Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Roller</strong> <strong>durch</strong> <strong>Südwesteuropa</strong> 10<br />
Die riesige, hohe, geschwungene Brücke vom Festland her ist kostenpflichtig, aber mit drei Euro bescheiden. Ich<br />
fahre erst zur Abbaye Notre Dame des Chateliers, die im 100jährigen Krieg zerstört wurde. Dann schaue ich mir<br />
das (leider geschlossene) Fort La Prée an, das teilweise mit den Steinen des Klosters gebaut worden ist. Ich fahre<br />
weiter nach La Flotte, das sich das schönste Dorf der Welt nennt, was masslos übertrieben sein dürfte. Das<br />
nächste Dorf heisst Saint Martin de Ré. Es ist ein wirkliches Bijou. Der Dorfkern befindet sich auf einer mit<br />
Brücken verbundenen Insel in der <strong>Mit</strong>te eines malerischen Fischerhafens. Jetzt fahre ich zügig weiter bis zur<br />
Phare des Baleines, <strong>dem</strong> Walfisch-Leuchtturm. Gegen einen kleinen Obolus lässt sich dieser Leuchtturm besteigen,<br />
was allerdings viele Greise und kleine Kinder auch versuchen, was zu erheblichen Staus auf der schmalen<br />
Treppe führt. Die Aussicht ist nicht überragend, denn dieser Teil der Insel wird von Wasserfeldern, möglicherweise<br />
zur Muschelzucht dominiert. Ich fahre zurück nach La Rochelle, wo mein Navi grösste Schwierigkeiten<br />
bekundet und völlig sprunghaft wird. Trotz<strong>dem</strong> finde ich die Jugendherberge – mit einer Karte wäre das aber viel<br />
rascher gegangen. Ich deponiere meine Sachen und gehe gleich wieder in die Stadt. Diese ist rund eine halbe<br />
Stunde Fussweg entfernt, weil man um die Hafenbecken herumgehen muss. Es findet gerade eine Regatta statt,<br />
die Segelboote sind am Auslaufen. Die Türme Tour de la Lanterne, Tour de la Chaîne und Tour Saint-Nicolas<br />
sind vom Abendlicht beleuchtet. Es hat eine unglaubliche Menge von Touristen in der Stadt, Horden davon wälzen<br />
sich über die Trottoirs. Ich laufe bis zum Tour de la Lanterne und wieder zurück. Dann warte ich auf die<br />
(batteriebetriebene) Fähre nach Les Minimes. Die Fahrt dauert allerdings wesentlich länger als der Fussweg,<br />
zeitlich ist damit also nichts gewonnen. In der Jugendherberge sieht der Koch, dass ich das Tablett wieder zurücklege,<br />
als ich nur Teigwaren sehe und macht mir spontan einen grossen Teller Gemüse mit Eiern und Käse.<br />
Um 22 Uhr wird die Cafeteria zur Disco umgebaut und ich muss mit <strong>dem</strong> PC fliehen. Als ich an der Rezeption<br />
nach einem geeigneten Ort frage, wird mir aber sofort der Schlüssel vom Sitzungszimmer gegeben. Heute habe<br />
ich die 3000 Kilometer fast voll und somit bereits 1000 Kilometer mehr gemacht als budgetiert. Der hintere Reifen<br />
sieht grässlich aus, er schmilzt wie Eis an der Sonne. Ich hoffe nur, dass der wirklich 6000 macht, so richtig<br />
danach aussehen tut es nicht.<br />
20.07.12 La Rochelle Eigenartige Gestalten hängen beim Frühstück im Frühstückssaal rum, sind es Drogensüchtige<br />
oder Alkoholiker, die sich hier mangels Kontrolle ein Gratis-Frühstück holen? Einer haut mich um fünf Euro<br />
an, ein anderer verlangt ultimativ und drohend „den Schlüssel“. Da passe ich gut auf mein Gepäck auf, denn ich<br />
muss heute das Zimmer wechseln und die Rezeption ist noch geschlossen. In einem Mal kann ich das Gepäck<br />
nicht heruntertragen. Glücklicherweise kommt trotz<strong>dem</strong> nichts abhanden. Der Himmel ist grau und es hat Nebel.<br />
Es regnet. Ich laufe zur Place du Marché und sehe mir den alten Markt an, der diesen Morgen sehr belebt ist. Es<br />
