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zur Lehrerfortbildungsveranstaltung mit Rainer Kalter 24. März 2010 ...

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| Eric Hultsch | Ethik 3 Angewandte Ethik | WS |<br />

lenken, und sie kann einen Geist der Gemeinschaft haben, der - wie wir sehen werden - in der<br />

Entwicklung einer allgemeinen Übereinstimmung in Bezug auf Fragen des öffentlichen Wohlergehens<br />

sehr wichtig ist.<br />

Seit 1974 habe ich direkt in und <strong>mit</strong> demokratischen Schulen gearbeitet, und zwar gemeinsam <strong>mit</strong><br />

meinen Kollegen Ralph Moshern Brookline (Massachusetts), Judy Codding in Scarsdale (New<br />

York) und Edwin Fenton in Pittsburgh (Pennsylvania). Diese Arbeit begann hauptsächlich <strong>mit</strong> Alternativschulen<br />

(die jeweils Teil von regulären, öffentlichen Schulen waren) in Cambridge, Brookline<br />

und Scarsdale, an kleinen Schulen <strong>mit</strong> 60 bis 100Schülern. Wir gingen davon aus, dass Moralerziehung<br />

am besten in einem Systempartizipatorischer Demokratie vor sich geht: ein Mensch -<br />

eine Stimme, ob Schüler oder Lehrer. Der Vorrang, den wir der Demokratie einräumen, ist zum<br />

Teil philosophisch begründet. In einer demokratischen Schule treten die Lehrer durchaus für bestimmte<br />

Standpunkte ein; sie indoktrinieren oder verkündigen aber nicht Werte auf Grundlage ihrer<br />

Autorität als Lehrer. Ihre Auffassungen setzen sich nur dann durch, wenn sie - was üblicherweise<br />

der Fall ist - die Stimme der höheren Stufen und der Vernunft repräsentieren. Unsere Präferenz für<br />

Demokratie hat auch psychologische Hintergründe. Mit der Idee der sich im demokratischen Prozess<br />

ausdrückenden Fairness eng verbunden ist die Idee der Verantwortlichkeit. Um sich gerecht<br />

zu verhalten, müssen die Schüler nicht nur über Fairness nachdenken, sondern sie müssen verantwortliche<br />

Handlungsschritte in Richtung (40) der Gerechtigkeit unternehmen. Die Verantwortung<br />

dafür Regeln aufzustellen und ihnen Geltung zu verschaffen, bewirkt echte Verantwortlichkeit,<br />

die mehr ist als das Nachvollziehender Blickwinkel von anderen - aber bereits dieser Rollenübernahmeprozeß<br />

ist wesentlich für das Wachstum eines Sinns für Fairness. Wir nennen unseren Ansatz<br />

den Ansatz der "Gerechten Gemeinschaft" (just community),weil er den Akzent nicht nur auf<br />

Demokratie und Fairness legt, sondern auch auf das Gefühl der Fürsorge füreinander und auf den<br />

Sinn dafür, Teil einer Gruppe zu sein, der stolz auf sich sein will - wir sprechen zusammenfassend<br />

von einem Gemeinschaftssinn. Für einen Teil der heutigen Jugendlichen, die so genannte narzisstische<br />

Generation, besteht ein zentrales Anliegen in einem übermäßigen "Privatismus", in Sorge<br />

um das eigene Wohl. Ein Schüler der High School in Scarsdale- einer Regelschule, die der öffentlichen<br />

Alternativschule, in der wir arbeiten, benachbart ist - drückte seine Unzufriedenheit <strong>mit</strong> diesem<br />

weit verbreiteten Privatismus in einem anonymen Brief an die Lokalzeitung aus. Er sagte unter<br />

anderem:<br />

"Das größte Problem von Scarsdale (der Scarsdale High School;d. Hrsg.) ist, dass niemand glücklich<br />

ist. Während man sich da<strong>mit</strong> brüstet, eine großartige Vorbereitungsschule(für akademische<br />

Laufbahnen; d. Hrsg.) zu sein, haben sie eine höllische Atmosphäre erzeugt. ... Im letzten Jahr<br />

haben mehrere Schüler versucht, sich umzubringen, und wenigstens vier (von denen ich<br />

weiß)kamen wegen ihrer Probleme in die Psychiatrie. . . . Die meisten dieser Probleme waren auf<br />

den unerträglichen Druck <strong>zur</strong>ückzuführen. Dieser Druck ist in vielen Facetten der Schule klar ersichtlich.<br />

Es ist nicht zu glauben, was Leute für gute Noten alles tun. Offensichtlich gibt es in<br />

Scarsdale viel Betrug. Ich schätze, dass annähernd 95 Prozent der Schüler schwindeln werden,<br />

wann immer es für sie von Vorteil ist. Diese Gewohnheit ist etwas, was ihnen von der Schulebeigebracht<br />

wird, von dem sie dort ganz und gar nicht abgebracht werden. . . . Das Alkoholproblem<br />

an der Schule lässt das Drogenproblem wie ein Nichts erscheinen. Jeder - und ich meine jeder<br />

(mich eingeschlossen)- trinkt. ... Auch die soziale Struktur der Schule ist destruktiv. Alle in der<br />

Schule sind in Cliquen verteilt; der Maßstab ist meist die äußere Erscheinung, die sportlichen Fähigkeiten<br />

oder einfach eine einzelne Erfahrung in der Vergangenheit des Betreffenden. Ein Brief<br />

wie dieser könnte jemandes Ansehen ruinieren. Jeder in der Schule ist kalt gegenüber Leuten aus<br />

anderen Cliquen, und Beziehungen zu jemand aus einer anderen Clique kannst du vergessen. ...<br />

Hier sorgen sich Schülerum nichts außer sich selbst, und das gilt für fast jeden."<br />

Lassen Sie mich diesem Bild ein Treffen der Schulgemeinschaft der Scarsdale Alternative School<br />

entgegenstellen, dem ich kürzlich beiwohnte. (41) Dort wurde die Frage behandelt, ob man Laurie,<br />

eine Schülerin der zehnten Klasse, die im ersten Jahr auf dieser Schule war, von ihr wieder verweisen<br />

solle oder nicht. Ein solcher Schulverweis hätte die Rückkehr auf die gewöhnliche High<br />

School bedeutet, wo Laurie sehr unglücklich gewesen war und sehr schwache Leistungen gezeigt<br />

hatte. Der Lehrkörper war in einer eigenen Konferenz einmütig zu dem Schluss gekommen, dass<br />

| Pädagogische Hochschule Steiermark | Materialbox | Seite 61 von 80 |

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