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Lebensqualität und Lebensbegleitendes Lernen im dritten Lebensalter

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Peter Helmut Ewald Mödritscher<br />

<strong>Lebensqualität</strong> <strong>und</strong> <strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> <strong>im</strong> <strong>dritten</strong><br />

<strong>Lebensalter</strong> –<br />

Unter besonderer Berücksichtigung des Katholischen Bildungswerkes<br />

Kärnten mit dem Angebot „Mitten <strong>im</strong> Leben – auch <strong>im</strong> Alter lebendig <strong>und</strong><br />

selbstbest<strong>im</strong>mt“<br />

DIPLOMARBEIT<br />

zur Erlangung des akademischen Grades<br />

Magister der Philosophie<br />

Studium: Pädagogik<br />

(Studienzweig: Erwachsenen- <strong>und</strong> Berufsbildung)<br />

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt<br />

Fakultät für Kulturwissenschaften<br />

Begutachterin: Univ.-Prof. Mag. Dr. Elke Gruber<br />

Institut für Erziehungswissenschaft <strong>und</strong> Bildungsforschung<br />

Juli 2011


Ehrenwörtliche Erklärung<br />

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit<br />

selbstständig angefertigt <strong>und</strong> die mir ihr unmittelbar verb<strong>und</strong>enen Tätigkeiten<br />

selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die<br />

angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten oder<br />

dem Internet <strong>im</strong> Wortlaut oder <strong>im</strong> wesentlichen Inhalt übernommenen<br />

Formulierungen <strong>und</strong> Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche<br />

Arbeiten zitiert <strong>und</strong> durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben<br />

gekennzeichnet.<br />

Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich<br />

signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.<br />

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt<br />

worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter <strong>und</strong> elektronischer Form abgegeben. Ich<br />

bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten<br />

Version übereinst<strong>im</strong>mt.<br />

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.<br />

Peter Helmut Ewald Mödritscher Gonowetz, 18. Juli 2011


Danksagung<br />

Diese Seite gebührt den Personen, die mich einerseits bei meinem Studium,<br />

andererseits bei der Be- <strong>und</strong> Erarbeitung der vorliegenden Diplomarbeit<br />

unterstützt <strong>und</strong> gefördert haben.<br />

Zuallererst möchte ich da meinen Eltern danken, die mich in vielerlei Hinsicht<br />

„ausgehalten“ haben – da vor allem auch meiner Mutter, die aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

beruflichen Tätigkeit <strong>und</strong> Berufung in theoretischer wie praktischer Hinsicht <strong>im</strong>mer<br />

wieder inspirierende Akzente gesetzt hat.<br />

Äußerst dankbar bin ich auch meiner Diplomarbeitsbetreuerin bzw. Begutachterin<br />

Fr. Dr. Elke Gruber, die „über die Jahre“ nie den Glauben an die Fertigstellung<br />

dieses, auf die Bearbeitungsdauer bezogen, Jahrh<strong>und</strong>ertwerkes verloren <strong>und</strong> mich<br />

bis zum Ende begleitet hat.<br />

Vielen Dank auch den höchst interessanten Persönlichkeiten, die ich <strong>im</strong> Rahmen<br />

meines empirischen Prozesses kennen lernen <strong>und</strong> zum Thema Altern näher<br />

befragen durfte – spätestens sie hätten mir die Angst vorm „Alt sein“ genommen.<br />

Und zu guter Letzt ein herzliches „Vergelt’s Gott“ vor allem meiner Frau <strong>und</strong><br />

meinen, mittlerweile schon groß gewordenen, drei Töchtern, die mir trotz beruflich<br />

bedingter Abwesenheit auch noch die „Freizeit“ <strong>im</strong> Hinterkämmerchen gegönnt<br />

haben – ansonsten wäre aus diesem Jahrh<strong>und</strong>ertwerk gar ein Jahrtausendwerk<br />

geworden.<br />

„Im Labyrinth der Gesellschaft<br />

müssen wir uns nicht verlieren.<br />

Wir haben die Chance,<br />

in Auseinandersetzung mit dem Gegebenen<br />

zur Persönlichkeit zu reifen<br />

<strong>und</strong> eine lebenswerte Welt zu gestalten.“<br />

Unbekannt


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einführung 5<br />

1.1. Vorwort 5<br />

1.2. Einleitung 8<br />

TEIL I<br />

2. Das Alter – Die Alter – Das Altern: Der Versuch einer Definition 10<br />

2.1. Was ist Alter – was versteht man unter Altern? 10<br />

2.1.1. Kalendarisches/chronologisches Alter(n) 14<br />

2.1.2. Biologisches Alter(n) 15<br />

2.1.3. Soziales Alter(n) 17<br />

2.1.4. Psychologisches Alter(n) 18<br />

2.1.5. Ökonomisches Alter(n) 19<br />

2.2. Das Alter als pädagogische Kategorie 20<br />

2.3. Alterszuschreibungen <strong>und</strong> ihre historische Entwicklung 21<br />

2.4. Entwicklungsphasen <strong>im</strong> Alter – das dritte <strong>Lebensalter</strong> 23<br />

2.5. Sozialwissenschaftliche Alterstheorien 25<br />

2.6. Die Alten von heute <strong>und</strong> ihr gesellschaftliches Umfeld 27<br />

2.7. Abschluss 34<br />

3. <strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> 35<br />

3.1. Älterwerden <strong>und</strong> Bildung 40<br />

3.1.1. Bildung <strong>im</strong> Alter – notwendig oder sinnlos? 42<br />

3.2. Hirn- <strong>und</strong> Gedächtnisleistung <strong>im</strong> Alter – aktuelle neurologische<br />

Erkenntnisse 46<br />

3.3. Altenbildung – aus gerontologisch-soziologischer Sicht 51<br />

3.3.1. Kompensatorische Ansätze 51<br />

1


3.3.2. Die moralisch-politische D<strong>im</strong>ension 53<br />

3.3.3. Aktivität <strong>und</strong> Kompetenz 54<br />

3.3.4. Bildung <strong>und</strong> Produktivität 55<br />

3.4. Altenbildung – zunehmend wichtiger Teil der Erwachsenenbildung 56<br />

3.5. Altenbildung in der Praxis der Österreichischen Bildungslandschaft<br />

<strong>und</strong> ihre Ansätze 61<br />

3.6. Das Bildungsangebot für ältere Menschen in Österreich 63<br />

3.6.1. Bildungsanbieter in Österreich 63<br />

3.6.2. Pluralisierung von Bildungsanbietern <strong>und</strong> Bildungsangeboten 65<br />

3.6.3. Möglichkeiten der Zielgruppenerreichung für die Organisationen 66<br />

3.7. Abschluss 67<br />

4. <strong>Lebensqualität</strong> 70<br />

4.1. Einleitung 70<br />

4.2. <strong>Lebensqualität</strong> - Der Versuch einer Definition 71<br />

4.2.1. D<strong>im</strong>ensionen der <strong>Lebensqualität</strong> 73<br />

4.2.2. Objektive vs. Subjektive <strong>Lebensqualität</strong> 77<br />

4.2.3. <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter 78<br />

4.3. Möglichkeiten des Alterns 80<br />

4.3.1. Erfolgreiches Altern 80<br />

4.3.2. Aktives Altern 83<br />

4.3.3. Produktives Altern 85<br />

4.3.4. Generatives Altern 90<br />

4.3.5. Glückliches Altern 93<br />

4.3.6. Zufriedenes Altern 95<br />

4.3.7. Ges<strong>und</strong>es Altern 97<br />

4.4. Abschluss 102<br />

2


TEIL II<br />

Das Katholische Bildungswerk Kärnten <strong>und</strong> das Projekt MiL<br />

5. Hinführung 104<br />

6. Das Katholische Bildungswerk Kärnten (KBWK) 104<br />

7. Mitten <strong>im</strong> Leben (MiL) – auch <strong>im</strong> Alter lebendig <strong>und</strong> selbstbest<strong>im</strong>mt 109<br />

TEIL III<br />

Teilnehmerinnenbefragung dreier MiL-Gruppen<br />

8. Einleitung 114<br />

9. Definition Untersuchungsgegenstand 114<br />

10. Methodische Aspekte 115<br />

10.1. Datenerhebung - Das Leitfadeninterview 115<br />

10.1.1. Der Leitfaden 118<br />

11. Auswertung/Analyse der Interviewergebnisse 121<br />

12. Praktische Erfahrungen - Auswertung/Analyse/Interpretation 122<br />

12.1. Auswertung 123<br />

12.2. Generalisierende Analyse <strong>und</strong> Hypothesenbetrachtung 147<br />

13. Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick 151<br />

14. Literaturverzeichnis 153<br />

3


1. Einführung<br />

1.1. Vorwort<br />

Der heute viel benutzte Begriff Lebenslanges bzw. <strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> ist<br />

in der Erwachsenenbildung <strong>und</strong> darüber hinaus ein <strong>im</strong>mens wichtiger <strong>und</strong> kommt<br />

<strong>im</strong> Laufe des Studiums sehr häufig zur Sprache. Die Tatsache der stetigen<br />

Auseinandersetzung mit diesem Begriff, die sich bereits vollziehende<br />

demographische Entwicklung in Richtung alternde Gesellschaft <strong>und</strong> das<br />

diesbezüglich vorhandene persönliche Interesse haben zur Auswahl dieser<br />

aktuellen Diplomarbeitsthematik wesentlich beigetragen.<br />

Der Begriff des Lebenslangen/Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s weist jedoch eine<br />

gewisse Ambivalenz auf: Zwang vs. Chance - Ist es nun die Chance des<br />

Lebenslangen wie Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s oder der Zwang lebenslänglich<br />

lernen zu müssen?<br />

Bezogen auf die Phase der Berufstätigkeit ist davon auszugehen, dass die<br />

Bereitschaft sich ständig weiter zu bilden <strong>und</strong> zu lernen mit einem gewissen<br />

Zwang bzw. einer Notwendigkeit verb<strong>und</strong>en ist. Ist diese Bereitschaft eher<br />

marginal ausgeprägt, senkt das mit Sicherheit die beruflichen Chancen.<br />

Angesichts der demographischen Veränderungen in der Bevölkerung, sprich der<br />

Umkehr der Bevölkerungspyramide <strong>und</strong> der Tatsache, dass sich<br />

lebenslange/lebensbegleitende Lernkonzepte in der Bildungsdiskussion zumeist<br />

auf jüngere Menschen <strong>und</strong> deren Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungswege in der beruflichen<br />

Praxis beziehen, wird als nachvollziehbar erachtet, dass diese Diplomarbeit das<br />

zweite <strong>Lebensalter</strong>, also die Phase der Berufstätigkeit, völlig außer Acht lassen<br />

<strong>und</strong> sich ausschließlich auf das dritte <strong>Lebensalter</strong> beschränken möchte.<br />

Dass man sich <strong>im</strong> Laufe seines Lebens <strong>im</strong>mer wieder mit neuen<br />

Herausforderungen auseinander setzen <strong>und</strong> ständig dazu lernen muss, ist keine<br />

Novität. Lebenslanges <strong>Lernen</strong> als Bildungskonzept, <strong>und</strong> vor allem nicht nur<br />

beschränkt auf den erwerbstätigen Bereich, darf also in Anbetracht der<br />

zukünftigen, demographischen Entwicklungen als Notwendigkeit bezeichnet<br />

5


werden <strong>und</strong> stellt die Bildungslandschaft vor eine große Aufgabe, die zu<br />

vernachlässigen man sich auf Dauer nicht leisten können wird.<br />

Diesbezüglich anzumerken bleibt aber, dass man auch in diesem Bereich<br />

aufpassen muss, aus dem lebenslang kein lebenslänglich werden zu lassen. Der<br />

Zwang sich an die schnell verändernden Bedingungen durch <strong>Lernen</strong> anpassen zu<br />

müssen um überhaupt erst wettbewerbsfähig <strong>und</strong> „up to date“ zu sein, sollte sich<br />

nicht gleichermaßen auf die Zeit nach der Erwerbstätigkeit ausweiten. <strong>Lernen</strong> <strong>und</strong><br />

Bildung <strong>im</strong> Alter sollten Chancen bleiben. Insofern stellt sich die Frage, welche<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Wege des <strong>Lernen</strong>s <strong>und</strong> der Bildung sich nun für Menschen <strong>im</strong><br />

<strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong> auftun?<br />

Welche lebensbegleitenden Lernprozesse ermöglichen ein aktives Altern <strong>und</strong> wie<br />

sieht die Situation in der Katholischen Erwachsenenbildung Kärnten bzw.<br />

stellvertretend dafür <strong>im</strong> Katholischen Bildungswerk Kärnten als größten Anbieter<br />

aus? Inwiefern werden Menschen <strong>im</strong> <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong> berücksichtigt, wie sehen<br />

eventuell vorhandene Konzepte aus <strong>und</strong> welche Rolle spielen sie in Hinblick auf<br />

einen ges<strong>und</strong>en Alterungsprozess bzw. eine höhere <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong><br />

fortgeschritteneren Erwachsenenalter?<br />

Diese Thematik wird auch vor dem Hintergr<strong>und</strong> bearbeitet, dass die Gesellschaft<br />

an sich in zunehmendem Maße altert 1 . Verdeutlicht wird das durch die Tatsache,<br />

dass bereits 2050 allein in China so viele über 65-Jährige leben werden, wie heute<br />

auf der ganzen Welt – weltweit wird es dann mehr alte Menschen über 60 als<br />

Junge unter 14 Jahren geben. Bezogen auf Österreich heißt das nichts anderes,<br />

als dass <strong>im</strong> Jahre 2050 36 Prozent der ÖsterreicherInnen über 60 Jahre alt sein<br />

werden. In Zukunft steigt also die Lebenserwartung rapide an, während <strong>im</strong>mer<br />

weniger Kinder geboren werden.<br />

Was für uns gilt, das trifft noch vielmehr für unsere Kinder zu. „Jedes zweite kleine<br />

Mädchen, das wir heute auf den Straßen sehen, hat eine Lebenserwartung von<br />

100 Jahren, jeder zweite Junge wird aller Voraussicht nach 95. Es handelt sich,<br />

wenn diese Entwicklung anhält, nicht nur um Veränderungen in den Geburts- <strong>und</strong><br />

1 vgl. Schirrmacher, 2004, S. 11<br />

6


Sterberegistern; es handelt sich um eine neue anthropologische Lage noch zu<br />

unser aller Lebzeiten.“ 2<br />

Panikmache angesichts dieser demographisch eindeutigen Entwicklung, die, zwar<br />

<strong>im</strong> schwächeren Ausmaß, aber genauso Entwicklungsländer betrifft, ist jedoch fehl<br />

am Platz. Lutz 3 hat zusammen mit seinen Kollegen vom<br />

Weltbevölkerungsprogramm des Internationalen Instituts für Angewandte<br />

Systemanalyse bei der Berechnung der Alterungsgeschwindigkeit nicht nur den<br />

Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen herangezogen, sondern auch die<br />

Tatsache der steigenden Lebenserwartung berücksichtigt, anhand derer ein 60-<br />

Jähriger am Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts nicht mit einem 60-Jährigen von heute<br />

verglichen werden kann. Anstatt das Altsein an ein best<strong>im</strong>mtes Lebensdatum zu<br />

binden orientieren sie sich gr<strong>und</strong>legend an die erwartete Zahl noch verbleibender<br />

Lebensjahre. „Die Demographen denken dabei an eine Grenze bei 15 – alt wäre<br />

also, wer nach Stand der Sterbetafel noch max<strong>im</strong>al 15 Lebensjahre vor sich hat.<br />

Und das Maß für die Alterung ergäbe sich damit als jener Bevölkerungsanteil, der<br />

in diese Gruppe fällt.“ 4 Das hat auch große Auswirkungen auf den Meridian, der<br />

die Bevölkerung, einiges über die Altersstruktur aussagend, exakt in zwei Hälften<br />

teilt: Je höher der Meridian, desto höher der Überschuss Älterer in einer<br />

Gesellschaft. Ein an der Lebenserwartung orientierter Meridian ergibt einen<br />

deutlich langsameren Alterungsprozess der Bevölkerung, was Lutz <strong>und</strong> Kollegen<br />

gemäß ihrem an der max<strong>im</strong>al noch 15 Jahre betragenden Lebensspanne<br />

orientierten Berechnungsmodell, in Prozentsätzen gegenübergestellt, folgend<br />

ausdrücken: Die Bevölkerungsalterung steigt von 7,4 Prozent <strong>im</strong> Jahr 2000 auf 12<br />

Prozent 2050 bis hin zu 15,6 Prozent zum Ende des Jahrh<strong>und</strong>erts. Gemäß dem<br />

herkömmlichen, am Anteil der 60-Jährigen fixierten Berechnung, die von 10<br />

Prozent <strong>im</strong> Jahr 2000 auf 21,8 Prozent 2050 bis zu 32,2 Prozent zur<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende spricht, verläuft der Alterungsprozess lt. Lutz-Modell weit<br />

langsamer als bisher angenommen, woraus jedoch nicht abzuleiten ist, dass das<br />

Gerede um die beschleunigte Alterung übertrieben sei.<br />

2 Ebda, S. 21<br />

3 vgl. Findeklee, 2008, S. 81<br />

4 Ebda., S. 81<br />

7


Egal welches Berechnungsmodell man schlussendlich heranzieht, um sich dem<br />

Faktum der alternden Gesellschaft zu nähern - erschwerend kommt hinzu, dass<br />

trotz dieser demographischen Entwicklung <strong>im</strong>mer mehr Menschen <strong>im</strong>mer früher in<br />

den Ruhestand gehen, d. h. dass sich dadurch, aber auch bedingt durch die stetig<br />

steigende Lebenserwartung die Ruhestandsphasen rapide verlängern.<br />

Allein in Deutschland beträgt der Altenquotient 5 derzeit 45, d. h. auf 100<br />

Erwerbstätige zwischen 20 <strong>und</strong> 64 Lebensjahren kommen 45 Rentner. Bis 2015<br />

lässt sich der Quotient noch unter 50 halten, dann aber gehen auch die<br />

geburtenstarken Jahrgänge in Pension. Der Altenquotient soll darauf folgend bis<br />

2025 auf 63 <strong>und</strong> bis ins Jahr 2034 auf 72 ansteigen.<br />

In der Hinsicht verlängert sich also die nachberufliche Lebensphase <strong>und</strong> die Frage<br />

der nachberuflichen Tätigkeiten rückt <strong>im</strong>mer mehr in den Mittelpunkt.<br />

Beruhend auf diesen Tatsachen rückt die Erwachsenenbildung mit ihren Ansätzen<br />

<strong>und</strong> Konzepten, die genau diese sich stetig verlängernde nachberufliche<br />

Lebensphase betreffen, <strong>im</strong>mer mehr in den Vordergr<strong>und</strong>. Hier drängt sich die<br />

Frage auf, inwiefern sich durch adäquate Lern- <strong>und</strong> Bildungskonzepte die<br />

<strong>Lebensqualität</strong> nachhaltig verbessern lässt, wobei von staatlicher Seite<br />

diesbezüglich auch eine Entlastung des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialwesens in den<br />

Fokus des Interesses gestellt werden kann.<br />

1.2. Einleitung<br />

Diese Diplomarbeit will einleitend einen Überblick über verschiedene begriffliche<br />

Definitionen <strong>und</strong> Themenbereiche geben: Im ersten Schritt werden der Begriff des<br />

Alters näher definiert <strong>und</strong> vielfältige Auslegungs- bzw. Definitionsweisen näher<br />

betrachtet. Das ist insofern unumgänglich für diese Arbeit, da in diesem<br />

Zusammenhang eine Eingrenzung stattfinden muss, auf die <strong>im</strong> gesamten Verlauf<br />

dieser Arbeit <strong>im</strong>mer zurückgegriffen wird.<br />

Im zweiten Schritt findet eine Erläuterung des Begriffes<br />

„Lebenslanges/<strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong>“ statt, wobei auch die Sichtweise der<br />

Europäischen Union nicht außer Acht gelassen wird.<br />

5 vgl. Heye, 2008, S. 33<br />

8


Als Konsequenz der zu bearbeitenden Thematik werden sich die<br />

Definitionsversuche <strong>im</strong>mer auf Lebenslanges/<strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> <strong>im</strong><br />

<strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong> beziehen – insofern sollte ein grober Über- <strong>und</strong> guter Einblick<br />

in diese Thematik vermittelt werden.<br />

Im <strong>dritten</strong> Kapitel wird der Zusammenhang zwischen<br />

Lebenslangem/Lebensbegleitendem <strong>Lernen</strong> <strong>und</strong> einer damit verb<strong>und</strong>enen<br />

höheren <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Sinne eines aktiven Alterns hergestellt. Unter anderem<br />

soll dargestellt werden, inwiefern die Möglichkeit besteht, durch Bildung <strong>im</strong> Alter<br />

den Alterungsprozess annehmbarer zu gestalten <strong>und</strong> dadurch nicht nur der<br />

Gesellschaft als Kollektiv, sondern vor allem dem Individuum selbst einen großen<br />

Dienst zu erweisen. Der Theorieteil dieser Arbeit schließt mit dem Eintauchen in<br />

diverse Möglichkeiten des Alterns ab <strong>und</strong> bereitet somit den Gr<strong>und</strong>stein für den<br />

folgenden empirischen Teil.<br />

Darauf folgt der Brückenschlag zur Katholischen Erwachsenenbildung in Form der<br />

Vorstellung des Katholischen Bildungswerkes Kärnten als größten Anbieter<br />

katholischer Erwachsenenbildung <strong>im</strong> Kärntner Raum. Einerseits wird das gesamte<br />

Bildungsangebot unter Berücksichtigung der angebotenen Veranstaltungen für die<br />

in dieser Arbeit relevante Zielgruppe beleuchtet, andererseits wird aus diesem<br />

Kontext ein best<strong>im</strong>mtes Projekt, das mittlerweile federführend <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> <strong>im</strong> 3. <strong>Lebensalter</strong> angelaufen ist <strong>und</strong> dessen Erfolge<br />

für sich sprechen, zur näheren Bearbeitung herangezogen: Das Projekt „Mitten <strong>im</strong><br />

Leben – auch <strong>im</strong> Alter lebendig <strong>und</strong> selbstbest<strong>im</strong>mt (MiL)“.<br />

Den Höhepunkt dieser Arbeit stellt ein empirischer Prozess dar, der versucht, das<br />

Projekt MiL <strong>und</strong> konkret daraus eine best<strong>im</strong>mte Zielgruppe mit den<br />

vorhergehenden Punkten in Beziehung zu setzen.<br />

Schlussendlich soll sich zeigen, inwiefern die Katholische Erwachsenenbildung<br />

Kärnten <strong>und</strong> das Katholische Bildungswerk Kärnten mit dem Projekt MiL am<br />

demographischen „Zahn der Zeit“ nagt, sprich den Bildungsbedarf <strong>im</strong> <strong>dritten</strong><br />

<strong>Lebensalter</strong> berücksichtigt, <strong>und</strong> so ihren wichtigen Beitrag zu einem individuellproduktiven,<br />

aktiven Alterungsprozess leistet.<br />

9


2. Das Alter – Die Alter – Das Altern: Der Versuch einer Definition<br />

In diesem Kapitel geht es um ein Festmachen <strong>und</strong> eine anschauliche Darstellung<br />

der Begriffe Alter bzw. Altern. Hier werden unter anderem pädagogische bzw.<br />

sozialwissenschaftliche Kategorien, Theorien <strong>und</strong> Strategien des Alters,<br />

unterschiedliche D<strong>im</strong>ensionen des Altersphänomens sowie aktuelle Ansätze in der<br />

Alters- <strong>und</strong> Alternsforschung überschaubar dargestellt.<br />

Diese einführende Darstellung oben genannter Themenbereiche ist für das<br />

Verständnis <strong>und</strong> den Kontext in Hinsicht auf den weiteren Verlauf dieser Arbeit<br />

unumgänglich.<br />

2.1. Was ist Alter – was versteht man unter Altern?<br />

In Anbetracht der demographischen Entwicklungen <strong>und</strong> den lt. Schirrmacher,<br />

Amann et. al. düsteren Prognosen für die nahe Zukunft, sollte sich diesbezüglich<br />

nichts ändern, wird <strong>im</strong>mer öfter von einer zunehmend alternden Gesellschaft<br />

gesprochen. Wie werden Alter <strong>und</strong> Altern definiert?<br />

Schirrmacher beschreibt den allgemeinen Zustand des Alterns folgend; „Altern<br />

heißt: Irgendeine Instanz <strong>im</strong> Körper hat entschieden, die wesentlichen<br />

Reparaturvorgänge einzustellen. Warum? Weil sich die Reparatur nicht mehr<br />

lohnt. Deshalb altern Zellen <strong>und</strong> sterben.“ 6<br />

Stuart-Hamilton 7 spricht vom mittleren <strong>und</strong> hohen Alter – wobei unter letzterem die<br />

abschließende, von ständigen Veränderungsprozessen begleitete<br />

Entwicklungsphase eines Menschen zu verstehen ist.<br />

Hierbei besteht das Problem, den Übergang zwischen mittlerem <strong>und</strong> hohem Alter<br />

festzulegen, denn der Mensch wird nicht über Nacht alt. An den Stereotypen des<br />

mittleren <strong>und</strong> hohen Alters orientiert, kann man gewisse physische <strong>und</strong> psychische<br />

Veränderungsmerkmale festlegen. Zu welchem Zeitpunkt aber wird eine Person<br />

alt?<br />

6 Schirrmacher, 2004, S. 138<br />

7 vgl. Stuart-Hamilton, 1994, S. 12<br />

10


Der einfachste Erklärungsversuch hält an chronologischen Merkmalen fest <strong>und</strong><br />

geht von der Altersangabe aus. Sich rein an der Chronologie zu orientieren<br />

scheint jedoch subjektiver <strong>und</strong> oberflächlicher Natur zu sein – denn nur bedingt<br />

gehen physische Veränderungen mit dem Alter einher. Das chronologische Alter<br />

ist also „kein unfehlbarer Indikator für die Verfassung einer Person. Es kann<br />

bestenfalls den Zustand des Durchschnittsmenschen zum Ausdruck bringen.“ 8<br />

Aus dem sozialwissenschaftlichen Blickwinkel 9 betrachtet sollte Altern nicht nur<br />

von soziologisch-biologischer Seite als kalendarisches Alter bezeichnet werden,<br />

das zumeist mit einer klischeehaften Vorstellung einhergeht. Psychologische<br />

Aspekte dürfen hier nicht außer Acht gelassen werden, denn sehr oft differieren<br />

das tatsächliche kalendarische Alter mit dem individuellen Erleben des Alters.<br />

„Einerseits geht also die Alterssoziologie auf das Alltagsverständnis von >Alter<<br />

ein. Andererseits bezieht sie sich auch auf die biologischen <strong>und</strong> psychologischen<br />

Aspekte. Weiters geht es der Alterssoziologie um die soziale Stellung des<br />

alternden Menschen <strong>im</strong> Rollen- <strong>und</strong> Statussystem verschiedener gesellschaftlicher<br />

Bereiche vor dem Hintergr<strong>und</strong> seines Lebensverlaufs.“ 10<br />

Das soziale Alter bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen gesellschaftlich<br />

erwartetem Verhalten <strong>und</strong> chronologischem Alter <strong>und</strong> setzt in westlichen Kulturen<br />

ein gesetzteres Verhalten nach dem 60. Lebensjahr voraus, was oft mit Eintritt in<br />

den Ruhestand einhergeht. Das Pensionseintrittsalter wird in westlichen Ländern<br />

zwischen dem 60. <strong>und</strong> 65. Lebensjahr festgelegt. Ab dann zählt man zu den<br />

SeniorInnen. Gemäß dem westlichen Stereotyp spricht die Gerontologie vom so<br />

genannten Schwellenalter, in dem auch einige physische <strong>und</strong> psychische<br />

Veränderungen festzustellen sind.<br />

Stuart-Hamilton setzt in seinem Buch die Schwelle ebenso zwischen dem 60. <strong>und</strong><br />

65. Lebensjahr fest <strong>und</strong> spricht von Zeichen des Altseins in physischen wie<br />

psychischen Belangen, die in diesem chronologischen Abschnitt vermehrt<br />

auftreten. Gleichermaßen bekräftigt er aber, dass<br />

„(a) es keinen festen Punkt gibt, an dem eine Person alt wird <strong>und</strong><br />

8 Ebda., S. 13<br />

9 vgl. Voges, 1996, S. 19<br />

10 Ebda., S. 19<br />

11


(b) das chronologische Alter ein willkürliches, nicht besonders zuverlässiges Maß<br />

darstellt, <strong>und</strong> die Verwendung nur eines Kriteriums falsche Objektivität vorspiegeln<br />

würde.“ 11<br />

Nach Klingenberger 12 ist eine allgemeingültige Definition des Altersbegriffes<br />

schwer bis gar nicht zu finden. Er unterscheidet eine zweifache Verwendung des<br />

Begriffes Alter: Einerseits als individuellen Stand <strong>im</strong> menschlichen Lebenslauf,<br />

was als <strong>Lebensalter</strong> also zählbar ist, andererseits als best<strong>im</strong>mte Phase <strong>im</strong><br />

Lebenslauf. Alter bezeichnet hier nach den drei Phasen der Kindheit, Jugend <strong>und</strong><br />

des frühen/mittleren Erwachsenenalters die vierte des höheren<br />

Erwachsenenalters.<br />

Um die Bezeichnung des höheren Erwachsenenalters auch greifbar zu machen,<br />

sind einige Ansatzpunkte von Nöten; Klingenberger fasst Punkte zusammen, die<br />

bereits erklärend angesprochen wurden bzw. nachstehend erläutert werden:<br />

- Das sich aus Zusammenzählen von Zeiteinheiten errechnende<br />

kalendarische/chronologische Alter.<br />

- Das soziale Alter <strong>und</strong> als besonderen Aspekt davon das kulturelle Alter <strong>im</strong><br />

Sinne der „kulturellen Entfremdung“.<br />

- Das biologische Alter<br />

- Das funktionale Alter, das sich aus dem Zusammenspiel von<br />

chronologischem Alter <strong>und</strong> der davon unabhängigen Leistungsfähigkeit<br />

bzw. Kapazität ergibt.<br />

- Das psychologische/subjektive Alter, das den Zusammenhang zwischen<br />

chronologischem Alter <strong>und</strong> subjektivem Empfinden bezeichnet.<br />

Nach Klingenberger gibt es folgende Alterskennzeichen:<br />

- „die Ausweitung der Lebensphase Alter (...) bzw. die Verjüngung des<br />

Alters (...),<br />

- die Verweiblichung des Alters,<br />

- die zunehmende Singularisierung (Vereinzelung) der älteren Menschen<br />

(...),<br />

- die Zunahme des durchschnittlichen Bildungsniveaus älterer <strong>und</strong> alter<br />

Menschen,<br />

11 Stuart-Hamilton, 1994, S. 14<br />

12 vgl. Klingenberger, 1992, S. 30ff<br />

12


- die Zunahme der Gruppe der Hochaltrigen <strong>und</strong> damit die Notwendigkeit<br />

der Schaffung von Betreuungs- <strong>und</strong> Pflegekapazitäten,<br />

- das Auseinanderdriften von ausreichender materieller Versorgtheit <strong>und</strong><br />

Armut <strong>im</strong> Alter,<br />

- die existentielle Ambivalenz von Möglichkeit zur (Selbst-) Verwirklichung<br />

einerseits <strong>und</strong> Sinnverlust <strong>und</strong> Sinnleere andererseits.“ 13<br />

Was den Begriff des „Alterns“ 14 anbelangt, so bezeichnet Klingenberger diesen als<br />

einen gestaltbaren <strong>und</strong> veränderbaren, <strong>im</strong> Gegensatz zum „Alter“ also als einen<br />

dynamischen Prozess <strong>und</strong> formuliert, um nur einige zu nennen, folgende<br />

Charakteristika:<br />

- ein das gesamte Leben umgreifender, von der Geburt bis zum Tod<br />

andauernder Prozess,<br />

- ein, auf den Schönheits-, Aktivitäts- <strong>und</strong> Leistungsverlust bezogener,<br />

negativer Veränderungsprozess des Menschen,<br />

- eine Zeit, in der man mit zahlreichen einschneidenden Lebensereignissen<br />

wie beispielsweise Pensionierung, Veränderung der finanziellen,<br />

familiären, sozialen Situation etc. konfrontiert wird,<br />

- als Aufgabe <strong>und</strong> Chance, drohende Kompetenzverluste in<br />

Kompetenzgewinne umzuwandeln,<br />

- als ein mit der Geburt einsetzender <strong>und</strong> sich <strong>im</strong> sozialen wie politischen<br />

Feld vollziehender, psychophysischer Prozess,<br />

- eine Zeit intensiver Auseinandersetzung mit sich selber, der eigenen<br />

Vergänglichkeit <strong>und</strong> der zukünftigen Gestaltung der noch verbleibenden<br />

Lebenszeit.<br />

Trotz positiver Entwicklungstendenzen wird die Problematik des Alterns heute<br />

noch <strong>im</strong>mer tabuisiert <strong>und</strong> von den Vorstellungen der „forever young“-Bewegung<br />

beeinflusst. Es handelt sich hierbei nicht nur um ein individuelles, sondern auch<br />

um ein soziales Problem <strong>und</strong> wird damit gleichsam zu einer persönlichen wie<br />

gesellschaftlichen Aufgabe, die <strong>im</strong> Begriff des „erfolgreichen Alterns“ enden sollte.<br />

13 Ebda., S. 33<br />

14 vgl. Ebda., S. 34<br />

13


Lt. Friedan 15 zeichneten sich Psychogerontologen in der näheren Vergangenheit<br />

hauptsächlich dadurch aus, ältere Menschen als hilfsbedürftig <strong>und</strong> das Alter als<br />

Katastrophe darzustellen <strong>und</strong> ev. vorhandene Entwicklungsmöglichkeiten, die der<br />

Alternsprozess mit sich bringt, abzuwerten. Ebenso hat sich die konventionelle<br />

Psychologie hauptsächlich den negativen Seiten des Alterns zugewendet <strong>und</strong><br />

älteren Menschen die Fähigkeit, aus eigenem Entschluss neue<br />

Herausforderungen <strong>und</strong> Aufgaben zu suchen, abgesprochen.<br />

Wahl <strong>und</strong> Heyl 16 weisen in ihrem Buch zur Gerontologie auf einen interessanten<br />

Alterns-Aspekt hin: Die in zweierlei Hinsicht zu betrachtende Unterschiedlichkeit<br />

des Alterns. Einerseits kann die interindividuelle Variabilität, also die Äußerungs<strong>und</strong><br />

Verlaufsform von Altern zwischen unterschiedlichen Personen, extrem<br />

vielfältig ausfallen. In diesem Zusammenhang wird sogar von der heterogensten<br />

Altersgruppe überhaupt gesprochen – es gibt in keiner anderen Altersgruppe so<br />

auffällige Heterogenitäten, was beispielsweise Untersuchungsergebnisse in<br />

Sachen Leistungsfähigkeit, Persönlichkeits- <strong>und</strong> Bewältigungsmerkmale sowie<br />

soziale Beziehungsformen unterstreichen.<br />

Andererseits treten auch soziale Aspekte wie etwa der Eintritt in den beruflichen<br />

Ruhestand oder der Auszug des letzten Kindes aus dem Elternhaus als Alternsvorboten<br />

auf.<br />

2.1.1. Kalendarisches/chronologisches Alter(n)<br />

Das kalendarische oder chronologische Alter könnte vereinfacht „als eine Summe<br />

von Jahren, Monaten <strong>und</strong> Tagen“ 17 bezeichnet werden <strong>und</strong> gibt an, wie viel Zeit<br />

seit der Geburt eines Menschen vergangen ist. Davon, also von einem<br />

best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt, das Alt-Sein abzuleiten oder darin gar einen Indikator für<br />

Leistungsfähigkeit zu sehen, wäre nicht tragbar <strong>und</strong> vernachlässigt zahlreiche<br />

zusätzliche Einflussfaktoren. „Wie oft die Erde die Sonne während des Lebens<br />

einer Person umkreist hat, besagt so lange nichts, wie die Anzahl der<br />

15 vgl. Friedan, 1995, S. 87<br />

16 vgl. Wahl/Heyl, 2004, S. 19<br />

17 Becker, 2006 in: http://www.organisationsentwicklungbecker.de/pdf/Altern%20als%20Gegenstand%20<strong>und</strong>%20Herausforderung%20Sozialer%20Arbeit.p<br />

df, 02.05.2011<br />

14


Umkreisungen nicht mit anderen, funktionalen Veränderungen in Beziehung<br />

gesetzt wird.“ 18<br />

„Es gibt Menschen, die altern schnell, andere bleiben sehr lange körperlich fit.<br />