werden vor allem frische Fische, Muscheln und Crevetten angeboten. Trotz <strong>dem</strong> Regen laufe ich zum Chemin<br />
des Remparts (<strong>dem</strong> Fusspfad entlang der alten Stadtmauer, von der nur noch der Graben vorhanden ist). Ich<br />
schaue mir die Kathedrale St. Louis an, die um 1700 im romanischen Stil gebaut wurde, um der Gegenreformation<br />
Ausdruck zu geben. Da es immer stärker regnet, gehe ich ins Musée Maritime, das im Wesentlichen aus der<br />
France II besteht, einem ehemaligen Schiff für meteorologische Beobachtungen, das wegen der unterdessen geänderten<br />
Art der Datenerfassung ausser Dienst genommen wurde. Das Schiff ist dieselelektrisch angetrieben,<br />
was <strong>durch</strong>aus eigenartig ist. Ich nehme an der rund zweistündigen Führung teil. Ich laufe noch ein wenig in der<br />
Stadt herum und besuche die Kirche St. Saveur, die ebenfalls rund um 1700 gebaut wurde. Dann versuche ich in<br />
der Mediathek ans Internet zu kommen, doch es sind äusserst zeitraubende Anmeldeprozeduren nötig, die rund<br />
zwei Stunden in Anspruch nehmen würden. Ich verzichte dankend. Ich kehre zurück in die Jugendherberge, mache<br />
den Zimmerwechsel und kriege wegen meines frühen Eincheckens ein unteres Bett – ein Segen für meine<br />
Knie. Laufe zum ziemlich weit entfernten Carrefour. Dabei stelle ich fest, dass meine Schuhsohlen bereits<br />
<strong>durch</strong>gelaufen sind. Kaufe ein feudales Abendessen: Riesencrevetten, Muscheln und Coleslaw sowie ein 2.5dl<br />
Fläschchen Wein. Als ich es in der Jugendherberge verzehre, werde ich darauf hingewiesen, dass hier kein Wein<br />
konsumiert werden darf (obwohl er an der Bar verkauft wird) und nehme das dankend zur Kenntnis, denn ich<br />
habe den Inhalt der winzigen Flasche eh schon fast fertig getrunken. La Rochelle ist eine echte Touristenstadt,<br />
wo es eigentlich ausser den drei Türmen wenig zu sehen gibt, aber sie ist ganz hübsch. Im Moment sind alle<br />
Strassen gespickt mit Ausverkaufsständen und die Leute kaufen wie verrückt, obwohl es auch so noch teuer ist.<br />
Auch hier sind Strassen und Trottoirs voller Hundedreck, obwohl überall Dispenser für Beutel aufgestellt sind.<br />
21.07.12 La Rochelle-Blanquefort Der Zimmerkollege im Bett über mir ist gestern um <strong>Mit</strong>ternacht unter Getöse<br />
und Licht anmachen angekommen und schon um halb sechs steht er wieder auf, um mit noch mehr Lärm alle im<br />
Schlafsaal aufzuwecken. So bin ich schon sehr früh wach und mache mich zur Abfahrt bereit. Es kündigt sich ein<br />
schöner, sonniger Tag an. Ich fahre Richtung Ile d’Oléron. Es dauert länger, als ich mir das vorstelle. Das Passieren<br />
der Brücke ist kostenlos. Ich fahre nach Château d’Oléron, wo ich mir die Festung anschaue, die im zweiten<br />
Weltkrieg bombardiert und fast vollständig zerstört wurde, weil sich die Deutschen drin verschanzt hatten. Dann<br />
fahre ich nach Boyardville und will mir das Fort Boyard ansehen, aber es wirkt enorm weit entfernt und ich finde<br />
keine Möglichkeit, näher daran heranzufahren. Ich fahre zurück; unterdessen ist die Brücke fast nicht mehr passierbar,<br />
ein riesiger Stau. Endlich bin ich drüber und fahre zum Fort Louvois, einer weiteren vom Meer umgebenen<br />
Festung, die um 1700 zum Schutz vor den Engländern erbaut wurde. Das Fort besteht aus einem Turm und<br />
einem hufeisenförmigen Hof mit Truppenunterkünften und Kanonen. Um 11 Uhr findet eine Führung statt. Danach<br />
fahre ich weiter Richtung Royan; auf <strong>dem</strong> Weg schnappe ich mir rasch einen Salat im Supermarkt. In Roy-