Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Roller</strong> <strong>durch</strong> <strong>Südwesteuropa</strong> 38<br />
biet und sehe links und rechts der Strasse Zigeuner und Sans-Papiers in Zelten hausen. Ich finde die Jugendherberge<br />
Chateau Bois-Luzy rasch. Sie ist sehr weit ausserhalb der Stadt gelegen. Glücklicherweise ist noch jemand<br />
da, so dass ich noch einchecken kann. Ich will mit der U-Bahn in die Stadt fahren, doch die Jugendherberge ist<br />
so weit draussen, dass sie nicht mehr auf der Karte ist. So frage ich erst den Abwart in der Jugendherberge, dessen<br />
sehr kurze Erklärung sich als völlig falsch erweisen sollte. Ich frage dann eine Passantin, die ebenfalls eine<br />
missverständliche Erklärung abgibt. Als ich wieder völlig am falschen Ort lande, erklärt mir jemand, wo ich die<br />
U-Bahn-Station finde. Ich fahre ins Zentrum, wo ich direkt bei der Touristeninformation herauskomme. Dort<br />
erhalte ich Informationen über die Sehenswürdigkeiten. Der Mistral bläst so stark, dass die Passanten mit Abfall<br />
(aus den unsäglich falsch konstruierten Abfalleimern) und Hundekegeln bombardiert werden. Vorab besuche im<br />
gegenüber gelegenen neoklassizistischen Palais de la Bourse (1860) das Musée de la Marine, dessen Eintritt frei<br />
ist und das eine Vielzahl sehr schöner Schiffsmodelle, leider ohne technische Angaben, hat. Im Empfangsraum<br />
steht auch ein Turcat-Mery Torpedo, der 1927 in Marseille gebaut wurde. Ich absolviere den historischen Stadtumgang.<br />
Im Quartier Le Panier besuche ich die Vieille Charité, die heute einen Museumskomplex beherbergt.<br />
Dann laufe ich zur Cathédrale de la Major, die 1852-1893 erbaut wurde. Der Styl ist neo-romanischbyzantinisch;<br />
die Handwerksarbeit ist von herausragender Qualität. Allerdings hatte dies zur Folge, dass die Kosten<br />
mehrmals überschritten wurden, bis der Bau unfertig abgebrochen wurde. Die Hafenanlagen unterhalb der<br />
Kathedrale wie auch das Fort Saint-Jean sind im Umbau, so dass ein Betreten nicht möglich ist. Hier wird irgendwas<br />
Gigantisches hingeklotzt. Ich mogle mich <strong>durch</strong> die Baustellen hin<strong>durch</strong> bis auf die andere Seite des<br />
Vieux Ports, wo ich via die Place aux Huiles erst zur geschlossenen Abbaye-St-Victor, die eher einer Burg<br />
gleicht, laufe, dann zur vom gleichen Architekten wie die Kathedrale und im gleichen Stil erbauten Notre Dame<br />
de la Garde, die auf einem Felsen und der darauf erbauten antiken Festung hoch über der Stadt thront. Die ganze<br />
Kirche ist voller Votivtafeln, zum Teil auch Ölbilder mit Darstellungen der Gefahrensituation, aus der die Menschen<br />
gerettet worden sein wollen. In der Krypta hat es noch mehr Votivtafeln sowie einen ganzen Raum um<br />
Kerzen anzuzünden. Auch auf der Terrasse der Kirche hat es Votivtafeln. Der Mistral bläst jetzt so stark, dass<br />
man sich am Geländer festhalten muss, wenn man nicht weggeblasen werden will. Beim Zurücklaufen zur U-<br />
Bahn-Station Castellane besuche ich noch schnell die Synagoge (1864), die allerdings nicht öffentlich zugänglich<br />
ist. Auf <strong>dem</strong> Heimweg kaufe ich im Supermarkt mein Abendessen. Als ich feststelle, dass mir wieder einmal<br />
53 Cents mehr als der angeschriebene Preis verrechnet wurde, reklamiere ich. Ich habe nun die Genugtuung,<br />
dass ich mit meinen 53 Cents den ganzen Supermarkt für 15 Minuten lahmlegen kann, denn die eh schon überlastete<br />
Kassiererin muss der Rayonchefin telefonieren, diese muss nachschauen gehen, dann zurücktelefonieren,<br />