Denn die physiologische Situation weist bei älteren Menschen eine viel größere<br />

Bandbreite auf, als bei den 40 – 50-Jährigen.“ 19<br />

Wie relativ das kalendarische Alter gesehen werden kann, zeigen folgende<br />

Beispiele 20 :<br />

Eine 20jährige Frau wirkt als Studentin jung, als Profi-Turnerin alt, ein 40jähriger<br />

Mann wirkt als Profipolitiker jung, als Profi-Fußballer alt <strong>und</strong> ein 70jähriger Mann<br />

würde als junger Papst gesehen, stellt jedoch einen alten Unternehmer dar.<br />

2.1.2. Biologisches Alter(n)<br />

Was biologisches Altern betrifft, so kann sich darunter jeder wahrscheinlich etwas<br />

vorstellen. Vielen wird es auch nicht neu sein, dass eine große Anzahl Älter-<br />

Werdender versucht, diesem biologischen Alterungsprozess zu entgehen – <strong>und</strong><br />

die Wirtschaft profitiert von dem Anti-Aging-Boom. Die Geschichte 21 zeigt, dass<br />

der Mensch bereits vor Jahrtausenden versuchte, Altern <strong>und</strong> Tod zu verhindern.<br />

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert – zahlreiche Pflanzen <strong>und</strong> Kräuter, die<br />

damals schon Verwendung fanden, sind heute noch in Form von „Heilpräparaten“<br />

in aller M<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> verschiedenste Pharmazeutika tragen ihren Teil zum Umsatz<br />

bei.<br />

Biologisches Altern 22 geht mit einem Funktionsverlust einher, der aber nicht erst<br />

<strong>im</strong> hohen Alter, sondern bereits ab dem 30. Lebensjahr einsetzt. Bereits ab<br />

diesem Zeitpunkt also bauen die körpereigenen Systeme um durchschnittlich<br />

einen Prozent pro Jahr ab – was durch vorhandene Überkapazitäten jedoch<br />

18 Stuart-Hamilton, 1994, S. 13<br />

19 Medical Tribune, 2007 in: http://extranet.medicaltribune.de/volltext/PDF/2007/MTD_Onko/04_MTDOnko/MTDOnko_04_S04.pdf,<br />

03.05.2011<br />

20 vgl. Becker, 2006 in: http://www.organisationsentwicklungbecker.de/pdf/Altern%20als%20Gegenstand%20<strong>und</strong>%20Herausforderung%20Sozialer%20Arbeit.p<br />

df, 02.05.2011<br />

21 vgl. Rosenmayr/Böhmer, 2003, S. 21<br />

22 vgl. Stuart-Hamilton, 1994, S. 14<br />

15


einigermaßen kompensiert werden kann <strong>und</strong> dadurch erst ab dem sechsten<br />

Lebensjahrzehnt sichtbar wird.<br />

Es gibt Theorien, die schreiben einerseits dem Körper ein gewisses<br />

Selbstzerstörungspotential zu, um anderen Gattungsmitgliedern Platz zu machen,<br />

andererseits gibt es welche, die die Sinnhaftigkeit des Daseins mit<br />

Reproduktionsgedanken in Verbindung bringen. Hat der Körper sich erfolgreich<br />

reproduziert, was heißt, dass die Gene in einem anderen Körper weiterleben, so<br />

ist die „Mission erfüllt“. Aus diesem Blickwinkel betrachtet scheint es sinnvoller, „<strong>im</strong><br />

20. Lebensjahr zu sterben <strong>und</strong> 30 Nachkommen erzeugt zu haben, als kinderlos<br />

mit 100 Jahren zu sterben.“ 23<br />

Evolutionär 24 betrachtet ist das Altern ein junges Phänomen: Aus dieser<br />

Perspektive überleben nach der natürlichen Selektion die Stärksten, die wiederum<br />

ihre Energie <strong>und</strong> ihre Kräfte in die Zeugung von Nachkommen stecken <strong>und</strong> sich<br />

nicht auf die Phase nach der Zeugungsfähigkeit konzentrieren mussten. Es<br />

wurden also keine Ressourcen in die Wiederherstellung bzw. Erhaltung des<br />

Körpers über die fortpflanzungsfähige Zeitspanne hinaus investiert. Ein Zeichen<br />

dafür ist die Tatsache, dass bis in die jüngste Vergangenheit nur relativ wenige<br />

Menschen alt wurden.<br />

Kurz gesagt: Der menschliche Körper altert biologisch – <strong>und</strong> das betrifft die Zellen<br />

<strong>und</strong> Gewebe, Knochen, Gelenke <strong>und</strong> Muskeln, die inneren Organe, den<br />

Stoffwechsel sowie Hormonhaushalt, die Abwehrsysteme <strong>im</strong> Körper, die<br />

Sinnesorgane <strong>und</strong> nicht zuletzt das Gehirn. Genauer auf diese biologischen<br />

Alterungsprozesse einzugehen widerspricht der Zielsetzung dieser Arbeit <strong>und</strong><br />

würde darüber hinaus deren Rahmen sprengen.<br />

Im Gesamtkontext stellt sich natürlich nicht die Frage, ob die biologischen<br />

Alterungsprozesse aufgehalten, sondern wie sie abgeschwächt <strong>und</strong> verzögert<br />

werden können.<br />

Viidik zeigt in seinem Beitrag ebenso auf, „dass die Gentherapie <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit Alterungsprozessen in absehbarer Zukunft keine<br />

23 Ebda., S. 17<br />

24 vgl. Rosenmayr/Böhmer, 2003, S. 23f<br />

16


erfolgsversprechende Behandlungsmöglichkeit sein wird“ 25 , <strong>und</strong> kommt zu<br />

folgender Schlussfolgerung: „Die zugr<strong>und</strong>eliegenden biologischen<br />

Alterungsprozesse sind nicht zu vermeiden, können aber abgeschwächt werden<br />

durch (1) kontinuierliche körperliche <strong>und</strong> geistige Aktivität <strong>und</strong> (2) durch<br />

ausgewogene Ernährung einschließlich eines mäßigen Rotweinkonsums sowie<br />

durch die Vermeidung von Übergewicht.“ 26<br />

2.1.3. Soziales Alter(n)<br />

Neben dem biologischen Altern bleibt einem auch das soziale Altern 27 nicht<br />

erspart. Durch Altersstereotypen, Andeutungen <strong>und</strong> Angriffe wird versucht, das<br />

Selbstbewusstsein ins Wanken zu bringen. „Die Unterstellung, dass ein Mensch<br />

mit 60, 65, 70, 75 Jahren nicht mehr in der Lage sein soll, intellektuelle oder<br />

körperliche Leistungen <strong>im</strong> Berufsalltag zu erbringen, gehört zu den schleichenden<br />

Rassismen der Gesellschaft.“ 28 Alte Menschen werden mit zahlreichen Vorurteilen<br />

konfrontiert, die einerseits die Selbsteinschätzungen, Handlungen <strong>und</strong><br />

Minderwertigkeitskomplexe verursachen, die sie unterstellen, <strong>und</strong> durch die sie<br />

andererseits ins gesellschaftliche Aus katapultiert werden.<br />

„Eine Studie der Sozialforscher J. Rodin <strong>und</strong> E. Langer hat bewiesen, dass die<br />

negative Besetzung <strong>und</strong> Stigmatisierung des Alters tatsächlich zu den negativen<br />

Stereotypen <strong>und</strong> Handlungen führt: Verlust des Selbstbewusstseins,<br />

Kontrollverlust, Reduzierung der Kreativität <strong>und</strong> Denkleistung.“ 29<br />

Osler (damals 56 Jahre alt) hat mit seiner 1905 in Balt<strong>im</strong>ore gehaltenen Rede eine<br />

Welle der Diskr<strong>im</strong>inierung des Alters in Gang gebracht. Er trat ein für eine<br />

Arbeitsgesellschaft <strong>und</strong> eine Politik ohne Menschen, die älter als 60 waren <strong>und</strong><br />

ging sogar so weit, zu behaupten, dass bereits 40-Jährige in bezug auf geistige<br />

Neuerungen unbrauchbar wären. Zahlreiche Untersuchungen, auch noch jene von<br />

Lapham <strong>und</strong> Fulford <strong>im</strong> Jahr 1995, unterstreichen die diskr<strong>im</strong>inierende <strong>und</strong><br />

diffamierende Haltung durch die Unterstellung mangelnder Kompetenz älterer<br />

Menschen <strong>im</strong> beruflichen Bereich.<br />

25 Ebda., S. 44<br />

26 Ebda., S. 21<br />

27 vgl. Schirrmacher, 2004, S. 90ff<br />

28 Ebda., S. 91<br />

29 Ebda., S. 100<br />

17


In der Realität belegen nur sehr wenige Studien einen durch Altern verursachten<br />

Leistungsabfall <strong>im</strong> Arbeitsleben – selbst wenn das vorkommt, können vorhandene<br />

Erfahrungswerte mechanische Mängel offenbar kompensieren.<br />

„Damit soll nicht gesagt werden, dass es unter Alternden keinen Leistungsverlust<br />

<strong>und</strong> keine negativen Alterserscheinungen gibt. Doch steht die Schwere der<br />

Sanktionen in keinem Verhältnis zum durchschnittlichen Ausmaß des<br />

Konditionsabbaus – zumindest bis zum Alter von 80 Jahren.“ 30<br />

„Das Bild des älteren Menschen in unserer Gesellschaft ist auch heute noch durch<br />

Feststellungen von Isolation <strong>und</strong> Vereinsamung, von Abhängigkeit <strong>und</strong><br />

Hilfsbedürftigkeit charakterisiert. Darüber hinaus wird ein Abbau geistiger<br />

Fähigkeiten als geradezu selbstverständlich angenommen.“ 31<br />

Lehr bringt in ihrem Buch ebenso gesellschaftliche Ansichten mit dem eigenen<br />

Selbstbild in Zusammenhang: „Nicht zuletzt sollte man auch beachten, daß die<br />

Altersbilder der Gesellschaft ihre Auswirkungen auf das Selbstbild alter Menschen<br />

haben.“ 32 Und sind diese Altersbilder überwiegend negativ geprägt, so gestalten<br />

sich auch die Selbstbilder dementsprechend.<br />

2.1.4. Psychologisches Alter(n)<br />

„Aus psychologischer Sicht wird Altern als komplexer Anpassungsprozess an<br />

physische, psychologische <strong>und</strong> soziale Veränderungen, die das Alter begleiten,<br />

definiert.“ 33 Und mit dem psychologischen Teilbereich, sprich mit den<br />

altersbedingten Veränderungen <strong>im</strong> menschlichen Verhalten bzw. Erleben<br />

beschäftigt sich die Psychogerontologie, also die Psychologie des Alterns. Sie<br />

„umfasst ein breites Spektrum gr<strong>und</strong>lagen- <strong>und</strong> anwendungsorientierter<br />

Forschung.“ 34<br />

Das psychologische Alter bezeichnet auch die individuell subjektive Einschätzung<br />

der eigenen Einstellung <strong>und</strong> der Leistungsfähigkeit <strong>im</strong> Alter – die<br />

Psychogerontologie bezieht sich diesbezüglich auf „drei D<strong>im</strong>ensionen der Person:<br />

30 Ebda., S. 95<br />

31 Lehr, 1996, S. 304<br />

32 Ebda., S. 307<br />

33 Kowatsch et. al. in: http://wwwu.uni-klu.ac.at/gsuess/ges<strong>und</strong>heit/KoMitWri.html, 05.05.2011<br />

34 Stuart-Hamilton, 1994, S. 324<br />

18


1) kognitive Leistungsfähigkeit (Intelligenz, Wissen, <strong>Lernen</strong>, Gedächtnis <strong>und</strong><br />

Informationsverarbeitung),<br />

2) alltagspraktische Kompetenz (Gestaltung des Alltags, Selbstständigkeit <strong>im</strong><br />

Alltag, Gestaltung sozialer Beziehungen, psychische Bewältigung <strong>und</strong><br />

Verarbeitung von Belastungen),<br />

3) Persönlichkeit (Persönlichkeitseigenschaften, Kognitionen, Emotionen <strong>und</strong><br />

Motivation, Identität <strong>und</strong> Selbstkonzept).<br />

Die psychologischen Alternsprozesse auf diesen D<strong>im</strong>ensionen sind von<br />

spezifischen (räumlichen, sozialen <strong>und</strong> infrastrukturellen) Umweltbedingungen<br />

beeinflusst, sodass eine personologische Analyse (>>Welche Personenmerkmale<br />

beeinflussen den Alternsprozess?Welche Umweltmerkmale beeinflussen den Alternsprozess?


eigentlich bezahlen soll. Wo Altern nicht mehr <strong>im</strong> Interesse der Gesellschaft ist –<br />

<strong>und</strong> so ist es bei uns -, ist es auch die verlängerte Lebenserwartung nicht.“ 37<br />

2.2. Das Alter als pädagogische Kategorie<br />

Geht man vom Begriff „paidagogos“ 38 (griech.) aus, was übersetzt soviel heißt wie<br />

Knabenführung, so scheint nachvollziehbar, dass sich die Pädagogik über<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte hinweg mit der Aufzucht, der Erziehung sowie Bildung der jungen<br />

Generation <strong>und</strong> deren Integration in die Gesellschaft auseinander setzte. Insofern<br />

stellt das Alter keine genuin pädagogische Kategorie dar.<br />

In Zusammenhang mit den pädagogischen Subdisziplinen Erwachsenenbildung,<br />

Freizeitpädagogik <strong>und</strong> Sozialarbeit/Sozialpädagogik sieht die Situation folgend<br />

aus:<br />

Was die Erwachsenenbildung betrifft, besteht, trotz einiger konstruktiver<br />

Handlungsansätze, die <strong>im</strong> weiteren Verlauf der Arbeit näher betrachtet werden,<br />

verstärkter Handlungsbedarf. Einerseits braucht es eine adäquatere Abst<strong>im</strong>mung<br />

auf ältere Erwachsene <strong>und</strong> Öffnung des Hochschulzuganges für sie. Ebenso<br />

sollten die Lern- <strong>und</strong> Bildungsangebote unterschiedlichster Trägerinstitutionen,<br />

natürlich unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse - beispielsweise in der<br />

Hirnforschung bzw. <strong>im</strong> Gedächtnistraining, in Zukunft noch stärker auf die besagte<br />

Zielgruppe abgest<strong>im</strong>mt werden.<br />

„Auf den Sachverstand der Erwachsenenbildung greift man auch dann gerne<br />

zurück, wenn es die Leistungen der Oral History zur Aufrechterhaltung eines<br />

kollektiven Gedächtnisses anhand ganz konkreter Projekte zu würdigen gilt oder<br />

wenn didaktische Vorgehensweisen in der Biografiearbeit mit älteren Menschen<br />

opt<strong>im</strong>iert werden sollen.“ 39<br />

Mit Herabsetzen des Pensionseintrittsalters wurde diese Zielgruppe ebenso für die<br />

Freizeitpädagogik interessanter. Vor allem wenn es um Fragen des Sports,<br />

37 Ebda., S. 109<br />

38 vgl. Jansen et al., S. 1999, S. 356ff<br />

39 Ebda., S. 358<br />

20


Reisen, oder des Medienkonsums <strong>im</strong> Alter geht, wird die Wichtigkeit der<br />

Freizeitpädagogik ersichtlich. Hier geht es unter anderem um identitätsstiftende<br />

Funktionen <strong>und</strong> kreative, Kompetenzen fördernde An<strong>im</strong>ationsangebote <strong>und</strong> deren<br />

Legit<strong>im</strong>ation – altersgemäße An<strong>im</strong>ationsmodelle nehmen bereits einen großen<br />

Stellenwert ein. Ungeachtet ihrer wichtigen, gesellschaftlichen Funktion können<br />

Tanz, Musik, wie auch weitere künstlerische Tätigkeiten einen Zugang zu<br />

dementen <strong>und</strong> pflegebedürftigen Menschen bieten.<br />

Die Sozialarbeit/Sozialpädagogik beschäftigt sich in erster Linie mit<br />

professionellen Interventionsformen, die (un)mittelbar mit Hilfe, Betreuung<br />

<strong>und</strong>/oder Beratung alter Menschen zu tun haben. Diese sind so stark wie in<br />

keinem anderen pädagogischen Bereich der Arbeit mit älteren Menschen von<br />

juristischen Satzungen abhängig.<br />

Die Arbeit der SozialpädagogInnen <strong>und</strong> SozialarbeiterInnen steht in direkter<br />

Verbindung mit sozioökonomischen Lebenssituationen, der Altersarmut <strong>und</strong> der<br />

Sicherung der materiellen Lebensbedingungen der Betroffenen <strong>und</strong> verlangt<br />

<strong>im</strong>mer wieder ein Aufzeigen der materiellen Ungleichheit <strong>im</strong> Alter als Zeichen des<br />

modernen Wohlfahrtsstaates. Die Bereiche Versorgung psychisch kranker<br />

Menschen, die Angehörigenarbeit <strong>und</strong> psychosoziale Teilaufgaben <strong>im</strong><br />

pflegerischen Bereich zählen ebenso zu den Tätigkeitsfeldern der<br />

Sozialarbeit/Sozialpädagogik.<br />

2.3. Alterszuschreibungen <strong>und</strong> ihre historische Entwicklung<br />

Bereits <strong>im</strong> Alten Griechenland 40 gab es so etwas wie eine auf Zweiseitigkeit<br />

beruhende Verpflichtung zur Solidarität, die für ein Eintreten der Jungen für die<br />

Alten <strong>und</strong> ebenso umgekehrt stand.<br />

In Zeiten, in denen eine staatliche Absicherung der Altenversorgung fehlte,<br />

nahmen Familien <strong>und</strong> deren innerfamiliäre Solidarität einen großen Stellenwert<br />

ein. Insofern sorgten die Jüngeren für diejenigen, die aufgr<strong>und</strong> eingeschränkter<br />

Arbeitsfähigkeit Platz für Jüngere schafften.<br />

40 vgl. S<strong>im</strong>on/Haring, 1999, S. 126ff<br />

21


Am Land gingen die Älteren nach Übergabe des Besitzes ins „Ausgedinge“ <strong>und</strong><br />

zogen in einen für sie vorgesehenen Teil bzw. Raum des Gebäudes. In solchen<br />

Mehrgenerationensystemen waren die Nachkommen für den materiellen Unterhalt<br />

verantwortlich.<br />

Im städtischen Bereich gab es aufgr<strong>und</strong> beschränkter Platzressourcen zumeist<br />

keine Mehrgenerationenhaushalte wie auf dem Land. Hier wurde den alten<br />

Menschen eine Altersarbeit, vielfach die Weberei, zugesprochen, um sich den<br />

Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es war nicht ungewöhnlich, familienferne<br />

Menschen als sogenannte Kostgeher <strong>und</strong> Mitbewohner aufzunehmen, um den<br />

Fortbestand des Haushaltes zu sichern.<br />

In Zeiten der Industrialisierung gewann ein neues Alterskonzept an Relevanz: Das<br />

Alter verlor bedeutend an gesellschaftlichem Stellenwert, indem man dem alten<br />

Menschen jeglichen Beitrag an der Arbeitswelt absprach <strong>und</strong> ihn so durch ein<br />

altersabhängiges Pensionierungssystem, abgesichert durch einen<br />

Generationenvertrag, des Platzes verwies.<br />

Das Solidaritätsmodell des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, in dem die Beiträge der<br />

Erwerbstätigen für die Altersversorgung der PensionistInnen aufkommen, ist in<br />

Zukunft aufgr<strong>und</strong> der demographischen Veränderungen zum Scheitern verurteilt.<br />

„Es wird eine Neuorientierung erforderlich sein. Da zu befürchten ist, daß sich die<br />

Generationenproblematik, wenn es um gerechte Verteilung der begrenzten<br />

finanziellen Mittel geht, in den nächsten Jahrzehnten als Interessenskonflikt<br />

abzeichnen könnte, sollten die Ursachen der Konflikte <strong>und</strong> die Befürchtungen<br />

aufgezeigt <strong>und</strong> entsprechende Entschärfungsstrategien entwickelt werden.“ 41<br />

Schirrmacher 42 geht noch einen Schritt weiter <strong>und</strong> spricht von einem Krieg der<br />

Generationen. So lange die Alterspyramide auch wirklich der Form einer Pyramide<br />

entsprach, wurde dem polemischen Zusammenhang zwischen Alter <strong>und</strong><br />

Ökonomie keine Bedeutung zugemessen. „Solange ... hat man die brutale<br />

ökonomische Substanz des Kampfes von Jung gegen Alt vergessen. Man hat<br />

auch, was ebenso wesentlich ist, vergessen, dass ältere Menschen jenseits der 65<br />

41 Ebda., S. 129<br />

42 vgl. Schirrmacher, 2004, S. 56<br />

22


nicht notwendigerweise aus dem ökonomischen Kreislauf ausscheiden müssen.<br />

Dass ältere Menschen sehr aktiv, wirkungsvoll, produzierend in den Zweigen der<br />

Wirtschaft mitarbeiten können...“ 43<br />

Kolland 44 versucht die Dramatisierung der Thematik zu relativieren <strong>und</strong> weist<br />

darauf hin, dass solche Horror-Statistiken, die die maßlose Überalterung der<br />

Gesellschaft betreffen, keine bzw. nur wenig Aussagekraft besitzen, sofern sie<br />

nicht in Zusammenhang mit dem sozio-ökonomischen Status der Älteren <strong>und</strong> der<br />

jeweiligen Sozialpolitik gebracht werden. Hier wird künstlich eine „Sie <strong>und</strong> Wir“-<br />

Mentalität geschaffen, die die älteren Menschen als „die Anderen“ bezeichnet <strong>und</strong><br />

so auch dazu beiträgt, die Augen vor der Realität zu verschließen: Nämlich jener<br />

Realität, die das Altern als eine Tatsache darstellt, die jede <strong>und</strong> jeden betrifft.<br />

2.4. Entwicklungsphasen <strong>im</strong> Alter – das dritte <strong>Lebensalter</strong><br />

Laslett 45 unterscheidet zwischen vier unterschiedlichen <strong>Lebensalter</strong>n <strong>und</strong> unterteilt<br />

das Leben in vier Phasen: „Am Anfang steht die Zeit der Abhängigkeit,<br />

Sozialisation, Unreife <strong>und</strong> Erziehung; zweitens folgt die Zeit der Unabhängigkeit,<br />

Reife <strong>und</strong> Verantwortung, des Verdienens <strong>und</strong> Sparens, <strong>dritten</strong>s die Zeit der<br />

persönlichen Erfüllung <strong>und</strong> viertens die Zeit der unabänderlichen Abhängigkeit,<br />

der Altersschwäche <strong>und</strong> des Todes.“ 46<br />

Den Höhepunkt erlebt der Mensch <strong>im</strong> <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong>, das von persönlichen<br />

Errungenschaften <strong>und</strong> Erfüllung geprägt ist. Dieses Modell unterscheidet sich von<br />

anderen gr<strong>und</strong>sätzlich dadurch, dass es keine zwingende Verbindung zwischen<br />

<strong>Lebensalter</strong> <strong>und</strong> einem festgeschriebenen Zeitpunkt des Wechsels gibt. Die<br />

Übergänge zwischen den vier <strong>Lebensalter</strong>n sind also nicht an festgeschriebene<br />

Zeitpunkte, Geburtstage oder ähnliches geb<strong>und</strong>en. Ein Übergang als solches<br />

muss nicht einmal stattfinden. Der Höhepunkt in Form des <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong>s<br />

kann gleichzeitig mit dem zweiten oder auch ersten gelebt werden – ein Sportler<br />

43 Ebda., S.56<br />

44 vgl. Kolland, 2005, S. 9<br />

45 vgl. Laslett, 1995, S. 35f<br />

46 Ebda., S. 35<br />

23


eispielsweise, sollte den Zenith <strong>im</strong> ersten <strong>Lebensalter</strong> erreichen <strong>und</strong> erlebt somit<br />

bereits einen Teil seines <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong>s.<br />

Böhme 47 unterscheidet zwischen drei Phasen <strong>im</strong> Alter: Diesbezüglich spricht er<br />

von älteren, alternden <strong>und</strong> alten Menschen <strong>und</strong> bezeichnet so drei verschiedene<br />

Phasen, die jene Menschen betreffen, welche ins vorgerückte Alter eingetreten<br />

sind. Wichtig ist dabei die Erfahrung, dass das Alter unterschiedlich<br />

wahrgenommen <strong>und</strong> das hohe Maß der Heterogenität in dieser Gruppe erkannt<br />

wird.<br />

„Es ist daher sinnvoll, zu unterscheiden zwischen den alten Menschen, die dem<br />

Ende unmittelbar entgegensehen <strong>und</strong> auf umfassende Hilfe anderer angewiesen<br />

sind, den alternden Menschen, die den Alterungsprozess mit dem allmählichen<br />

Abbau von Funktionen bewusst erleben, <strong>und</strong> den älteren Menschen, denen bei<br />

voller Funktionstüchtigkeit <strong>und</strong> reicher Aktivität der Alterungsprozess bevorsteht.“ 48<br />

Die Phasenübergänge verlaufen fluktuierend <strong>und</strong> können nicht streng an<br />

Lebensjahren festgemacht werden – sie beziehen sich aufeinander, unterscheiden<br />

sich aber gr<strong>und</strong>sätzlich voneinander in körperlicher, seelischer sowie geistiger<br />

Hinsicht.<br />

Ebenso wie jene nach Laslett geht auch jene Art der Typologisierung nach Böhme<br />

weg von einer Grenzziehung nach gezählten bzw. erreichten Lebensjahren <strong>und</strong><br />

weist auf die individuelle Wahrnehmung <strong>und</strong> sehr oft altersunabhängige<br />

körperliche, geistige <strong>und</strong> seelische Verfassung hin. Mehr noch als der körperliche<br />

sagt der geistige Zustand etwas über die Zugehörigkeit zu einer Lebensphase<br />

aus.<br />

Die stetige Zunahme der Zahl H<strong>und</strong>ertjähriger, also hochbetagter alter Menschen,<br />

weist ebenso auf eine Zunahme Alternder <strong>und</strong> Älterer hin – insofern betrifft also<br />

der Strukturwandel nicht nur Menschen in höchstem <strong>Lebensalter</strong>, sondern auch<br />

jene vorangehender Lebensphasen des Alters. „Und wenn eine Zunahme der<br />

„jungen Alten“ zu verzeichnen ist, dann bedeutet das nicht nur eine Zunahme<br />

Älterer, sondern es bedeutet die Zunahme einer bislang so nicht bekannten<br />

Gruppe von Menschen mit spezifischen Erwartungen an gesellschaftliche<br />

47 vgl. Böhme, 2001, S.24ff<br />

48 Ebda., S. 25<br />

24


Beteiligung – <strong>und</strong> damit, darauf kommt es hier an, mit spezifischen<br />

Bildungsbedürfnissen.“ 49<br />

Ein wichtiger, zukünftiger Aspekt der Erwachsenenbildung wird also sein, diese<br />

Bildungsbedürfnisse zu lokalisieren, zu visualisieren <strong>und</strong> darauf adäquat zu<br />

reagieren.<br />

2.5. Sozialwissenschaftliche Alterstheorien<br />

Zum besseren praktischen Verständnis dient es auch theoretische Alterstheorien<br />

in Zusammenhang auf ihre Erklärungskraft für den Alternsprozess anzuführen.<br />

Voges 50 nennt drei gr<strong>und</strong>legende, theoretische Ansätze:<br />

Die Aktivitäts- oder Ausgliederungstheorie beschreibt die Ausgliederung alter<br />

Menschen aus Systemen wie Beruf <strong>und</strong> Familie, was einem Funktionsverlust in<br />

diesen Bereichen gleichkommt. Man unterschätzt durch den schnellen sozialen,<br />

durch gesellschaftliche Werte <strong>und</strong> Haltungen betreffenden, <strong>und</strong> technischen<br />

Wandel sowie aufgr<strong>und</strong> der Präsenz der Massenmedien, die zunehmend die<br />

Funktion der Traditionsvermittler übernehmen, die Wichtigkeit der älteren<br />

Menschen in der Gegenwart. Die Pensionierung, zudem noch ohne familialen<br />

Rückhalt, stellt eine ungewohnte Alltagssituation für den bzw. die Betroffene(n) dar<br />

– insofern lässt sich von einem nachhaltigen Einschnitt <strong>im</strong> Lebensverlauf<br />

sprechen. Diese Rollen- <strong>und</strong> Funktionsverluste, auch <strong>im</strong> Sinne der Ausgliederung<br />

aus sozialen Bezugsgruppen, gehen sehr oft mit einem eingeschränkten<br />

Handlungspotential sowie Aktivitätsverlust einher.<br />

Die Disengagementtheorie betrifft die zunehmende Lösung sozialer Beziehungen<br />

zwischen älteren Menschen <strong>und</strong> der Gesellschaft. Der naturbedingte, biologische<br />

Alterungsprozess, der <strong>im</strong> geistigen, seelischen <strong>und</strong> körperlichen Verfall endet,<br />

fordert die Notwendigkeit des sozialen Rückzuges. Nicht leistungsfähige Ältere<br />

werden durch unverbrauchte Junge ersetzt – so soll die gesellschaftliche Existenz<br />

gesichert werden. Dieser soziale Rückzug <strong>im</strong> familiären wie beruflichen Bereich<br />

49 Ebda., S. 26<br />

50 vgl. Voges, 1996, S. 35ff<br />

25


wird als natürlicher, gewünschter, akzeptierter, dem Ruhebedürfnis des älteren<br />

Menschen entsprechender Prozess angesehen. Jetzt ist die verpflichtungsfreie<br />

Phase erreicht, in der die persönlichen Bedürfnisse mehr denn je <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

stehen.<br />

Die dritte Theorie bezeichnet das Alter als Stigma <strong>und</strong> versucht, „Altern aus dem<br />

Zusammenwirken von biologischen Veränderungen <strong>und</strong> den Folgen<br />

gesellschaftlicher Etikettierungen zu erklären.“ 51 Was für uns alle gilt, das gilt auch<br />

für alte Menschen – auch sie passen sich gesellschaftlichen Erwartungshaltungen<br />

an. Dieser Stigmatisierungsprozess endet zumeist in einer festgeschriebenen<br />

Altersrolle <strong>und</strong> beinhaltet nachstehend angeführte Punkte:<br />

„1. Die Wahrnehmung <strong>und</strong> Bewertung der biologischen Veränderungen einer<br />

Person ist auf best<strong>im</strong>mte Werte <strong>und</strong> Normen von Jugendlichkeit, also z.B. auf ein<br />

best<strong>im</strong>mtes Schönheitsideal, zugeschnitten. Altsein gilt als unvereinbar mit diesen<br />

Idealen.<br />

2. Das in unserer Gesellschaft vorherrschende statische Menschenbild (...)<br />

unterstellt eine unveränderliche Beziehung zwischen biologischen <strong>und</strong><br />

psychosozialen Veränderungen. So kommt es zur negativen Beurteilung von <strong>und</strong><br />

zu starren Stereotypen gegenüber älteren Menschen.<br />

3. Die an eine biologische Veränderung geb<strong>und</strong>ene konkrete Verhaltensweise<br />

wird auf die gesamte Person <strong>und</strong> deren soziales Handeln übertragen (...)<br />

4. Die erfolgte Etikettierung best<strong>im</strong>mt nun wesentlich das Denken <strong>und</strong> Handeln<br />

gegenüber den älteren Menschen (...)<br />

5. Erfahrungen machen ältere Menschen nunmehr in ihrer Rolle als >>der/die<br />

Alte


Aus diesen Punkten, die sich unterschiedlich zusammensetzen können, entwickelt<br />

sich ein dem gesellschaftlichen Blickwinkel entsprechendes Altersbild, das von<br />

den Betroffenen an- <strong>und</strong> übernommen wird <strong>und</strong> dem sie, bewusst oder<br />

unbewusst, schlussendlich auch entsprechen. Hier werden der ungeheure<br />

gesellschaftliche Druck <strong>und</strong> das menschliche Bedürfnis, sich diesem Druck durch<br />

nahezu bedingungslose Anpassung zu entziehen, sichtbar.<br />

2.6. Die Alten von heute <strong>und</strong> ihr gesellschaftliches Umfeld<br />

In bildungsspezifischer Hinsicht 53 , also abgesehen von sozialwissenschaftlichen<br />

Deutungsansätzen, ist Altern an sich <strong>im</strong>mer als dynamischer Entwicklungsprozess<br />

zu betrachten, was Böhme in Kapitel 2.8. mit seiner Altersphasen-Unterscheidung<br />

deutlich darstellt.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarktes scheint es jedoch<br />

oft nicht sinnvoll das Alter mit dem Wegfall beruflicher Verbindlichkeiten<br />

gleichzusetzen.<br />

Diesbezüglich gibt es in Zusammenhang mit Bildungsprozessen noch andere<br />

Unterscheidungsmerkmale, die bis dato in der Gerontologie nur bedingt Einzug<br />

fanden: Die Unterscheidung nach Geschlechtsmerkmalen – obgleich obligatorisch,<br />

wurden Geschlechtsspezifika, <strong>und</strong> die Tatsache, dass es mehr ältere Frauen als<br />

Männer gibt, gerontologisch vernachlässigt.<br />

Tatsachen wie Differenzen <strong>im</strong> Bildungsstand, die familiären Verhältnisse <strong>und</strong> die<br />

Stadt-Land-Unterschiede dürfen auch nicht außer Acht gelassen werden.<br />

Vor einer bildungswissenschaftlichen Betrachtung bleibt vorerst einmal das<br />

gesellschaftliche Umfeld zu analysieren. Wie sieht denn heute das<br />

gesellschaftliche Umfeld aus, in denen sich alte Menschen bewegen?<br />

In Auseinandersetzung 54 mit der steigenden Lebenserwartung <strong>und</strong> der zukünftigen<br />

demographischen Entwicklung muss sich die Menschheit nicht nur mit der<br />

zusätzlichen Zeit beschäftigen, sondern sich auch mit den Nachteilen<br />

auseinandersetzen. Längere Lebenszeit bringt auch Elend mit sich – gemeint ist<br />

beispielsweise die Erhöhung der Demenzrate in der Bevölkerung. Das lässt sich<br />

53 vgl. S<strong>im</strong>on/Haring, 1999, S. 62<br />

54 vgl. Älter werden – Leben gewinnen, 2004, S. 17<br />

27


aber sehr wohl beeinflussen. Wie teilweise bereits in der Antike, werden die<br />

morgigen Alten ihre körperliche wie geistige Konstitution <strong>und</strong> ihren<br />

gesellschaftlichen Nutzen unter Beweis stellen müssen.<br />

Eine Frage der Leistbarkeit sind die zunehmend angebotenen Außenhilfen.<br />

Wichtiger sind in diesem Zusammenhang aber die Innenaktivitäten, sprich die<br />

Bereitschaft, sich sinnvoll an der Gesellschaft zu beteiligen <strong>und</strong> Mitverantwortung<br />

zu übernehmen, auch um das vorher angesprochene Elend zu min<strong>im</strong>ieren. Wie<br />

kann so eine Bereitschaft gefördert <strong>und</strong> verwirklicht werden? – eine der Fragen,<br />

die die zukünftige Erwachsenenbildung betreffen.<br />

Prisching 55 nennt 18 Thesen, die das Alter heute als „Mosaik mit Widersprüchen“<br />

beschreiben:<br />

These 1: „Gesellschaften schaffen sich „Bilder“ von den älteren<br />

Gesellschaftsmitgliedern. Sie haben nicht einfach mit älteren Menschen an sich zu<br />

tun; sie konstruieren das Alter.“ 56<br />

In der Sozialwissenschaft als soziale Konstruktion bezeichnet, spricht diese These<br />

von keiner gültigen Definition, wer denn alt ist. Die Definition ist begleitet von<br />

interpretativen, gedeuteten <strong>und</strong> von Normierungen <strong>und</strong> Erwartungen geprägten<br />

sozialen Phänomenen.<br />

These 2: „Eine Kluft tut sich auf; die Menschen werden in der modernen<br />

Gesellschaft gleichzeitig älter <strong>und</strong> jünger.“ 57<br />

Diese widersprüchlich erscheinende These beschreibt die Konvergenz zwischen<br />

biologisch-physiologischen <strong>und</strong> leistungsmäßig zugeschriebenen Altersangaben.<br />

