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zur Lehrerfortbildungsveranstaltung mit Rainer Kalter 24. März 2010 ...

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| Eric Hultsch | Ethik 3 Angewandte Ethik | WS |<br />

ganz anderen unterrichtlichen Fähigkeit, die hier zählt, nämlich die Unterstützung der gegensätzlichen<br />

- gleichwohl respektvollen - Argumentation, die die Legitimationskraft jedes Schülers und<br />

jeder Schülerin in Gang zu setzen hilft.<br />

Drittens besteht die Gefahr, dass das Argumentationsmaterial einer höheren Stufe, das Lehrpersonen<br />

unter Umständen vorbringen, in eine moralisierende Bewertung der Schülerargumente abrutscht.<br />

Statt zu entgegnen, auf neue Gesichtspunkte hinzuweisen, stellt man dann Fragen wie:<br />

"Meinst du das wirklich so?", "Sollte diese Frau wirklich so handeln?" usw. Indirekte Moralisierung<br />

bedeutet immer zweierlei. Zum einen zeigt sie, dass man eine "richtige" Lösung wüsste, sie aber<br />

nicht zum besten geben möchte. Zum anderen signalisiert man der Schülerin oder dem Schüler,<br />

dass man sie in ihren Gedankengängen und Argumenten nicht ernst nimmt. Der Effekt wird gegebenenfalls<br />

der gleiche sein, wie wenn man sich verleiten lässt, am Ende der Stunde eine Lösung<br />

als die richtige zu präsentieren: Die Schüler vertrauen nicht mehr darauf, dass die Übung "Suche<br />

nach den besten Argumenten" ernst gemeint ist. Sie stellen über kurz oder lang das Denken ein,<br />

exponieren sich nicht mehr und beschränken sich auf das, was der "heimliche" Lehrplan an Schulen<br />

ihnen sowieso als kluges Verhalten empfiehlt: frühzeitig die erwünschte Meinung aufspüren<br />

und im richtigen Moment bei der Lehrperson Punkte machen.<br />

(e) Die Begleitung des Lehrerkollegiums. Das Lehrerkollegium muss einerseits das ganze Modell<br />

kennen, verstehen und <strong>mit</strong>tragen, andererseits muss das Kollegium die theoretischen Grundlagen<br />

verstehen. Für die Dilemma-Diskussion zum Beispiel gilt der Grundsatz "Entwicklung als Ziel der<br />

Erziehung" und nicht etwa "Wissensver<strong>mit</strong>tlung als Ziel der Didaktik". Dies immer neu zu erarbeiten,<br />

ist die Aufgabe des Projektleiters in Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem Lehrerkollegium. Zwei Schwerpunkte<br />

wurden im DES-Projekt deshalb für die alle zwei bis drei Wochen stattfindende Lehrerweiterbildung<br />

gewählt: (1) die Aufarbeitung der Probleme, die in der Versammlung der Gerechten<br />

Gemeinschaft aufkamen (Analyse des Verlaufs, Rekonstruktion des Denkens der Schüler, Analyse<br />

des Lehrerverhaltens), oder die [252] Aufarbeitung von Problemen der Arbeit in den Klassen, und<br />

(2) die Erarbeitung neuer theoretischer Anhaltspunkte für das Gesamtkonzept. Einige seien hier<br />

genannt: Die Funktion des Demokratiemodells, das dem Ansatz zu Grunde liegt; Entwicklung als<br />

Ziel der Erziehung; universelle Werte; moralische Entwicklung sensu Kohlberg; die Generierung<br />

gemeinsamer Regeln und Normen (shared norms); der Aufbau moralischen Wissens im Unterschied<br />

zum strukturtheoretischen Ansatz der Entwicklung. Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen,<br />

wenn ein Schulprogramm dieser Art nicht nur von einer internen Projektleitung organisiert wird,<br />

sondern darüber hinaus von externen Fachleuten betreut, auf dem Wege <strong>zur</strong> Assimilation des Verfahrens<br />

der Entwicklung einer Gerechten Gemeinschaftsschule begleitet wird. So bekommen die<br />

einzelnen Lehrpersonen eine zusätzliche Hilfe dabei, ihre Ängste, Besorgnisse und Unsicherheiten<br />

zu überwinden, Phasen der Müdigkeit zu überstehen, in denen man dazu neigt, betriebsblind zu<br />

werden und die eigentlichen Ziele aus den Augen zu verlieren, aber auch ihre Erfolge <strong>mit</strong>einander<br />

austauschen zu lernen.<br />

In diesem Sinn ist die schulinterne Lehrerfortbildung ein nicht zu verletzendes Gebot der Begleitung<br />

der Entstehung einer Gerechten Schulgemeinschaft. Lehrer und Lehrerinnen müssen den<br />

theoretischen Hintergrund eines jeden Schritts kennen, um Misserfolge zu verstehen, Erschütterungen<br />

zu ertragen, Krisen zu meistem und aus ihnen zu lernen. Eine Gerechte Gemeinschaft entsteht<br />

nicht von selbst, sie ist ein <strong>mit</strong>unter schmerzlicher Prozess, der das eigene moralische Ich<br />

infrage stellt. Soweit also die wichtigsten strukturellen Elemente der Adaptation des Modells der<br />

"Gerechten Gemeinschaft" in einer Schule in unseren Breitengraden. Diese Elemente beziehen<br />

sich aufeinander: Der Ver<strong>mit</strong>tlungsausschuss beeinflusst die Themenfindung für die nächste Versammlung<br />

der Gerechten Gemeinschaft. Diese wiederum beeinflusst die fachspezifische Dilemma-<br />

Diskussion. Das Verstehen des theoretischen Hintergrunds, das Verstehen der Entwicklung und<br />

des Prozesses der Normintegration hilft, den Ver<strong>mit</strong>tlungsausschuss besser zu gestalten und so<br />

fort. Vom Gesamt dieser Prozesse kann man erwarten: erstens eine entscheidende Verbesserung<br />

der moralischen Atmosphäre der Schule, zweitens eine stärkere Identifikation <strong>mit</strong> der Schule, drittens<br />

die nachhaltige Intensivierung des Normaufbaus und der Demokratisierung, und viertens die<br />

Förderung der Entwicklung des sozialen Verstehens, des moralischen Urteilsvermögens und der<br />

| Pädagogische Hochschule Steiermark | Materialbox | Seite 30 von 80 |

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