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zur Lehrerfortbildungsveranstaltung mit Rainer Kalter 24. März 2010 ...

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| Eric Hultsch | Ethik 3 Angewandte Ethik | WS |<br />

Wahl begründet, definiert die Struktur seines Urteilens. Dieses Argumentieren konzentriert sich auf<br />

zehn universelle moralische Werte oder Themen, die für die Akteure in den Dilemmata von Belang<br />

sind. Eine moralische Wahl bedeutet die Entscheidung zwischen zweien (oder mehreren) dieser<br />

Werte, die in der konkreten Wahlsituation konfligieren. Die Stufe (Struktur) des Moralurteils einer<br />

Person definiert erstens, was sie an diesen moralischen Themen . (z. B. Leben, Gesetz) wertvoll<br />

findet, d.h. wie sie den Wert definiert, und zweitens, warum sie ihn wertvoll findet, d.h. welche<br />

Gründe sie dafür gibt, ihn hoch zu bewerten. Um ein Beispiel zu geben, wird das Leben auf der<br />

Stufe 1 relativ zu Macht und Eigentum des fraglichen Akteurs geachtet, auf der Stufe 2 wegen seiner<br />

Nützlichkeit für die Befriedigung der Bedürfnisse anderer (im Falle unserer Dilemma-<br />

Geschichte vor allem der Bedürfnisse des Ehemanns). Der Wert des Lebens wird auf der Stufe 3<br />

an den Beziehungen eines Individuums zu anderen und an deren Wertschätzung für den Betreffenden<br />

festgemacht, auf der Stufe 4 am sozialen oder religiösen Gesetz. Nur auf den Stufen 5 und<br />

6 wird jedes Leben als unabhängig von anderen Überlegungen in sich selbst wertvoll betrachtet.<br />

Moralisches Urteilen und moralisches Handeln<br />

Nach der Klärung der Natur von Stufen des moralischen Urteilens müssen wir die Beziehung zwischen<br />

moralischem Urteil und moralischer Handlung ins Auge fassen. So wie logisches Denken<br />

eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für reifes moralisches Urteil ist, so ist reifes<br />

moralisches Urteil eine notwendige, jedoch noch keine hinreichende Bedingung reifen moralischen<br />

Handelns. Man kann moralischen Prinzipien nicht folgen, wenn man sie nicht versteht (oder nicht<br />

an sie glaubt). Allerdings kann man prinzipienorientiert argumentieren, ohne dann diesen Prinzipien<br />

gemäß zu leben. Beispielsweise fanden Richard Krebs und ich in (31) einer Studie (vgl. Krebs<br />

& Kohlberg 1985),dass nur 15%derjenigen Teilnehmer an einem Test, bei denen sich einiges prinzipiengeleitete<br />

Denken feststellen ließ, betrogen, wenn sich die Gelegenheit dazu bot; bei den<br />

konventionellen und den präkonventionellen Personen dagegen waren es 55% bzw.70%. Immerhin<br />

betrogen auch 15% der prinzipienorientierten Personen. Das weist darauf hin, dass es über<br />

das moralische Urteil hinaus zusätzliche situative oder persönliche Faktoren geben muss, da<strong>mit</strong><br />

prinzipienorientiertes moralisches Denken in "moralische Handlung" übersetzt wird. Als ein wichtiger<br />

Faktor hat sich die individuelle Entschlusskraft oder "Ich-Stärke" bewiesen. In der Untersuchung<br />

von Krebs betrogen etwas mehr als die Hälfte der konventionellen Probanden in einem entsprechenden<br />

Test. Teilte man diese Gruppe nach einem Maß der Aufmerksamkeitsstärke und des<br />

Willens ein, so zeigte sich, dass von den "willensstarken" konventionellen Probanden ganze 26%<br />

betrogen, von den "willensschwachen" jedoch 74%.<br />

Moralpsychologie und Moralphilosophie<br />

Moralpsychologie beschreibt, was moralische Entwicklung ist; sie geht empirisch vor. Moralerziehung<br />

muss auch Moralphilosophie in Betracht ziehen, die bestrebt ist, uns zu sagen, wie moralische<br />

Entwicklung idealerweise sein sollte. Die Psychologie fand eine invariante Sequenz von Stufen<br />

des moralischen Urteilens; <strong>zur</strong> Beantwortung der Frage, ob eine spätere Stufe eine bessere<br />

Stufe ist, muss man sich (auch) an die Moralphilosophie wenden. Die "Stufe" des Alterns und<br />

Sterbens folgt der "Stufe" des Erwachsenenalters, ohne dass dies bedeutete, dass Altern und<br />

Sterben das Bessere sind. Unsere Behauptung, die spätesten, prinzipienorientierten Stufen moralischen<br />

Denkens seien moralisch bessere Stufen, muss sich also auf moralphilosophische Erwägungen<br />

stützen. Die Tradition der Moralphilosophie, auf die wir uns berufen, ist die liberale und<br />

rationale, insbesondere die "formalistische" und "deontologische" Tradition, die von Immanuel Kant<br />

ausgeht und bis John Rawls und Jürgen Habermas reicht. Im Mittelpunkt dieses Denkansatzes<br />

steht die Behauptung, eine angemessene Moral sei prinzipienorientiert, derartige Moralurteile erfolgten<br />

also unter Verwendung universeller Prinzipien, welche auf die ganze Menschheit anwendbar<br />

sind. Prinzipien müssen von Regeln unterschieden werden. Konventionelle Moral beruht auf<br />

Regeln, vor allem Verboten ("Du sollst nicht .. ."), die sich auf bestimmte Handlungsweisen beziehen;<br />

solche Regeln sind z. B. in den Zehn Geboten verkörpert. Prinzipien sind keine Regeln, (32)<br />

vielmehr universelle Leitlinien für moralische Entscheidungen. Ein Beispiel ist Kants Kategorischer<br />

| Pädagogische Hochschule Steiermark | Materialbox | Seite 56 von 80 |

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