Während sich die körperliche, geistige <strong>und</strong> emotionale Konstitution verbessert, hat<br />

sich der Alterungsprozess, bezogen auf den Arbeitsmarkt, durch die gestiegene<br />

gesellschaftliche Veränderungsgeschwindigkeit bedeutend beschleunigt.<br />

55 vgl. Rosenmayr/Böhmer, 2003, S. 246ff<br />

56 Ebda., S. 247<br />

57 Ebda., 2003, S. 248<br />

28


These 3: „Die Generationen driften auseinander. Die Beschleunigung der<br />

gesellschaftlichen Veränderungen mindert die Anschlussfähigkeit der jeweiligen<br />

Lebenswelten.“ 58<br />

Die jeweils älteren Generationen werden durch den raschen sozialen Wandel mit<br />

nicht nur partiellen Neuerungen, sondern mit geradezu neuen Welten konfrontiert.<br />

Insofern wächst der intergenerationelle Verständigungsaufwand.<br />

These 4: „Die Menschen leben <strong>im</strong>mer länger, <strong>und</strong> zusammen mit einer sehr<br />

niedrigen Geburtenrate in den Industrieländern entwickelt sich eine „veraltete<br />

Gesellschaft.“ 59<br />

Die Lebenserwartung steigt rapide an, wir leben heute zwei bis dre<strong>im</strong>al länger als<br />

unsere Vorfahren. Die Entwicklung geht eindeutig in Richtung einer veralternden<br />

Gesellschaft – veraltert deshalb, weil überaltert eine negative Haltung <strong>und</strong> damit<br />

einen Teil der Menschheit als „überschüssig“ <strong>im</strong>pliziert.<br />

These 5: „Die „veraltete Gesellschaft“ könnte die Dynamik der gesellschaftlichen<br />

Wandlungsprozesse bremsen; möglicherweise steigert gerade dies aber auch die<br />

Qualität einer turbulenten Gesellschaft.“ 60<br />

Durch die zunehmende gesellschaftliche Vergreisung <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

physischen, psychischen <strong>und</strong> geistigen Veränderungen, wird angenommen, dass<br />

auf den Veränderungsdruck nicht mehr adäquat reagiert werden kann. An dieser<br />

Stelle bleibt der technisch-wirtschaftliche Veränderungsdruck in Richtung stetiger<br />

Wachstumsmax<strong>im</strong>ierung als nahezu einzig verbliebenes Maß für<br />

Gesellschaftsgestaltung gründlichst zu hinterfragen.<br />

These 6: „Das Alter ist erwartbar geworden, <strong>und</strong> die erhöhte Lebenssicherheit<br />

bewirkt einen neuen Umgang mit Leben <strong>und</strong> Tod.“ 61<br />

Dadurch, dass das Alter zunehmend erwartbar geworden ist, sehen die Älteren die<br />

letzte Phase des Lebens nicht mehr nur als Wartezeit auf den Tod, sondern<br />

können größtenteils einer langen, eigenständigen Lebensperiode entgegensehen.<br />

58 Ebda., 2003, S. 249<br />

59 Ebda, 2003, S. 250<br />

60 Ebda, 2003, S. 251<br />

61 Ebda., 2003, S. 253<br />

29


These 7: „Das dahingezogene Alter wird uneinheitlich, es „spaltet“ sich in die<br />

nichtberufstätige, aber lebenskräftige Periode <strong>und</strong> die gebrechliche,<br />

pflegebedürftige Periode.“ 62<br />

Nach Laslett ist damit die dritte <strong>und</strong> vierte Lebensphase gemeint, wobei die vierte<br />

die von Pflegebedürftigkeit gekennzeichnete Phase ist. Heute stehen die Chancen<br />

gut, eine lange dritte Lebensphase genießen zu dürfen – die Unannehmlichkeiten<br />

des Alters in Form des körperlichen wie geistigen Verfalls, der Abhängigkeit <strong>und</strong><br />

Pflegebedürftigkeit bleiben aber nicht erspart, sie verschieben sich nur nach<br />

hinten.<br />

These 8: „Ältere tun sich schwer mit ihrer Rollenfindung. Manche erliegen dem<br />

Jugendlichkeitskult der Gesellschaft <strong>und</strong> werden deshalb kulturell infantil.“ 63<br />

Sex, Sport <strong>und</strong> Spaß – gemäß dieser Dreifaltigkeit der Moderne laufen heute<br />

<strong>im</strong>mer mehr alte Menschen der Jugend nach. Vor 300 Jahren trugen die<br />

Menschen weiße Perücken, selbst vor 100 Jahren versuchten noch alle alt zu<br />

erscheinen – den jugendlichkeitsideologischen Erfordernissen entsprechend hat<br />

sich das Blatt jedoch gewendet. Es vollzieht sich also ein Prozess, der von<br />

Entmachtung von Erfahrungswirklichkeit <strong>und</strong> Lebenserfahrung geprägt ist. Im<br />

Sinne von Fitness <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit ist für greisenhaftes Erscheinen kein<br />

Platz.<br />

These 9: „Jugendlichkeitsideale in der Gesellschaft führen zu einer<br />

Stigmatisierung des Alters. Ein würdiger Altersstil ist in der postmodernen<br />

Spaßgesellschaft schwer zu entwickeln.“ 64<br />

Der enorme gesellschaftliche Druck in Form des Jung-Dynamisch-Lustig-Sydroms<br />

fördert das Altern in Würde in keinster Art <strong>und</strong> Weise. Einem würdigen Altersstil<br />

wird also durch gezwungen jugendhaftes Erscheinen <strong>und</strong> der Marginalisierung<br />

körperlicher Altersspuren <strong>im</strong>mer weniger Spielraum gelassen. Rosa Schleifen,<br />

blondiertes Haar <strong>und</strong> Schönheitsoperationen vs. die altersbedingten <strong>und</strong><br />

Lebenserfahrung widerspiegelnden körperlichen Charakteristika, die das Alter so<br />

mit sich bringt.<br />

62 Ebda., 2003, S. 254<br />

63 Ebda., 2003, S. 255<br />

64 Ebda., 2003. S. 256<br />

30


These 10: „In einer beschleunigten Wissensgesellschaft werden die<br />

qualifikatorischen Ressourcen der Älteren wenig geschätzt. Aber es gibt auch das<br />

„weise“ Alter.“ 65<br />

Eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit <strong>im</strong> zunehmenden Alter lässt<br />

sich nicht leugnen. Was jedoch ebenso empirisch bestätigt ist, ist die Tatsache,<br />

dass Intelligenz keineswegs mit dem Alter abnehmen muss. Werden in diesem<br />

Zuge aber Intelligenz- <strong>und</strong> Lebensbewältigungsqualifikationen mit Computer-<br />

Know-How <strong>und</strong> Interesse an den neuesten Microsoft-Produkten gleichgesetzt,<br />

vollzieht sich ein Prozess, der älteren Menschen jegliche Qualifikation abspricht.<br />

Bei gleichbleibenden Entwicklungstendenzen wird sich dieser Prozess zukünftig<br />

auch auf die Menschen <strong>im</strong> „besten“ Alter ausweiten. Der Horizont an<br />

Wertschätzung sollte, back to the roots, über angelernte Kenntnisse der<br />

Informationsgesellschaft hinausgehen <strong>und</strong> mehr bzw. ebenso<br />

erfahrungsbezogene Fertigkeiten <strong>und</strong> Lebensweisheit in den Mittelpunkt stellen.<br />

„Einer bedrohten Gesellschaft ein Selbstbewusstsein zu geben, das aus<br />

Lebenserfahrung <strong>und</strong> Weisheit kommt – das ist die große Lebensaufgabe<br />

derjenigen, die in 15 Jahren in diesem Land leben. Dass alt sein nicht<br />

gleichzusetzen ist mit schwach sein oder müde, <strong>und</strong> dass der Alternde nicht<br />

schwach gemacht werden darf, wird eine der Überlebensregeln unserer<br />

gefährdeten Gemeinschaft sein.“ 66<br />

These 11: „Die Älteren sind wohlhabend wie nie zuvor, <strong>und</strong> sie lassen die jüngere<br />

Generation daran teilhaben. Altersarmut ist so peripher wie Armut überhaupt in<br />

der Gesellschaft.“ 67<br />

Um mit dem Stereotyp der Altersarmut aufzuräumen muss betont werden, dass<br />

nur ein geringer Prozentsatz der Alten von Armut betroffen sind. In Deutschland<br />

sind laut Berliner Altersstudie etwa drei Prozent der Alten davon betroffen.<br />

These 12: „Die Älteren sind teuer, <strong>und</strong> unter den absehbaren demographischen<br />

Bedingungen werden auf sie unangenehme Diskussionen über die Grenzen der<br />

Versorgbarkeit zukommen.“ 68<br />

65 Ebda., 2003, S. 257<br />

66 Schirrmacher, 2004, S. 53<br />

67 Rosenmayr/Böhmer, 2003, S. 259<br />

68 Ebda., 2003, S. 259<br />

31


Die zahlreichen, materiell gesicherten, alten Menschen kommen dem<br />

Wohlfahrtsstaat teuer zu stehen. Auf den Punkt gebracht bedeutet das eine<br />

Diskussion <strong>und</strong> Thematisierung des Generationenvertrages. Entwicklungen wie<br />

der Anstieg von Einpersonenhaushalten bzw. der Ausgabenschub bei<br />

Ges<strong>und</strong>heitsausgaben <strong>und</strong> Pensionszahlungen unterstreichen diese Tatsache.<br />

Von politischer Seite sind also Behauptungen wie „Rentensicherheit“ <strong>und</strong><br />

„Pensionsgarantie“ Schnee von gestern – also schlicht <strong>und</strong> einfach längerfristig<br />

nicht einzuhalten.<br />

These 13: „Ältere bevorzugen es häufig, „Int<strong>im</strong>ität auf Abstand“ zu pflegen. Aber<br />

die gesellschaftliche Entwicklung isoliert sie zunehmend von den jüngeren<br />

Generationen.“ 69<br />

„Nähe auf Distanz“ beschreibt den Umstand, dass ältere Menschen in sozialen<br />

Netzwerken einerseits gerne int<strong>im</strong>en Kontakt pflegen, andererseits ihre eigene<br />

Unabhängigkeit schätzen. Es besteht also noch eine enge Beziehung zwischen<br />

den Generationen – die Umstände werden aber <strong>im</strong>mer schwieriger. Durch<br />

steigende Mobilität steigt die Distanz, was den <strong>im</strong>mens wichtigen face-to-face-<br />

Kontakt erschwert. Durch die Arbeitsmarktsituation ist es für die<br />

Terminkalenderfamilie <strong>im</strong>mens schwierig auch noch Berührungspunkte mit der<br />

älteren Generation einzuplanen, <strong>und</strong> durch die Tatsache der <strong>im</strong>mer späteren<br />

Elternschaft können Erziehungsaufgaben <strong>im</strong>mer seltener von Großeltern<br />

übernommen werden.<br />

These 14: „Die Älteren verfügen über Zeit <strong>und</strong> Geld; beides Ressourcen, an denen<br />

die Jüngeren teilhaben. Das lindert den Generationenkonflikt.“ 70<br />

Nachdem die Ressourcen älterer Menschen <strong>im</strong>mer weniger geschätzt werden,<br />

bleiben ihnen noch zwei Machtfaktoren: Zeit <strong>und</strong> Geld. Hier können sie, <strong>und</strong> das<br />

tun sie auch, einen beträchtlichen Teil an Hilfeleistung den Jüngeren zur<br />

Verfügung stellen. Diese Tatsache ist mit einem Statusgewinn gleichzusetzen <strong>und</strong><br />

bedeutet gleichsam Reputation der Älteren: Durch Zuwendungen in finanzieller<br />

<strong>und</strong> zeitlicher Hinsicht kann das gespannte Verhältnis zwischen den Generationen<br />

etwas entspannt werden.<br />

69 Ebda., 2003, S. 262<br />

70 Ebda., 2003, S. 263<br />

32


These 15: „Das Alter kann auch ein produktives sein, <strong>und</strong> die Älterwerdenden tun<br />

gut daran, sich darauf einzustellen, also das Altern nicht nur als Verlust, sondern<br />

auch als Gewinn zu betrachten.“ 71<br />

Aktivität auch <strong>im</strong> <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong> – das erfordert natürlich „Abschiedsfähigkeit“<br />

von bisherigen, beispielsweise beruflichen, Tätigkeiten <strong>und</strong> Verhaltensweisen.<br />

Dies ist nicht einfach, gilt aber als Voraussetzung für ein erfolgreiches <strong>und</strong><br />

produktives Altern.<br />

These 16: „Altern ist ein gradueller Prozess; deshalb sind radikale Einschnitte, wie<br />

sie <strong>im</strong> Lebenslauf fixiert sind, unangemessen.“ 72<br />

Der Mensch altert nicht von heute auf morgen – insofern wäre ein adäquates<br />

Reagieren der natürlichen „Leistungskurve“ entsprechend, die bekanntlich <strong>im</strong> Alter<br />

etwas abfällt, sinnvoll. Sinnlos hingegen sind Brüche <strong>im</strong> Lebenslauf, wie sie die,<br />

einem Arbeitsverbot gleichzusetzende, Pensionierung darstellt. Der Zwang zu<br />

Muße, Sinnsuche <strong>und</strong> Kontemplation – wird zukünftig nicht zu halten sein. Die<br />

Jahre vor der Pensionierung werden zukünftig an Aktivität gewinnen müssen. Es<br />

wird ein bewusstseinsbildender Prozess stattfinden müssen, der die<br />

erfahrungsbezogenen Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten sowie das Wissen älterer<br />

Menschen in den Mittelpunkt stellt.<br />

These 17: „Die Älteren sind nicht nur zum Teil hilfsbedürftig. Sie sind auch zum<br />

Teil fähig zu helfen, <strong>und</strong> sie tun es auch in einem zivilgesellschaftlichen Kontext.“ 73<br />

Die Älteren übernehmen <strong>im</strong>mer mehr wichtige Aspekte der Erziehungsarbeit,<br />

Ges<strong>und</strong>heitsobsorge, der öffentlichen Sicherheit usw., <strong>und</strong> unterstützen insofern<br />

das gesellschaftliche Gleichgewicht einerseits dadurch, dass sie durch die<br />

organisierte Aktivität ihrem Lebensalltag Sinn geben <strong>und</strong> so die Lebenserwartung<br />

erhöhen, andererseits auch zeigen, dass sie auch noch einen Beitrag leisten <strong>und</strong><br />

somit ihre gesellschaftliche Position untermauern. Hier tut sich die Frage auf, ob<br />

nicht ein gewisser Beitrag verlangt <strong>und</strong> vorausgesetzt werden darf. Doch sollte<br />

das verallgemeinerte Leistungsprinzip nicht mit erzwungener Aktivität bis in die<br />

letzte Lebensminute gleichgesetzt werden.<br />

71 Ebda., 2003, S. 264<br />

72 Ebda., 2003, S. 265<br />

73 Ebda., 2003, S. 266<br />

33


These 18: „Die Menschen spekulieren einmal mehr darüber, in die Phase der<br />

Unsterblichkeit einzutreten. Sie meinen, das Alter ließe sich besiegen.“ 74<br />

Auch angesichts der stetig steigenden Lebenserwartung haben doch die<br />

Menschen heute ein bedeutend kürzeres <strong>und</strong> stressigeres Leben. In einer<br />

säkularisierten Welt haben sich die Ansicht von <strong>und</strong> der Glaube an ein „ewiges<br />

Leben“ <strong>im</strong> Jenseits zunehmend verändert. Insofern haben die Menschen<br />

unglaublichen Stress <strong>im</strong> Diesseits, <strong>und</strong> können eventuell Versäumtes nicht mehr<br />

auf die Ruhephase <strong>im</strong> Jenseits verschieben. Zudem wird der Glaube an<br />

Unsterblichkeit <strong>im</strong>mer stärker – <strong>im</strong> medizinischen Bereich genährt durch ständigen<br />

Fortschritt. Im elektronischen Bereich betrachtet eine Theorie den Menschen nur<br />

als Bindeglied zur überlegenen, elektronischen Spezies. In diesem Fall wäre eine<br />

Beseitigung des Todes mit der Beseitigung der Menschheit gleichzusetzen.<br />

2.7. Abschluss<br />

In einer zunehmend „vergreisenden“ Gesellschaft, in der wir uns bereits befinden,<br />

scheint paradoxerweise <strong>im</strong>mer weniger Platz für ältere <strong>und</strong> alte Menschen zu sein.<br />

Verschiedenste Szenarien beschwören uns eine „graue“ Zukunft, sollte nicht<br />

adäquat auf diese Entwicklung reagiert werden – <strong>und</strong> das möglichst schnell.<br />

Hinzu kommt noch das weit verbreitete, vorwiegend negativ behaftete Bild des<br />

alten Menschen, das ihm, mit zunehmendem Alter, zunehmend körperliche <strong>und</strong><br />

geistige Handlungsunfähigkeit unterstellt <strong>und</strong> so, gemäß einem Teufelskreis, das<br />

Selbstbewusstsein der Betroffenen destruktiv beeinflusst.<br />

Ein Alters-Stereotyp, das bei näherer Betrachtung der Geschichte nicht <strong>im</strong>mer nur<br />

negativ behaftet war. Vom negativen Altersbild in der Neuzeit, über die positive<br />

Entwicklung in der Aufklärung <strong>und</strong> Biedermeierzeit bis zurück zum durchwegs<br />

negativ behafteten Altersbild in der Gegenwart – wo es gerade heute, angesichts<br />

der massiven demographischen Umbrüche, wichtig wäre, alten Menschen durch<br />

eine, ihnen positiv gegenüber gestellte, gesellschaftliche Erwartungshaltung ein<br />

hohes Selbstwertgefühl zu vermitteln, <strong>und</strong> so den Gr<strong>und</strong>stein für aktives <strong>und</strong><br />

produktives Altern zu legen.<br />

74 Ebda., 2003, S. 267<br />

34


Ein erster Schritt dazu ist die Anerkennung des <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong>s als aktive,<br />

leistungsfähige <strong>und</strong> produktive Phase – ein bewusstseinsbildender Prozess, der<br />

das Alter nicht mehr nur mit Senilität, Gebrechlichkeit, Demenz <strong>und</strong> letzte Station<br />

vor dem Tod gleichsetzt.<br />

Kolland stützt sich in seinem Buch auf das Dritte <strong>Lebensalter</strong> nach Laslett <strong>und</strong><br />

schreibt: „Das dritte <strong>Lebensalter</strong> – gleichsam als Krönung des Lebens – wird in<br />

zunehmendem Maße zur Erfahrung eines jeden Menschen gehören <strong>und</strong> die<br />

Gesellschaft wird sich daher an die kulturellen Bedingungen der Menschen dieses<br />

Alters anpassen müssen. Es bedarf der Forschung, um die Potenziale des neuen<br />

gesellschaftlichen Phänomens, das das Dritte <strong>Lebensalter</strong> darstellt, erkennen zu<br />

helfen.“ 75<br />

3. <strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> – Der Versuch einer Definition<br />

Lebenslanges/<strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> sind Begriffe, die nicht nur in der<br />

Erwachsenenbildung oft verwendet werden, <strong>und</strong> deren Bedeutung zu wissen<br />

heutzutage nahezu vorausgesetzt wird. Einerseits spricht die Wortbedeutung für<br />

sich, andererseits wird <strong>im</strong> weiteren Verlauf deutlich, dass die Thematik<br />

verschiedene Deutungsmuster <strong>und</strong> Auslegungsvarianten zulässt. Nichtsdestotrotz<br />

oder gerade deshalb soll die Einleitung die Definition <strong>im</strong> groben Sinne<br />

übernehmen <strong>und</strong> ebenso gr<strong>und</strong>legend in die Ansichten <strong>und</strong> Auslegungen seitens<br />

der Europäischen Union einführen.<br />

Mit dem Konzept der „sieben Schulen des Lebens“ 76<br />

35<br />

beschäftigte sich bereits<br />

Johann Amos Comenius um 1660 (damals selbst bereits Ende Sechzig) mit dem<br />

Thema des lebenslangen <strong>Lernen</strong>s. Diese sieben Schulen beschäftigen sich mit<br />

dem gesamten Spektrum des Lebenslaufs, also von der Schule des<br />

vorgeburtlichen Werdens bis hin zur Schule des hohen Greisenalters. „Der Plan ist<br />

weit mehr als eine Kuriosität <strong>im</strong> Stammbaum des Konzepts vom lebenslangen<br />

<strong>Lernen</strong>. Geboten wird dort nicht die schlechte Utopie einer lebenslangen<br />

75 Kolland, 2005, S. 10<br />

76 vgl. Otto, 2005, S. 26


Beherrschung der Welt durch die Pädagogen, sondern ein didaktisch sorgfältig<br />

durchdachter Ratgeber zu wirkungsvoller Selbstbildung <strong>und</strong> Selbsterziehung <strong>im</strong><br />

Lebenslauf.“ 77<br />

Die Thematik des Lebenslangen/Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s fand erstmals in<br />

einem von der UNESCO Anfang der 70er Jahre 78 in Auftrag gegebenen<br />

Kommissionsbericht zur Zukunft des Bildungswesens Berücksichtigung. Erneut in<br />

Diskussion <strong>und</strong> somit in den Mittelpunkt des politischen Interesses gelangte die<br />

Thematik <strong>im</strong> Jahr 1997, das als Jahr des „Lebenslangen <strong>Lernen</strong>s“ in Europa<br />

deklariert wurde. Zwölf Jahre später hat sich, wie bereits erwähnt, der Begriff des<br />

Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s als „Standardfloskel“ etabliert <strong>und</strong> ist in aller M<strong>und</strong>e.<br />

„Was früher nur der vorübergehenden Phase der Jugend zustand – nämlich<br />

Identitäten auszubilden <strong>und</strong> ihren Platz <strong>im</strong> Leben zu finden sowie Ausbildungen<br />

<strong>und</strong> Abschlüsse zu absolvieren -, gilt heute für das gesamte Erwachsenenalter.<br />

Lebenslanges – oder besser: lebensbegleitendes <strong>Lernen</strong> – ist demnach als<br />

Prozess zu sehen, der fließende Übergänge zwischen Erstausbildung <strong>und</strong><br />

Weiterbildung, zwischen allgemeiner <strong>und</strong> beruflicher <strong>und</strong> zwischen formellen <strong>und</strong><br />

informellen Lernleistungen ermöglicht.“ 79<br />

Wie <strong>im</strong> obigen Zitat ersichtlich <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass viele verschiedene<br />

Bezeichnungen das Selbe meinen (Lebenslanges <strong>Lernen</strong>, Lebensumspannendes<br />

<strong>Lernen</strong>, <strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> usw,), wird <strong>im</strong> weiteren Verlauf dieser Arbeit<br />

zumeist die Bezeichnung <strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> verwendet.<br />

Für vielverwendete Begriffe gibt es eine große Menge an Definitionen, aus denen<br />

zu selektieren kein leichtes Unterfangen darstellt. Insofern bleibt die „Beurteilung“<br />

der schlussendlich ausgewählten Definitionen individuell dem Betrachter<br />

vorbehalten <strong>und</strong> entzieht sich in weiterer Folge dem Anspruch der<br />

Allgemeingültigkeit.<br />

Kommission <strong>und</strong> Mitgliedsstaaten definieren Lebenslanges <strong>Lernen</strong> folgend: „Diese<br />

Auffassung des <strong>Lernen</strong>s umfaßt die persönliche <strong>und</strong> soziale Entwicklung in allen<br />

77 Ebda., S. 26<br />

78 vgl. Frank, 2004, S. 2 in: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/Vortrag_BadBoll_frank_040515.pdf,<br />

06.07.2011<br />

79 Gruber in http://www.uni-klu.ac.at/ifeb/eb/schoene%20neue%20bildungswelt.pdf, 23.05.2010,<br />

S. 2<br />

36


ihren Formen <strong>und</strong> in allen Lernzusammenhängen, ob formaler Art – in der Schule,<br />

in Bildungseinrichtungen der beruflichen, tertiären <strong>und</strong> der Erwachsenenbildung –<br />

oder informeller Art – zu Hause, am Arbeitsplatz <strong>und</strong> in der Gemeinschaft. Der<br />

Ansatz bezieht sich auf das gesamte System; <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen<br />

Anforderungen an die Kenntnisse <strong>und</strong> Fertigkeiten, die von allen erworben werden<br />

müssen – ungeachtet ihres Alters. 80<br />

Weiters gilt Lebenslanges <strong>Lernen</strong> als „das umfassende Konzept, das alle Arten<br />

des Lehrens <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong>s einschließt. Lebenslanges <strong>Lernen</strong> setzt schon in<br />

frühester Kindheit ein <strong>und</strong> begleitet auch das ganze Erwachsenenleben, d. h.<br />

sämtliche Lernaktivitäten werden als ein unterbrechungsfreies „von der Wiege bis<br />

zur Bahre“ reichendes Kontinuum gesehen. Aufbauend auf einem von allen<br />

Bürgern zu erwerbenden gemeinsamen Gr<strong>und</strong>bestand von Wissen <strong>und</strong><br />

Fertigkeiten, der über das bloße Schreiben <strong>und</strong> Rechnen hinausgeht, zielt es<br />

darauf ab, den Bürgern das Rüstzeug mitzugeben, das unerlässlich ist für die<br />

Teilhabe an der modernen Gesellschaft: „Universelle“ Fertigkeiten oder „Life<br />

Skills“, wie z. B. Problemlösung, Teamwork <strong>und</strong> Fähigkeit zum <strong>Lernen</strong>, Motivation<br />

<strong>und</strong> Lernbereitschaft <strong>im</strong> höheren Alter.“ 81<br />

Noch einmal auf den Punkt gebracht wird Lebenslanges <strong>Lernen</strong> als „alles <strong>Lernen</strong><br />

während des gesamten Lebens bezeichnet, das der Verbesserung von Wissen,<br />

Qualität <strong>und</strong> Kompetenzen dient <strong>und</strong> <strong>im</strong> Rahmen einer persönlichen,<br />

bürgergesellschaftlichen, sozialen bzw. beschäftigungsbezogenen Perspektive<br />

erfolgt.“ 82<br />

Obwohl die Definitionen laut dem Bericht zum EU-Memorandum ebenso den<br />

beruflichen wie allgemeinbildenden sowie persönlichkeitsbildenden Aspekten<br />

gerecht werden, lässt die Hintergr<strong>und</strong>analyse einiges zu wünschen übrig. Sie<br />

spricht zwar 83 berechtigterweise vom wirtschaftlichen, sozial-demographischen<br />

Wandel <strong>und</strong> der schnelllebigen Wissensgesellschaft, geht weiterführend aber nur<br />

von einem neuen Ansatz der allgemeinen beruflichen Bildung aus. Insofern ist ein<br />

80 Eurydice, 2000, S. 11, in:<br />

http://www.eurydice.org/portal/page/portal/Eurydice/schowPresentation?pubid=018DE, 04.12.2006<br />

81 EU Memorandum, 2001, S. X, in: http://www.app.bmbwk.gv.at/medien/11402-<br />

PDFzuPubID451.pdf, 04.12.2006<br />

82 Thematischer Initiativkreis Lebenslanges <strong>Lernen</strong>, S. 5 in:<br />

http://inqua.de/Inqua/Navigation/Themen/Lebenslanges-<strong>Lernen</strong>/fakten-LLL.html,<br />

04.12.2006<br />

83 vgl. EU Memorandum, 2001, S. IX in: http://www.app.bmbwk.gv.at/medien/11402-<br />

PDFzuPubID451.pdf, 04.12.2006<br />

37


Widerspruch zu erkennen, der einerseits in den Definitionen umfassend den<br />

allgemeinen, persönlichkeitsbildenden Aspekt des Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s<br />

berücksichtigt, andererseits aber nur von einem neuen Ansatz der allgemeinen<br />

beruflichen Bildung ausgeht. Zumal weiterführend zwei wichtige Zielvorgaben 84<br />

Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s formuliert wurden, die die Förderung aktiver<br />

Staatsbürgerschaft <strong>und</strong> die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit betreffen.<br />

Zielvorgaben, die wiederum, betrachtet man aktive Staatsbürgerschaft als<br />

Teilhabe am wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Leben <strong>und</strong> Erwerbstätigkeit in weiterer<br />

Folge <strong>im</strong> Sinne allgemeiner <strong>Lebensqualität</strong> als Garant für Unabhängigkeit,<br />

Selbstachtung <strong>und</strong> Wohlergehen, einseitig in Richtung berufsbildende <strong>und</strong><br />

berufserhaltende Lernmaßnahmen tendieren.<br />

"Lebenslanges <strong>Lernen</strong> umfasst alles formale, nicht-formale <strong>und</strong> informelle <strong>Lernen</strong><br />

an verschiedenen Lernorten von der frühen Kindheit bis einschließlich der Phase<br />

des Ruhestands. Dabei wird "<strong>Lernen</strong>“ verstanden als konstruktives Verarbeiten<br />

von Informationen <strong>und</strong> Erfahrungen zu Kenntnissen, Einsichten <strong>und</strong><br />

Kompetenzen." 85<br />

Einfach formuliert beschreibt letztgenannte Definition die Tatsache, dass<br />

<strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> die Phase des Ruhestandes mit einbezieht <strong>und</strong> geht<br />

von einem konstruktiven Informations- <strong>und</strong> Verarbeitungsprozess aus. An dieser<br />

Stelle sei noch einmal erwähnt, dass die Bezeichnung Ruhestand - <strong>und</strong> gemäß<br />

der gesellschaftlichen Wertschätzung neigt man schnell dazu - nicht mit Stillstand<br />

gleichgesetzt werden darf <strong>und</strong> in diesem Zusammenhang nur die Phase nach dem<br />

Erwerbsleben, also das dritte <strong>Lebensalter</strong> bzw. vierte <strong>Lebensalter</strong> gemeint ist.<br />

Kolland 86 geht weg von an Ökonomisierung, wirtschaftlicher Produktivität <strong>und</strong><br />

Wettbewerbsfähigkeit orientierter Definitionsweisen <strong>und</strong> bringt die Thematik nicht<br />

zwingend mit ständiger Umstellungsbereitschaft infolge ökonomisch verursachter<br />

<strong>und</strong> damit nicht individuell steuerbarer Anpassungsnotwendigkeiten in Verbindung.<br />

Er definiert in umfassender Weise <strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> wie folgt:<br />

84 vgl. EU Memorandum, 2001, S. 6 in: http://www.app.bmbwk.gv.at/medien/11402-<br />

PDFzuPubID451.pdf, 04.12.2006<br />

85 Weiterbildungsblog, 2004, S. 12 in: http://www.blk-bonn.de/papers/heft115.pdf, 06.07.2011<br />

86 vgl. Kolland, 2005, S. 17<br />

38


„Gemeint ist mit letzterem, dass es keine fixen Antworten gibt, es um ein <strong>Lernen</strong><br />

des <strong>Lernen</strong>s geht, welches auch in der Lage ist, Ambiguitäten zu akzeptieren <strong>und</strong><br />

zu ertragen. Immerfort ist der Einzelne mit der Aufgabe konfrontiert, Brüche in der<br />

Lebensführung <strong>und</strong> Differenzhaltungen aufgr<strong>und</strong> gesellschaftlicher<br />

Modernisierungen mit lebensgeschichtlichem Sinn zu verbinden. Auch wenn<br />

<strong>Lernen</strong> in sozialen Zusammenhängen stattfindet <strong>und</strong> wenn ein Verstärkungs- <strong>und</strong><br />

Imitationslernen möglich ist, bleibt <strong>Lernen</strong> letztlich ein eigensinniger <strong>und</strong><br />

selbstgesteuerter Prozess.“ 87<br />

Gruber 88 bezeichnet <strong>Lebensbegleitendes</strong> bzw. Lebenslanges <strong>Lernen</strong> als Strategie<br />

zur gesellschaftlichen Veränderungsbewältigung <strong>und</strong> bezeichnet Lebenslanges<br />

<strong>Lernen</strong> weniger als Vision denn mehr als empirische Tatsache von <strong>im</strong>mer mehr<br />

Menschen. Die Ansätze gehen zunehmend weg vom utilitaristischen Prinzip der<br />

Akzentuierung schul- bzw. berufsbildender Maßnahmen hin zu Maßnahmen, die<br />

die sozialen, personalen, beruflichen sowie ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Entwicklungsprozesse auf eine Weise betreffen, die als lebensumspannend<br />

bezeichnet werden können <strong>und</strong> auf eine soziale Alterskonstruktion mit stark<br />

individuellem Anteil Rücksicht nehmen. „Menschen wird heute eine Lernfähigkeit<br />

über die gesamte Lebenszeit zugesprochen. <strong>Lernen</strong> über die gesamte<br />

Lebensspanne ist demnach nicht nur notwendig (man kann nicht Nicht-<strong>Lernen</strong>!),<br />

sondern auch möglich.“ 89<br />

Insofern hat aber gerade auch <strong>im</strong> Bereich der Erwachsenenbildung 90 die vorhin<br />

angesprochene Ökonomisierungstendenz durch zunehmenden Kosten- <strong>und</strong><br />

Legit<strong>im</strong>ierungsdruck zu einem höheren Professionalisierungsgrad geführt <strong>und</strong><br />

vielen Menschen auch durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen die Wichtigkeit<br />

Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s vor Augen geführt. Geht es jetzt weiterführend, wie<br />

einige aktuelle Definitionen bzw. Auffassungen bereits postulieren, weg von dieser<br />

Ökonomisierungstendenz <strong>und</strong> einer arbeitsmarktpolitischen bzw. berufsbildenden<br />

Orientierung, dann steht einem umfassenden Verständnis Lebensbegleitenden<br />

<strong>Lernen</strong>s mit dementsprechenden adäquaten Bildungsangeboten nichts <strong>im</strong> Wege.<br />

87 Ebda., S. 19<br />

88 vgl. Gruber et al., 2007, S. 19<br />

89 Ebda., S. 22<br />

90 vgl. Gruber in http://www.uni-klu.ac.at/ifeb/eb/Professionalisierung.pdf , 26.05.2010, S. 2<br />

39


Rud<strong>im</strong>entär aber treffend betrachtet <strong>und</strong> gleichermaßen formuliert, postuliert eine<br />

Expert/innentagung zum Thema:<br />

„<strong>Lebensbegleitendes</strong> <strong>Lernen</strong> beginnt bei Geburt, setzt sich weiter in der<br />

Erstausbildung, Weiterbildung bis zum letzten Atemzug.“ 91 Lebenslanges <strong>Lernen</strong><br />

also als eine lebensumspannende, vom ersten bis zum letzten Atemzug dauernde<br />

Gegebenheit, die eine systemische Menschenbildung zum Ziel hat – wobei mehr<br />

<strong>und</strong> mehr dieser letzte Atemzug, also die nachberufliche Lebenszeit <strong>und</strong> die Lern<strong>und</strong><br />

Entwicklungsfähigkeit bis zum Tod, in den Mittelpunkt des Interesses rückt.<br />

3.1. Älterwerden <strong>und</strong> Bildung<br />

Im Sinne des Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s, das wie bereits erwähnt ebenso <strong>und</strong><br />

vor allem berufsferne Lernerfahrungen <strong>und</strong> Bildungsmaßnahmen betrifft <strong>und</strong> in<br />

einen systemischen Menschenbildungsprozess übergeht, der nicht nur auf<br />

Defizitbehebung abzielt, wird Bildung <strong>im</strong> Alter <strong>im</strong> Kontext der demographischen<br />

Entwicklungen <strong>und</strong> Umbrüche <strong>im</strong>mer wichtiger.<br />

Die Bonner Längsschnittstudie 92 (BOLSA, Lehr/Thomae, 1987) hat erstmals<br />

bestätigt, dass ältere Menschen als durchaus produktiv sowie leistungsfähig<br />

einzustufen sind <strong>und</strong> sich nicht nur durch körperlichen <strong>und</strong> geistigen Abbau<br />

auszeichnen. „Mit diesen ersten bedeutsamen Studien der Altersforschung in<br />

Deutschland gewinnen erstmals positive Aspekte des Alterns über die stark<br />

negativ getönte Sicht auf das Altern Oberhand. In Folge dieser <strong>und</strong> auch weiterer<br />

Studien gewinnt die Altenbildung in Deutschland mehr <strong>und</strong> mehr an Bedeutung<br />

<strong>und</strong> ihr Fokus wird verlagert (). Der neue Fokus zielt auf die „Bildbarkeit“ des<br />

