Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
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<strong>Mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Roller</strong> <strong>durch</strong> <strong>Südwesteuropa</strong> 11<br />
an suche in lange nach einer Tankstelle. Dann fahre ich zur Fähre, wo eine kilometerlange Kolonne von Autos<br />
wartet. Ich fahre erst vor, bis die Strasse zu eng dafür wird. Dann stelle ich den Motor ab und schiebe den Scooter<br />
auf <strong>dem</strong> Trottoir bis zum Schalter. Problemlos kriege ich das Billet. Als ich beim Verladen sehe, dass ich zu<br />
weit hinten stehe – ich muss ja vor den Autos rein – stosse ich den Scooter auf <strong>dem</strong> Veloweg bis zur Fähre. So<br />
erwische ich die Fähre problemlos. Auf der anderen Seite ist die Gironde, wo man eine Zeitlang nur Viehhaltung<br />
sieht. Danach kommt das Médoc, alles Weinreben. Alle paar hundert Meter steht ein „Château“, manchmal muss<br />
ein etwas aufgemotztes Landhaus dafür herhalten. Beim eindrücklichen Château Lafon-Rochet halte ich an und<br />
nehme an einer Führung teil. Der Wein wird völlig anders wie ich mir es gewohnt bin gemacht: Erst werden die<br />
Beeren sorgfältig von allen anderen Bestandteilen wie Ästen und Blättern befreit. Danach wird der Wein ohne<br />
die Schalen in Chromstahlbehältern angegoren und erst dann die rote Farbe <strong>durch</strong> ein Umpumpen <strong>durch</strong> die<br />
Schalen erreicht. Der Wein wird in Eichenfässern ausgebaut und dann verschnitten. Deshalb werden keine Traubensorten<br />
auf den Flaschen angegeben. Ich fahre weiter, besuche noch Château Laffite Rothschild, das aber geschlossen<br />
ist, und einige weitere Châteaus, die eindrücklich sind, aber wohl nur wegen <strong>dem</strong> Abbild auf <strong>dem</strong> Flaschetikett<br />
gebaut wurden. In einem Supermarkt kaufe ich noch etwas zum Abendessen, dann fahre ich nach<br />
Blanquefort, wo ich in der Jugendherberge, die eigentlich ein verlottertes Motel ist, einchecke.<br />
22.07.12 Blanquefort/Bordeaux Die Jugendherberge ist kaum belegt, ich war der einzige in meinem Zimmer.<br />
Somit wurde ich nachts nicht gestört und hatte einen guten Schlaf. Nach <strong>dem</strong> Frühstück suche ich den lokalen<br />
Supermarkt, der am Sonntag offen sein soll, finde ihn nicht und fahre ein Dorf weiter zu E. Leclerc, von <strong>dem</strong> ich<br />
weiss, dass er heute ganz sicher offen ist. Ich kaufe ein paar einfache Sachen, die keine Kühlung brauchen, für<br />
das heutige Nachtessen, denn ich habe hier keine Gästeküche und es gibt keine Verpflegungsmöglichkeiten. Ich<br />
fahre in die Jugendherberge zurück, lade das Eingekaufte ab und fahre Richtung Stadtzentrum. Irgendwo kommt<br />
eine T-Kreuzung und keine weiteren Schilder, da muss ich das Navi einschalten. Dieses führt mich mit den üblichen<br />
Umwegen zum Touristenbüro, das tatsächlich offen ist und wo ich eine Karte erhalte. Den Scooter lasse ich<br />
gleich dort stehen und gehe zu Fuss auf Erkundungstour. Es ist schönstes Wetter und die Sonne scheint. Ich besuche<br />
den Place de la Bourse, wo Wassersprüher eine riesige spiegelnde Pfütze (Miroir d’Eau) vor den Gebäuden<br />
schaffen. Dann zur Place Parlement, zur geschlossenen Kirche St. Pierre. Zur Kathedrale und <strong>dem</strong> Tour Pey-<br />
Berland, <strong>dem</strong> zugehörigen Kirchturm, der wegen des schlechten Baugrunds einige Meter davon entfernt gebaut<br />
wurde. In der Kathedrale findet gerade ein Gottesdienst statt, deshalb ist keine Besichtigung möglich. Im Jardin<br />
Public setze ich mich hin und schaue den jungen Enten zu. Am Ufer der Garonne hat es eine eigenartige Ausstellung<br />
