28.10.2013 Aufrufe

zur Lehrerfortbildungsveranstaltung mit Rainer Kalter 24. März 2010 ...

zur Lehrerfortbildungsveranstaltung mit Rainer Kalter 24. März 2010 ...

zur Lehrerfortbildungsveranstaltung mit Rainer Kalter 24. März 2010 ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

| Eric Hultsch | Ethik 3 Angewandte Ethik | WS |<br />

Daten <strong>zur</strong> Verfügung, von denen wir annehmen, dass sie einigermaßen zuverlässig sind. Aus diesen<br />

Gegebenheiten versucht er gewisse zukünftige Bewegungen abzuleiten und legt auf diese<br />

Weise einen bestimmten Sinn in die gegebene Lage. Seine Ableitungen sind mehr oder weniger<br />

zweifelhaft und hypothetisch. Aber sie bilden die Grundlage seines Handelns. Er entwickelt ein<br />

Programm, einen Plan seines Vorgehens angesichts dieser gegebenen Sachlage. Die Folgen, die<br />

sich aus seinem so und nicht anders Handeln ergeben, sind eine Probe auf das Exempel, zeigen<br />

den Wert oder Unwert seiner Überlegungen. Was er bereits weiß, kommt <strong>zur</strong> Wirkung in dem, was<br />

er hinzulernt, ist von Wert für dieses Hinzulernen. - Trifft dies aber auch zu im Falle des neutralen<br />

Beobachters, der den Ereignissen denkend folgt, so gut er kann? Allerdings nicht dem Inhalte,<br />

wohl aber der Form nach. Selbstverständlich können seine durch die augenblicklichen Tatsachen<br />

bestimmten Vermutungen über die zukünftige Entwicklung, durch die er in eine Vielheit unzusammenhängender<br />

Angaben Sinn zu bringen versucht, nicht als Grundlage eines Verfahrens dienen,<br />

das in den Krieg eingreifen soll. Aber das ist auch nicht sein Problem. In demselben Grade jedoch,<br />

in dem er den Lauf der Dinge aktiv durchdenkt, nicht bloß passiv hinnimmt, kommen seine Vorausberechnungen<br />

in einer Weise <strong>zur</strong> Geltung, die seiner Lage angepasst ist. Er sieht gewisse zukünftige<br />

Ereignisse voraus und ist gespannt darauf, ob sie eintreten oder nicht. Soweit seine Intelligenz<br />

ins Spiel gezogen wird, ist er aktiv auf der Wacht. Er tut gewisse Schritte, die zwar nicht den<br />

Gang des Feldzuges, wohl aber sein zukünftiges Handeln beeinflussen. Wäre das nicht so, so<br />

hätte sein späteres "Hab' ich's nicht gesagt?" keinerlei Sinn; es würde nicht eine Bestätigung oder<br />

Widerlegung des früher Gedachten sein, sondern lediglich ein zufälliges Zusammentreffen, das<br />

zwar ein gewisses Gefühl der Befriedigung auslöst, das aber viel Selbsttäuschung enthält.<br />

[201] In einer ähnlichen Lage ist ein Astronom, der auf Grund gewisser Gegebenheiten eine zukünftige<br />

Sonnenfinsternis vorausberechnet. Wie groß auch die mathematische Wahrscheinlichkeit<br />

sein mag - die Vorausberechnung bleibt hypothetisch, eben wahrscheinlich. 15 Die Annahme über<br />

Zeit und Ort der vorausgesehenen Finsternis wird als Material benutzt, um das zukünftige Verhalten<br />

zu regeln. Es werden Apparate aufgestellt; vielleicht wird eine Reise zu einem weit entfernten<br />

Punkt auf der Erde unternommen. Jedenfalls: es werden gewisse äußere Schritte getan, die die<br />

äußere Sachlage in irgendwelchen Punkten abändern. Sieht man von solchen Schritten und der<br />

aus ihnen folgenden Umgestaltung der äußeren Lage ab, so kommt der Akt des Denkens nicht<br />

zum Abschluss, sondern bleibt in der Schwebe. Erst das wirkliche, vollendete Wissen beweist,<br />

widerlegt, kontrolliert das Denken und macht es fruchtbar.<br />

Soviel über die allgemeinen Züge der denkenden Erfahrung. Sie sind: 1. Befremdung, Verwirrung,<br />

Zweifel - sie treten auf, weil man in eine unabgeschlossene, ihrem Wesen nach noch nicht völlig<br />

bestimmte Sachlage verwirkt ist; 2. eine versuchsweise Vorausberechnung - eine probeweise Deutung<br />

der gegebenen Elemente, durch die ihnen die Tendenz zu gewissen zukünftigen Folgen zugesprochen<br />

wird; 3. eine sorgfältige Erkundung (Erforschung, Feststellung, Prüfung, Zergliederung)<br />

aller erreichbaren Umstände, die der bestimmten Erfassung und der Klärung des vorliegenden<br />

Problems dient; 4. eine versuchsweise Ausgestaltung der vorläufigen Annahme, durch die sie<br />

bestimmter und in sich geschlossener wird, weil sie nun einer größeren Zahl von Tatsachen Rechnung<br />

trägt; 5. Entwicklung eines Planes für das eigene Handeln auf der Grundlage der so durchgearbeiteten<br />

Annahme, Anwendung dieses Planes auf die gegebene Sachlage, d. h. Handeln in<br />

der Absicht, gewisse Ergebnisse zu erzielen und dadurch die Richtigkeit der Annahme nachzuprüfen.<br />

Es sind der [202] Umfang und die Genauigkeit des dritten und des vierten Schrittes, durch die<br />

sich eine denkende Erfahrung von einer solchen beim Handeln "auf gut Glück" unterscheidet. Diese<br />

beiden Stufen sind es, durch die das Denken selbst zu einer Erfahrung wird. Trotzdem gelangen<br />

wir niemals völlig über das "Gutglückverfahren" hinaus. Auch unsere bis ins äußerste durchgearbeiteten<br />

und in sich widerspruchslosen Gedanken müssen an der Wirklichkeit nachgeprüft und<br />

da<strong>mit</strong> erprobt werden. Und da unser Denken niemals alle Beziehungen in Rechnung stellen kann,<br />

kann es niemals alle Folgen <strong>mit</strong> vollkommener Sicherheit umfassen. Dennoch ist eine denkende<br />

Erforschung der Sachlage so sorgfältig, die Vorausberechnung der Folgen dabei so viel besser<br />

15 Es ist für die Anwendung der Wissenschaft sehr bedeutsam, dass wir in vielen Fällen den Grad der Wahrscheinlichkeit<br />

und den in Frage kommenden wahrscheinlichen Fehler berechnen können; das ändert jedoch<br />

nichts an den wesentlichen Zügen der beschriebenen Sachlage; es verfeinert sie nur.<br />

| Pädagogische Hochschule Steiermark | Materialbox | Seite 79 von 80 |

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!