älteren Menschen.“ 93 Und geht somit erstmals weg vom defizit- hin zum<br />

kompetenzorientierten Ansatz.<br />

Das Konzept des Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s <strong>im</strong> Alter 94<br />

wird auch aus<br />

geragogischer Sicht nicht nur befürwortet: Neben der Erkenntnis, dass<br />

91<br />

Lassnig, 2001, S. 9 in:<br />

http://www.erwachsenenbildung.at/services/publikationen/lll_archiv/TagungLLL_Lassnigg.pdf,<br />

04.02.2007<br />

92 vgl. H<strong>im</strong>melsbach, 2009, S. 37<br />

93 Ebda., S. 37f<br />

94 vgl. Shala, 2001, S. 8 in: http://www.dza.de/infodienst/ida_7+8_01.html, 27. 08.2006<br />

40


Bildungsprozesse auch <strong>im</strong> Alter unumgänglich sind für Persönlichkeitsentwicklung,<br />

Kompetenzerweiterung etc. kamen Befürchtungen auf, die <strong>im</strong> Sinne einer<br />

„Verschulung des Alters“ die Freiwilligkeit für Bildungsmaßnahmen <strong>im</strong> Alter<br />

gefährdet sehen <strong>und</strong> die gesellschaftliche Verpflichtung zur Weiterbildung<br />

thematisieren.<br />

Im arbeitsgesellschaftlichen Kontext 95 ist, obwohl sich die Altersverläufe höchst<br />

unterschiedlich gestalten können, teilweise noch <strong>im</strong>mer ein dichotomes Altersbild<br />

vorhanden, das durch eine reduzierte Einteilung in „aktive Alte“ (so weiterleben<br />

wie bisher) <strong>und</strong> „passive Alte“ (abhängig von fremder Hilfe) die Präsenz vielfältiger<br />

<strong>und</strong> in sich unterschiedlicher Alterskulturen untergräbt. Weiterführend haben sich<br />

auch die institutionellen Zuständigkeiten dichotom gespalten in Altenhilfe, bezogen<br />

auf das abhängige Alter, <strong>und</strong> Bildungsprogramme, die die aktive Altenkultur<br />

betreffen. „Das starre dichotomische Modell der Zuständigkeit einzelner<br />

Institutionen für das abhängige bzw. das autonome Alter ist in der Praxis längst<br />

durch intelligente Formen der Kombination <strong>und</strong> Ergänzung in Frage gestellt<br />

worden.“ 96<br />

„Ohnehin ist es, jenseits der häufig polemischen Debatte über die Chancen <strong>und</strong><br />

Zumutungen lebenslangen <strong>Lernen</strong>s, empirisch zu einer alle <strong>Lebensalter</strong><br />

einbeziehenden Ausdifferenzierung der Bildungslandschaft gekommen. Das<br />

zunehmend marktförmig organisierte Spektrum der Anbieter offeriert eine kaum<br />

noch überschaubare Vielfalt von Aktivitäten <strong>und</strong> Themenfeldern mit mehr oder<br />

weniger deutlichem Lernanspruch, die sich in zahlreichen Kombinationen von<br />

Bildung mit Freizeitgestaltung, Geselligkeit, Unterhaltung <strong>und</strong> Konsum längst auch<br />

an ältere Menschen richtet. Dabei gibt es "altershomogene" Veranstaltungen<br />

ebenso wie generations- <strong>und</strong> altersübergreifende Aktivitäten. Allerdings fehlt es an<br />

Strukturen zur Vernetzung der Angebotsfülle <strong>und</strong> zur lebensbegleitenden<br />

Unterstützung der Kontinuität von Bildungsprozessen, die dem sich verändernden<br />

Orientierungs- <strong>und</strong> Handlungsbedarf der älterwerdenden Menschen entspräche.“ 97<br />

95 vgl. Kade, 2001, S. 36<br />

96 Ebda., S. 36<br />

97 Shala, 2001, S. 9 in: http://www.dza.de/infodienst/ida_7+8_01.html, 27. 08.2006<br />

41


Obwohl sich der Begriff Altenbildung 98 als solches bereits etabliert hat, stellt sich<br />

die Frage, ob es nicht eine treffendere Bezeichnung für diese Thematik gäbe.<br />

Hoffmann-Gabel bezeichnet den Begriff der Altenbildung als unpassend, „weil<br />

damit der <strong>und</strong>ifferenzierten Vorstellung von den „Alten“ nichts entgegengesetzt<br />

wird <strong>und</strong> diese Pauschalbezeichnung althergebrachten Vorurteilen Nahrung gibt<br />

() Altenbildung ist ein unpassender Begriff, er ist vieldeutig <strong>und</strong> nichtssagend.“ 99<br />

Sie begründet ihre Kritik mit der Tatsache, dass sich hinter dieser Bezeichnung ein<br />

vielfältiges, auf diversen Konzepten <strong>und</strong> Ansätzen basierendes Angebot für ältere<br />

<strong>und</strong> alte Menschen verbirgt, das ganz junge knapp über 50, ältere in der<br />

nachberuflichen Lebensphase wie alte Menschen über 80 gleichermaßen betrifft<br />

<strong>und</strong> plädiert für die Bezeichnung „Weiterbildung für ältere Erwachsene“.<br />

3.1.1. Bildung <strong>im</strong> Alter – notwendig oder sinnlos?<br />

Die Entwicklung 100 hin zu einem diversifizierten, auch generationenübergreifenden<br />

Bildungsangebot für Ältere <strong>und</strong> Alte ist ebenso zurückzuführen auf die<br />

gerontologischen Nachweise empirischer Untersuchungen, die belegen, dass die<br />

Lernfähigkeit auch <strong>im</strong> Alter nicht unbedingt abnehmen muss. „Was <strong>im</strong> Alter<br />

nachläßt, ist die flüssige oder sogenannte fluide Intelligenz: Wendigkeit, schnelle<br />

Neuorientierung, Umstellungsfähigkeit <strong>und</strong> Kombinationsgabe. Dagegen sind<br />

Ältere in sprachlich geb<strong>und</strong>enen Fähigkeiten, bei denen es auf Aktualisierung von<br />

Erfahrung, Sprachverständnis <strong>und</strong> Assoziationen ankommt, also bei der<br />

kristallinen Intelligenz, Jüngeren gleichwertig, wenn nicht sogar überlegen.“ 101<br />

Was die Lern <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit 102 älterer Menschen betrifft, so sprechen<br />

lernpsychologische Forschungsergebnisse der letzten zwei bis drei Jahrzehnte für<br />

sich: Neben der sich bis weit über das dritte Lebensjahrzehnt erhaltenden<br />

intellektuellen Leistungsfähigkeit erreicht die für die Informationsverarbeitung<br />

wichtige Nervenleitungsgeschwindigkeit erst zwischen viertem <strong>und</strong> fünftem<br />

Lebensjahrzehnt ihren Höhepunkt <strong>und</strong> schrumpft bis zum 85. Lebensjahr nur auf<br />

ca. 85% des <strong>im</strong> 30. Lebensjahr erhobenen Vergleichswertes zusammen. Ebenso<br />

98 vgl. Hoffman-Gabel, 2003, S. 28f<br />

99 Hoffmann-Gabel, 2003, S.29<br />

100 vgl. Shala, 2001, S. 9 in: http://www.dza.de/infodienst/ida_7+8_01.html, 27. 08.2006<br />

101 Witterstätter, 1999, S. 95<br />

102 vgl. Gruber et al., 2007, S. 113ff<br />

42


spielt <strong>im</strong> Alter weniger die Informationsverarbeitung als mehr deren Vermittlung<br />

<strong>und</strong> Aufnahme eine Rolle, was durch adäquate Angebote <strong>im</strong> Bereich der<br />

Altersbildung st<strong>im</strong>uliert bzw. trainiert werden kann.<br />

Da eine, nicht zwingend negative, Veränderung der Lern- bzw. Arbeitsleistung als<br />

wissenschaftlich erwiesene Tatsache gesehen werden kann, sollen <strong>im</strong> Folgenden<br />

positive wie negative Veränderungsparameter kurz dargestellt werden:<br />

1. Im Alter abnehmende Fähigkeiten:<br />

„Im Alter kommt es zu einer Verringerung der Geschwindigkeit der<br />

Informationsaufnahme <strong>und</strong> –verarbeitung, sowie zu einer Abnahme der<br />

geistigen Beweglichkeit <strong>und</strong> Umstellungsfähigkeit, denn mit zunehmendem<br />

Alter n<strong>im</strong>mt eine schnelle Informationsverarbeitung <strong>und</strong><br />

Reaktionsgeschwindigkeit, das Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> die selektive<br />

Aufmerksamkeit ab.“ 103<br />

2. Im Alter gleich bleibende Fähigkeiten:<br />

„Im Alter bleiben Intelligenz, Lernfähigkeit <strong>und</strong> die Fähigkeit zu<br />

Informationsaufnahme (Auffassungsfähigkeit) als solche gleich. Ebenso wird<br />

das Allgemeinwissen, die Konzentrations- <strong>und</strong> Merkfähigkeit nicht bzw. kaum<br />

vom Alter beeinflusst. So bleiben die Fähigkeiten, sich in alltäglichen<br />

Problemen zurechtzufinden sowie normale Dauerbelastungen auszuhalten,<br />

erhalten.“ 104<br />

3. Im Alter zunehmende Fähigkeiten:<br />

„Altern bedeutet nämlich nicht nur Verlust <strong>und</strong>/oder Stagnation, sondern auch<br />

Wachstum <strong>und</strong> Reifung (Weisheit). Unter anderem kommt es <strong>im</strong> Alter zu einer<br />

Zunahme der Arbeits- <strong>und</strong> Berufserfahrung, sowie zu einer Erweiterung der<br />

sozialen Kompetenzen wie beispielsweise die Kontaktfähigkeit, Urteils- <strong>und</strong><br />

Konfliktlösungsfähigkeit. Ebenso steigert sich das selbständige Arbeiten <strong>und</strong><br />

die Erfassung von Sinnzusammenhängen.“ 105<br />

103 Ebda., S. 114<br />

104 Ebda., S. 114<br />

105 Ebda., S. 115<br />

43


Eine Lernfähigkeit entwickelt sich also <strong>im</strong> Laufe der individuellen<br />

Lebensgeschichte <strong>und</strong> n<strong>im</strong>mt mit zunehmendem Alter nicht automatisch ab. Sie<br />

„bleibt aber gr<strong>und</strong>sätzlich bis ins hohe Alter erhalten <strong>und</strong> es kommt lediglich zu<br />

einer Verschiebung aufgr<strong>und</strong> biologischer Alterungsprozesse. 106<br />

Weiters unterstreichen zahlreiche Untersuchungsergebnisse auch die Annahme,<br />

dass Bildungsaktivitäten zu einer Erhöhung der <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter beitragen,<br />

wobei bereits Forschungsergebnisse aus den 60er Jahren den hohen Nutzen von<br />

Bildungsmaßnahmen, die <strong>im</strong> höheren Alter ergriffen werden, unterstreichen.<br />

An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, welche Best<strong>im</strong>mungsgründe eine<br />

Bildung <strong>im</strong> Alter hat. Sie ist unter anderem in zweierlei Hinsicht 107 von großer<br />

Bedeutung: Während Bildung, auch in Form der SeniorInnenkulturarbeit, dazu<br />

beiträgt, seine Interessen zu visualisieren <strong>und</strong> transportieren, stärkt sie gleichzeitig<br />

das Selbstbewusstsein <strong>und</strong> die Fähigkeit zur Selbstorganisation von älteren<br />

Menschen.<br />

Staiger verweist in seinem Buch 108 zum Thema Altenbildung auf die Problematik<br />

einer interdisziplinären Ansicht <strong>und</strong> Theorie des Alterns <strong>und</strong> Alters. Hier sollte ein<br />

fachübergreifender Ansatz gef<strong>und</strong>en werden, der über die spezifischen<br />

Perspektiven hinausgeht. Folgend der Begründungs- <strong>und</strong> Legit<strong>im</strong>ationsversuch für<br />

eine Altenbildung aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet:<br />

Aus anthropologischer Sicht 109 sind verschiedenste menschliche Wesenszüge<br />

relevant. Hier geht es beispielsweise um die Ichhaftigkeit <strong>und</strong> Reflexivität des<br />

Menschen, also die Möglichkeit, sich selbst zu hinterfragen <strong>und</strong> reflektieren, aus<br />

sich herauszutreten <strong>und</strong> sich ohne Kontakt zur Außenwelt <strong>im</strong> Inneren selbst zu<br />

erleben. Sich mit seiner Person auseinander zu setzen <strong>und</strong> sie anzuerkennen<br />

beschäftigt nicht nur die Unvollkommenheit der Jugend, sondern ebenso ältere<br />

<strong>und</strong> alte Menschen. Witterstätter 110 nennt in diesem Zusammenhang die<br />

Möglichkeit, rückblickend auf sein eigenes Leben Bilanz ziehen, <strong>und</strong> den Tod als<br />

natürliche Gegebenheit annehmen zu können.<br />

106 Ebda., S. 115<br />

107 vgl. Bistum Aachen, 1994, S. 26<br />

108 vgl. Staiger, 1994, S. 34<br />

109 Ebda., S. 35<br />

110 vgl. Witterstätter, 1999, S. 96<br />

44


Ebenso 111 ist die Sinnverwiesenheit des Menschen von wichtiger Bedeutung für<br />

die Altenbildung, denn gerade mit steigendem Alter n<strong>im</strong>mt auch der Wunsch nach<br />

der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns oder Unterlassens zu.<br />

Ein weiterer wichtiger Punkt beschreibt die Interpersonalität des Menschen als<br />

Eigentümlichkeit des menschlichen Seins. Dadurch, dass der Mensch stets auf<br />

andere Menschen <strong>und</strong> Gegenstände bezogen ist, wird es ihm nur in der<br />

Auseinandersetzung mit anderen Menschen möglich, eine eigene Ichhaftigkeit <strong>und</strong><br />

Identität auszubilden.<br />

Die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen spielt hier insofern eine Rolle, als dass<br />

diese Phase nicht nur auf die Kindheit <strong>und</strong> Jugend beschränkt werden darf,<br />

sondern der Mensch auch darüber hinaus auf seine Mitmenschen angewiesen ist,<br />

um gesellschaftliche Normen, Rollen, Verhaltensweisen <strong>und</strong> Wertvorstellungen zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> verfestigen.<br />

Aus gesellschaftlicher Sicht 112 sind, neben den wohl bekannten<br />

Strukturveränderungen in demographischen Belangen, einerseits prekäre<br />

ökonomische Bedingungen, die sich aufgr<strong>und</strong> des zunehmenden Unverhältnisses<br />

zwischen PensionsbeitragszahlerInnen <strong>und</strong> PensionsempfängerInnen ergeben<br />

<strong>und</strong> staatliche Institutionen massiv belasten, andererseits auch das weit<br />

verbreitete, defizitär orientierte Bild des alten Menschen, das noch <strong>im</strong>mer in der<br />

Gesellschaft dominiert, anzumerken.<br />

Der psychologische Aspekt muss „das Alter als das vorläufige Ergebnis <strong>und</strong> das<br />

Altern als einen entwicklungspsychologischen Prozeß permanenter<br />

Veränderungen der Persönlichkeit, als eine dauernde Anpassung an sich<br />

ebenfalls verändernde gesellschaftliche <strong>und</strong> individuelle Bedingungen <strong>und</strong> daraus<br />

resultierend einen fortwährenden Lernprozeß“ 113 betrachten <strong>und</strong> findet darin seine<br />

Begründung. Das Erleben des Alterns <strong>und</strong> Alters ist individuell unterschiedlich <strong>und</strong><br />

höchst subjektiver Natur <strong>und</strong> hängt stark vom eigenen Selbstbild ab – insofern gilt<br />

also bei der Frage nach der Notwendigkeit einer Altenbildung bzw. adäquater<br />

Bildungskonzepte um so mehr der individuelle <strong>und</strong> differenzierte Zugang des<br />

111 vgl. Staiger, 1994, S. 35<br />

112 vgl. Staiger, 1994, S.45<br />

113 Ebda., S. 53<br />

45


Alternsprozesses <strong>und</strong> seiner jeweiligen biographischen Hintergründe. Gerade <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit Bildungsangeboten <strong>und</strong> die Teilnahme älterer Menschen.<br />

3.2. Hirn- <strong>und</strong> Gedächtnisleistung <strong>im</strong> Alter – aktuelle neurologische<br />

Erkenntnisse<br />

Altern betrifft als kontinuierlicher Veränderungsprozess 114 Körper, Sinne <strong>und</strong> Geist<br />

– wie ist davon unser Gehirn betroffen? Auch das Gehirn altert, es sterben<br />

Gehirnzellen ab, Verbindungen werden gekappt – durch das Absterben von<br />

Gehirnzellen, die nur bedingt erneuerbar sind, n<strong>im</strong>mt das Gehirn <strong>im</strong> Alter an<br />

Größe, Gewicht <strong>und</strong> Umfang ab.<br />

Der offensichtliche körperliche Verfall 115 älterer Menschen hat dem Vorurteil der<br />

damit einhergehenden verminderten geistigen Leistungsfähigkeit Nährboden<br />

gegeben. Obwohl hirnphysiologische Erkenntnisse wie die Abnahme des<br />

Gehirngewichtes, Atrophie der Gehirnmasse, Pigmenteinlagerungen <strong>und</strong> Verlust<br />

von Ganglienzellen für eine Intelligenz-Minderleistung sprechen, sollte das in<br />

keinem Fall automatisch vorausgesetzt werden. Wie Erkenntnisse in der<br />

Alternsforschung bereits aus den 80er Jahren beweisen, bleibt die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Lernfähigkeit Älterer erhalten <strong>und</strong> können hirnphysiologische Vorgänge durch<br />

Lernanreize verringert werden.<br />

Pöppel <strong>und</strong> Wagner 116 gehen in ihrem Buch überraschenden Erkenntnissen aus<br />

der Hirnforschung nach, formulieren das Bekenntnis, dass Alter eine unhe<strong>im</strong>liche<br />

individuelle <strong>und</strong> gesellschaftliche Bereicherung darstellt <strong>und</strong> kommen zur<br />

Erkenntnis <strong>und</strong> zum gleich lautenden Buchtitel: „Je älter desto besser“. Folgend<br />

zusammengefasst ein kurzer Überblick darüber. Ausgehend vom Alten-Rad<br />

begegnen sie dem Thema in Form von zehn Kapiteln, die, wie sie weiterführend<br />

hoffen, schlussendlich auch zu einem Alten-Rat werden.<br />

1. Lebenslang <strong>Lernen</strong>! Wenn man sich das Ziel setzt, lernen zu wollen, dann<br />

macht das Gehirn dabei auch mit – auch mit 100 Lebensjahren, so<br />

114 vgl. Teusen, 2008, S. 45<br />

115 vgl. Witterstätter, 1999, S. 94<br />

116 vgl. Pöppel/Wagner, 2010, S. 8ff<br />

46


Ergebnisse aus der Gehirnforschung: „Das Gehirn ist lebenslang dazu<br />

fähig, die Effizienz der Zusammenarbeit zwischen seinen Abermilliarden<br />

Nervenzellen zu verbessern <strong>und</strong> zwischen ihnen möglicherweise auch neue<br />

Verbindungen aufzubauen. So wird mit zunehmendem Alter die Fähigkeit<br />

zu denken <strong>und</strong> zu lernen nicht unbedingt schlechter, <strong>und</strong> in mancherlei<br />

Hinsicht sogar besser. Vor allem in puncto Konzentration <strong>und</strong><br />

Ausdauervermögen schneiden ältere Menschen deutlich besser ab als<br />

jüngere.“ 117<br />

2. Die Gegenwart erkennen! Im Hinblick darauf, dass es nur die Gegenwart<br />

gibt (Vergangenheit sind Erinnerungen, Zukunft sind Erwartungen) hat die<br />

moderne Gehirnforschung ein Gegenwarts-Zeitfenster von ca. drei<br />

Sek<strong>und</strong>en festgestellt, das bei adäquatem Training zum Erhalt der<br />

Konzentrationsfähigkeit beitragen kann: „Die subjektive Gegenwart eines<br />

jeden Menschen dauert etwa drei Sek<strong>und</strong>en. Danach findet eine Art kurze<br />

Aufmerksamkeitszäsur statt. Je nach Lebensbereich besteht diese in einer<br />

Pause be<strong>im</strong> Sprechen, einem neuen Takt in der Musik oder einem<br />

Zeilenwechsel bei Gedichten (). Dies korrespondiert mit dem<br />

Kurzzeitgedächtnis, hat aber noch eine andere D<strong>im</strong>ension. Denn wenn wir<br />

uns rhythmisch nach dem Takt des Gegenwartsfensters verhalten, können<br />

wir uns gut auf andere Menschen einstellen, gut denken <strong>und</strong> uns gut<br />

konzentrieren. Deswegen ist das Trainieren des Gegenwartsfensters<br />

wichtig (). Dann ist <strong>im</strong> Alter das Gegenwartsfenster auch markanter<br />

ausgeprägt als in der Kindheit <strong>und</strong> Jugend. Das strukturierte Denken sowie<br />

das effektive Arbeiten <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong> können damit <strong>im</strong>mer besser werden.“ 118<br />

3. Gründlich denken! Im Älterwerden sorgen die Hirnfunktionen automatisch<br />

117 Ebda., S. 19<br />

118 Ebda., S. 52f<br />

dafür, dass wir <strong>im</strong> Sinne einer Entschleunigung langsamer <strong>und</strong> gründlicher<br />

überlegen: „Das >>Ultrakurzzeitgedächtnis


zusammengehörig begreifen <strong>und</strong> ersticken nicht in zusammenhanglosen<br />

Einzelheiten. Mit dem Älterwerden verlängern sich diese Oszillationen.<br />

Damit werden mehr Informationen in einer solchen<br />

>>Gleichzeitigkeitszone>historische<br />

Präsenzzeit


historischen Präsenzzeit ein höheres Maß an >>In-sich-Ruhen


esteht nun darin, sich nicht nur dem einen oder dem anderen Zustand<br />

ganz <strong>und</strong> gar hinzugeben, sondern das jeweils andere zu integrieren.<br />

Dieses kreative Vereinen von Gegensätzen gelingt mit dem Älterwerden<br />

<strong>im</strong>mer leichter.“ 123<br />

9. Weise werden! Sofern man fähig ist, Gedächtnismüll zu entsorgen <strong>und</strong><br />

persönlich wertvolle Erinnerungen zu speichern, ist Vergessen ein kreativer<br />

Akt auf dem Weg zur Weisheit: „Wenn man alt wird, hat man meist viel<br />

erlebt. Vieles davon wird erbaulich gewesen sein, vieles davon aber auch<br />

verletzend, enttäuschend oder gar traumatisierend. Wenn man nun trotz<br />

seiner auch schlechten Lebenserfahrungen nicht hart <strong>und</strong> verbittert werden<br />

möchte, muss man vergessen können. Das ist der Prozess des<br />

Weisewerdens. Aus Sicht der Hirnforschung geht dies mit dem kreativen<br />

Akt des Vergessens einher, das heißt, dass wir nicht alles, was uns verletzt<br />

<strong>und</strong> bedrückt, unentwegt zelebrieren <strong>und</strong> uns selbst wieder in Erinnerung<br />

rufen sollen, sondern dass wir dem Gehirn auch eine Chance geben,<br />

unschöne Erfahrungen zu verdrängen. Aus Sicht der Hirnforschung ist dies<br />

möglich, indem wir uns intensiv mit ich-nahen Dingen beschäftigen ().“ 124<br />

10. Neues beginnen! Aufgr<strong>und</strong> menschlicher Neugier als evolutionäres Prinzip<br />

fangen wir Neues an – das erfordert <strong>im</strong> Alter gute Vorbereitung <strong>und</strong> einen<br />

aktualisierten Betätigungsrahmen, gerade auch <strong>im</strong> Hinblick auf den Eintritt<br />

in den Ruhestand: „Die Neugierde hilft be<strong>im</strong> Neubeginn, denn sie treibt uns<br />

lebenslang dazu an, <strong>im</strong>mer wieder etwas Neues anzufangen. Nun ist es<br />

möglich, seiner Neugierde nachzugeben oder sie zu unterdrücken. Ersteres<br />

ist der empfehlenswertere Weg, denn auf diese Weise übern<strong>im</strong>mt man<br />

Verantwortung, die davor schützt, <strong>im</strong> Alter in Depression zu versinken. Im<br />

Alter etwas Neues zu beginnen, ist aber auch noch aus einem anderen<br />

Gr<strong>und</strong> notwendig. Denn nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Beruf<br />

können wir in vielen Dingen noch besser werden. Bis dahin, vor allem wenn<br />

man Angestellter war, wird man nämlich stark von anderen Menschen<br />

best<strong>im</strong>mt. Das führt zu einer Verminderung von Gehirntätigkeit. Wer nun <strong>im</strong><br />

Anschluss an seine Berufstätigkeit die gewonnene Zeit nutzt, um neue<br />

Aktivitäten zu entwickeln <strong>und</strong> vielen Interessen nachzugehen, der aktiviert<br />

123 Ebda., S. 193<br />

124 Ebda., S. 214<br />

50


auch sein Gehirn völlig neu. Dies wiederum ist eine Chance für die<br />

Kreativität älterer Menschen.“ 125<br />

3.3. Altenbildung – aus gerontologisch-soziologischer Sicht<br />

Kolland 126 unterscheidet bezüglich der Begründungsfrage zwischen vier Ansätzen<br />

der Bildungsarbeit, die in folgenden Punkten beschrieben werden.<br />

3.3.1. Kompensatorische Ansätze<br />

Wie das Wort schon <strong>im</strong>pliziert, geht es bei der kompensatorischen Altenbildung<br />

darum, Versäumnisse aus der Vergangenheit nachzuholen. Dabei hat die<br />

Gerontologie bestätigt, dass wir bis ins hohe Alter leistungsfähig bleiben, dass<br />

unser Wissen bis jenseits des 70. Lebensjahres ausbaufähig ist <strong>und</strong> auch<br />

Fähigkeiten sowie Kenntnisse, die als längst verloren geglaubt galten, wieder<br />

zurück gewonnen werden können. Insofern kommen in diesem Kontext<br />

kompensatorische Ansätze zum Tragen, die, ebenso empirisch-gerontologisch<br />

untermauert, aufgr<strong>und</strong> des Nutzens von Bildungsaktivitäten zum Erhalt bzw. zur<br />

Erhöhung der <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter beitragen.<br />

Untersuchungsergebnisse <strong>und</strong> medizinische Erkenntnisse lassen den Schluss zu,<br />

„dass es möglich ist, bis ins hohe Alter durch wiederholte Trainingsprogramme ein<br />

höheres Niveau geistiger Leistungsfähigkeit beizubehalten. Kognitive<br />

Leistungseinbußen sind eher Folgen weniger st<strong>im</strong>ulierender Umwelten als das<br />

Resultat alternsbedingter (biologischer) Veränderungen.“ 127<br />

Die positiven Effekte kontinuierlicher mentaler St<strong>im</strong>ulation sind also nicht mehr von<br />

der Hand zu weisen <strong>und</strong> können so dem drohenden Gedächtnisverlust<br />

entgegenwirken bzw. einen bereits erlittenen wieder kompensieren. „<strong>Lernen</strong> führt<br />

jedenfalls zu einer Veränderung der Gehirnstruktur, wobei dem Gehirn vier basale<br />

Funktionen zukommen: die Aufnahme von Information, die Bearbeitung dieser<br />

Information durch die Zuschreibung von Bedeutungen, die Entwicklung neuer<br />

125 Ebda., S. 240f<br />

126 vgl. Kolland 2005, S. 29ff<br />

127 Ebda., S. 30<br />

51


Ideen <strong>und</strong> das Handeln auf Basis dieser Ideen. Wesentlich für Gehirnaktivität, die<br />

zu <strong>Lernen</strong> führt, sind Emotionen <strong>und</strong> Sinn. Es wird dann eher gelernt, wenn<br />

Affekte <strong>im</strong> Spiel sind <strong>und</strong> wir wissen, warum wir lernen.“ 128<br />

Der Vorgang der „Atrophie“, also das tägliche Absterben der von Geburt an 15<br />

Milliarden Nervenzellen <strong>im</strong> Gehirn, wirkt sich erst <strong>im</strong> hohen Alter durch verringerte<br />

Merkfähigkeit <strong>und</strong> verlangsamtes Denken auf die menschliche Verhaltensweise<br />

aus. Aufhalten lässt dich dieser Prozess nicht, wohl aber kann man die Intensität<br />

des Vorgangs durch Training <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong> beeinflussen, was sich <strong>im</strong><br />

Forschungsgebiet der Altersdemenz sichtbar manifestiert hat. Hier stellen Studien<br />

(USA, Asien, Europa) eindeutig einen Zusammenhang zwischen dem<br />

Bildungsniveau, also der Höhe des Schulabschlusses, <strong>und</strong> dem Auftreten von<br />

Altersdemenz fest. Das Demenzrisiko bei niedrigem Bildungsniveau ist demnach<br />

um das 2,7fache höher. Dies kommt auch, bei älteren Generationen,<br />

geschlechterspezifisch zum Tragen, da Frauen prinzipiell niedrigere<br />

Schulabschlüsse vorzuweisen haben als Männer <strong>und</strong> demnach das Demenzrisiko<br />

um das 1,5fache höher ist.<br />

Es hat sich auch ein Zusammenhang zwischen intellektueller Leistungsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> Mortalität ergeben: „Die intellektuelle Leistungsfähigkeit korreliert positiv mit<br />

der Lebenserwartung. Personen mit hohem Leistungsniveau <strong>und</strong> geringem<br />

Leistungsverlust haben eine höhere Lebenserwartung. In einer amerikanischen<br />

Längsschnittstudie wurde nach dem Tod der Studienteilnehmer festgestellt, dass<br />

70-Jährige mit niedrigen Schulabschlüssen eine <strong>im</strong> Durchschnitt um ein Jahr<br />

geringere Lebenserwartung aufwiesen.“ 129<br />

Wie kommt es zu solch eklatanten Unterschieden: Einerseits sind Personen mit<br />

höherem Bildungsgrad achtsamer in Auseinandersetzung mit Herzkrankheiten<br />

bzw. Bluthochdruck, können den eigenen Ges<strong>und</strong>heitszustand in Richtung<br />

Selbstdiagnose besser einschätzen sowie intervenieren <strong>und</strong> setzen verstärkt<br />

Maßnahmen in der Prävention, andererseits überwinden sie Krankheiten schneller<br />

<strong>und</strong> können früher von der stationären in die häusliche Pflege wechseln. Des<br />

Weiteren beeinflusst der höhere Bildungsgrad, gemäß neurowissenschaftlicher<br />

Annahmen, die zusätzliche Synapsenbildung zwischen den Neuronen des Gehirns<br />

128 Ebda., S. 30<br />

129 Ebda., S. 31<br />

52


– das könnte als Puffer gegen die zunehmenden neuronalen Verluste bei Morbus<br />

Alzhe<strong>im</strong>er gewertet werden.<br />

„Bildungsteilnahme bietet weiters eine Chance zu Affiliation (=Gesellung) <strong>und</strong><br />

sozialer Bindung. Die Teilnahme an Bildungsprozessen bedeutet eine Möglichkeit,<br />

der Ausdünnung sozialer Beziehungen gegenzusteuern.“ 130<br />

3.3.2. Die moralisch-politische D<strong>im</strong>ension<br />

Das Recht der Teilnahme 131 älterer Menschen an Bildungsprozessen leitet sich ab<br />

aufgr<strong>und</strong> einer relativen Benachteiligung Älterer <strong>und</strong> der Gegebenheit, dass die<br />

Betroffenen die Zeit nach dem Erwerbsleben, <strong>im</strong> Gegensatz zu vorhergehenden<br />

Lebensphasen, als Zeit der strukturierten Abhängigkeit von staatlichen<br />

Maßnahmen (Pensionsversicherung, Ges<strong>und</strong>heitssystem) empfinden.<br />

Hier geht es darum, über St<strong>im</strong>ulation von Lernprozessen <strong>im</strong> Alter, einer<br />

ungleichen Verteilung von „kulturellem Kapital“ <strong>und</strong> damit der sozialen<br />

Ausgrenzung derjenigen entgegen zu wirken, die als „Bildungsferne“ mit niedrigen<br />

Bildungsabschlüssen am häufigsten davon betroffen sind. Bourdieu unterscheidet,<br />

entgegen der reinen Wissensvermittlung <strong>im</strong> Sinne eines umfassenden<br />

Bildungsbegriffes, drei Formen kulturellen Kapitals, „nämlich das objektivierte<br />

kulturelle Kapital, welches sich auf Kulturgegenstände, z.B. Bilder, Bücher,<br />

Skulpturen bezieht, das institutionalisierte kulturelle Kapital, welches die vom<br />

Individuum erworbenen Bildungszertifikate oder Titel einschließt, <strong>und</strong> das<br />

inkorporierte kulturelle Kapital, unter welchem alle Denk- <strong>und</strong><br />

Handlungsschemata, alle Wertorientierungen sowie sämtliche durch Sozialisation<br />

erworbenen Verhaltensmerkmale verstanden werden.“ 132<br />

Diese moralische D<strong>im</strong>ension der Bildung unterstreicht auch der kompensatorische<br />

Ansatz, der Älteren einen gewissen Nachholbedarf von früher Versäumtem<br />

einholt. Da geht es um die Anerkennung von Bildungsbedürfnissen sowie -rechten<br />

<strong>im</strong> Sinne eines Bildungskonzeptes für ältere Menschen, das die menschliche<br />

Würde, die Förderung des individuellen Potentials, als öffentliche,<br />

130 Ebda., S. 32<br />

131 vgl. Ebda., S. 32ff<br />

132 Ebda., S. 33<br />

53


gesellschaftliche Aufgabe in den Mittelpunkt stellt <strong>und</strong> Bildung nicht nur als<br />

individuelles Konsumgut, sondern als gesellschaftliche Herausforderung sieht.<br />

„Bildung bedeutet vor dem Hintergr<strong>und</strong> fairer Chancen soziale Partizipation <strong>und</strong><br />

öffentliche Meinungsäußerung. Dazu müsste die Diskussion auch <strong>im</strong> größeren<br />

Kontext intergenerationeller Gerechtigkeit geführt werden.“ 133<br />

3.3.3. Aktivität <strong>und</strong> Kompetenz<br />

Die Aktivitäten älterer Menschen 134 haben nicht nur obligatorischen, die basalen<br />

Kompetenzen betreffenden, Charakter, sondern umfassen vor allem eine Vielzahl<br />

von Freizeit-, soziale sowie komplexe, instrumentelle Aktivitäten. Und genau jene<br />

erweiterten Kompetenzen <strong>im</strong> Sinne nicht-obligatorischer Tätigkeiten erhöhen die<br />

<strong>Lebensqualität</strong>, Selbstkontrolle sowie Handlungsfähigkeit, wobei in diesem<br />

Zusammenhang interindividuelle Unterschiede eher auf unterschiedliche<br />

Vorlieben, Motivationen bzw. Ziele als, wie bei den basalen Kompetenzen, auf<br />

biologische Faktoren zurück zu führen sind.<br />

Was soziale <strong>und</strong> praktische Intelligenz betrifft, so kann kein allgemeiner<br />

Altersabbau festgestellt werden. Zunehmendes Alter kann also laut<br />

Aktivitätstheorie weniger mit Abbau, als viel mehr mit der Aufrechterhaltung „von<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten, die dem Älteren eine sinnvolle Wahrnehmung<br />

sozialer Aufgaben ermöglichen“ 135 gleichgesetzt werden.<br />

Kritiker der Aktivitätstheorie werfen ihr einen zu starken Focus auf Aktivität <strong>im</strong><br />

Sinne einer Geschäftigkeitsethik vor, der weder eine Erklärung der Komplexität<br />

des Engagements älterer Menschen in sozialen Aktivitäten, noch eine Erklärung<br />

der Teilnahme Älterer an Bildungsprozessen zulässt. Um nachberufliche<br />

Aktivitätsmuster in ihrer multid<strong>im</strong>ensionalen Gestalt nachvollziehen zu können,<br />

braucht es eine Erweiterung der Aktivitätstheorie anhand anderer theoretischer<br />

Perspektiven.<br />

133 Ebda., S. 34<br />

134 vgl. Ebda., S. 36f<br />

135 Ebda., S. 36<br />

54


3.3.4. Bildung <strong>und</strong> Produktivität<br />

Die vor allem durch die alternde Gesellschaft 136 legit<strong>im</strong>ierte Bildung <strong>im</strong> Alter soll<br />

die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer neuen Form der Beteiligung älterer<br />

