialen <strong>Welt</strong> zu lei<strong>de</strong>n hat.<br />
Der wahre Gott <strong>als</strong> das Ganze, das das Wahre bil<strong>de</strong>t, <strong>als</strong>o in unveräußerter <strong>und</strong> reiner Form, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />
beschränkte Mensch, <strong>de</strong>r nur sein mangelhaftes, <strong>de</strong>r Potenz nach aber ähnliches Ebenbild ist, können<br />
nicht zusammen sein <strong>und</strong> sich treffen, zunicken, sich die Hand reichen. Sie begegneten sich durch die<br />
Entäußerung <strong>Gottes</strong> im Menschen Jesus, <strong>de</strong>r uns <strong>als</strong> Christus dann wie<strong>de</strong>r entschwin<strong>de</strong>n musste,<br />
worunter ein Apostel namens Judas so sehr litt, dass er aus Enttäuschung Jesus verriet, was aber<br />
dann gleichursprünglicher Bestandteil <strong>de</strong>s Planes <strong>Gottes</strong> war, wodurch er sich wie<strong>de</strong>r zu sich selbst<br />
zurück nahm – <strong>als</strong> Vorbereitung <strong>de</strong>r Zurücknahme <strong>de</strong>r ganzen Menschheit in die Totalität <strong>de</strong>s<br />
allwalten<strong>de</strong>n <strong>und</strong> allwehen<strong>de</strong>n <strong>Gottes</strong>. <strong>Die</strong> Arbeit eines je<strong>de</strong>n Menschen für die gute Sache ist<br />
insofern die Realisation <strong>de</strong>s Plans <strong>Gottes</strong> mit <strong>de</strong>m Menschen, die Verwirklichung <strong>de</strong>r göttlichen<br />
Geschichte mit <strong>de</strong>m Menschen <strong>und</strong> die Vere<strong>de</strong>lung <strong>de</strong>s Daseins. Es ist die schwere Krankheit <strong>de</strong>r<br />
Auster, die erst die Perle erzeugt, wie Heinrich von Kleist uns einst erinnerte, an <strong>de</strong>r wir unseren Blick<br />
erfreuen dürfen <strong>und</strong> die durch die Ernte erst Wert bekommt. Insofern war Judas’ Verrat nicht einfach<br />
ein lustiges Ereignis, sozusagen ein Trick <strong>Gottes</strong>, son<strong>de</strong>rn es war wirklicher, bitterer, verwerflicher<br />
Verrat, weswegen er mythisch auch <strong>als</strong> eine erkaufte Intention <strong>de</strong>s Teufels dargestellt ist, <strong>de</strong>r aber in<br />
diesem höheren göttlichen Sinn seine Funktion hatte. So wird <strong>de</strong>r Mensch lei<strong>de</strong>r auch zum Spielball,<br />
<strong>de</strong>r hin <strong>und</strong> her getreten wird <strong>und</strong> mehr <strong>de</strong>n Gesetzen <strong>de</strong>s Zufalls zu gehorchen hat <strong>als</strong> <strong>de</strong>n<br />
<strong>Wille</strong>nstrukturen gedanklich hervorragen<strong>de</strong>r Geister. Was je<strong>de</strong>r Fußballspieler weiß, sehen wir nicht,<br />
wenn wir zu wenig über die teuflische Macht <strong>de</strong>s Zufalls in <strong>de</strong>r <strong>Welt</strong> nach<strong>de</strong>nken. Ist <strong>de</strong>r Mythos vom<br />
Teufel die Geschichte von <strong>de</strong>r Inkarnation <strong>de</strong>s Zufalls, <strong>als</strong>o <strong>de</strong>r paradoxen an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>r Medaille<br />
<strong>de</strong>r Notwendigkeit?<br />
Alles bekommt erst Wert durch die Ernte. Kein junger Baum, keine Saat, kein Korn ist Wert, son<strong>de</strong>rn<br />
nur Potenz. Und das sollten wir erneut erfahren an unseren alten Menschen. Unser Jugendkult<br />
laviert im Wertlosen, rein Potentiellen, <strong>de</strong>r Jugendkult hofiert das Unfertige, um uns selbst unfertig<br />
zu halten in <strong>de</strong>n verwöhnten Eventmomenten <strong>de</strong>r Unverbrauchtheit. Aber was nützt<br />
Unverbrauchtheit, wenn sie noch gar keine Kraft hat, an<strong>de</strong>res zu för<strong>de</strong>rn, an<strong>de</strong>rem zu helfen, es zu<br />
ernähren, zu halten <strong>und</strong> stützen. Erst Alter ist Wert, Jugend ist reine Potenz.<br />
Dann haben wir <strong>als</strong> jahrtausendtreuen Wegbegleiter die religiösen Mythen, <strong>de</strong>ren Mystik unseren<br />
Glauben konstituieren. Insofern sind diese Mythen mehr <strong>als</strong> das bloße auswechselbare <strong>und</strong> zufällig<br />
gewor<strong>de</strong>ne Kostüm, das <strong>de</strong>r arme kranke Nietzsche in ihnen sah. Sie sind wie unsere Lebensessenzen<br />
gleichermaßen geboren aus <strong>de</strong>r inneren Kraft unserer Intuition wie aus <strong>de</strong>m rationalen Bedürfnis, die<br />
<strong>Welt</strong> wi<strong>de</strong>rspruchsfrei zu erklären. Das ist das größte Geheimnis <strong>de</strong>s Mythos vom brennen<strong>de</strong>n<br />
Dornbusch, <strong>de</strong>r insofern mehr <strong>als</strong> ein Mythos ist. Er ist ein real gewor<strong>de</strong>nes Gleichnis dafür, wie die