in einer aufblasbaren Halle, „50’000 nouvelles manières d’habiter la métropole“. Was die Ausstellung wirklich<br />
will, bleibt völlig unklar; sie braucht wohl Fördergelder auf. Weiter oben hat es einen Markt mit allen möglichen<br />
verlockenden Süssigkeiten (insbesondere les Cannelés, eine hiesige Spezialität) und sündhaft teuren Käsesorten<br />
in allen möglichen Formen und Geschmacksrichtungen. Ich laufe entlang <strong>dem</strong> „Quay des Marques“, den<br />
ehemaligen Lagerhäusern, die jetzt Schickimicki-Läden für Markenwaren sind. Eine riesige, hebbare Brücke<br />
über die Garonne ist bereits fast vollendet, es fehlt nur noch das <strong>Mit</strong>telstück. Ich laufe <strong>durch</strong> das Chartrons-<br />
Quartier (das Weinhändlerquartier) zurück und besuche das Musée du Vin, das eher enttäuschend ist. Ich besuche<br />
die Eglise Saint-Louis de Chartrons, die jedoch neueren Datums ist. Ich besuche nochmals die Cathédrale St.<br />
André, die jetzt für Besucher offen ist. Ich werde regelrecht bestürmt, doch von der Gratis-Führung Gebrauch zu<br />
machen. Eine junge Deutsche erklärt mir, dass die einschiffige Kirche um 1100 im romanischen Stil gebaut wurde,<br />
danach aber in der Gotik massiv erhöht und schlussendlich wegen statischer Probleme mit den üblichen gotischen<br />
Seitenstreben versehen wurde. Ich laufe noch etwas <strong>durch</strong> die Stadt und sehe mir im Musée des beaux-arts<br />
die wenigen Exponate der permanenten Ausstellung an, die noch zugänglich sind, ein paar Exponate sind als<br />
Raubkunst bezeichnet, sie wurden in der Nazizeit enteignet und warten jetzt darauf, dass sie ihren damaligen<br />
Besitzern wieder zugeordnet werden können. Ich laufe zur Place Gambetta. Als ich sehe, dass die Eingangsseite<br />
der Kathedrale jetzt etwas Sonnenlicht erhält, laufe ich schnell hin, um noch ein Foto zu machen, obwohl das ein<br />
gewaltiger Umweg ist. Dann laufe ich zum Scooter zurück und fahre Richtung Blanquefort. Nach etwas Suchen<br />
finde ich das Palais Gallien, das eigentlich die Überreste der römischen Arena darstellt. Sie dürfte fast so gross<br />
wie das Kolosseum gewesen sein. Ein weiteres Mal halte ich beim Parc Bordelaise, der etwas verlottert und verwildert<br />
wirkt; ein Gebäude ist gar zusammengestürzt und wurde nur abgesperrt. Beim Eingang steht ein Haus,<br />
das wie mit der Laubsäge gebaut wirkt und noch bewohnt wird.<br />
23.07.12 Bordeaux Ich stelle fest, dass schon fast alle meine sauberen T-Shirts schon wieder aufgebraucht sind,<br />
so will ich waschen. Im Zimmer geht das nicht, es hat keinen Stöpsel für das Lavabo. So frage ich unten nach<br />
und es wird mir sofort angeboten, die Sachen in der Waschmaschine zu waschen. Schon bald ist der Waschgang<br />
fertig und hänge die Sachen – mangels anderer Alternativen – auf den Maschendrahtzaun der danebenliegenden<br />
Weinkellerei. Dann fahre ich in die Stadt und stelle den Scooter am Cours Victor Hugo gegenüber <strong>dem</strong> Parkhaus<br />
ab. Ein lustiges Detail: Es wurde gemacht, als ob ein alter Jaguar die Seite des Parkhauses <strong>durch</strong>brochen hätte<br />
und nun halb in der Luft hängen würde – natürlich ist er befestigt. Ich laufe an der „La grosse Cloche“ (ein<br />
Stadttor mit Glocke und Uhr) und der Kirche St. Michel (mit separatem Glockenturm) vorbei Richtung Garonne,<br />
wo gerade ein grosser Markt stattfindet. Ich kaufe etwas Nähfaden, um den Schirm, den es mir in Cherbourg<br />
zerrissen hat, zu flicken. An dieser Stelle stellen die Trams von Ober- auf Unterleitung um, denn um die als<br />
UNESCO Weltkulturerbe geschützte Altstadt nicht mit hässlichen Leitungen versehen zu müssen, wurde ein