Menschen am sozialen Leben begleiten <strong>und</strong> unterstützen. Einerseits nutzen Ältere<br />

ihr Potential noch zu wenig, andererseits lassen die vorhandenen<br />

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine effektive Nutzung gar nicht zu – <strong>und</strong><br />

dabei soll die Geragogik Hilfestellung geben: „() bei der Klärung <strong>und</strong><br />

Hierarchisierung von Handlungsmotiven, bei der sozialen Inklusion der<br />

Handelnden, der Entwicklung geeigneter sozialer Strukturen <strong>und</strong><br />

Organisationsformen sowie bei der Vernetzung von Aktivitäten.“ 137<br />

Betrachtet man die vielfältigen Definitionsformen Lebenslangen bzw.<br />

Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s, die, wie <strong>im</strong> Kapitel 3 bereits erwähnt, vielfach in<br />

Richtung berufsbildende, qualifikationssteigernde, sich an den<br />

Marktanforderungen orientierende Maßnahme gehen <strong>und</strong> so der<br />

„Vermarktwirtschaftlichung des Bildungswesens“ 138 zum Opfer fallen, dann liegt es<br />

auf der Hand, dass Bildung nicht nur in der Vergangenheit mit Produktivität in<br />

Zusammenhang gebracht wurde sondern vielfach noch <strong>im</strong>mer wird.<br />

„Hans-Peter Tews formulierte 1996 vier Formen produktiven Alterns:<br />

• Individuelle Produktivität – als zielstrebiges Aufrechterhalten der eigenen<br />

Unabhängigkeit <strong>und</strong> Selbständigkeit (= Autoproduktivität)<br />

• Intergenerationelle/intragenerationelle Produktivität – als materielle <strong>und</strong><br />

emotionale Austauschbeziehung zwischen Jung <strong>und</strong> Alt.<br />

• Umfeldproduktivität – als Tätigkeit <strong>im</strong> Freiwilligensektor bzw. <strong>im</strong> Ehrenamt.<br />

• Gesellschaftliche Produktivität – als politische-kulturelle Aktivität in Richtung<br />

auf Selbstorganisation der Alten.“ 139<br />

Die Nutzenfunktion 140<br />

von <strong>Lernen</strong> geht einher mit einer Messbarkeit der<br />

Ergebnisse <strong>im</strong> Sinne der Verwertung von Gelerntem <strong>im</strong> Rahmen der<br />

136 vgl. Ebda., 2005, S. 39<br />

137 Ebda., S. 39<br />

138 Ribolits, 2005 in: http://www.kaernoel.at/cgibin/kaernoel/comax.pl?page=page.std;job=CENTER:articles.single_article;ID=1421,<br />

10.06.2011<br />

139 Kolland, 2005, S. 40<br />

140 vgl. Ebda., S. 40f<br />

55


Erwerbsarbeit. Insofern ist also die Zielstellung Produktivität eher problematisch<br />

mit Lernprozessen <strong>im</strong> Alter in Einklang zu bringen, da vor allem Ergebnisse des<br />

Handelns in jenen Bereichen, die Tews beschreibt, nur schwer bzw. gar nicht<br />

messbar sind – hier lässt sich also eine umfassende soziale Produktivität nicht <strong>im</strong><br />

vollen Nutzen ableiten.<br />

Um dem Anspruch des zivilgesellschaftlichen Engagements gerecht zu werden<br />

braucht es also eine gesellschaftspolitische Partizipationsfähigkeit der Älteren –<br />

<strong>und</strong> da kommt die Bedeutung der Geragogik ins Spiel, die nicht pr<strong>im</strong>är die<br />

Vermittlung von Kenntnissen <strong>und</strong> Fertigkeiten zur effektiveren<br />

Leistungserbringung zum Ziel hat, sondern den alternden Menschen mit seinen<br />

individuellen Anliegen zu Wort kommen lässt. „Bildung hat damit die Aufgabe,<br />

individuelle Ressourcen <strong>und</strong> Potentiale aufzugreifen, beziehungsweise den älteren<br />

Menschen zu unterstützen, diese selbst zu erkennen <strong>und</strong> sie für sich sinnstiftend<br />

<strong>und</strong> seine Lebenssituation stärkend einzusetzenBildungsangebote können dafür<br />

also motivierend, informierend, orientierend wirken, sie helfen aber auch<br />

tätigkeitsbegleitend bei der Bearbeitung von Ängsten <strong>und</strong> Erfahrungen <strong>im</strong> Kontakt<br />

mit fremden sozialen Rollen.“ 141<br />

3.4. Altenbildung – zunehmend wichtiger Teil der Erwachsenenbildung<br />

Das Alter 142 selbst stellt keine bildungsrelevante Kategorie dar – hier geht es<br />

mehr um biographie- <strong>und</strong> lebensphasenspezifische Ansätze, anhand derer man<br />

eine Bildung <strong>im</strong> Alter begründen könnte. Für die Erwachsenenbildung stellte sich<br />

die Frage, inwiefern sich altersspezifisch-didaktische Anforderungen an das<br />

tatsächliche <strong>Lebensalter</strong> knüpfen lassen. Es hat sich herausgestellt, dass eine<br />

Reduktion auf diesen einen Zusammenhang unwissenschaftlich ist <strong>und</strong><br />

bildungstheoretischen Kriterien nicht gerecht wird.<br />

Angesichts der Heterogenität innerhalb dieser Bildungsklientel ist es<br />

unumgänglich, <strong>im</strong> Rahmen der Bildungsprozesse auf die soziale Konstruktion des<br />

Alters mit ihrer individuellen Lebensgeschichte <strong>und</strong> den unterschiedlichen Phasen<br />

<strong>im</strong> Lebenszyklus Rücksicht zu nehmen – biografie- sowie lebensphasenspezifisch<br />

vs. altersspezifisch.<br />

141 Ebda., S. 42<br />

142 vgl. Kade, 2001, S. 36ff<br />

56


Mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen,<br />

pr<strong>im</strong>är qualifikationssteigernden Bildungszwecken individualisiert sich Bildung<br />

zunehmend. „Mit der Bildung <strong>im</strong> Alter erhöht sich der Sinnfindungsbedarf von<br />

Bildung, rückt die Frage nach dem „Wozu“ des <strong>Lernen</strong>s in den Vordergr<strong>und</strong>. Ältere<br />

stehen vor der Aufgabe, ihr <strong>Lernen</strong> als persönlich sinnvoll <strong>und</strong> für andere<br />

nachvollziehbar zu strukturieren, nachdem dessen Legit<strong>im</strong>ation durch<br />

gesellschaftliche Anforderungen, die Gelegenheiten der Anwendung des<br />

Gelernten <strong>und</strong> die hiermit verb<strong>und</strong>enen Anerkennungsgratifikationen entfallen.“ 143<br />

„Der Lebenslauf ist nach Luhmann die zentrale Kategorie, in dessen kontingentem<br />

Möglichkeitsfeld sich Lebensgeschichte als Bildungsgeschichte, nämlich als<br />

fortschreitender Prozess der Selbstfestlegung, verdichtet. Trotz der biografischen<br />

Verengung von Möglichkeiten ist die Bildungsbiografie ein Projekt, das lebenslang<br />

unabgeschlossen ist, soweit es überhaupt als solches wahrgenommen <strong>und</strong> nicht<br />

behindert wirdBildung <strong>im</strong> Alter ist indessen f<strong>und</strong>amental <strong>und</strong> nicht nur marginal<br />

mit der Tatsache der zeitlichen Endlichkeit des Lebens konfrontiert. Sie erfährt<br />

hierdurch eine Sinnzäsur, die sie von Bildungsprozessen Jüngerer wesensgemäß<br />

unterscheidet. Die Frage, ob einer sein Leben noch vor sich oder aber bereits<br />

weitgehend hinter sich zu haben glaubt, verschiebt den lebensgeschichtlichen<br />

Horizont des <strong>Lernen</strong>s entscheidend.“ 144<br />

Kruse 145 verweist in seinem Beitrag zur Bedeutung der Erwachsenenbildung auf<br />

deren wichtige Funktion der Kompetenzerhaltung <strong>und</strong> –erweiterung, indem er<br />

Entwicklung <strong>im</strong> Alter auch mit dem gleichzeitigen Auftreten von Gewinnen <strong>und</strong><br />

Verlusten definiert. In diesem Kontext sieht er als eine wichtige Aufgabe der<br />

Erwachsenenbildung die Unterstützung der Betroffenen bei der<br />

Auseinandersetzung mit Verlusten wie auch bei der Differenzierung von Wissen,<br />

Erfahrungen sowie Handlungsstrategien.<br />

„Bildungsangebote mit dem Ziel der Kompetenzförderung können entsprechend<br />

auf die Vermeidung, Verzögerung oder Kompensation von Entwicklungsverlusten<br />

(kompensatorische Funktion von Bildung) oder auf die Förderung <strong>und</strong><br />

Unterstützung von Entwicklungsgewinnen (fördernde Funktion von Bildung) zielen<br />

() Bildungsprogramme zur Nutzung von Lern- <strong>und</strong> Veränderungspotentialen für<br />

143 Ebda., S. 38<br />

144 Ebda., S. 42<br />

145 vgl. Kruse, 2001, S. 555<br />

57


eine Opt<strong>im</strong>ierung der Kompetenzentwicklung <strong>im</strong> Alter sollten sich ausdrücklich<br />

nicht auf höhere <strong>Lebensalter</strong> beschränken, sondern bereits Menschen <strong>im</strong> mittleren<br />

Erwachsenenalter ansprechen. Diese Forderung geht zum einen auf den für<br />

Trainingsstudien charakteristischen Bef<strong>und</strong> zurück, dass Menschen <strong>im</strong> mittleren<br />

Erwachsenenalter in stärkerem Maße profitieren als Menschen <strong>im</strong> höheren<br />

Erwachsenenalter <strong>und</strong> Alter. Zum anderen beruht sie auf der Tatsache, dass<br />

Erwartungen an den Verlauf von Alternsprozessen <strong>und</strong> auf diesen gründende<br />

Orientierungsprozesse bereits <strong>im</strong> mittleren <strong>und</strong> höheren Erwachsenenalter (<strong>und</strong><br />

nicht erst <strong>im</strong> Alter) gebildet werden.“ 146<br />

Iller <strong>und</strong> Wienberg 147 bringen in ihrem Beitrag zum Thema „Ältere als Zielgruppe in<br />

der Erwachsenenbildung?“ auf den Punkt: Als Bewältigungshilfe für<br />

gesellschaftliche <strong>und</strong> wirtschaftliche Herausforderungen, die zunehmend einem<br />

rasanten Wandel unterworfen sind, <strong>und</strong> Unterstützung bei der aktiven<br />

Mitgestaltung individueller Veränderungsprozesse ist (Weiter)Bildung auch <strong>und</strong><br />

gerade für Ältere nicht mehr wegzudenken.<br />

In diversen analysierten Studien zum Thema lassen sich grob drei<br />

Wirkungsd<strong>im</strong>ensionen von Bildung feststellen:<br />

1. Bildung wird „als eine wesentliche Voraussetzung für ges<strong>und</strong>es Altern<br />

angesehen. Bildung hat in dieser Betrachtungsweise eine „Schutzfunktion“<br />

– zumindest lässt sich feststellen, dass Personen mit hohem formalem<br />

Bildungsniveau länger leben <strong>und</strong> die gewonnenen Jahre in einem besseren<br />

Ges<strong>und</strong>heitszustand verbringen.“ 148<br />

2. Bildung als Aktivität: „So lässt sich feststellen, dass weiterbildungsaktive<br />

Menschen auch in anderen Lebensbereichen aktiver <strong>und</strong> geselliger sind,<br />

was sich wiederum positiv auf die Lebenszufriedenheit <strong>und</strong> damit auch auf<br />

die Ges<strong>und</strong>heit auswirkt Ergebnisse von international-vergleichenden<br />

Studien weisen ebenso darauf hin, dass eine direkte Verbindung zwischen<br />

sozialen Beziehungen <strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heit besteht. Die größten Effekte<br />

wurden bei Herz-, Kreislauferkrankungen <strong>und</strong> psychischen Erkrankungen<br />

146 Ebda., S. 573<br />

147 vgl. Iller/Wienberg, 2010, S. 17<br />

148 Ebda., S. 20<br />

58


festgestellt. Demnach ist ein Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden<br />

<strong>und</strong> den sozialen Ressourcen feststellbar.“ 149<br />

3. „Die dritte D<strong>im</strong>ension der Weiterbildung – hier allerdings meist reduziert auf<br />

Trainings – wird in der Erhaltung der Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> gezielten<br />

Veränderungen von Verhaltensweisen zur Aufrechterhaltung einer<br />

selbständigen Lebensführung bis ins hohe Alter gesehen.“ 150 Hier<br />

unterstreichen aber Untersuchungsergebnisse, dass man nur durch eine<br />

Kombination aus Psychomotorik- <strong>und</strong> Gedächtnistraining dauerhaft eine<br />

Verbesserung der Ges<strong>und</strong>heit, kognitiven Leistung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung<br />

der Selbstständigkeit <strong>im</strong> Alter erreichen kann.<br />

In Bezug auf die Wirkungsd<strong>im</strong>ensionen von Bildung tut es gut zu manifestieren,<br />

dass die ohnehin schon gegenwärtige Bildungsbereitschaft Älterer zukünftig noch<br />

steigen wird. „Sie bringen bereits eine bessere Bildung mit ins höhere Alter als<br />

vorausgegangene Generationen, <strong>und</strong> das ist die Gr<strong>und</strong>lage dafür, noch mehr<br />

Bildung erwerben zu wollen. Viele der heute Älteren hatten in der Kriegs- <strong>und</strong><br />

Nachkriegszeit nur sehr begrenzte Bildungsmöglichkeiten, was besonders für<br />

Frauen gilt, <strong>und</strong> das Alter bietet ihnen eine Chance, dieses lebenslang<br />

empf<strong>und</strong>ene Defizit zu mildern. Untersuchungen belegen, dass dieses<br />

Bildungsbedürfnis älterer Menschen weiter ansteigen wird.“ 151<br />

Im Kontext bildungspolitischer Überlegungen für das dritte <strong>und</strong> vierte Alter schreibt<br />

Kre<strong>im</strong>er:<br />

„Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung. Zu den zentralen Facetten des<br />

Bildungsbegriffes <strong>im</strong> <strong>dritten</strong> Alter zählen:<br />

- dass die Menschen zu einer vernünftigen Selbstbest<strong>im</strong>mung befähigt<br />

werden,<br />

- dass sie in die Lage versetzt werden, die Auseinandersetzung mit der sich<br />

verändernden Welt zu betreiben,<br />

- dass sie angeleitet werden, sich durch Eigenaktivitäten neues Wissen zu<br />

erarbeiten<br />

149 Ebda., S. 20<br />

150 Ebda., S. 21<br />

151 Peters, 2008, S. 147<br />

59


- <strong>und</strong> dass sie sich mit den Mitmenschen treffen <strong>und</strong> die aktive<br />

Auseinandersetzung zur Formung der Persönlichkeit nutzen (können).<br />

Zur angemessenen Bewältigung des <strong>im</strong>merwährenden Wandels besteht die<br />

Notwendigkeit der Vermittlung von Fachwissen. Daraus ergibt sich ein wichtiger<br />

gesellschaftlicher Bildungsauftrag mit der Schwerpunktsetzung der<br />

Entwicklungsbildung. Folgende Ziele werden angeführt:<br />

- Förderung von lebenslangem <strong>Lernen</strong><br />

- Angleichung des Bildungssystems des Anpassungsprozesses an die sich<br />

wandelnden wirtschaftlichen, sozialen <strong>und</strong> demografischen<br />

Verhältnisse.“ 152<br />

Auch <strong>und</strong> gerade <strong>im</strong> Zusammenhang mit Weiterbildungsthemen <strong>und</strong> –konzepten<br />

steht die Prämisse der Heterogenität der Gruppe Älterer <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Diesbezüglich muss sich eine Orientierung weg allein vom kalendarischen Alter<br />

hin zu biographischen Merkmalen <strong>und</strong> den individuellen Bildungschancen <strong>im</strong><br />

Lebenslauf vollziehen. Lässt man die Vorurteile der automatisch mit dem Alter<br />

einhergehenden Hilfsbedürftigkeit <strong>und</strong> der damit einhergehenden eingeschränkten<br />

Lernfähigkeit weg, so scheint es in der Weiterbildung viel wichtiger, „relevante<br />

Themen zu identifizieren <strong>und</strong> auf die Bedürfnisse der Lebensphase<br />

zugeschnittene Formate zu entwickeln. Auf dieser Basis könnte ein<br />

Bildungsprogramm konzipiert werden, das Lerngelegenheiten <strong>und</strong> darauf<br />

bezogene Unterstützungsangebote für die zweite Lebenshälfte bereithält <strong>und</strong> den<br />

individuellen Lernprozess institutionell begleitet.“ 153<br />

„In Bezug auf die Altersbildung braucht es eine Vorstellung, die diese als sozial<br />

gerichtete Tätigkeit versteht. Damit wird in gewisser Weise über den Begriff des<br />

<strong>Lernen</strong>s hinausgegangen <strong>und</strong> in Richtung einer sozial-reflexiven Tätigkeit<br />

erweitert. Statt Anpassung der Individuen an den sozialen Wandel ginge es um die<br />

Betonung der Handlungsfähigkeit älterer Menschen () in Richtung auf eine<br />

Stärkung der kollektiven Kapazität. Statt Wissensvermittlung ginge es um eine<br />

Orientierung an der Praxis der Teilnehmenden. Neben einer wissenschaftlich <strong>und</strong><br />

fachlich f<strong>und</strong>ierten Vermittlung braucht es Formen gemeinwesenorientierten<br />

152 Kre<strong>im</strong>er, 2010, S. 227f<br />

153 Iller/Wienberg, 2010, S. 22<br />

60


Arbeitens, welches in die Milieus von ausgegrenzten Gruppen eingeb<strong>und</strong>en ist<br />

<strong>und</strong> deren Lebenswelt thematisiert.“ 154<br />

3.5. Altenbildung in der Praxis der Österreichischen Bildungslandschaft<br />

<strong>und</strong> ihre Ansätze<br />

Die Praxis der Altenbildung 155 in der Österreichischen Bildungslandschaft ging in<br />

den 1960er <strong>und</strong> 70 Jahren vom edukativ-kustodialen Ansatz aus, der ausgehend<br />

vom Defizitmodell des Alterns aufgr<strong>und</strong> der scheinbaren Hilfsbedürftigkeit der<br />

Betroffenen mehr den fürsorglichen Aspekt in den Vordergr<strong>und</strong> stellte, anstatt dem<br />

<strong>Lernen</strong> als spezifischen Wissenserwerb <strong>und</strong> der Selbstverwirklichung zu dienen.<br />

Gemäß einem edukativen Ansatz rückten weiterführend Kompetenzerhaltung <strong>und</strong><br />

Kompetenzförderung in den Mittelpunkt, wobei zahlreiche Aktivierungsprogramme<br />

entstanden, die vor allem <strong>im</strong> Ges<strong>und</strong>heitsbereich <strong>und</strong> in der Prävention bis heute<br />

Bestand haben. Propagiert werden so „eine veränderte Einstellung gegenüber<br />

dem Körper, ein neues Ges<strong>und</strong>heitsbewusstsein, die Aufforderung zum Umlernen<br />

<strong>und</strong> ein vorbereitendes/planendes <strong>Lernen</strong>“. 156<br />

Der Zielgruppenansatz hinterfragt bei der Konzeption von Lernangeboten die<br />

Bedingungen von best<strong>im</strong>mten Zielgruppen, die das in diesem Rahmen erworbene<br />

Wissen in ihr alltägliches Lebensumfeld übertragen sollen. Solche<br />

Bildungsangebote gehen zumeist von einem wahrgenommenen Mangel oder einer<br />

Benachteiligung einer best<strong>im</strong>men Zielgruppe aus, <strong>und</strong> richten sich speziell an<br />

ältere Menschen.<br />

In Bezug auf obige Ansätze wird heute zunehmend Kritik laut, indem bezweifelt<br />

wird, dass mehr Aktivität zu stärkerer sozialer Interaktion beiträgt: „Vielmehr<br />

können Aktivierungsprogramme Abhängigkeit <strong>und</strong> Marginalisierung erzeugen <strong>und</strong><br />

verstärken, die aufzuheben sie begonnen worden waren. Aktivierung findet<br />

154 Knapp/Spitzer, 2010, S. 257<br />

155 vgl. Kolland, 2005, S. 43ff<br />

156 Ebda., S. 44<br />

61


teilweise in einem Rückzugsraum belangloser, sozial <strong>und</strong> gesellschaftlich<br />

irrelevanter Tätigkeiten <strong>und</strong> Rollen statt. Gegenüber der Zielgruppenarbeit wird<br />

eingewendet, dass sie nur die aktiven <strong>und</strong> interessierten Mitglieder einer Gruppe<br />

erreiche <strong>und</strong> Perspektiven ausblende, welche nicht die Zielgruppe betreffen.“ 157<br />

Gegenüber diesen älteren Ansätzen 158 in der Bildungsarbeit hat sich seit den 90er<br />

Jahren das Erfahrungslernen zunehmend etabliert, das einer Zerstörung der<br />

Vergangenheit in der beschleunigenden, gegenwartsorientierten Gesellschaft<br />

entgegenwirken soll. Die vier Teilprozesse konkretes Erfahren, Beobachten <strong>und</strong><br />

Reflektieren, Bilden von Modellen <strong>und</strong> Konzepten sowie aktives Erproben bzw.<br />

Exper<strong>im</strong>entieren charakterisieren den Gesamtprozess des Erfahrungslernens <strong>und</strong><br />

lassen so den alternden Menschen entgegen einer reinen Kenntnis- <strong>und</strong><br />

Fertigkeitenvermittlung mit seinen individuellen Anliegen zu Wort kommen. Auch<br />

um einer Instrumentalisierungstendenz <strong>im</strong> Altenbildungsbereich entgegen zu<br />

wirken sollen dabei individuelle Ressourcen <strong>und</strong> Potentiale sichtbar <strong>und</strong> für die<br />

eigene Lebenssituation sinnstiftend einsetzbar gemacht werden.<br />

Kritik am erfahrungsorientierten <strong>Lernen</strong> wird vor allem dann laut, wenn es um<br />

lebensweltliches <strong>und</strong> alltagsbezogenes <strong>Lernen</strong> geht, wo kritisch-kreatives<br />

Potential verborgen bleibt <strong>und</strong> das Triviale wie Exotische hochstilisiert wird.<br />

Im Sinne des Selbstgesteuerten <strong>Lernen</strong>s sollen strukturierende Prozesse des<br />

<strong>Lernen</strong>s zurückgedrängt werden, was gegenwärtige bildungsreformerische<br />

Tendenzen bestätigen. In speziell arrangierten Lernsituationen bzw.<br />

Lernumgebungen sollen <strong>Lernen</strong>de dazu motiviert werden, ihr Wissen weitgehend<br />

selbst zu konstruieren. „Die Lernsituationen sollen so komplex, so reichhaltig <strong>und</strong><br />

so aufforderungsstark angeordnet sein, dass die <strong>Lernen</strong>den eben auf Gr<strong>und</strong><br />

dieser Reichhaltigkeit <strong>und</strong> Aufforderungsstärke nicht mehr auf das Lehren<br />

verwiesen sind, sondern gezwungen sind, möglichst viele Bestandteile ihrer<br />

Lernkompetenzen in Bewegung zu setzen, um ein gestelltes Problem zu lösen<br />

(). Damit ist gemeint, dass die Entscheidungskompetenz über Ziele <strong>und</strong> Inhalte<br />

in der Verantwortung der <strong>Lernen</strong>den liegt. Bildung stellt demnach nur eine<br />

umfassende Infrastruktur zur Selbstwahl <strong>und</strong> –nutzung zur Verfügung.“ 159<br />

157 Ebda., S. 44<br />

158 vgl. Ebda., S. 45f<br />

159 Ebda., S. 48<br />

62


Diese Individualisierung des Lernprozesses lässt gleichzeitig Kritik laut werden,<br />

die befürchtet, dass die Subjekt- <strong>und</strong> Bedürfnisorientierung mit einer<br />

zunehmenden Orientierung auf Edutainment einhergeht <strong>und</strong> dadurch nur mehr all<br />

jenes zum Thema Bildung wird, was sich am ansehnlichsten präsentiert.<br />

Ebenso stellt sich die Frage, wie sich zukünftig die Entwicklung neuer Medien auf<br />

das selbstorganisierte <strong>Lernen</strong> auswirken wird. „Die rasche Entwicklung, die<br />

insbesondere die Internetnutzunggenommen hat, lässt zumindest eine hohe<br />

Teilnahme kommender Altengenerationen an der neuen Technologie erwarten. Ob<br />

sich auf mittlere Frist dadurch die Art des <strong>Lernen</strong>s <strong>und</strong> der Bildungsteilnahme <strong>im</strong><br />

Alter ändern wird, ist schwer einzuschätzen.“ 160<br />

3.6. Das Bildungsangebot für ältere Menschen in Österreich<br />

Dieses Kapitel soll die Angebotsvielfalt <strong>im</strong> Bereich Bildung für Ältere<br />

zusammenfassend darstellen, die <strong>im</strong> Rahmen einer Studie 161 erhoben wurde.<br />

Dabei wurde das in seiner Gr<strong>und</strong>gesamtheit unbekannte Angebot beleuchtet <strong>und</strong><br />

anhand von ExpertInneninterviews das Selbstverständnis der Träger, deren<br />

Bildungs- bzw. Alternsverständnis, interne wie externe Vernetzungseventualitäten<br />

<strong>und</strong> die Möglichkeiten, die eigenen Angebote an die ältere Zielgruppe zu bringen,<br />

zur näheren Betrachtung herangezogen.<br />

3.6.1. Bildungsanbieter in Österreich<br />

Generell kann man voraus schicken, dass die österreichische Bildungslandschaft<br />

mit ihren Angeboten <strong>und</strong> Angebotsstrukturen für ältere Menschen einem<br />

gr<strong>und</strong>legenden Wandel unterworfen ist, der <strong>im</strong>mer stärker „kostendeckende“<br />

Angebote forciert <strong>und</strong> sich zunehmend an arbeitsmarktlichen Anforderungen<br />

orientiert. Das zeigt sich beispielsweise deutlich be<strong>im</strong> WIFI <strong>und</strong> be<strong>im</strong> BFI, bei<br />

denen PensionistInnen keine Zielgruppe darstellen, was mit fehlender Nachfrage<br />

argumentiert wird.<br />

160 Schröder/Gilberg, 2005, S. 150<br />

161 vgl. Kolland, 2005, S. 51ff<br />

63


Bei SeniorInnenorganisationen (Seniorenb<strong>und</strong>, Pensionistenverband,<br />

Seniorenring, Zentralverband der Pensionisten, Grüne SeniorInnen) muss<br />

zwischen der Größe <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen finanziellen Zuwendungen<br />

unterschieden werden. Ab einer best<strong>im</strong>mten Größe <strong>und</strong> dem damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Institutionalisierungsgrad können diese Service-, Beratungs- <strong>und</strong><br />

Informationsleistungen wahrnehmen <strong>und</strong> gewisse Angebote in dieser Richtung<br />

offerieren. Größtenteils drängt aber dieses Selbstverständnis in Richtung Service,<br />

Beratung <strong>und</strong> Information die Bildung an den Randbereich der SeniorInnenarbeit.<br />

„Die Bildungsangebote der Hilfsorganisationen für ältere Menschen lassen sich in<br />

zwei Bereiche aufteilen. Zum einen werden für ehrenamtliche Tätigkeiten<br />

Qualifizierungskurse angeboten, zum anderen wird <strong>im</strong> Rahmen der Hilfsdienste<br />

versucht, die älteren Menschen zur Teilnahme an Angeboten, die vor allem die<br />

Alltagskompetenz stärken, zu aktivieren.“ 162<br />

Die kirchliche Altenbildungsarbeit wird von mehreren Seiten, sprich verschiedenen<br />

Teilorganisationen wie den Katholischen Bildungswerken, der Frauenbewegung,<br />

wie auch der Altenpastoral, bedient. Wohingegen die meisten Bildungsangebote<br />

weniger zielgruppenspezifisch für Ältere angeboten werden, so trifft das nicht auf<br />

Angebote zu, bei denen die Bildungseinrichtungen als Dienstleister in Kooperation<br />

mit anderen kirchlichen Einrichtungen spezifische Vorträge <strong>und</strong> Kurse für Ältere<br />

veranstalten, die eher Projektcharakter haben.<br />

Wenn Kommunen die Alten- <strong>und</strong> Altenbildungsarbeit nicht selbst übernehmen,<br />

wird das entweder von oder in Kooperation mit SeniorInnenorganisationen<br />

abgedeckt. Altenarbeit diesseits der Altenhilfe wird zunehmend ausgelagert <strong>und</strong><br />

von privaten Organisationen übernommen. Bildung spielt dann eher eine<br />

untergeordnete Rolle, da es zumeist kustodiale Institutionen sind, in denen<br />

edukative Funktionen eine untergeordnete Rolle spielen.<br />

Bei den Gewerkschaften steht hauptsächlich die Schulung der Funktionäre als<br />

pr<strong>im</strong>äres Betätigungsfeld in der Bildungsarbeit <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>. Die<br />

Zusammenkunft in SeniorInnengruppen erzeugt Gemeinschaft, was durch eine,<br />

162 Ebda., S. 53<br />

64


auf den demographischen Wandel zurück zu führende, stetige Erhöhung der<br />

Repräsentanz Älterer unterstrichen wird.<br />

Ein analytischer Blick auf die Bildungsangebote für Ältere weist auf eine<br />

strukturelle Änderung hin <strong>und</strong> wirft gleichzeitig die Frage nach Steuerung auf: „Im<br />

Zuge der Recherche stellte sich <strong>im</strong>mer mehr eine Pluralisierung von Angeboten<br />

<strong>und</strong> Anbietern heraus. Diese strukturelle Änderung ergibt sich vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> eines erodierenden bzw. „entgrenzten“ Bildungsbegriffs, was dazu<br />

führt, dass nicht mehr nur Bildungsorganisationen Bildung offerieren. Während<br />

letztere ein mehr oder minder klares Verständnis von Bildung haben <strong>und</strong> diese als<br />

zentrales Aktionsfeld betreiben, ist dies für Bildungsanbieter außerhalb von<br />

anerkannten Bildungseinrichtungen nicht der Fall.“ 163<br />

3.6.2. Pluralisierung von Bildungsanbietern <strong>und</strong> Bildungsangeboten<br />

Das Thema Bildung <strong>im</strong> Alter 164 erfreut sich zunehmender Wichtigkeit, was zu einer<br />

Pluralisierung von Bildungsanbietern wie auch dem Bildungsangebot geführt hat<br />

<strong>und</strong> unterschiedliche Ursachen aufweist: Neben der gesteigerten Bedeutung der<br />

Thematik Alter <strong>im</strong> Bildungsbereich, durch demographische Veränderungen sowie<br />

individualisierte Lebensverläufe <strong>im</strong> Alter verursacht, hat sich ebenso<br />

Wichtigkeit von Bildung <strong>im</strong> Altenbereich durch die gesellschaftlichen <strong>und</strong><br />

politischen Anliegen der „lebenslangen Bildung“ gesteigert. Die institutionellen<br />

Arrangements spielen eine <strong>im</strong>mer wichtigere Rolle, da sich aufgr<strong>und</strong> des Wegfalls<br />

der berufsbezogenen Lebensform neue Formen der Identitätsgestaltung finden<br />

müssen.<br />

Hier muss man aber Vorsicht walten lassen, dass diese institutionellen<br />

Arrangements, die ja als eine wesentliche Ebene der Vergesellschaftung<br />

verstanden werden wollen, von außen nicht als „geschlossene Gesellschaft“<br />

wahrgenommen werden, wozu laut empirischen Studien ältere Menschen<br />

tendieren.<br />

Die Pluralisierung unter den Anbietern bringt natürlich auch mit sich, dass viele<br />

von ihnen ihre Aktionsfelder weit außerhalb des Bildungsbereichs ansetzen – wie<br />

z. B. Altenhilfe- <strong>und</strong> Sozialorganisationen, die neben ihrem traditionellen<br />

163 Ebda., S. 54<br />

164 vgl. Ebda., S. 55ff<br />

65<br />

die


Betätigungsfeld zunehmend Bildungsangebote mit sehr weitem Bildungsbegriff<br />

offerieren.<br />

Bei der Pluralisierung der Bildungsangebote <strong>und</strong> Ausbildungsgänge hat sich eine<br />

Wettbewerbssituation ergeben, da die Anbieter nach Anerkennung <strong>und</strong><br />

Qualitätssicherung streben <strong>und</strong> entsprechende Angebote/Programme (z. B.<br />

Gedächtnistraining, Seniorentanz, Qualifizierung zum Senior-Trainer) schützen<br />

lassen wollen. Das geschieht beispielsweise,<br />

• „indem etwa Dachorganisationen (auf Vereinsbasis) gegründet werden, die<br />

entsprechende Zertifikate vergeben <strong>und</strong> Ausbildungsgänge für<br />

TrainerInnen/KursleiterInnen anbieten,<br />

• indem über wissenschaftliche Beratung <strong>und</strong> Begleitung eine Legit<strong>im</strong>ation<br />

<strong>und</strong> Seriosität zu erreichen versucht wird, oder<br />

• indem die Anerkennung durch öffentliche Stellen angestrebt wird, wobei<br />

diese Anerkennung sowohl über Kooperationen als auch über<br />

Subventionen ausgedrückt wird.“ 165<br />

Durch die steigende Vielfältigkeit des Angebotes erliegen die potentiellen<br />

TeilnehmerInnen also der Qual der Wahl, wobei die Marktmechanismen, also die<br />

das Angebot regulierende Nachfrage <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Finanzierbarkeit<br />

der Bildungsangebote, automatisch für eine Ausdünnung sorgen. Finanziell<br />

schwer tragbare Angebote können eventuell mit Unterstützung Ehrenamtlicher<br />

durchgeführt werden.<br />

3.6.3. Möglichkeiten der Zielgruppenerreichung für die Organisationen<br />

Organisationen, die vorwiegend 166 <strong>im</strong> berufsbildenden Bereich tätig waren <strong>und</strong><br />

sind (z. B. WIFI, BFI, LFI), sehen sich als Ansprechpartner für berufliche Aus- <strong>und</strong><br />

Weiterbildung <strong>und</strong> tun sich natürlich schwer, ihr Image abzulegen. Einzelne,<br />

höchstens punktuell beworbene, zielgruppenspezifische Angebote können dazu<br />

nicht viel beitragen.<br />

Die Österreichischen Volkshochschulen (VHS), dem Selbstverständnis nach<br />

Erwachsenenbildungseinrichtungen, möchten Bildungsprozesse professionell in<br />

165 Ebda., S. 57<br />

166 vgl. Ebda., S. 62ff<br />

66


Gang setzen, wobei sich die Ausrichtung des Bildungsangebotes eher auf berufs<strong>und</strong><br />

arbeitsmarktorientierte Bildungsinstitutionen bezieht. Es gibt kaum spezielle<br />

Angebote für ältere Menschen – das Internet spielt in Sachen Kommunikation eine<br />

wichtige Rolle.<br />

Die christlichen Erwachsenenbildungseinrichtungen (CEB) „rücken die Vielfalt <strong>und</strong><br />

Fülle menschlichen Lebens <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong>s in den Blickpunkt. Bildung wird hier<br />

explizit nicht als kurzfristige Qualifizierung für wirtschaftliche <strong>und</strong> berufliche<br />

Notwendigkeiten gesehen. Erreicht werden sollen ältere Menschen nicht mit<br />

einem Zielgruppenansatz, sondern über themenspezifische Angebote.“ 167<br />

Da sich das Angebot der SeniorInnenorganisationen (Österreichischer<br />

Seniorenb<strong>und</strong>, Pensionistenverbande Österreich, Österreichischer Seniorenring)<br />

ausschließlich auf Ältere bezieht, tun sie sich natürlich leichter bei der<br />

zielgruppenspezifischen Kommunikation. Diese passiert wesentlich über die<br />

Vereinszeitung <strong>und</strong> die direkte Ansprache über die zur Verfügung stehenden<br />

Adressen. Neuere Medien finden in den Bewerbungsstrategien eher wenig<br />

Beachtung, wenngleich auch über das Internet zahlreiche Kurse <strong>und</strong><br />

Freizeitgestaltungsmöglichkeiten angeboten werden.<br />

Hilfsorganisationen können anhand mobiler Dienste Angebote direkt an den<br />

Adressaten bringen, wobei das nur peripher genutzt wird (z. B. Österreichisches<br />