dann muss die Kassiererin das Kassieren unterbrechen und mir 53 Cents auszahlen. Ich hoffe nur, dass sie damit<br />
etwas gelernt haben – die angeschriebenen Preise stimmen fast nie.<br />
20.09.12 Marseille Ich fahre am Morgen mit <strong>dem</strong> Scooter zur Cité Radieuse von Le Corbusier, auf allen Websites<br />
als Prime Sight bezeichnet. Es handelt sich um einen Wohnblock, der von seinem äusseren her nur <strong>durch</strong> seine<br />
ovalen Stützen, auf denen er steht, auffällt. Es ist möglich, den dritten Stock und die Terrasse zu besuchen.<br />
Dies mache ich: Im dritten Stock hat es ein Hotel, dessen Restaurant und eine Bäckerei, während die übrigen<br />
Geschäfte offenbar eingegangen sind. Die Terrasse ist in einem schlechten Zustand; man sieht, dass das Gebäude<br />
innendrin kaum noch gewartet wird. Die Kamine haben etwas von Gaudí. Ich fahre zurück zum Hostel; dabei<br />
verpasse ich eine Abzweigung (das Navi sagt, links einspuren, doch bei drei Spuren, welche?) und muss fünf<br />
Kilometer auf der Autobahn fahren, bis ich wieder eine Ausfahrt finde. <strong>Mit</strong> der Metro fahre ich in die Stadt, wo<br />
ich erst zur falschen Schifffahrtsgesellschaft laufe, denn das Quay ist <strong>durch</strong> die Bauarbeiten völlig abgesperrt<br />
und ich habe nur den Pfeil gesehen, der zu dieser Gesellschaft weist. Ich muss alles <strong>durch</strong> die unmöglichen<br />
Abschrankungen zurücklaufen und finde nun die richtige Gesellschaft, die mich zur Ile d’If und zur Ile Frioul<br />
bringt. Die Fahrt dauert rund eine halbe Stunde. Auf der Île d’If besichtige ich das Chateau d’If, auf <strong>dem</strong> Alexandre<br />
Dumas seine Romanfigur Edmond Dantès einsperrt und einen Tunnel zu seinem <strong>Mit</strong>gefangenen Abbé Faria<br />
graben lässt. Die beiden Zellen gibt es wirklich und man kann sie besichtigen. Selbst der Tunnel wurde – der<br />
Touristen zuliebe – gegraben. Ich habe dort eine Krise, weil die Grippe mich voll im Griff hat. Deshalb trinke ich<br />
extrem viel Wasser. <strong>Mit</strong> <strong>dem</strong> Boot fahre ich zur Nachbarinsel Île Ratonneau, einer der beiden Inseln des Archipels<br />
du Frioul. Auf den Inseln gibt es nur ganz wenige Motorfahrzeuge, was sehr angenehm ist. Ich laufe die<br />
Insel bis zum nördlichsten Punkt ab und besuche die verschiedenen Befestigungsanlagen, die auf der Insel angelegt<br />
wurden und 1944 von den Alliierten zerstört wurden. Dann laufe ich zurück zum Digue de Berry, der Verbindung<br />
zwischen den beiden Inseln Ratonneau und Pomègues, laufe zur Insel Pomègues, die ich bis zum südlichen<br />
Ende ablaufe. Es hat mehrere Festungen, die bis auf die südlichste immer noch alle als militärisches Territorium<br />
gelten. Das Wetter ist fantastisch. Ich muss mich beeilen, dass ich es zurück schaffe, bevor das 17:30 Uhr<br />
Schiff abfährt. <strong>Mit</strong> der U-Bahn fahre ich zurück zur Jugendherberge, wo ich feststellen muss, dass mein gestriges<br />
Nachtessen, dessen Reste ich in den Kühlschrank stellte, nicht mehr dort ist. So muss ich nochmals zum 2.5 km<br />
entfernten Supermarkt laufen, um etwas für das Nachtessen zu kaufen. Es geht mir nicht gut. Ich gehe früh ins<br />
Bett.<br />
21.09.12 Marseille Die Küche ist geschlossen, als ich ein Glas Wasser für meine Vitamintablette holen will. Jemand<br />
habe nicht abgewaschen. Effektiv ist eine Pfanne liegengeblieben, und zu meiner Schande muss ich gestehen,<br />
dass ich es war. Als ich am Vorabend abwusch, merkte ich nicht, dass ich eine andere Pfanne, als die, die ich