Mit dem Roller durch Südwesteuropa - Lenel
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<strong>Mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Roller</strong> <strong>durch</strong> <strong>Südwesteuropa</strong> 37<br />
aussen her sinnvoll besichtigt werden kann. Danach erklimme ich den Rocher des Doms, ein Felsen hoch über<br />
der Brücke, auf <strong>dem</strong> eine Gartenanlage angelegt wurde. Dann besuche ich die Cathedrale Notre Dame des Doms,<br />
die wiederum dunkel und wenig ausgebaut erscheint. Dann besuche ich das Palais des Papes, ein riesiger Palast<br />
aus der Zeit, als die Päpste in Avignon residierten, mit grossen Repräsentationssälen, Türmen und heute teilweise<br />
nicht mehr existierenden Verteidigungsanlagen. Danach erkunde ich die Altstadt: La Place de l’Horloge, von dort<br />
aus laufe ich die autofreien Strassen der Innenstadt ab. Ich finde die Synagoge, die leider 1845 abgebrannt und<br />
im gleichen Jahr neu aufgebaut wurde. Beim Zurücklaufen stechen mir noch das Palais du Roure und die Eglise<br />
St. Agricole ins Auge, die ich beide besuche. Bei der Rückfahrt nach Nîmes halte ich noch bei einem grossen<br />
Supermarkt, der aber brutal teuer ist. Während ich das Tagebuch schreibe, nervt der Belgier neben mir am Tisch,<br />
der über Skype irgend eine ganz üble Sache mit zwei Marokkanern einfädelt; er soll die Schwester des einen<br />
heiraten; danach skypt er mit dieser Frau, die völlig verschleiert ist und kaum französisch versteht, sagt ständig<br />
in Pidgin-Französisch „ich werde Dir ein Baby machen“; „du bist schön“ (was angesichts des Schleiers unmöglich<br />
beurteilt werden kann), „wir werden viel lachen“. Ich glaube nicht, dass die beiden zusammen je etwas zu<br />
lachen haben werden.<br />
18.09.12 Nîmes (Arles) Ich fahre von Nîmes nach Arles. Der Verkehr ist flüssig und die Strecke gut ausgeschildert.<br />
In kurzer Zeit bin ich in Arles, wo ich den Scooter im Stadtzentrum abstelle. In wenigen Schritten bin ich<br />
beim römischen Theater, das noch geschlossen ist, und beim Amphitheater, das ich besuche. Es ist weit weniger<br />
gut erhalten als dasjenige in Nîmes; auf einer Seite sind alle Ränge abgetragen worden und die oberen Ränge<br />
fehlen fast überall. Auch dieses Amphitheater wurde im <strong>Mit</strong>telalter als Festung verwendet, wobei eine ganze<br />
Stadt innendrin entstand und Wehrtürme gebaut wurden, von denen einer noch steht. Es muss eine äusserst gefährliche<br />
Zeit gewesen sein. Ich laufe dann zu den Thermes de Constantin, die äusserst schlecht erhalten sind;<br />
jahrelang war das ganze Gelände überbaut und was jetzt noch da ist, sind nur die Überreste und ein paar Mauern.<br />
Es sind aber noch einige Hypokausten ersichtlich. Die waren ganz aus Ziegelsteinen aufgebaut; kein Wunder,<br />
dass im <strong>Mit</strong>telalter alle römischen Böden systematisch <strong>durch</strong>löchert wurden auf der Suche nach Ziegelsteinen.<br />
Ich laufe nun zum Hotel de Ville mit seiner eindrücklichen romanischen Halle, <strong>durch</strong> dieses hin<strong>durch</strong> und zur<br />
Cathédrale Saint-Trophime, die ich besuche. Innen ist die Kirche weitgehend romanisch, mit einigen gotischen<br />
Erweiterungen. Wieder einmal mehr ist die Kirche dunkel, die Decken unverputzt und die Ausstattung recht einfach.<br />
An zwei Orten wurden römische Sarkophage aus <strong>dem</strong> vierten und fünften Jahrhundert zu Altären umgearbeitet.<br />
Ich besuche nun das inzwischen geöffnete Théatre Antique (das halbkreisförmige). Auch hier war das<br />