Hilfswerk bzw. Hilfswerk Akademie, Rotes Kreuz). Das Internet spielt bezüglich<br />

zielgruppenspezifischer Kommunikation in Ansätzen eine Rolle.<br />

„Im Bereich der privaten Unternehmen findet sich eine Reihe von Anbietern<br />

spezieller Kurse, wobei diese hauptsächlich <strong>im</strong> Bereich der EDV <strong>und</strong> der neuen<br />

Informationstechnologien gegeben sind. Hier werden ältere Menschen in erster<br />

Linie über das Internet erreicht.“ 168<br />

3.7. Abschluss<br />

„Das Thema Altenbildung hat Konjunktur. Seniorenuniversitäten schießen aus<br />

dem Boden, Volkshochschulen bieten Kurse für Alte an, in manchen Betrieben<br />

gehört die Teilnahme an Kursen zur „Vorbereitung auf das Alter“ zur Phase des<br />

Ausstiegs aus dem Berufsleben. Pädagogen treibt die Sorge um, ihnen könnte ein<br />

167 Ebda., S. 63<br />

168 Ebda., S. 64<br />

67


Eldorado durch die Lappen gehen: Ein Riesenheer von Menschen, denen man nur<br />

klar machen muß, daß es Bildungsdefizite hat. Alle glauben an die Devise vom<br />

lebenslangen <strong>Lernen</strong>. Da ist es nicht schwer, die Alten als eine Ausbildungswüste<br />

zu betrachten, die bewässert sein will. Das Bild mag überzeichnet sein, doch gilt<br />

weithin: Mit den alten Menschen wird eine Klientel erschlossen, von der man<br />

glaubt, daß sie der verstärkten pädagogischen Zuwendung bedarf.“ 169<br />

Bereits in den 70er Jahren 170 musste sich die Erwachsenenbildung den<br />

Altersfragen in Zusammenhang mit Bildungsmaßnahmen stellen, der sie jedoch<br />

hauptsächlich mit einer Rezeption soziologischer <strong>und</strong> psychologischer<br />

Erkenntnisse nachkam. Sie legte ihre Schwerpunkte auf Lernfähigkeiten <strong>im</strong> Alter,<br />

hinterfragte gleichzeitig die Defizitorientierung <strong>im</strong> altersspezifischen Kontext <strong>und</strong><br />

hob die soziale Deprivation alter Menschen hervor. Aus der Erwachsenenbildung<br />

ist also rezeptiv eine Altenbildung gewachsen, die die Lern- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsfähigkeit <strong>im</strong> Alter sehr wohl berücksichtigt, sie aber „gleichzeitig <strong>und</strong><br />

dominant in einem sozialpädagogisch-betreuenden Rahmen denkt <strong>und</strong> so in der<br />

Praxis gleichermaßen durchführt.“ 171 Unbeabsichtigter weise hat diese<br />

Entwicklung das defizitbehaftete Altersbild zusätzlich verstärkt.<br />

Die Auseinandersetzung 172 mit dem Älterwerden <strong>und</strong> der dazugehörigen Klientel<br />

war in den 70er Jahren rezeptiver Natur. Auch die heutigen Entwicklungsprozesse<br />

haben wiederum rezeptiven Charakter <strong>und</strong> basieren auf psychologischen sowie<br />

soziologischen Erkenntnissen aus der Alternsforschung. Diesbezüglich geht es<br />

zum Einen um differenz- <strong>und</strong> kompetenztheoretische Ansätze erfolgreichen<br />

Alterns aus der Psychologie, zum Anderen um Individualisierung <strong>und</strong><br />

Singularisierung sowie selbstorganisierte <strong>und</strong> -gestaltete Lebensformen <strong>im</strong> Alter<br />

aus der Soziologie.<br />

Bemerkenswert ist, dass es bis heute keine ausdifferenzierte, institutionalisierte<br />

Form von Bildung <strong>im</strong> Alter gibt. Die Thematik läuft mehr schlecht als recht am<br />

169 Evers, 1999, S. 7<br />

170 vgl. Bistum Aachen, 1994, S. 100ff<br />

171 Bistum Aachen, 1994, S. 101<br />

172 vgl. Bistum Aachen, 1994, S. 100<br />

68


Hochschulsektor bzw. <strong>im</strong> Volkshochschulbereich mit <strong>und</strong> wird von einigen<br />

wenigen Erwachsenenbildungseinrichtungen berücksichtigt.<br />

Natürlich dürfen an dieser Stelle neuere Entwicklungen in der Alten- <strong>und</strong><br />

Bildungsarbeit nicht vernachlässigt werden. „In neuartigen Einrichtungen<br />

versuchen ältere Menschen ihr Schicksal in die Hand zu nehmen <strong>und</strong> präsentieren<br />

sich als eine Art Avantgarde in einem kulturellen Wandel des Alters. Dazu gehören<br />

die Elderhostel-Bewegung in den USA oder die Universitäten des Dritten<br />

<strong>Lebensalter</strong>s in Europa. Elderhostel ist das größte Bildungsprogramm für ältere<br />

Erwachsene in den USA. Es ist ein Bildungsprogramm für über 55-jährige<br />

Menschen, das Intensivkurse mit Reisen <strong>und</strong> gemeinsamem Wohnen verbindet.<br />

Eingeb<strong>und</strong>en sind Hochschulen, Bildungs- <strong>und</strong> Kultureinrichtungen, Museen <strong>und</strong><br />

Bibliotheken.“ 173<br />

„Berücksichtigt man nunmehr erneut die zuvor angeführte Form der theoretischen<br />

Auseinandersetzung mit einer Bildung <strong>im</strong> Alter, die eine Anbindung an<br />

sozialpädagogische <strong>und</strong> betreuende Aspekte nicht verlassen hat, so wird deutlich,<br />

daß die Erwachsenenbildung das Thema Altenbildung nicht in ihren besonderen<br />

Voraussetzungen <strong>und</strong> Möglichkeiten, also ihrer Spezifität, ihrer Eigenständigkeit<br />

reflektiert hat.“ 174<br />

In Anbetracht der Tatsache, dass das verwendete Buch, aus dem zitiert wurde,<br />

bereits 1994 herausgegeben wurde, <strong>und</strong> man gleichzeitig die Entwicklung der<br />

Erwachsenenbildung bis heute, also 17 Jahre später, heranzieht, liegt folgende<br />

Schlussfolgerung nahe: Die Erwachsenenbildung hat bis heute versagt <strong>und</strong> auf<br />

Veränderungen nicht adäquat genug reagiert.<br />

„Aufgabe der Erwachsenenbildung ist es, über Voraussetzungen, Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Formen der Bildung <strong>im</strong> menschlichen Lebensverlauf nachzudenken <strong>und</strong><br />

Bildungsprozesse zu fördern.“ 175 An dieser Stelle kann man nüchtern auf den<br />

Punkt bringen, dass auch die heutige Erwachsenenbildung die Besonderheiten<br />

der Bildungsprozesse <strong>im</strong> Alter, wenn, dann höchstens ansatzweise zur Kenntnis<br />

173 Bistum Aachen, 1994, S. 101<br />

174 Bistum Aachen, 1994, S. 102<br />

175 Bistum Aachen, 1994, S. 103<br />

69


genommen <strong>und</strong> berücksichtigt hat - das gilt gerade auch für die österreichische<br />

Erwachsenenbildungslandschaft <strong>und</strong> mehr noch für jene in Kärnten.<br />

Eine nicht zu vernachlässigende Tatsache ist in diesem Zusammenhang ebenso<br />

folgende: „Wer nicht <strong>im</strong> mittleren Erwachsenenalter Anregungen für neue<br />

Tätigkeiten – sei es <strong>im</strong> Beruf oder in der Freizeit – <strong>und</strong> damit für<br />

erhalten hat, scheint wenig motiviert <strong>und</strong> <strong>im</strong>stande zu sein,<br />

ausgerechnet <strong>im</strong> die eingeschliffenen Alltagsroutinen zu<br />

durchbrechen <strong>und</strong> das bestehende Selbstbewusstsein durch Ungewohntes<br />

herauszufordern.“ 176 Das heißt mit anderen Worten, dass die Bereitschaft für<br />

Weiterbildungsaktivitäten <strong>im</strong> fortgeschrittenen Alter bereits lange vorher entstehen<br />

<strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>stein lange vorher gelegt werden muss. Diese Tatsache muss also<br />

insbesondere von der Erwachsenenbildung in höchster Nachhaltigkeit<br />

berücksichtigt <strong>und</strong> in weiterführende Konzepte generationenüberspannend <strong>und</strong><br />

altersgruppenübergreifend integriert werden.<br />

4. <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter<br />

4.1. Einleitung<br />

Das vierte Kapitel dieser Arbeit soll sich dem Thema <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter<br />

nähern <strong>und</strong> versucht, zahlreiche, von unterschiedlichsten AutorInnen verwendete<br />

Begriffe wie „Erfolgreiches Altern“, „Produktives Altern“, „Kreatives Altern“,<br />

„Aktives Altern“, „Sinnvolles Altern“, „Glückliches Altern“ etc. <strong>und</strong> deren<br />

Bedingungen sowie Voraussetzungen unter „<strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter“ zusammen<br />

zu fassen. Diese doch subjektiv gewählt anmutenden Alters-Begriffe standen <strong>im</strong><br />

Zentrum des Interesses einiger Untersuchungen, anhand derer versucht wurde,<br />

generalisierende Aspekte, Maßnahmen <strong>und</strong> Bedingungen für eine möglichst hohe<br />

<strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter zu formulieren.<br />

Abgesehen davon, dass die Darstellung der Thematik <strong>Lebensqualität</strong> Älterer <strong>und</strong><br />

Alter den theoretischen Teil dieser Arbeit ergänzt, ist sie gleichermaßen<br />

176 Karl/Tokarski, 1992, S. 10<br />

70


unumgänglich <strong>und</strong> als gr<strong>und</strong>legende Vorbereitung für den nachfolgenden<br />

empirischen Teil zu betrachten.<br />

Ebenso ergibt sich daraus die Sinnfrage bzw. die Frage nach dem Stellenwert der<br />

Sinnfrage <strong>im</strong> Alter. „Der Erhalt oder die Neukonstruktion des Lebenssinns kann als<br />

eine der größten Herausforderungen <strong>im</strong> Leben älterer <strong>und</strong> alter Menschen<br />

betrachtet werden. Durch die Beschäftigung mit der Sinnfrage gelingt es dem<br />

Älteren, die Wahrnehmung von altersspezifischen Verlusten <strong>und</strong> Einschränkungen<br />

wegzulenken <strong>und</strong> in stärkerem Maße das Potential des Alters <strong>und</strong> Alterns ins<br />

Blickfeld seiner Aufmerksamkeit zu rücken.“ 177<br />

Wie auch <strong>im</strong>mer sich die Sinn-Frage schlussendlich beantworten lässt - ein<br />

tieferes Eintauchen in das Thema würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen -, es<br />

macht auf jeden Fall Sinn, die <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter, wie auch <strong>im</strong>mer definiert,<br />

bezogen auf den jeweiligen individuellen Zugang auf das höchstmögliche Niveau<br />

zu bringen <strong>und</strong> gegebenenfalls dort zu halten. Und genau dieser Thematik geht<br />

der folgende Teil der vorliegenden Diplomarbeit nach.<br />

4.2. <strong>Lebensqualität</strong> – Der Versuch einer Definition<br />

Die spätestens seit den 60er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts 178 von den Sozial- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften geführte Debatte um die angemessene Bewertung<br />

von allgemeinen Lebensbedingungen begünstigte die Entwicklung von<br />

verschiedenen <strong>Lebensqualität</strong>skonzepten.<br />

Die Sozialindikatorenbewegung versuchte weg von der Messung ausschließlich<br />

materieller Lebensstandards hin zu einem multid<strong>im</strong>ensionalen, also die materiellen<br />

wie <strong>im</strong>materiellen bzw. objektiven wie subjektiven Aspekte umfassenden Entwurf<br />

zu fokussieren, woraus zahlreiche unterschiedliche Ansätze entstanden sind.<br />

Kerkhoff schreibt hier von der Einführung der <strong>Lebensqualität</strong> als Begriff, um der<br />

bislang „dominierenden Sichtweise ausschließlich quantitativ best<strong>im</strong>mter<br />

wirtschaftlicher Zielvorstellungen ein Äquivalent entgegenzusetzen, das nunmehr<br />

qualitative Aspekte focussierte, <strong>und</strong> zwar qualitative Kriterien, die sich an einer<br />

177 Ruhland, 2007, S. 10<br />

178 vgl. Likar et. al., 2005, S. 47f<br />

71


Verbesserung <strong>und</strong> Veränderung der Lebensbedingungen der Menschen<br />

orientierten.“ 179<br />

„Auf dem einen Pol innerhalb der breiten Palette verschiedener Ansätze zur<br />

<strong>Lebensqualität</strong> findet sich der „skandinavische Ansatz“ oder „level of living<br />

approach“, der sich auf die Messung von objektiven Kriterien bzw. Indikatoren<br />

konzentriert. Hierunter fallen beispielsweise Bildung, soziale Beziehungen,<br />

natürliche Umwelt, Ges<strong>und</strong>heit, Infrastrukturausstattung, Arbeits- <strong>und</strong><br />

Wohnungsmarkt (). Auf der anderen Seite des Spektrums steht ein<br />

amerikanischer Ansatz, der nicht objektive Kriterien in den Vordergr<strong>und</strong> stellt,<br />

sondern die subjektive Wahrnehmung von Lebensumständen hervorhebt (). In<br />

Abwendung von materieller <strong>und</strong> in Hinwendung zu <strong>im</strong>materieller Bedürfnisbefriedigung<br />

wandte man sich der Erfassung von subjektiven Indikatoren zu.“ 180<br />

Eine <strong>im</strong> deutschsprachigen Raum vielfach rezipierte Definition von <strong>Lebensqualität</strong><br />

formulieren Glatzer <strong>und</strong> Zapf, welche „gute objektive Lebensbedingungen <strong>und</strong><br />

hohes subjektives Wohlbefinden beinhaltet, wobei letzteres heute in die<br />

Komponenten Glück (affektiv) <strong>und</strong> Zufriedenheit (kognitiv) unterschieden wird.“ 181<br />

Empirische Untersuchungen bestätigten den schwachen Zusammenhang<br />

zwischen objektiven Lebensumständen <strong>und</strong> subjektivem Wohlbefinden <strong>und</strong><br />

unterstrichen die Tatsache, dass jemand trotz schlechter Lebensbedingungen<br />

einen hohen Zufriedenheitsgrad bzw. jemand trotz hohen Lebensstandards einen<br />

niedrigen Zufriedenheitsgrad aufweisen kann, was als Zufriedenheitsparadoxon<br />

bezeichnet wird. Ebenso wurden bei medizinischen Untersuchungen vielfach<br />

starke Abweichungen zwischen den von Medizinern möglichst objektiv erhobenen<br />

Ges<strong>und</strong>heitszuständen <strong>und</strong> den von den PatientenInnen subjektiv eingeschätzten<br />

Zuständen festgestellt, was auch großen Einfluss auf deren individuelle<br />

Lebenserwartung hatte.<br />

Der Begriff der <strong>Lebensqualität</strong> muss also über die Kombination von subjektiven<br />

wie objektiven Faktoren hin als multid<strong>im</strong>ensionales Konstrukt gesehen werden, bei<br />

dem verschiedene Lebensbereiche zur näheren Betrachtung herangezogen<br />

werden müssen <strong>und</strong> bei dem, wie viele Studien bestätigen, die Ges<strong>und</strong>heit einen<br />

179 Kerkhoff, 1999, S. 43<br />

180 Likar et. al., 2005, S. 47<br />

181 Ebda., S. 48<br />

72


zentralen Stellenwert einn<strong>im</strong>mt. Insofern spielen also gerade <strong>im</strong> Bereich der<br />

angewandten <strong>Lebensqualität</strong>sforschung die Medizin <strong>und</strong> <strong>im</strong> medizinischen<br />

Wissenschaftsumfeld angesiedelte Disziplinen wie Medizin- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitssoziologie <strong>und</strong> –psychologie eine große Rolle.<br />

Amann bringt in seinem Buch zum „Sozialprodukt des Alters“ auf den Punkt 182 ,<br />

dass die bereits vor drei Jahrzehnten geführte Diskussion zum Thema<br />

„<strong>Lebensqualität</strong>“ in ihrer kritischen Auseinandersetzung nicht ernst genommen<br />

wurde. Die Ausrichtung der wirtschaftlichen Produktion ausschließlich auf die von<br />

der Marktwirtschaft bzw. Werbung suggerierten Bedürfnisse anstatt auf die<br />

tatsächlichen Bedürfnisse der Subjekte, führte zu einer vordergründigen<br />

Wachstums- <strong>und</strong> Produktivitätsideologie, in der Ältere <strong>und</strong> Alte gerne zu<br />

Sündenböcken <strong>im</strong> Sinne der zunehmenden Belastung öffentlicher Haushalte <strong>und</strong><br />

der Gesellschaft allgemein abgestempelt werden.<br />

Hier geht es um einen neuen Bezugspunkt, also den Fokus auf die <strong>Lebensqualität</strong>,<br />

sprich die Qualität des Lebens, wobei hier viel gemeint ist: „Wohlstand, erfüllte<br />

Wünsche, Ges<strong>und</strong>heit, geordnete Verhältnisse, Erlebnisqualität der Angebote,<br />

auch Glück. <strong>Lebensqualität</strong> ist <strong>im</strong> Wortsinn auch mehr als Lebensstandard. Nicht<br />

nur um das materielle Niveau geht es, das allein wäre zu wenig. <strong>Lebensqualität</strong> ist<br />

geradezu Antithese zu Lebensstandard.“ 183<br />

Daran anschließend geht es dann um die Frage, wie lässt sich einerseits<br />

<strong>Lebensqualität</strong> in ihrer Zweid<strong>im</strong>ensionalität, sprich in der subjektiven <strong>und</strong><br />

objektiven Wahrnehmung, die vielfach divergiert, feststellen <strong>und</strong> wie lässt sie sich<br />

weiterführend herstellen? Welche Rolle spielt dabei das Universaläquivalent Geld,<br />

<strong>und</strong> welche Rolle die eminent politische Diskussion der Forderung nach staatlicher<br />

Regulierung? Oder kann <strong>Lebensqualität</strong> als solche sogar aus eigener Kraft<br />

erreicht werden?<br />

4.2.1. D<strong>im</strong>ensionen der <strong>Lebensqualität</strong><br />

„<strong>Lebensqualität</strong> hat in der Geschichte ihrer Verwendung <strong>im</strong>mer eine politische <strong>und</strong><br />

eine wissenschaftliche Bedeutung gehabt. Im ersten Fall diente sie meist dazu, als<br />

182 vgl. Amann et. al., 2010, S. 73ff<br />

183 Ebda., S. 73<br />

73


eine Richtlinie gesellschaftspolitischer Entscheidungen zu fungieren, mitunter<br />

diente sie als Kampfbegriff. Im zweiten Fall wurde sie zunehmend einer<br />

innerwissenschaftlichen Präzisierung <strong>und</strong> empirischen Best<strong>im</strong>mung unterzogen.<br />

Methodologien der <strong>Lebensqualität</strong>sforschung sind weit entwickelt. Die bisherige<br />

Erfahrung lehrt, dass es vor allem <strong>im</strong> politischen Bereich notwendig ist, klare Ziele<br />

zu formulieren, über die dann mit wissenschaftlichen Analysen entschieden<br />

werden kann, ob sie erreicht werden oder nicht.“ 184<br />

• Politische D<strong>im</strong>ensionen von <strong>Lebensqualität</strong><br />

Der aus den USA <strong>im</strong>portierte Begriff <strong>Lebensqualität</strong> fand Anfang der 70er Jahre<br />

des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts in der deutschen Politik Einzug <strong>und</strong> wurde in<br />

Regierungserklärungen als Maßstab des gesellschaftlichen Fortschritts<br />

herangezogen. Die Ansicht ging also weg von der Orientierung an<br />

Lebensproblemen <strong>und</strong> der Hebung des materiellen Wohlstands hin zur<br />

Herstellung befriedigender Lebensverhältnisse allgemein <strong>und</strong> stützte so „die<br />

Antithese zwischen materiellem Lebensstandard <strong>und</strong> <strong>Lebensqualität</strong> oder, in<br />

anderen Worten: die Antithese zwischen industriellem Wachstum bzw. materiellem<br />

Fortschritt einerseits <strong>und</strong> der Hebung der Qualität des Lebens andererseits.“ 185<br />

Die Utopie, dass das Konzept <strong>Lebensqualität</strong> demokratische Entwicklung, soziale<br />

Lage <strong>und</strong> eine Verbesserung des Lebens zusammenführen könne, wurde von der<br />

gesellschaftlich-politischen Realität relativ schnell zunichte gemacht.<br />

Der bekannte amerikanische Industriesystemkritiker John K. Galbraith beschreibt<br />

bereits 1968 konzeptuelle Ansätze, ohne das Kind be<strong>im</strong> Namen zu nennen <strong>und</strong><br />

weist auf die viel wichtigere Qualität des Lebens hin, die weit über der Quantität<br />

der Waren stehen sollte. Anfang der 70er schreibt der Systemanalytiker Jay W.<br />

Forrester in der Club of Rome-Studie „Die Grenzen des Wachstums“ bereits, dass<br />

unsere <strong>Lebensqualität</strong> seit 1910 stetig gesunken ist <strong>und</strong> versucht, quantifizierbare<br />

Indikatoren von <strong>Lebensqualität</strong> zu definieren. Daraus entstand in weiterer Folge<br />

„die quantifizierende Messung von Qualität, die ab Ende der Sechzigerjahre als<br />

sozialpolitisches Steuerinstrument <strong>und</strong> zugleich als ein eigenes<br />

Forschungsprogramm ausgeweitet wurde. Die Konzeption der <strong>Lebensqualität</strong>, die<br />

ursprünglich <strong>im</strong> politischen Diskurs aus der Entgegensetzung von Ökonomie <strong>und</strong><br />

184 Ebda., S. 74<br />

185 Ebda., S. 75<br />

74


Ökologie gelebt hatte, war in ein sozialpolitisches Gestaltungsprogramm mit<br />

wissenschaftlicher Berichterstattung umgemünzt worden.“ 186<br />

Entgegen der aktuellen Tendenz, den Begriff der <strong>Lebensqualität</strong> in sämtlichen,<br />

vielfach belanglosen Zusammenhängen zu missbrauchen (der Autor führt hier das<br />

Beispiel der Erhöhung der <strong>Lebensqualität</strong> durch breitere Autobahnen an!) könnten<br />

dem Begriff klar formulierte <strong>und</strong> zugeordnete Ziele wieder Sinnhaftigkeit <strong>und</strong><br />

politische Relevanz verleihen.<br />

Die politische D<strong>im</strong>ension der <strong>Lebensqualität</strong> bzw. der damit verb<strong>und</strong>ene Anspruch<br />

beschränkt sich in Bezug auf Änderungen <strong>und</strong> Verbesserungen in der<br />

Gesellschaft auf eingeschränkte bzw. institutionell <strong>und</strong> rechtlich selbstständige,<br />

politische Bereiche. Gemäß dem normativen Gehalt (der systematische,<br />

deskriptiv-empirische kommt später zur Sprache) geht es gerade in diesem<br />

Bereich um die Frage, wie man Menschen in speziellen Lebenslagen wie<br />

Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter etc. ein möglichst selbstständiges, von Zwängen,<br />

Beschränkungen <strong>und</strong> systematischen Benachteiligungen freies Leben<br />

ermöglichen kann. Im Sinne der sozialen Gerechtigkeit sollte also das politische<br />

System die vom ökonomischen System (mit)verursachten Probleme auffangen.<br />

„Die politische D<strong>im</strong>ension liegt in der Tatsache, dass alle Strukturen <strong>und</strong><br />

Handlungen, die in der politischen Gestaltung von Lebensbedingungen zum<br />

Einsatz kommen, letztlich in einer Programmatik verankert sind, die zum Zwecke<br />

eines Eingreifens auf rechtlicher Basis legit<strong>im</strong>iert, institutionell organisiert <strong>und</strong><br />

durch ethische Handlungsmax<strong>im</strong>en geleitet sind, auch wenn die politischen<br />

Aushandlungsergebnisse diesen Rückbezug nicht <strong>im</strong>mer erkennen lassen.“ 187<br />

Zusammenfassend kann also noch einmal auf den Punkt gebracht werden: „Das<br />

Konzept <strong>Lebensqualität</strong> ist als Gegenstrategie zu einer Handlungslogik zu<br />

verstehen, die ausschließlich auf die Vermehrung von Waren <strong>und</strong> Geldkapital<br />

gerichtet ist, ohne nach den negativen Folgen dieser Akkumulation <strong>im</strong><br />

ökologischen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen Zusammenhang zu fragen. Politisches<br />

Handeln, das auf die Herstellung oder Wahrung von <strong>Lebensqualität</strong> gerichtet ist,<br />

hat mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Während Lebensstandard eine Größe ist, die<br />

vornehmlich materiell <strong>und</strong> damit in nur objektiven <strong>und</strong> quantifizierenden<br />

186 Ebda., S. 76<br />

187 Ebda., S. 77<br />

75


Vorstellungen arbeitet, ist <strong>Lebensqualität</strong> sowohl ein objektives als auch<br />

subjektives Konzept, in dem die Menschen ihre Bedürfnisse <strong>und</strong> Zufriedenheiten<br />

wie Unzufriedenheiten zum Ausdruck bringen können.“ 188<br />

• Systematische D<strong>im</strong>ensionen von <strong>Lebensqualität</strong><br />

Der wissenschaftlich-systematische Aspekt von <strong>Lebensqualität</strong> beschreibt die<br />

unmögliche Trennung zwischen politischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Konzeptionen<br />

<strong>und</strong> versucht, durch ein vom B<strong>und</strong>esministerium für Soziales <strong>und</strong><br />

Konsumentenschutz in Wien 2009 in Auftrag gegebenes Projekt einen auf<br />

<strong>Lebensqualität</strong> gerichteten politischen Plan zu entwerfen. Generalziel ist dabei die<br />

Herstellung, Wahrung <strong>und</strong> Hebung der <strong>Lebensqualität</strong> aller Menschen bzw.<br />

einzelner Gruppen, wobei bis dato folgende Teilziele formuliert wurden, ehe das<br />

Projekt <strong>im</strong> Jahr 2011 fertig gestellt wird:<br />

o „Wahrung einer integrativen Perspektive gegenüber zersplitterten<br />

Einzelmaßnahmen <strong>und</strong> Aktivitäten<br />

o Stärkung <strong>und</strong> zeitgemäße Fassung des Solidaritätsgedankens<br />

o Stärkung der sozialen Integration (Inklusion) <strong>und</strong> Verbesserung der<br />

Lebensbedingungen jener, die <strong>im</strong> Schnitt schlechter gestellt sind<br />

o Vermeidung von Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

o Unterstützung selbstständigen <strong>und</strong> kompetenten Verhaltens der<br />

Menschen<br />

o Schaffung der Bedingungen für die freie Wahl von Diensten <strong>und</strong><br />

Angeboten<br />

o Maßnahmen zur Verbesserung der materiellen, räumlichen <strong>und</strong><br />

sozialen Infrastruktur.“ 189<br />

Im Projektfokus steht auch <strong>im</strong>mer die Diskrepanz zwischen Objektivität <strong>und</strong><br />

Subjektivität, also zwischen objektiver <strong>Lebensqualität</strong>sbedingungen <strong>und</strong><br />

subjektiver Bewertung der <strong>Lebensqualität</strong>, wobei sich die Bewertung <strong>im</strong> objektiven<br />

Bereich auf empirische Vergleiche anhand spezifischer Indikatoren bezieht,<br />

während <strong>im</strong> subjektiven Bereich die individuelle Einschätzung der Lage der<br />

Menschen <strong>im</strong> Mittelpunkt steht. Im Zusammenhang mit den gerade erwähnten<br />

Teilzielen kann davon ausgegangen werden, dass die Erhöhung der<br />

188 Ebda., S. 77f<br />

189 Ebda., S. 78f<br />

76


<strong>Lebensqualität</strong> älterer Menschen umso eher erreicht wird, je eindeutiger jedes<br />

einzelne Ziel für eine größtmögliche Anzahl Älterer erreicht wird.<br />

4.2.2. Objektive vs. Subjektive <strong>Lebensqualität</strong><br />

Wie <strong>im</strong> vorhergehenden Teil bereits erwähnt, spielt bei der objektiven<br />

Sichtweise 190 der empirische Vergleich eine große Rolle, bei dem best<strong>im</strong>mte<br />

Gruppen anhand klug ausgewählter Eckdaten bzw. Indikatoren verglichen bzw.<br />

einander gegenübergestellt werden. Anhand der daraus resultierenden Expertise<br />

können dann weniger fein gegliederte Detailanalysen erstellt als mehr grobe<br />

Unterschiede festgestellt werden, die in weiterer Folge zu spezifisch<br />

ausgerichteten, politischen Reaktionen <strong>und</strong> Schritten führen sollten. Gemäß dem<br />

<strong>dritten</strong> Teilziel sollte beispielsweise die Feststellung, dass eine best<strong>im</strong>mte Gruppe<br />

einkommensbezogen unter dem Medianeinkommen der Gesamtbevölkerung liegt,<br />

geeignete Maßnahmen nach sich ziehen.<br />

Im Zusammenhang mit der subjektiven <strong>Lebensqualität</strong> „kommen alle Daten in<br />

Frage, die aus Umfragen stammen, seien es nun Pr<strong>im</strong>ärerhebungen, Mikrozensen<br />

oder Surveys. Damit wird <strong>im</strong> Zusammenhang der empirischen Analysen die Seite<br />

der subjektiven Faktoren stärker in den Vordergr<strong>und</strong> rücken. Die Seite der<br />

subjektiven Beurteilungen ist prinzipiell nicht zu vernachlässigen, das<br />

unterscheidet dieses Konzept von aller materiellen Wohlfahrtsmessung. Aus<br />

Einstellungs- <strong>und</strong> Bewertungsuntersuchungen werden ergänzende <strong>und</strong><br />

vertiefende Informationen zu objektiven <strong>Lebensqualität</strong>sbedingungen gewonnen.<br />

Solche Ergebnisse entsprechen dann einem umfassenderen Wohlfahrtsbegriff.<br />

Wenn z. B. eine erhebliche Gruppe unter den Älteren mit spezifischen Leistungen<br />

des Wohlfahrtsstaates nicht zufrieden wäre, müsste einerseits gefragt werden, wie<br />

solche Ergebnisse zu interpretieren sind (Zufriedenheitsparadox <strong>und</strong><br />

Unzufriedenheitsdilemma), <strong>und</strong> andererseits ebenso über Strategien nachgedacht<br />

werden.“ 191<br />

190 vgl. Ebda., S. 79ff<br />

191 Ebda., S. 80<br />

77


4.2.3. <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter<br />

Aufgr<strong>und</strong> der starken Heterogenität innerhalb der Gruppe älterer <strong>und</strong> alter<br />

Menschen sind Modelltypen, die bereits vor Jahren 192 stark verallgemeinernd<br />

versuchten, die <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter anhand der aus den USA <strong>im</strong>portierten<br />

These des „erfolgreichen Alterns“, festzuschreiben, gescheitert bzw. nur bedingt<br />

ernst zu nehmen, da sie doch ausschließlich an der erfolgreichen Bewältigung der<br />

Lebensaufgaben orientiert waren <strong>und</strong> wichtige Faktoren wie z. B.<br />

Geschlechterdifferenzen, soziale Schichten bzw. historische Zusammenhänge<br />

ausklammerten. Von alterspsychologischer Seite her gab es Ansätze, die die<br />

erfolgreiche Lösung altersspezifischer Entwicklungsaufgaben mit hohem<br />

Wohlbefinden gleichsetzten, um dann der Gruppe der Alternden ihren individuellen<br />

Status anzuerkennen, was in einer Diversifikation des individuellen Alterns anhand<br />

individueller Altersvariablen mündete. Eine Folge der empirisch nachgewiesenen<br />

Pluralisierung der Lebensstile „war die Anerkennung der Ungleichheit in den<br />

objektiven <strong>und</strong> subjektiven Lebenslagen, was seinerseits wieder zur Konzeption<br />

der <strong>Lebensqualität</strong> als multikriteriales Konstrukt führte. Damit war eine bis heute<br />

gültige Forderung für die Erforschung der <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> >Altern <strong>im</strong> Alter<<br />

geboren: Empirische Untersuchungen müssen die Besonderheiten Älterer <strong>im</strong><br />

Vergleich zu anderen Altersgruppen <strong>und</strong> auch die innere Differenzierung<br />

verschiedener Alterskohorten beachten.“ 193<br />

Im Kontext des umfassenden Bereichs <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter ergeben sich durch<br />

eine Vielzahl empirisch gestützter Hypothesen <strong>und</strong> wissenschaftlich<br />

nachgewiesener Zusammenhänge folgende Erkenntnisse: Als zentrale<br />

Best<strong>im</strong>mungsfaktoren für eine hohe <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter gelten der<br />

Ges<strong>und</strong>heitszustand, der am Einkommen gemessene sozioökonomische Status,<br />

der Bildungsstand sowie das Vermögen.<br />

Eine finanziell abgesicherte Lage <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Ressourcen haben, wenn<br />

auch nur indirekten, trotzdem aber deutlichen Einfluss auf die <strong>Lebensqualität</strong>,<br />

indem sich Wohlfahrt (Einkommen <strong>und</strong> realisierter Lebensstandard) sehr positiv<br />

„auf die Intensität gesellschaftlicher Partizipation <strong>und</strong> das Ausmaß sozialer<br />

192 vgl. Ebda., S. 80<br />

193 Ebda., S. 81<br />

78


Integration, auf die objektive <strong>und</strong> subjektive Ges<strong>und</strong>heit, auf subjektives<br />

Wohlbefinden <strong>und</strong> das Erleben des Alters“ 194 auswirkt.<br />

Wobei an dieser Stelle erwähnt werden soll, dass <strong>im</strong> hohen Alter eine Gewichtung<br />

weg von der finanziellen hin zur ges<strong>und</strong>heitlichen Lage stattfindet, wohingegen der<br />

Bildungsstand seinen Einfluss bis ins höchste Alter verteidigen kann. Ähnliches gilt<br />

für den sozioökonomischen Status <strong>und</strong> den Zusammenhang der ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Lage, denn Ungleichheit kann <strong>im</strong> negativen Sinn mit einer höheren<br />

Sterblichkeitsrate in Verbindung gebracht werden. Verallgemeinernd kann also<br />

festgehalten werden: „Nach dem Einkommen inklusive sozioökonomischem Status<br />

<strong>und</strong> sozialer Integration gehört Ges<strong>und</strong>heit zu den Lebenslagenbereichen, die<br />

<strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter maßgeblich best<strong>im</strong>men; hier differenzieren sich die<br />

Ausprägungen signifikant nach Wohnregion, Geschlecht <strong>und</strong> ethnischer<br />

Zugehörigkeit.“ 195<br />

Ähnlich verhält es sich mit dem Wohnumfeld bzw. mit der Wohnqualität – ein<br />

vorhandenes soziales Netzwerk in einem attraktiven Wohnumfeld lässt die<br />

subjektive <strong>Lebensqualität</strong> ansteigen.<br />

In der Auseinandersetzung mit dem Alterungsprozess <strong>und</strong> einem „erfolgreichen“<br />

Handeln 196 spielen Handlungsstrategien wie Selektion, Opt<strong>im</strong>ierung <strong>und</strong><br />

Kompensation eine große Rolle.<br />

Selektion beschreibt dabei Auswahl <strong>und</strong> Veränderung von Handlungszielen bzw.<br />

Absichten in Anpassung an die zur Verfügung stehenden, möglicherweise mit<br />

einem schrittweisen Abbau einhergehenden eigenen Potenziale <strong>und</strong> Ressourcen<br />

sowie den umweltbedingten Voraussetzungen.<br />

Die Konzentration auf die zur individuellen Situationsbewältigung zur Verfügung<br />

stehenden Mittel wird als Opt<strong>im</strong>ierung bezeichnet <strong>und</strong> betrifft deren Erwerb,<br />

Verbesserung <strong>und</strong> Koordination zur Zielerreichung, wiederum beeinflusst durch<br />

individuell unterschiedliche Ziele, Besonderheiten <strong>und</strong> ressourcenbezogene<br />

Umweltbedingungen.<br />

„Kompensation bezieht sich auf die Vorstellung, dass auch bei eingeschränkten<br />

Handlungsmitteln ein vorhandenes Niveau beibehalten <strong>und</strong> Ziele nicht aufgegeben<br />

werden sollen. Das kann auch bedeuten, auf andere, vielleicht neue Ressourcen<br />

194 Ebda., S. 82<br />

195 Ebda., S. 82<br />

196 vgl. Ebda., S. 83<br />

79


zurückzugreifen, wenn etwas mit den gewohnten Mitteln nicht mehr erreichbar zu<br />

sein scheint.“ 197<br />

Kruse schreibt <strong>im</strong> Kontext mit selektiver Opt<strong>im</strong>ierung/Kompensation Folgendes:<br />

„Damit ist auch der von Baltes/Baltes (vgl. 1994) beschriebene Prozess der<br />

selektiven Opt<strong>im</strong>ierung mit Kompensation angesprochen, d. h. die Auswahl<br />

(Selektion) hoch entwickelter Funktionen, Fertigkeiten <strong>und</strong> Strategien <strong>und</strong> deren<br />

weitere Differenzierung (Opt<strong>im</strong>ierung) mit dem Ziel, die Verluste in anderen<br />

Funktionen, Fertigkeiten <strong>und</strong> Strategien auszugleichen (Kompensation); dieser<br />

Prozess stellt eine Gr<strong>und</strong>lage für erfolgreiches Altern dar.“ 198<br />

4.3. Möglichkeiten des Alterns<br />

Da sich in der mittlerweile umfassend zur Verfügung stehenden Literatur<br />

zahlreiche Bezeichnungen <strong>und</strong> Möglichkeiten finden, wie man altern kann, <strong>und</strong> auf<br />

jede einzugehen den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, werden in den<br />

folgenden Unterpunkten einige aktuelle Ansätze stellvertretend genannt <strong>und</strong> kurz<br />

beschrieben.<br />

4.3.1. Erfolgreiches Altern<br />

Im Zusammenhang mit der Förderung der Lebensbedingungen <strong>und</strong> der<br />

Lebenszufriedenheit <strong>im</strong> Alter nennt Kruse 199 Autonomie <strong>und</strong> soziale Teilhabe als<br />

die politischen Leitbilder eines erfolgreichen Alters. Basierend auf dem<br />

Subsidiaritätsprinzip sollen, erst wenn individuelle Ressourcen zur selbständigen<br />

bzw. -verantwortlichen Lebensführung sowie die Ressourcen des individuellen<br />

sozialen Netzwerkes nicht mehr ausreichen, staatliche Maßnahmen zum Tragen<br />

kommen. D. h. die Bereitstellung gesellschaftlicher Ressourcen ergibt sich erst<br />

aus dem schlagend werdenden Bedarf, wobei sich deren Umfang aufgr<strong>und</strong> des<br />

stetigen Wandels <strong>im</strong> Bevölkerungsaufbau tendenziell verringert <strong>und</strong> somit die<br />

private Altersvorsorge zunehmend wichtiger wird.<br />

197 Ebda., S. 83<br />

198 Kruse, 2001, S. 557<br />

199 vgl. Kaiser, 2002, S. 17ff<br />

80


Autonomie <strong>und</strong> soziale Teilhabe definieren sich wie folgt:<br />

„Autonomie: a) Mobilität in der räumlichen Umwelt<br />

b) Selbständigkeit in der täglichen Lebensführung<br />

c) Selbstverantwortung in der täglichen Lebensführung<br />

d) Selbstverantwortung in der Lebensplanung<br />

e) Selbständigkeit <strong>und</strong> Selbstverantwortung in<br />

Entscheidungssituationen<br />

f) Selbständigkeit <strong>und</strong> Selbstverantwortung bei der Nutzung von<br />

Dienstleistungen<br />

Soziale Teilhabe: a) Artikulation eigener Interessen<br />

b)Beschäftigung mit gesellschaftlichen Prozessen <strong>und</strong><br />

Entscheidungen<br />

c) Einflussnahme auf gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong><br />

Entscheidungen<br />

d) Auseinandersetzung mit Inhalten der sozialen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Umwelt<br />

e) Mitgestaltung der sozialen <strong>und</strong> kulturellen Umwelt<br />

f) Einbringen eigener Erfahrungen <strong>und</strong> Erkenntnisse in soziale<br />

Beziehungen<br />

g) Bereitstellung von Hilfen für andere Menschen“ 200<br />

Diese Definition von Autonomie <strong>und</strong> sozialer Teilhabe erfordert auch ein kurzes<br />

Eingehen auf die Subsidiaritätskategorien Selbstständigkeit, Selbstverantwortung<br />

<strong>und</strong> Mitverantwortung, wobei Selbständigkeit als Fähigkeit des Individuums<br />

verstanden wird, „ein von Hilfen anderer Menschen weitgehend unabhängiges<br />

Leben zu führen“ 201 <strong>und</strong> durch verschiedenste Faktoren (z. B. <strong>im</strong> Lebenslauf<br />

erworbene Kompetenzen, Lebens- <strong>und</strong> Umweltbedingungen, materielle bzw.<br />

soziale Sicherung etc.) beeinflusst wird.<br />

„Selbstverantwortung soll definiert werden als die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft des<br />

Individuums, den Alltag in einer den eigenen Leitbildern eines guten Lebens<br />

200 Ebda., S. 18<br />

201 Ebda., S. 19<br />

81


entsprechenden, d. h. den eigenen Bedürfnissen, Normen <strong>und</strong> Werten folgenden<br />

Art <strong>und</strong> Weise zu gestalten <strong>und</strong> sich reflektiert mit der eigenen Person („Wer bin<br />

ich? Was möchte ich tun?) sowie mit den Anforderungen <strong>und</strong> Möglichkeiten der<br />

persönlichen Lebenssituation auseinander zusetzen.“ 202 Auch<br />

selbstverantwortliches Verhalten wird durch verschiedenste Einflüsse (z. B.<br />

individuelle Reflexionsbereitschaft/-fähigkeit, Fähigkeit/Bereitschaft der<br />

Bedürfnisartikulation, kulturelle/soziale/medizinische/pflegerische Infrastruktur etc.)<br />

gestaltet.<br />

„Mitverantwortung soll als die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft des Menschen definiert<br />

werden, sich in die Lebenssituation anderer hineinzuversetzen, sich für andere zu<br />

engagieren, etwas für andere zu tun, sich in der Gesellschaft zu engagieren„ 203<br />

<strong>und</strong> wird durch Faktoren wie z. B. individuelle soziale Kompetenz, individuelles<br />

Wertesystem, individuell erlebte Selbstwirksamkeit, (Re)Aktionsbereitschaft der<br />

sozialen Umwelt etc. beeinflusst.<br />

Im Zusammenhang mit erfolgreichem Altern beschreibt Baltes 204 das SOK-Modell,<br />

also selektive Opt<strong>im</strong>ierung mit Kompensation:<br />

1. Selektion: Auswahl <strong>und</strong> gegebenenfalls Veränderung von Zielen,<br />

Erwartungen – was will ich erreichen?<br />

2. Opt<strong>im</strong>ierung: Gewähltes unter Einschätzung eigener, verbliebener<br />

Ressourcen möglichst gut tun<br />

3. Kompensation: Flexible Reaktion auf Mittelwegfall, Schaffung neuer<br />

Fertigkeiten, Training<br />

Natürlich liegt der Schluss nahe, dass dieses SOK-Modell bereits in jungen<br />

Jahren, also das ganze Leben über praktiziert wird. Das st<strong>im</strong>mt nur zum Teil, da<br />

das orchestrierte Dirigieren von Selektion, Opt<strong>im</strong>ierung <strong>und</strong> Kompensation <strong>im</strong><br />

Rahmen eines lebenslangen Entwicklungsprozesses gelernt werden muss.<br />

Menschen, die es schaffen, <strong>im</strong> Rahmen einer ausgeprägten adaptiven Fitness in<br />

der Lebensgestaltung effizient auszuwählen, zu opt<strong>im</strong>ieren <strong>und</strong> zu kompensieren,<br />

geht es Studien zufolge eindeutig besser.<br />

202 Ebda., S. 20<br />

203 Ebda., S. 21<br />

204 vgl. Baltes, GEO, 08/2002 in http://www.geo.de/GEO/mensch/medizin/692.html, 06. 02. 2011<br />

82


Die Psychotherapeutin Jaeggi verwehrt sich gegen den Begriff des erfolgreichen<br />

Alterns, wenn damit letztlich das Hinausschieben von Altersgrenzen <strong>im</strong> Sinne des<br />

Nicht-Altern-Dürfens gemeint ist. Sie setzt für einen guten Alterungsprozess die<br />

Entdeckung der Tugend der Gelassenheit voraus <strong>und</strong> definiert folgend: „<br />

Erfolgreich Altern sollte einschließen, zu wissen, wo die Grenzen sind, wo man<br />

nichts machen kann, womit man sich abfinden muss, dass best<strong>im</strong>mte Dinge nicht<br />

mehr funktionieren, sowohl <strong>im</strong> Sozialen als auch <strong>im</strong> Physischen.“ 205<br />

4.3.2. Aktives Altern<br />

Die WHO 206 hat den Begriff „active ageing“ also „aktives Altern“ übernommen <strong>und</strong><br />

in einem Beitrag für die Zweite UN-Weltversammlung zu Altersfragen folgend<br />

definiert: „Unter aktiv Altern versteht man den Prozess der Opt<strong>im</strong>ierung der<br />

Möglichkeiten von Menschen, <strong>im</strong> zunehmenden Alter ihre Ges<strong>und</strong>heit zu wahren,<br />

am Leben ihrer sozialen Umgebung teilzunehmen <strong>und</strong> ihre persönliche Sicherheit<br />

zu gewährleisten, <strong>und</strong> derart ihre <strong>Lebensqualität</strong> zu verbessern.“ 207<br />

„Die WHO (2002) hebt hervor, dass aktives Altern sowohl durch physische<br />

Umweltfaktoren, ökonomische <strong>und</strong> soziale Bedingungen, verfügbare Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />

Sozialdienste als auch durch verhaltensbezogene <strong>und</strong> psychologische<br />

Faktoren beeinflusst wird. Dies heißt, dass sich die Einflussfaktoren des Alterns in<br />

zwei große Gruppen differenzieren lassen – in eine Gruppe kontextueller Faktoren<br />

(sozioökonomisch, kulturell, umweltbezogen, dienstleistungsbezogen) <strong>und</strong> in eine<br />

Gruppe personaler Faktoren (Persönlichkeit, Motivlage, Selbstkonzept,<br />

Kognitionen, Handlungsstrategien). Das Modell der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation<br />

akzentuiert dabei nicht nur die Verantwortung des Individuums, sondern auch –<br />

<strong>und</strong> in besonderer Weise – die Verantwortung der Gesellschaft für die Herstellung<br />

von Bedingungen, durch die zu aktivem Altern beigetragen werden kann.“ 208<br />

205 Jaeggi, 2008, S. 20<br />

206 vgl. Aktiv Altern, 2002, S 12<br />

207 Aktiv Altern, 2002, S. 12<br />

208 Kruse, 2008, S. 230f<br />

83


Der auf Einzelpersonen wie ganze Bevölkerungsgruppen bezogene Begriff des<br />

„aktiven Alterns“ bezieht sich also auf die Säulen Ges<strong>und</strong>heit, soziale Teilhabe<br />

<strong>und</strong> Sicherheit <strong>und</strong> hat als pr<strong>im</strong>äres Ziel die Erhöhung der <strong>Lebensqualität</strong>. Mehr<br />

noch verfolgt „aktives Altern“ ebenso eine Ausweitung der Lebenserwartung aller<br />

(auch schwacher, behinderter <strong>und</strong> pflegebedürftiger) Menschen <strong>und</strong> versteht unter<br />

„aktiv“ eine „andauernde Teilnahme am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen,<br />

spirituellen <strong>und</strong> zivilen Leben“ 209 – das ist bedeutend mehr als bloß die Tatsache,<br />

körperlich aktiv bzw. <strong>im</strong> Arbeitsprozess integriert zu bleiben.<br />

Die Säule der Ges<strong>und</strong>heit umfasst natürlich mehr als nur den rein körperlichen<br />

Aspekt <strong>und</strong> schließt ebenso das geistige <strong>und</strong> soziale Wohlbefinden mit ein. Die<br />

Säule der Sicherheit wiederum betrifft den Erhalt von Autonomie <strong>und</strong><br />

Unabhängigkeit <strong>im</strong> Alterungsprozess, der <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> individuellen sozialen<br />

Umfeldzusammenhang zu sehen ist. Fürs aktive Altern sind deshalb Konzepte wie<br />

jenes der Interdependenz bzw. auch jenes der Solidarität zwischen den<br />

Generationen von großer Wichtigkeit, denn die <strong>Lebensqualität</strong> von Älteren hängt<br />

„von den Lebensmöglichkeiten <strong>und</strong> –risiken ab, die diese <strong>im</strong> Verlauf des gesamten<br />

vorherigen Lebens gehabt haben, <strong>und</strong> auch von der Art, in der die ihnen<br />

nachfolgenden Generationen bei Bedarf Hilfestellung <strong>und</strong> Unterstützung zu<br />

gewähren bereit sind.“ 210<br />

„Das moderne Verständnis vom aktiven Altern verfolgt das Ziel der Förderung des<br />

aktiven Alterns für alle <strong>Lebensalter</strong> in der Gesellschaft. Soziologisch betrachtet soll<br />

das Ende der Rollenlosigkeit, Funktionslosigkeit <strong>und</strong> der Unbest<strong>im</strong>mtheit erreicht<br />

werdenIm Sinne der modernen Auffassung handelt es sich pr<strong>im</strong>är um ein<br />

präventives Konzept zur Nutzung der Chancen <strong>und</strong> Möglichkeiten, zur<br />

Vermeidung von Leistungseinbußen <strong>im</strong> Kontext intergenerationeller<br />

Lebensführung. Ein weiteres Ziel ist die Wahrnehmung vorhandener Potenziale<br />

<strong>und</strong> der Einsatz psychologischer Widerstandsfähigkeiten (Resilienz) des/der alten<br />

Menschen.“ 211<br />

209 Aktiv Altern, 2002, S. 12<br />

210 Aktiv Altern, 2002, S. 12<br />

211 Kre<strong>im</strong>er, 2010, S. 110<br />

84


Eine Arbeitsgruppe des EU-Beschäftigungsausschusses 212 hat sich in einem<br />

190seitigen analytischen Papier dem Thema „aktives Altern“ genähert, <strong>und</strong> das<br />

auf sehr einseitige Weise. In diesem Papier geht es be<strong>im</strong> Thema des aktiven<br />

Alterns hauptsächlich um die Zusammenführung verschiedenster Maßnahmen<br />

aller Mitgliedstaaten, die eine nachhaltige Erhöhung der Beschäftigungsquote<br />

älterer Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmer gewährleisten. Aktives Altern wird<br />

hier gleichgesetzt mit Aktivität <strong>im</strong> Alter – <strong>und</strong> das möglichst lange <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines Beschäftigungsverhältnisses als Produktionsfaktor menschliche Arbeitskraft.<br />

Insofern bleibt abzuwarten, welch bahnbrechende Akzente vom EU-Jahr 2012 zu<br />

erwarten sind, das unter dem Motto „Jahr des Aktiven Alterns <strong>und</strong> der<br />

generationenübergreifenden Solidarität“ steht <strong>und</strong> ob Einseitigkeiten durch eine<br />

offene, allumfassende <strong>und</strong> vor allem wissenschaftliche Herangehensweise<br />

vermieden werden.<br />

Schulz spricht <strong>im</strong> Kontext des aktiven Alterns <strong>im</strong>mer von einem <strong>Lernen</strong>den Altern:<br />

„Die Diskussion um Lebenslanges <strong>Lernen</strong> <strong>und</strong> Bildung für ein aktives Altern ()<br />

führen <strong>im</strong>mer wieder zu einem Ergebnis: Weiterbildung trägt wesentlich dazu bei,<br />

Personen in der nachberuflichen Lebensphase stärker <strong>im</strong> gesellschaftlichen Leben<br />

zu verankern (). Da die Weiterbildungsbeteiligung mit dem Ende der beruflichen<br />

Tätigkeit deutlich abn<strong>im</strong>mt, eröffnet sich hier ein Betätigungsfeld für<br />

Bildungsanbieter.“ 213<br />

4.3.3. Produktives Altern<br />

Im Kontext der industriellen Produktion 214 verkam die soziale <strong>und</strong><br />

anthropologische D<strong>im</strong>ension der Arbeit zum einzigen Produktivitätsfaktor, der eine<br />

spezifische menschliche Tätigkeit mit dem Stückpreis von Objekten in Beziehung<br />

setzt. In diesem Zuge wird alles, was nicht diesen Produktivitäts-Parametern bzw.<br />

dieser verkürzten Produktivitäts-Definition entspricht, als unproduktiv bezeichnet –<br />

so ergeht es vor allem den „unproduktiven“ Älteren <strong>und</strong> Alten, die in einer<br />

212 vgl. Aktives Altern – Active Ageing, 2007 in:<br />

http://www.bmas.de/portal/18532/property=pdf/aktives_altern_active_ageing.pdf, 06. 02. 2011<br />

213 Schulz, 2011, S. 106 in: http://erwachsenenbildung.at/magazin/11-13/meb11_13.pdf,<br />

24.06.2011<br />

214 vgl. Pasero et. al., 2007, S. 265<br />

85


Gesellschaft, die sich hauptsächlich durch wirtschaftliche Produktion definiert,<br />

wenig Akzeptanz genießen.<br />

In diesem Sinne sind Begriffe wie Sozialprodukt <strong>und</strong> Sozialprodukt des Alters zu<br />

nennen <strong>und</strong> wie folgt zu definieren:<br />

„Der traditionelle Begriff Sozialprodukt bezeichnet die Summe aller wirtschaftlichen<br />

Leistungen einer Volkswirtschaft (<strong>im</strong> allgemeinen auf ein Jahr bezogen), das heißt<br />

aller Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen, die investiert, gegen ausländische Güter <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen getauscht oder verbraucht wurden. Das Sozialprodukt ist daher<br />

Ausdruck der quantitativen Leistungskraft einer Volkswirtschaft.“ 215<br />

„Das Sozialprodukt der Älteren ist die Gesamtheit aller Tätigkeiten von Menschen<br />

jenseits des Erwerbslebens, die sich in Auto- <strong>und</strong> Heteroproduktivität umsetzen<br />

<strong>und</strong> einen Nutzen stiften, der in die Herstellung, Bewahrung <strong>und</strong> Erhöhung von<br />

<strong>Lebensqualität</strong> eingeht. Das Sozialprodukt des Alters ist daher Ausdruck der<br />

Leistungskraft der Älteren, die aus Individual- <strong>und</strong> Strukturpotenzialen stammt<br />

<strong>und</strong>, auf den Ausgangsbedingungen von Plastizität, Heterogenität <strong>und</strong> Resilienz<br />

beruhend, über Handlungsstrategien wie Selektion, Opt<strong>im</strong>ierung <strong>und</strong><br />

Kompensation realisiert wird.“ 216<br />

Hank <strong>und</strong> Erlinghagen 217 nähern sich in ihrem Buch dem Thema des produktiven<br />

Alterns <strong>und</strong> sprechen in diesem Zusammenhang von einem Leitbild, in dem die<br />

Forderung nach der Erhöhung gemeinnütziger, freiwilliger <strong>und</strong> vor allem<br />

unbezahlter Aktivitäten Älterer mit allen positiven Aspekten der produktiven,<br />

nachberuflichen Tätigkeit eine große Rolle spielt.<br />

„Ältere sollen sich in ehrenamtlicher Arbeit engagieren, sie sollen Familienpflege<br />

leisten, sie sollen Kinder <strong>und</strong> Enkel betreuen, sie sollen länger arbeiten, sie sollen<br />

aktive Ges<strong>und</strong>heitsförderung betreiben, sie sollen die Remedien der Ges<strong>und</strong>heits<strong>und</strong><br />

Schönheits- sowie Freizeit- <strong>und</strong> Wellness-Industrie konsumieren, sie sollen<br />

der Bildung obliegen, sie sollen Vor- <strong>und</strong> Nachteile langer Auslandsaufenthalte<br />

oder gar Übersiedlungen dorthin <strong>im</strong> Gegensatz zu aktivem Altern zu Hause <strong>und</strong><br />

215 Ebda., S. 278<br />

216 Ebda., S. 282<br />

217 vgl. Erlinghagen/Hank, 2008, S. 9<br />

86


zur Weitergabe von Vermögen anstelle dessen egoistischen Verbrauchs wohl<br />

abwägen.“ 218 Mit diesen Überlegungen begegnet der Autor Amann der Frage der<br />

Produktion um jeden Preis, auch <strong>im</strong> Alter. Er hinterfragt die Tatsache, wie es denn<br />

zur alles überschattenden Vorstellung der sich endlos ausweitenden Produktion<br />

kommen konnte, die auch - <strong>und</strong> vor allem - nicht vor dem Alter halt macht.<br />

Frühe Quellen der abendländischen Philosophie beschäftigten sich bereits mit<br />

dem Gedanken der endlosen Produktion, der zu Beginn der Neuzeit umgeformt<br />

wurde <strong>und</strong> sich <strong>im</strong> Rahmen der industriellen Revolution zur zweckrationalen, alles<br />

unterwerfenden Vernunft etablierte. „Seit der anbrechenden Neuzeit begann<br />

allerdings ein Denkmodell <strong>im</strong>mer stärker in den Vordergr<strong>und</strong> zu treten, das heute<br />

umfassende Gültigkeit beansprucht: die mit rationalen Mitteln, <strong>und</strong> das heißt<br />

Rechenhaftigkeit <strong>im</strong> Sinne von zählbar <strong>und</strong> berechenbar, betriebene Erreichung<br />

von selbst gesetzten Zielen ohne prinzipielle Begrenzung durch politische oder<br />

sittliche Regeln (). Da den Zielen keine Grenzen gesetzt sind, werden alle<br />

konkreten Ziele durch ein allgemeines überlagert: jenes der Nutzenmax<strong>im</strong>ierung.<br />

Damit ist diese selbst zu einem obersten Wert, zu einer >>sittlichen Idee


Ab den späten Achtzigerjahren des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts vermischten sich die<br />

Trends von berufsspezifischen Aktivierungsprogrammen mit jenen für ein<br />

erfolgreiches <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>es Alter, die sich bereits in den 60ern etabliert hatten.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der wachsenden Anzahl Älterer wurde damals von<br />

Regierungsseite wie internationalen Organisationen versucht, eine verlängerte<br />

Lebensarbeitszeit <strong>und</strong> eine damit verb<strong>und</strong>ene langfristige Erhöhung der<br />

Versicherungsbeiträge bei gleichzeitiger Absenkung der Pensionsleistungsniveaus<br />

einzuführen um gleichzeitig auch darauf hinzuweisen, dass die<br />

Gesamtproduktivität durch die Zunahme an älteren Arbeitskräften massiv sinken<br />

werde. Unter der Prämisse Aktivität, Produktivität <strong>und</strong> Generationengerechtigkeit<br />

standen weiterführend die Potentiale des Alters <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>, begleitet von<br />

Diskussionen um Verpflichtungen <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten Älterer <strong>im</strong> Sinne der<br />

unverzichtbaren Notwendigkeit zum kollektiven Nutzen der Gesellschaft.<br />

„Nach nur wenigen Jahrzehnten eines sozial konstruierten >>Disengagement


sondern auch sich selber, wo nötig, zu ändern haben. Darunter fällt auch die<br />

Bereitschaft für mehr Arbeitsjahre <strong>im</strong> verlängerten Leben <strong>und</strong> viele nachberufliche<br />

Aktivitäten.“ 222<br />

Kade 223 betont in der Begrifflichkeit der Produktivität vor allem auch die<br />

Gegebenheit, dass damit Aktivitäten verb<strong>und</strong>en sind, die nicht nur anderen,<br />

sondern <strong>und</strong> vor allem auch sich selbst <strong>im</strong> Sinne von Selbsthilfe, Selbstentfaltung<br />

oder Selbstverwirklichung zu Gute kommen.<br />

„Produktivität <strong>im</strong> Alter durch Bildung zu fördern bedeutet, an berufsbiografisch<br />

erworbenes Wissen <strong>und</strong> Können anzuknüpfen, zusätzlich neues Wissen <strong>im</strong><br />

Dienste eines Engagements anzueignen oder zu vermitteln bzw. neue<br />

Gelegenheiten zu erschließen, um etwas ganz anderes zu tun als bisher. Sollen<br />

neue Handlungsfelder für das freiwillige Engagement Älterer erschlossen werden,<br />

müssen Praxisfelder entwickelt werden, die weder in Konkurrenz zu<br />

verberuflichten Tätigkeiten treten noch mit Alltagstätigkeiten konkurrieren.<br />

Produktivität <strong>im</strong> Alter ist voraussetzungsvoll: Sozial nützlich <strong>und</strong> persönlich sinnvoll<br />

kann eine Tätigkeit nur sein, wenn sie von den Empfängern einer Leistung als<br />

solche anerkannt wird <strong>und</strong> weder die Erwerbsarbeit noch die Hilfen von<br />

Familienangehörigen hierdurch infrage stellt, noch die Berufsarbeit zusätzlich<br />

belastet. Das Lernfeld Produktivität ist am weitesten entwickelt worden in<br />

handlungsorientierten Bildungsangeboten (), die auf ein Engagement in<br />

Alteninitiativen, in Nachbarschafts- <strong>und</strong> Selbsthilfe, in der offenen Altenarbeit <strong>und</strong><br />

in Sozialverbänden vorbereiten. 224<br />

Disengagement <strong>und</strong> Reengagement – sollten sich also <strong>im</strong> Sinne von Kade, die wie<br />

vorhergehend angeführt von einer individuell fruchtbaren Produktivität schreibt,<br />

wenn möglich die Waage halten.<br />

Dieses Disengagement in Form der Lösung sozialer Beziehungen sollte aber nicht<br />

zu weit gehen, wie Schirrmacher 225 anhand der Untersuchung des US-Soziologen<br />

Eric Klinenberg zu verstehen gibt: Der untersuchte <strong>im</strong> Rahmen der Chicagoer<br />

Hitzewelle vom Juli 1995 (mit über siebenh<strong>und</strong>ert Todesopfern), warum damals in<br />

222 Rosenmayr, 2007, S. 25<br />

223 vgl. Kade, 2007, S. 83<br />

224 Ebda., S. 82<br />

225 vgl. Schirrmacher, 2008, S. 158ff<br />

89


einem Stadtteil auffallend viele fünf<strong>und</strong>sechzigjährige allein stehende Männer<br />

starben (obwohl der Anteil allein stehender Frauen damals ungleich höher war)<br />

<strong>und</strong> widerlegte die behördliche Annahme, dass es sich um Menschen gehandelt<br />

hat, die zu arm waren, um sich Ventilatoren bzw. Kl<strong>im</strong>aanlagen leisten zu können.<br />

Denn <strong>im</strong> gegenüberliegenden Stadtteil mit ebenso vielen armen Menschen ohne<br />

Kl<strong>im</strong>aanlage war die Todesrate überdurchschnittlich gering (nur zwei Prozent der<br />

Gesamtopferzahl). Dieser Stadtteil war überwiegend von Latinos bewohnt, die<br />

durch soziale Netzwerkpflege (Familie, Fre<strong>und</strong>e, Nachbarn, belebte Plätze <strong>und</strong><br />

Straßen, lebendiges Geschäftsleben, ständig wechselnde Fre<strong>und</strong>schaftsgruppen)<br />

viel bessere Überlebensbedingungen hatten <strong>und</strong> sich nicht, wie die meisten<br />

anderen älteren männlichen Opfer <strong>im</strong> Stadtteil gegenüber, in ihr Appartement<br />

einschlossen.<br />

Obwohl bereits vorhergehend angemerkt, soll noch einmal bewusst darauf<br />

hingewiesen werden, dass man zukünftig alles daran setzt um - trotz der wichtigen<br />

Betonung des produktiven Potentials Älterer – eine Stigmatisierung nicht aktiver<br />

Menschen zu verhindern. Denn neben ethischen Überlegungen darf die wichtige<br />

ökonomische Funktion der freiwilligen <strong>und</strong> unfreiwilligen Unproduktivität nicht<br />

vernachlässigt werden. Café-Besuche sind ebenso wie die Inanspruchnahme von<br />

Pflegedienstleistungen nicht nur als unproduktive Zeitverwendung <strong>und</strong> somit<br />

letztlich Kostenfaktoren zu verstehen, sondern diese Aufgaben sind gleichzeitig<br />

Einnahmen bei Anbietern solcher Dienstleistungen. Insgesamt scheint uns daher<br />

nicht nur aus ethischen, sonder auch aus ökonomischen Überlegungen dringend<br />

geboten, dem Konzept des „produktiven Alterns“ gleichberechtigte Forderungen z.<br />

B. nach einem „konsumtiven Altern“ zur Seite zu stellen.“ 226<br />

4.3.4. Generatives Altern<br />

Produktives Altern, das über das Verständnis von Leistung <strong>im</strong> ökonomisch, also<br />

rein monetär bewertbaren Rahmen hinausgeht,<br />

90<br />

kommt sehr schnell mit dem<br />

Begriff der Generativität in Berührung. Der deutsch-amerikanische<br />

Psychoanalytiker 227<br />

Erikson prägte diesen Begriff bereits 1950 <strong>und</strong> verstand<br />

darunter das Interesse an der Stiftung <strong>und</strong> Erziehung der nachfolgenden<br />

226 Erlinghagen/Hank, 2008, S. 21<br />

227 vgl. Kotre, 2001, S. 22ff


Generation. Darauf aufbauend ergaben sich viele interessante<br />

Definitionsvarianten, wobei sich grob vier Arten der Generativität heraus<br />

kristallisierten:<br />

Biologische Generativität ist dann gegeben, wenn es um die Zeugung, das<br />

Austragen sowie Stillen von Kindern geht, man also Lebenssubstanz (Gene, Blut,<br />

Milch) an die nächste Generation weiterreicht.<br />

Elterliche Generativität bezeichnet das Erziehen von Kindern <strong>und</strong> deren<br />

Einbindung in den Familienverband, wobei sich das nicht auf den (genetisch)<br />

eigenen Nachwuchs beschränkt.<br />

Technische Generativität meint die Vermittlung von Fertigkeiten <strong>und</strong><br />

Verfahrensweisen (z. B. Umgang mit Geld, Spielregeln, Reparieren<br />

verschiedenster Dinge etc.) bzw. die Bereitstellung <strong>und</strong> Weitergabe von Rüstzeug<br />

zur Aneignung solcher Fähig- <strong>und</strong> Fertigkeiten.<br />

Kulturelle Generativität bezeichnet „die Bewahrung, Erneuerung oder Schaffung<br />

eines Bedeutungssystems <strong>und</strong> dessen Weitergabe an andere. Ein<br />

Bedeutungssystem ist der >>Geist>Körper>stehenSeele>Geist


„Generativität äußert sich in der aktiven Sorge um die nachwachsenden<br />

Generationen, in der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen <strong>und</strong> Chancen.<br />

Dieser altruistische, großherzige Anteil der Generativität wird mitunter erst auf den<br />

zweiten Blick erkennbar (). Als Generative tun wir auch etwas für uns selbst, wir<br />

sorgen auch für das eigene Seelenheil. Denn wenn uns in den mittleren Jahren<br />

die eigene Vergänglichkeit bewusster wird, hilft Generativität, die existenziellen<br />

Fragen dieser Lebensphase zu beantworten: Welche Spuren hinterlasse ich?<br />

Welchen Sinn hatte mein Leben?“ 230<br />

Diesbezüglich ist es ebenso wichtig, abzugrenzen, was Generativität 231 nicht ist.<br />

Im Hinblick auf Kreativität, also die Entwicklung von etwas Neuem bedeutet<br />

Generativität Altes weiterzugeben (wobei es strittig ist, welche Rolle die alten<br />

Quellen bei der Entwicklung ihrer neuen Ideen spielen – was von kreativ Tätigen<br />

schnell vergessen wird). Bezieht man bei dieser Definition nun die Zukunft mit ein,<br />

könnte man Generativität (erst wenn z. B. ein kreativ neu gegründetes<br />

Unternehmen von einem Nachfolger übernommen wird) als fortdauernde<br />

Kreativität bezeichnen.<br />

Generativität darf auch nicht automatisch gleichgesetzt werden mit Altruismus,<br />

Verantwortlichkeit <strong>und</strong> Fürsorge. Beispielsweise die Tatsache, dass sich eine<br />

Hausfrau mittleren Alters um einen betagten Elternteil kümmert, ist nicht<br />

automatisch generativ – erst wenn sich dieses Verhalten der Mutter<br />

beispielgebend auf die Kinder auswirkt, also direkten Einfluss über die<br />

Generationen hinweg hat, ist Generativität gegeben.<br />

Generativität ist auch nicht gleichzusetzen mit Unsterblichkeit – <strong>im</strong> individuellen<br />

Leben (Geburt, Wachstum, Fortpflanzung, Tod) bezieht sie sich <strong>im</strong>mer auf das<br />

dritte, <strong>und</strong> nicht auf das vierte Element. „Sobald der Begriff der Generativität klare<br />

Umrisse bekommt, können wir ihn auch zu anderen menschlichen Eigenschaften<br />

in Verhältnis setzen. Dann sehen wir, daß er dem einen Menschen ein Gefühl von<br />

Unsterblichkeit gibt <strong>und</strong> dem anderen etwas anderes. Dann sehen wir, wann<br />

Kreativität, Altruismus, Verantwortlichkeit <strong>und</strong> Fürsorge generativ sind <strong>und</strong> wann<br />

sie es nicht sind. Es ist faszinierend, all die verschiedenen Kombinationen<br />

herauszuarbeiten, in denen einzelne Menschen ihren Drang zur Generativität, ihre<br />

230 Ernst, 2008, S. 41<br />

231 vgl. Kotre, 2001, S. 34ff<br />

92


künstlerischen Neigungen, ihre Furcht vor dem Tod <strong>und</strong> ihr Bedürfnis, hilfreich,<br />

zuverlässig <strong>und</strong> aufbauend zu sein, miteinander verquicken.“ 232<br />

Der Wunsch, das Bedürfnis oder Verlangen nach Generativität kann <strong>im</strong> einen<br />

mehr, <strong>im</strong> anderen weniger vorhanden sein, kann ein Wesens- bzw. Charakterzug<br />

einer Persönlichkeit sein, kann sich in einer längeren Phase der intensiven<br />

Beziehung oder einem einzigen Moment niederschlagen – wie auch <strong>im</strong>mer sich<br />

die Tugend der Generativität faktisch äußert, letztlich basiert sie auf dem<br />

Anspruch der Freiwilligkeit <strong>und</strong> darf nicht von außen diktiert bzw. gefordert<br />

werden.<br />

Was die Generativität 233 <strong>im</strong> höheren <strong>Lebensalter</strong> anbelangt, <strong>und</strong> Erikson bezog<br />

sein Konzept ja eher auf das mittlere Erwachsenenalter, so kann sie als<br />

sinnstiftendes Gegenmodell gegenüber einem hyperaktiven Altern gesehen<br />

werden. Dieses birgt die Gefahr, <strong>im</strong> Sinne aktivitätsorientierter Altersmodelle <strong>und</strong><br />

Anti-Aging-Bestrebungen, jugend- <strong>und</strong> leistungsorientierte Normen auch auf das<br />

höhere <strong>Lebensalter</strong> zu übertragen, <strong>und</strong> so in weiterer Folge das hohe <strong>Lebensalter</strong><br />

gesellschaftlichen Leistungszwängen zu unterwerfen.<br />

Ernst stellt das in seinem Bericht zur Generativität wie folgt dar: „Generativität ist<br />

die Fähigkeit, von sich selbst absehen zu können: für andere da zu sein, sein<br />

Wissen <strong>und</strong> seine Erfahrung in das Projekt Weltverbesserung einzubringen, etwas<br />

zurückzuzahlen. Generativität stellt gleichzeitig die große Selbstentfaltungs- <strong>und</strong><br />

Glückschance des mittleren Erwachsenenalters dar. Auf der Höhe von Können<br />

<strong>und</strong> Wissen <strong>und</strong> reich an Lebensexpertise können wir neuen Lebenssinn finden<br />

<strong>und</strong> die Achtung der anderen gewinnen.“ 234<br />

4.3.5. Glückliches Altern<br />

Bei der Definition von Glück 235 spielen viele individuelle Komponenten mit hinein,<br />

also eine subjektive Wahrnehmung <strong>und</strong> Deutung der eigenen Lebenssituation,<br />

was auch das Wohlstandsparadoxon gut auf den Punkt bringt. Erhebungen haben<br />

ergeben, dass beispielsweise die glücklichsten Menschen nicht in den reichen,<br />