Gelände hunderte von Jahren überbaut gewesen, weshalb nicht sehr viel Originalsubstanz erhalten geblieben ist.<br />
Insbesondere die höheren Ränge fehlen vollständig. Es war gewaltig und bot 10'000 Personen Platz. Ich besuche<br />
noch die Kunstaustellung in der Chapelle Saint-Anne; jedoch gefallen mir die ausgestellten Bilder von Jean-<br />
Pierre Petit gar nicht. Ich besuche das Cloitre de Saint-Trophime, das heisst der Kreuzgang und die Säle des der<br />
Kathedrale zugehörigen Klosters. Es ist gerade in der Renovation. Eine Sammlung von im 17. Jahrhundert in<br />
Felletin hergestellten Teppichen (gewissermassen in Konkurrenz zu Flamen) in erstklassigem Zustand ist ausgestellt.<br />
Der Kapitelsaal im oberen Stock glänzt <strong>durch</strong> seine hellen Sandsteine. Nun ist <strong>Mit</strong>tagszeit und alle Sehenswürdigkeiten<br />
sind geschlossen. Ich laufe <strong>durch</strong> das schmucke Städtchen, besuche den Espace Van Gogh im<br />
Ancien Hotel-Dieu (1573), wo der Maler Van Gogh zweimal gepflegt wurde. In einem Supermarkt kaufe ich mir<br />
etwas zum Essen, das ich bei den Thermes de Constantin auf der Ufermauer der Rhone verzehre. Nun ist es zwei<br />
Uhr und die Cryptoportiques öffnen wieder. Ein gewaltiges unterirdisches Arkaden- und Gangwerk trug das<br />
römische Forum und hat auch heute noch seine Funktion erhalten. Die letzte Station ist – weil das Musée Arles<br />
Antique geschlossen ist – das Musée Réattu, das im alten Hospiz der Malteserritter untergebracht ist. Moderne<br />
Kunst verschiedener Qualität wird recht raffiniert und mit sehr guten Erläuterungen ausgestellt. Besonders beeindruckt<br />
die qualitativ sehr hochwertige Sammlung von Picasso-Zeichnungen. Viele Kleider von Christian Lacroix,<br />
aber auch solche, die von Picasso entworfen wurden, sind ausgestellt. Die Fotoausstellung von Christian<br />
Milovanoff ist meines Erachtens trivial und nicht künstlerisch. Nun eile ich zurück zum Scooter und muss wegen<br />
der Einbahnstrassen <strong>durch</strong> die gesamte Altstadt fahren, um wieder herauszufinden. Wegen einem überwachsenen<br />
Verkehrsschild fahre ich noch in die falsche Richtung auf die Stadtumfahrung und muss nach einem Kilometer<br />
die Ausfahrt nehmen und umkehren. Dann geht es zügig zurück nach Nîmes, wo ich noch ein paar Fotos vom<br />
Maison Carrée mache. Es geht mir nach wie vor übel.<br />
19.09.12 Nîmes-Marseille Ich fahre früh ab. Dank meiner beiden Ausflüge kenne ich nun die Strecke <strong>durch</strong> die<br />
endlosen Baustellen und Absperrungen in Nîmes und finde die Ausfallstrasse nach Arles sofort. Als ich beim<br />
Carrefour auftanke, kann mir die Kassiererin auf 50 Euro nicht herausgeben. Sie hat nämlich keinen Kassenstock!<br />
Ich muss deshalb warten, bis genug Autos bezahlt haben, damit sie mir das Wechselgeld geben kann. Ich<br />
fahre weiter auf der schmalen, äusserst stark befahrenen Strecke. Ein Lastwagen überholt mich und spurt wieder<br />
ein, ohne auf mich zu achten, so dass ich von der Fahrbahn abgedrängt werde. Glücklicherweise hat die Strasse<br />
hier einen fahrbaren Rand. Der hinter ihm fahrende Lastwagen muss dies gesehen haben; trotz<strong>dem</strong> macht er genau<br />
dasselbe, wohl nur zum Spass. Ich hupe und schüttle die Fäuste. Der Witz ist, dass ich beim nächsten Rotlicht<br />
wieder überholen kann, so dass sie mit diesem äusserst gefährlichen Manöver gar nichts gewonnen haben.<br />
Ich fahre <strong>durch</strong> die immer industrieller werdende Landschaft. Es hat Schwer- und Petroindustrie. Kurz vor Marseille<br />
muss ich ein kurzes Stück auf die Autobahn. An einem Ort biege ich zu früh ab, komme in ein Industriege-