232 Ebda., S. 37<br />

233 Höpflinger, 2002 in: http://www.hoepflinger.com/fhtop/fhalter1M.html, 03.06.2011<br />

234 Ernst, 2008, S. 15<br />

235 vgl. Czepel in: http://science.orf.at/stories/1634438/, 05.06.2011<br />

93


westlichen Industriestaaten, sondern jenseits des ökonomischen<br />

Scheinwerferlichts in Aserbaidschan, Nigeria, Bangladesch <strong>und</strong> auf den<br />

Philippinen leben.<br />

Die aktuelle Glücksforschung 236 belegt, dass Menschen, die eine opt<strong>im</strong>istische<br />

Einstellung zum Leben haben, auch länger leben. Um aber nicht nur das Leben<br />

mit Jahren, sondern auch die Jahre mit Leben zu füllen, entwickeln die Menschen<br />

ihre individuellen Konzepte <strong>im</strong> Hinblick darauf, dass Glück <strong>und</strong> <strong>Lebensqualität</strong> nur<br />

von einem selbst, <strong>und</strong> nicht von außen beurteilt werden kann.<br />

Trotz subjektiver Auslegungsmöglichkeiten gibt es übereinst<strong>im</strong>mende Faktoren,<br />

die ein glückliches Altern begünstigen: Neben Bewegung, Ernährung, Ges<strong>und</strong>heit<br />

sind das vor allem psychische Aspekte wie Gelassenheit, Neugierde, Interesse<br />

<strong>und</strong> geistige Mobilität wie Aktivität. Soziale Netzwerke, die über die Familie<br />

hinausgehen, geben einem das Gefühl, anerkannt <strong>und</strong> wichtig zu sein. Eine<br />

generative Verhaltensweise, die am besten bereits in der mittleren Lebenshälfte<br />

beginnen sollte, die Versöhnung mit der eigenen Lebensgeschichte <strong>und</strong> die<br />

Anpassung der eigenen Maßstäbe an gegebene Fähigkeiten wie Fertigkeiten –<br />

das alles sind Voraussetzungen für glückliches Altern.<br />

Die vom österreichischen Seniorenrat 237 in Auftrag gegebene Studie „Sozialkapital<br />

bei Senioren – Glückliches Altern“ reduziert glückliches Altern auf drei wichtigste<br />

Indikatoren, die als „3 F s“ bezeichnet werden. Sie stehen für fit, friends <strong>und</strong> fun<br />

<strong>und</strong> sind erheblich für ein glückliches Altern verantwortlich, was bei ernst zu<br />

nehmender Berücksichtigung angesichts anstehender politischer Maßnahmen<br />

zukünftig eine Entschärfung der Finanzierung des Pensions- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesens,<br />

das Einsparungen über 30 Prozent vorsieht, nach sich ziehen könnte.<br />

Bei all diesen Fragen, wie man den Zustand des glücklichen Alterns erreichen<br />

kann, stellt sich natürlich auch die Frage: Kann Altern glücklich machen? Und<br />

diese Frage ist, wie eine aktuelle US-Studie 238 an 355.334 StaatsbürgerInnen<br />

zeigt, mit Ja zu beantworten. Im Rahmen der Studie versuchte man das<br />

236 vgl. OÖN, 2011 in http://www.nachrichten.at/ratgeber/ges<strong>und</strong>heit/wellness/Ges<strong>und</strong>heit-<br />

Wellness-Deutschland;art54,359130, 04.06.2011<br />

237 vgl. Homepage Pensionistenverband Österreichs in http://www.pvoe.at/?pid=33&id=1377,<br />

05.06.2011<br />

238 vgl. Obermüller in http://science.orf.at/stories/1648145/, 05.06.2011<br />

94


persönliche Lebensglück, das aus psychologischer Sicht aus der allgemeinen<br />

Lebenszufriedenheit <strong>und</strong> dem momentanen emotionalen Zustand besteht, mit den<br />

Gegebenheiten, die das zunehmende <strong>Lebensalter</strong> so mit sich bringt, in<br />

Zusammenhang zu setzen. Neben Angaben zur Demographie, zur persönlichen<br />

finanziellen Lage <strong>und</strong> zur Erhebung des Wohlergehens standen vor allem die<br />

globale Zufriedenheit (auf einer Lebensleiter von eins bis zehn) sowie die<br />

Feststellung des emotionalen Zustandes an vorderster Stelle.<br />

Die Studien ergaben bezüglich der positiven Gefühle (Freude, Glück) von 20 bis<br />

40 Lebensjahren einen leichten aber stetigen Abfall, der sich ab 50 wendet <strong>und</strong><br />

nur noch bergauf geht. Negative Gefühle (Stress, Zorn, Sorge, Trauer) verteilen<br />

sich altersmäßig anders <strong>und</strong> weisen eine höhere Schwankungsbreite auf. Sorgen<br />

legen bis 50 zu <strong>und</strong> gehen dann zurück, Stress <strong>und</strong> Zorn nehmen nach einem<br />

kurzfristigen Anstieg <strong>im</strong> frühen Erwachsenenalter relativ bald wieder ab, wobei<br />

Stressfaktoren nach der Lebensmitte noch einmal deutlich abfallen. Lediglich das<br />

Gefühl der Traurigkeit zeigt eine geringe altersabhängige Schwankungsbreite.<br />

Prinzipiell waren bezüglich des Alters keine Geschlechtsunterschiede feststellbar.<br />

Warum sind also Ältere <strong>im</strong> Durchschnitt glücklicher <strong>und</strong> weniger gestresst? Das<br />

erklären sich die Forscher durch die altersbedingte Zunahme an Weisheit <strong>und</strong><br />

emotionaler Intelligenz, die bessere Kontrollfähigkeit der eigenen Emotionen <strong>und</strong><br />

die durchwegs positivere Einschätzung der eigenen Lage.<br />

4.3.6. Zufriedenes Altern<br />

Allgemeines Wohlbefinden 239 ergibt sich aus einer Vielzahl von Zufriedenheiten<br />

(Ges<strong>und</strong>heit, Sehvermögen, finanzielle Gegebenheiten, fre<strong>und</strong>schaftlich-familiäre<br />

Voraussetzungen, Möglichkeit zur sozialen Teilhabe), wobei sich das subjektive<br />

Wohlbefinden wiederum in ein aktuelles <strong>und</strong> habituelles aufteilt: „Freude <strong>und</strong><br />

Glück zählen zum aktuellen Wohlbefinden (). Das habituelle Wohlbefinden<br />

unterscheidet zwischen Belastungsfreiheit <strong>und</strong> Zufriedenheit. Die Fragen der<br />

sozialen Integration spielen besonders für den alternden Menschen eine<br />

bedeutende Rolle. Die psychologische Forschung hat herausgestellt, dass es zu<br />

einfach ist, subjektives Wohlbefinden als allgemeine Zufriedenheit zu<br />

239 vgl. Kre<strong>im</strong>er, 2010, S. 153<br />

95


etrachten.“ 240 In diesem Hinblick spielen die subjektive Wahrnehmung <strong>und</strong><br />

individuell unterschiedliche Bewertungs-Parameter eine große Rolle, wobei <strong>im</strong><br />

Sinne des psychologischen Wohlbefindens für emotionales Gleichgewicht etwa<br />

Faktoren wie Lebenssinn, Selbstakzeptanz, menschliches Wachstum, Autonomie,<br />

positive Beziehungen <strong>und</strong> Alltagsbewältigung <strong>im</strong>mens wichtig sind. Ebenso wirken<br />

sich stabile Lebensumstände <strong>und</strong> die Tatsache, dass ältere Menschen eher zu<br />

sozialen wie temporalen Vergleichen neigen, die wiederum zu einer Aufwertung<br />

des Selbst führen, positiv auf die Steigerung des subjektiven Wohlbefindens aus,<br />

auch wenn objektive wie subjektive Verluste vorliegen sollten.<br />

Thomae 241 schreibt in seinem Beitrag zur <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter, dass<br />

zufriedenes Altern lediglich ein Resultat protektiver Illusion sei <strong>und</strong> stützt sich<br />

dabei auf die Meinung zweier Berliner Altersforscherinnen.<br />

Angesichts des Widerspruchs, dass negative Lebenserfahrungen <strong>im</strong> Alter mehr<br />

Bedeutung bekommen <strong>und</strong> trotzdem Zufriedenheit sowie Wohlbefinden <strong>im</strong> Alter<br />

steigen, gehen Staudinger <strong>und</strong> Smith davon aus, dass diese Tatsache mit<br />

Wahrnehmungsverzerrung oder Änderung der Bewertungskriterien, also einer<br />

protektiven Illusionsbildung, in Verbindung zu bringen ist. Thomae widerspricht in<br />

seinem Artikel dieser Annahme z. B. in Zusammenhang mit der positiven<br />

Bewertung der eigenen Ges<strong>und</strong>heit: „Auf keinen Fall geht es um eine<br />

Wahrnehmungsverzerrung, sondern allenfalls um eine Akzentuierung des<br />

Erlebens in Richtung auf positive Seiten des eigenen Zustandes.“ 242 Er weist<br />

darauf hin, dass gerade pauschale Kennzeichnungen des subjektiven<br />

Wohlbefindens <strong>im</strong> Alter als Ausdruck eines protektiven Illusionismus stark<br />

differenziert <strong>und</strong> auch relativiert werden müssen.<br />

In einem weiteren Buch zum Thema Autonomie <strong>und</strong> Kompetenz 243 schreibt<br />

Thomae in seinem Beitrag von der Unzufriedenheit mit der Zufriedenheit <strong>im</strong> Alter<br />

<strong>und</strong> unterstreicht in dieser Hinsicht die Projektionsfreudigkeit Jüngerer bezüglich<br />

der Lebensrealität Älterer.<br />

240 Ebda., S. 153<br />

241 vgl. Borscheid et. al., 1998, S. 60<br />

242 Ebda., S. 62<br />

243 vgl. Kaiser, 2002, S. 59ff<br />

96


Verschiedenste Studien <strong>und</strong> Untersuchungsergebnisse (Gehmacher 1992,<br />

Algemeen Dagblad 1988, Berkman 1993, Schmitt 1997) ergaben in mal höherer,<br />

mal weniger hoher Klarheit, aber summa summarum tendenziell eine Zunahme<br />

der Zufriedenheit mit zunehmendem Alter. „Die Fähigkeit des Menschen, sich<br />

(relativ) unabhängig auch von widrigen Lebenslagen einen inneren Ausgleich<br />

durch Zufriedenheit zu verschaffen, ist offensichtlich allen <strong>Lebensalter</strong>n verfügbar.<br />

Damit aber zeigt sich eher eine lebenslange Kompetenz zum psychischen<br />

Überleben durch eine Konzentration auf auch die unscheinbarsten hellen Punkte<br />

in der jeweiligen Situation <strong>und</strong> weder eine Bevorzugung noch eine<br />

Benachteiligung des höheren Alters. Zufriedenheit erwächst () aus der<br />

Erfahrung oder subjektiven Zuteilung von Kompetenzen. Nicht zuletzt ist das<br />

Erreichen von Zufriedenheit auch trotz mancher Widrigkeiten eine lebenslang<br />

verfügbare Kompetenz.“ 244<br />

Wie <strong>im</strong> vorhergehenden Punkt zum glücklichen Alter angeführt, spricht eine<br />

aktuelle US-Studie <strong>im</strong> Zusammenhang mit Zufriedenheit <strong>und</strong> Glücksgefühl <strong>im</strong> Alter<br />

eindeutig von einer nachweisbaren Zunahme mit zunehmendem Alter – insofern<br />

geht es wahrscheinlich auch darum, diese scheinbar lebenslang verfügbare<br />

Kompetenz <strong>im</strong> Alter auszuformen <strong>und</strong> effektiver einzusetzen.<br />

„Objektive Lebensbedingungen wirken sich hauptsächlich indirekt auf das<br />

subjektive Wohlbefinden aus. Selbst wenn objektive Bedingungen sich tatsächlich<br />

verschlechtern, werden die Auswirkungen auf das subjektive Wohlbefinden durch<br />

interne selbstregulative Prozesse aufgefangen beziehungsweise moduliert.“ 245<br />

4.3.7. Ges<strong>und</strong>es Altern<br />

Geht man von der Ges<strong>und</strong>heits-Definition aus, die in der Verfassung der<br />

Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation 246 verankert ist <strong>und</strong> besagt, dass Ges<strong>und</strong>heit über<br />

die reine Abwesenheit von Krankheit bzw. Gebrechen hinausgeht <strong>und</strong> mit<br />

vollständigem körperlichen, geistigen <strong>und</strong> sozialen Wohlergehen gleichzusetzen<br />

ist, dann kann in diesem engen Definitionskorsett ein ges<strong>und</strong>es Altern nur als<br />

Widerspruch in sich gesehen werden – so wie es angesichts der<br />

244 Ebda., S. 61f<br />

245 Maresch, 2006, S. 40<br />

246 vgl. Dammann/Gronemeyer, 2009, S. 31<br />

97


Unvollkommenheit der Menschheit <strong>im</strong> Wortsinn vorhergehender Definition auch,<br />

wenn überhaupt, unabhängig vom Alter nur einige wenige Ges<strong>und</strong>e geben kann.<br />

Aktuell leben wir in einer Zeit, in der sich das Altern vom Einzelschicksal 247 zum<br />

Massenphänomen entwickelt hat – <strong>und</strong> da steht natürlich die Frage <strong>im</strong> Mittelpunkt,<br />

wie, d. h. in welchem Ges<strong>und</strong>heitszustand die Menschen die zusätzlich<br />

gewonnenen Lebensjahre verbringen werden. Der Prozess des Alterns ist<br />

unaufhaltbar, man kann ihn aber in best<strong>im</strong>mtem Maße beeinflussen <strong>und</strong><br />

verändern. „Sowohl der Verlauf des Alterns als auch alterstypische<br />

Veränderungen werden durch den jeweiligen Entwicklungsstand einer<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> ihrer Kultur, der medizinischen Wissenschaft <strong>und</strong> nicht zuletzt<br />

auch des je realisierten Ges<strong>und</strong>heitssystems beeinflusst. Die historisch neue<br />

Lebensphase Alter selbst kann als Ergebnis medizinisch-technischen Fortschritts<br />

betrachtet werden.“ 248<br />

Wie das Alter(n) als solches kein feststehender Begriff ist, sondern eine<br />

gesellschaftliche <strong>und</strong>/oder subjektive Zuschreibung darstellt, so darf auch bei der<br />

Bewertung eines ges<strong>und</strong>en Alterns nicht das Missverhältnis zwischen objektivem<br />

Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> subjektiver Einschätzung der eigenen Ges<strong>und</strong>heit<br />

vergessen werden.<br />

Welche Faktoren beeinflussen ein ges<strong>und</strong>es Altern? „Dazu zählen das persönliche<br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhalten ebenso wie die Verhältnisse eines Ges<strong>und</strong>heitssystems<br />

<strong>und</strong> die gesellschaftlichen Leitbilder, die zu einer best<strong>im</strong>mten historischen Zeit<br />

jeweils bezüglich Ges<strong>und</strong>heit bestehen, die sozialen Ressourcen, die <strong>im</strong><br />

Lebenslauf erworben wurden, genauso wie biographische Ereignisse, die erst <strong>im</strong><br />

Alter auftreten.“ 249 In einer alternden Gesellschaft darf Ges<strong>und</strong>heit nicht als<br />

Abwesenheit von Krankheit definiert, sondern sollte potentialorientiert als<br />

Aktienpaket für <strong>Lebensqualität</strong> angesehen werden, deren Gewinn bzw. Erhöhung<br />

allgemeines Ziel der Ges<strong>und</strong>erhaltung <strong>im</strong> Lebensverlauf ist. Laut Studien nehmen<br />

Investments <strong>im</strong> Bereich Ges<strong>und</strong>heit mit zunehmendem Alter zu, obwohl vor allem<br />

bei kranken alten Menschen die Bedeutung anderer Lebensinhalte (mentale<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Wohnen, Familie, Fre<strong>und</strong>e, sinnvolle Zeitverwendung, Religion)<br />

gegenüber der physischen Ges<strong>und</strong>heit zu nehmen.<br />

247 vgl. Wahl/Mollenkopf, 2007, S. 265ff<br />

248 Ebda., S. 266<br />

249 Ebda., S. 270<br />

98


Ebenso spielen lt. diverser Studien soziale Ressourcen, die man sich <strong>im</strong> Laufe des<br />

Lebens erwirbt, eine Rolle für das ges<strong>und</strong>e Alter(n): Zwischen Einkommen,<br />

Berufsprestige <strong>und</strong> subjektiver Ges<strong>und</strong>heit besteht ein bedeutender<br />

Zusammenhang, die Mult<strong>im</strong>orbidität steigt mit abnehmender sozialer<br />

Schichtzugehörigkeit <strong>und</strong> Menschen mit einem höheren formalen Bildungsgrad<br />

sind weniger anfällig für Demenzerkrankungen (Alzhe<strong>im</strong>er-Demenz) bzw. leben<br />

auch länger.<br />

Weiters wirken sich biographische Ereignisse auf das ges<strong>und</strong>e Alter(n) aus – so<br />

gilt in dieser Hinsicht beispielsweise eine Ehebeziehung als wichtigster<br />

ges<strong>und</strong>heitsschützender Faktor.<br />

Um noch einmal auf den subjektiven Aspekt der Ges<strong>und</strong>heitseinschätzung zurück<br />

zu kommen, so gilt <strong>im</strong> Alter vielfach als ges<strong>und</strong>, wer vergleichsweise gesünder ist<br />

als andere – damit verb<strong>und</strong>en reduziert sich <strong>im</strong> Alter ebenso die<br />

Erwartungshaltung an den Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> das Funktionieren <strong>im</strong> Alltag.<br />

Wir werden also <strong>im</strong>mer älter – <strong>und</strong> wissen auch <strong>im</strong>mer mehr über<br />

Einflussmöglichkeiten („Du bist deines Alter(n)s Schmied“) in Bezug auf gutes<br />

Altern Bescheid, es mangelt aber vielfach an der Umsetzung <strong>im</strong> Sinne präventiver<br />

Maßnahmen. 250<br />

Diese präventiven Maßnahmen spielen sich auf drei Ebenen ab:<br />

- Pr<strong>im</strong>är–Maßnahmen zur Verhinderung des Auftretens jeglicher<br />

Krankheiten <strong>und</strong> Behinderungen.<br />

- Sek<strong>und</strong>är–Folgenmin<strong>im</strong>ierung bereits eingetretener Erkrankungen <strong>und</strong><br />

Kompetenzverluste, mit dem Ziel, Langzeitfolgen möglichst zu min<strong>im</strong>ieren<br />

<strong>und</strong> einer Chronifizierung von Krankheiten entgegen zu treten.<br />

- Tertiär–Folgenbegrenzung chronischer Krankheiten <strong>und</strong> Leidenszustände.<br />

Obwohl <strong>im</strong> Sinne der Prävention so früh als möglich Akzente gesetzt werden<br />

sollten, ist es dafür auch nie zu spät. „Es gehört heute zu einer vielfach empirisch<br />

gestützten Einsicht, dass die Vermeidung von Risikofaktoren möglichst frühzeitig<br />

<strong>im</strong> Leben überaus viel mit dem Verlauf des Alternsprozesses zu tun hat. Diesen<br />

Zusammenhang herzustellen zwischen „frühem Tun oder Lassen“ <strong>und</strong> „späten<br />

250 vgl. Kruse/Wahl, 2010, S. 441f<br />

99


Folgen“, ist für individuelles Altern wie für gesellschaftliches <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliches<br />

Handeln überaus zentral (). So werden durch frühe Risikofaktoren die Wege für<br />

die <strong>im</strong> Alter so gefürchtete Mult<strong>im</strong>orbidität geebnet.“ 251 Wir sind also, mit anderen<br />

Worten, zum Teil auch „unseres Alters Schmied“. Untersuchungen haben<br />

gleichzeitig ergeben, dass es für die Vermeidung von Risikokonstellationen nie zu<br />

spät ist – auch wenn Veränderungen (<strong>im</strong> kognitiven, körperlichen oder<br />

psychischen Bereich) erst <strong>im</strong> sehr hohen Alter stattfinden. Dafür gibt es bereits<br />

viele Interventions- <strong>und</strong> Trainingsmöglichkeiten – wobei zwischen diesen<br />

befürwortenswerten Möglichkeiten <strong>und</strong> den Anti-Aging-Bestrebungen, die gutes<br />

Altern mit einem Kampf gegen das Altern gleichzusetzen versuchen, strikt<br />

unterschieden werden muss.<br />

Das Streben nach Unsterblichkeit treibt seltsame Blüten <strong>und</strong> führt, wie einige<br />

Exper<strong>im</strong>ente <strong>im</strong> Tierreich zeigen, bereits zu beachtlichen Erfolgen 252 : Jene der<br />

Fruchtfliegen beispielsweise, die durch Umstellung der Nahrung, genauer durch<br />

Hungern, ihre Lebenszeit verlängern konnten. Oder jene der Spülwürmer, deren<br />

Lebenszeit durch ein anderes Verfahren, das durch gentechnische Eingriffe <strong>und</strong><br />

die Entfernung des Geschlechtsapparates <strong>im</strong> schönsten Alter gekennzeichnet ist,<br />

von 20 auf 124 Tage ausgedehnt werden konnte – das würde be<strong>im</strong> Menschen<br />

einer Lebenserwartung von 500 Jahren entsprechen. Das alles zu welchem Preis<br />

– ein Leben in ständigem Hunger, unter gentechnischem Einfluss <strong>und</strong> ohne<br />

Geschlechtsapparat?<br />

Unter jenen Menschen sind es vor allem die Baby-Boomer, die nach<br />

Unvergänglichkeit trachten bzw. auf der ständigen Suche nach Tricks sind, das<br />

Altern zu verzögern. Es scheint, „als ob diese Generation eben erst ein zweites<br />

Mal erwacht ist, nachdem sie sich über Jahrzehnte Familie, Beruf, Scheidung <strong>und</strong><br />

schließlich der New Economy gewidmet hatte. Sie reibt sich die Augen, sitzt <strong>im</strong><br />

Gras <strong>und</strong> scheint jetzt erst zu kapieren, dass sie älter <strong>und</strong> alt wird.“ 253<br />

Obwohl Anti-Aging als medizinische Teildisziplin 254<br />

heute einen enormen<br />

Wirtschaftsfaktor darstellt mit der Zielsetzung, Alterungsprozesse durch<br />

251 Ebda., S. 442f<br />

252 vgl. Schirrmacher, 2004, S. 132<br />

253 Schirrmacher, 2004, S. 137<br />

254 vgl. Interdisziplinäres Glossar, 2009, S. 15<br />

100


verschiedene Maßnahmen (Hormon-, Vitamintherapien, Chelatoren, Statinen,<br />

gentechnologische Verfahren) zu bremsen bzw. umzukehren, sollten in einer<br />

alternden Gesellschaft, in der die Lebensrealität von einer sehr langen Phase des<br />

Alterns geprägt ist, solche negierenden Ansätze wenig bis keinen Platz haben.<br />

Ein ges<strong>und</strong>es Älterwerden basiert nach Kruse auf 15, folgend angeführten Regeln:<br />

„I. Altwerden als eine lebenslange Aufgabe<br />

1. Regel: Seien sie in allen <strong>Lebensalter</strong>n körperlich, geistig <strong>und</strong> sozial aktiv.<br />

2. Regel: Leben sie in allen <strong>Lebensalter</strong>n ges<strong>und</strong>heitsbewusst.<br />

3. Regel: Nutzen sie Vorsorgemaßnahmen.<br />

4. Regel: Es ist nie zu spät, den eigenen Lebensstil positiv zu ändern.<br />

5. Regel: Bereiten sie sich auf ihr Alter vor.<br />

II. Aktives <strong>und</strong> selbstverantwortliches Leben <strong>im</strong> Alter<br />

6. Regel: Nutzen sie freie Zeit, um Neues zu lernen.<br />

7. Regel: Bleiben sie auch <strong>im</strong> Alter offen für positive Ereignisse <strong>und</strong> neue<br />

Erfahrungen.<br />

8. Regel: Begreifen sie das Alter als Chance.<br />

9. Regel: Pflegen sie auch <strong>im</strong> Alter Kontakte.<br />

10. Regel: Geben sie der Zärtlichkeit eine Chance.<br />

11. Regel: Trauen sie Ihrem Körper etwas zu.<br />

III. Alter ist nicht Krankheit – Selbstständigkeit erhalten <strong>und</strong> wiedererlangen.<br />

12. Regel: Ges<strong>und</strong>heit ist keine Frage des Alters.<br />

13. Regel: Nehmen sie Krankheiten nicht einfach hin.<br />

14. Regel: Suchen sie nach guter Hilfe <strong>und</strong> Pflege.<br />

15. Regel: Haben sie Mut zur Selbstständigkeit.“ 255<br />

Wie dieses Regelwerk mit Punkt I gut zum Ausdruck bringt, so sollte zumindest<br />

ein Gr<strong>und</strong>stein für ges<strong>und</strong>es Altern lange vor dem höheren <strong>und</strong> hohen Alter gelegt<br />

werden – in einer Phase, in der viele noch nicht daran denken wollen. Hier sollte<br />

aber <strong>im</strong>mer der kompetenzfördernde <strong>und</strong> nicht der defizitorientierte Ansatz, also<br />

Regel Nr. 8 (Das Alter als Chance) <strong>im</strong> Mittelpunkt der Erwartungshaltung stehen.<br />

255 Kruse/Wahl, 2010, S. 445<br />

101


4.4. Abschluss<br />

Die verschiedenen Zugänge <strong>und</strong> Versuche <strong>Lebensqualität</strong> zu definieren bzw.<br />

messbar zu machen <strong>und</strong> die doch zahlreichen, am ersten Blick unterschiedlichen<br />

Bezeichnungen von Art <strong>und</strong> Weisen, wie man heutzutage altern kann, vereinen<br />

doch alle einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt: die Kombination aus vielen<br />

objektiven wie auch subjektiven Variablen, wobei pr<strong>im</strong>är die subjektive,<br />

individuelle Komponente <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong> stehen sollte. Insofern scheint eine<br />

Beurteilung von außen nahezu unmöglich <strong>und</strong> macht nachvollziehbar, dass<br />

vielfach ges<strong>und</strong>heitlich beeinträchtigte, ältere Menschen ein höheres Maß an<br />

Lebenszufriedenheit <strong>und</strong> <strong>Lebensqualität</strong> angeben als andere, die nach objektiv<br />

festgeschriebenen Kriterien als weitaus „gesünder“ zu bezeichnen wären,<br />

trotzdem aber mit ihrem Leben unzufrieden sind <strong>und</strong> es durch verminderte<br />

<strong>Lebensqualität</strong> gezeichnet empfinden. Das zeigt deutlich die „Unzufriedenheit mit<br />

der Zufriedenheit <strong>im</strong> Alter“, die Thomae 256 in seinem Beitrag „Zufriedenheit <strong>und</strong><br />

Kompetenz“ thematisiert. Der scheinbar objektive Blick von außen, der vielfach in<br />

Ältere Probleme hineinprojiziert, wie man sie als Jüngerer zu sehen glaubt,<br />

konvergiert nicht mit dem tatsächlichen, subjektiven Empfinden des bzw. der<br />

Betroffenen. „Die Fähigkeit des Menschen, sich (relativ) unabhängig auch von<br />

widrigen Lebenslagen einen inneren Ausgleich durch Zufriedenheit zu<br />

verschaffen, ist offensichtlich allen <strong>Lebensalter</strong>n verfügbar.“ 257<br />

Krätzl 258 schreibt in seinem Buch vom <strong>im</strong> Alter reichlich zur Verfügung stehenden<br />

Erfahrungsschatz, der einen bestenfalls gelassen auf Fähigkeiten <strong>und</strong> Grenzen<br />

blicken lässt, die teils heilsam sowie manchmal auch schmerzhaft vor Augen<br />

geführt werden, was aber auch gleichzeitig den Überraschungseffekt min<strong>im</strong>iert.<br />

Weiters erwähnt er die Chance des menschlichen Reifens <strong>und</strong> die Möglichkeit,<br />

noch einmal an sich zu arbeiten – <strong>und</strong> schreibt von <strong>im</strong> günstigsten Fall<br />

erstaunlichen Wandlungsprozessen, einer Weitung bzw. Reifung bis ins höchste<br />

Alter, auch einer Entdeckung neuer D<strong>im</strong>ensionen der eigenen Persönlichkeit.<br />

Sofern <strong>im</strong> Alter die nötigen geistigen <strong>und</strong> seelischen Kräfte dafür vorhanden sind,<br />

256 vgl. Kaiser, 2002, S. 61<br />

257 Ebda., S. 61<br />

258 vgl. Krätzl, 2007, S. 97<br />

102


können solche Entwicklungsprozesse <strong>im</strong> Sinne einer Entlastung von allem Zwang,<br />

die <strong>im</strong> Alter oft tiefer angenommen werden kann, in Gang gebracht werden. Die<br />

Chance des Altwerdens in Hinblick auf eine w<strong>und</strong>erbare Verwandlung zu nützen,<br />

Verloren-Geglaubtes neu entdecken zu können, Verletztes zu versöhnen,<br />

scheinbar Verdorrtes zu erfrischen <strong>und</strong> so Lebenszeit zur geschenkten Zeit<br />

werden zu lassen, wirft die abschließende Frage auf: „Ist Altwerden nicht<br />

w<strong>und</strong>erschön, wenn ein knorriger Baum noch so frische Früchte trägt?“ 259<br />

Heute können wir bereits über eine breite Palette an Interventionsmöglichkeiten<br />

verfügen, „um ungünstige Entwicklungen <strong>im</strong> Alter zwar nicht gänzlich zu<br />

verhindern, jedoch in ihren Wirkungen abzuschwächen <strong>und</strong> verbliebene<br />

Kompetenzen deutlich zu stärken. Wir verfügen komplementär über neue<br />

empirische Einsichten dahingehend, wie langes Altern mit neuen<br />

Entwicklungschancen <strong>und</strong> neuen Wachstumsmöglichkeiten versehen werden<br />

kann. Wir verstehen nicht, dass dieses Potential in unserer alternden Gesellschaft<br />

nicht schon in einem viel intensiveren Maße genutzt wird. Es geht um<br />

<strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter in einem weiten <strong>und</strong> differenzierten Sinn aber nicht zuletzt<br />

auch um Kosten bzw. die Reduzierung derselben. Wie lange leistet es sich unsere<br />

alternde Gesellschaft noch, evidenzbasierte Formen der Einflussnahme auf Altern<br />

in nicht genügendem Maß zu fördern <strong>und</strong> damit auch mögliche<br />

Präventionsstrategien sträflich zu vernachlässigen? Allerdings: Diese Frage zielt<br />

nicht nur in Richtung gesellschaftlicher <strong>und</strong> politischer Akteure, sondern richtet<br />

sich auch an alternde Menschen selbst.“ 260<br />

259 Ebda., S. 101<br />

260 Kruse/Wahl, 2010, S. 447f<br />

103


TEIL II<br />

Das Katholische Bildungswerk Kärnten <strong>und</strong> das Projekt MiL<br />

5. Hinführung<br />

Da sich diese Diplomarbeit mit dem Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong> <strong>im</strong> <strong>dritten</strong><br />

<strong>Lebensalter</strong> auseinandersetzt <strong>und</strong> in diesem Zusammenhang das Projekt „Mitten<br />

<strong>im</strong> Leben – auch <strong>im</strong> Alter lebendig <strong>und</strong> selbstbest<strong>im</strong>mt“ (folgend nur mehr als MiL<br />

bezeichnet) zur näheren Betrachtung heranzieht, braucht es eine Beschreibung<br />

der Institution, die mit Abstand als größter Anbieter der Katholischen<br />

Erwachsenenbildung in Kärnten bezeichnet werden darf – das Katholische<br />

Bildungswerk Kärnten (folgend nur mehr als KBWK bezeichnet). Was die<br />

Notwendigkeit des folgenden Exkurses in die Welt der Katholischen<br />

Erwachsenenbildung weiterführend erklärt, ist die Tatsache, dass sich das KBWK<br />

als Projektträger <strong>und</strong> Projektinitiator von MiL verantwortlich zeichnet <strong>und</strong>, wie <strong>im</strong><br />

weiteren Verlauf noch ersichtlich wird, <strong>im</strong> Bereich der Angebote für ältere <strong>und</strong> alte<br />

Menschen einen Schwerpunkt gesetzt hat.<br />

6. Das Katholische Bildungswerk Kärnten (KBWK)<br />

1947 gegründet ist das KBWK 261 aus insgesamt sieben (Diözesane<br />

Sportgemeinschaft, Kath. Jungschar, Kath. Frauenbewegung, Kath. Arbeitnehmer-<br />

Innenbewegung, Kath. Akademikerverband, KBWK, Kath. Familienwerk) die<br />

größte von fünf Teilorganisationen der Katholischen Aktion Kärnten, die<br />

Erwachsenenbildung anbieten.<br />

Die Katholische Aktion ist eine eigenverantwortliche Organisation innerhalb der<br />

Kirche <strong>und</strong> gemäß dem II. Vatikanischen Konzil die offizielle gemeinschaftliche<br />

Form des Apostolates der Laien <strong>und</strong> Priester in Gemeinschaft mit dem Bischof.<br />

Hauptanliegen des KBWK ist es, Menschen aus allen beruflichen <strong>und</strong> sozialen<br />

Schichten einen Zugang zu Bildung zu ermöglichen.<br />

261 vgl. Jahresbericht, 2004, S. 2<br />

104


Das KBWK ist eine staatlich anerkannte <strong>und</strong> zertifizierte Einrichtung der<br />

Erwachsenenbildung. Sie steht unter dem Protektorat des Diözesanbischofs <strong>und</strong><br />

kooperiert mit anderen Trägern der Erwachsenenbildung, unabhängig davon, ob<br />

sie <strong>im</strong> kirchlichen oder nichtkirchlichen Bereich angesiedelt sind.<br />

Die Katholische Kirche in Österreich tritt ein für eine aktive Bildungspolitik <strong>und</strong><br />

manifestiert in diesem Zusammenhang <strong>im</strong> Rahmen des Sozialwortes des<br />

Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich unter anderem folgende Punkte:<br />

- „Die Kirchen stellen in ihrer Erwachsenenbildung offene Bildungsangebote<br />

bereit, die auch für Einzelne <strong>und</strong> Gruppen zugänglich sind, die sonst nur<br />

schwer Zugang zur Bildung finden. (32)<br />

- Die Kirchen wollen ihre Vielfalt positiv nützen <strong>und</strong> gruppenübergreifende<br />

Lernprozesse zwischen jungen <strong>und</strong> alten Menschen, zwischen Frauen <strong>und</strong><br />

Männern fördern <strong>und</strong> einen Raum zur Integration von Menschen mit<br />

Behinderungen oder von Fremden bieten. (33)<br />

- Die Kirchen sind aufgefordert, verstärktes Augenmerk auf Frauen als<br />

Vermittlerinnen von Wissen <strong>und</strong> Weisheit zu richten. Dazu dienen auch<br />

spezifische Bildungsprogramme der Frauenförderung. (34)<br />

- Die Kirchen pflegen in ihren Bildungseinrichtungen eine Kultur des Dialogs<br />

<strong>und</strong> der Solidarität, die zu gesellschaftlich verantwortlichem Handeln<br />

befähigt. (35)“ 262<br />

Das KBWK verfolgt unter der Prämisse des gemeinnützigen Charakters folgenden<br />

Zweck:<br />

„a) Eine von den Gr<strong>und</strong>sätzen der Römisch-Katholischen Kirche getragene <strong>und</strong><br />

durchformte christliche Erwachsenenbildung auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

bildungswissenschaftlicher, fachwissenschaftlicher <strong>und</strong> didaktischer Standards<br />

sowie bildungspraktischer Erfordernisse durchzuführen, weiterzuentwickeln zu<br />

fördern <strong>und</strong> zu gewährleisten.<br />

b) Die „Zeichen der Zeit“ <strong>im</strong> Lichte des Evangeliums wahrnehmen, verstehen <strong>und</strong><br />

deuten zu lernen <strong>und</strong> zu lehren.<br />

c) Mit den Menschen, insbesondere auch mit religiös <strong>und</strong> kirchlich Fernstehenden,<br />

in der Bildungsarbeit begründete <strong>und</strong> glaubwürdige christliche Antworten <strong>und</strong><br />

262 Sozialwort, 2003, S. 10 in http://ksoe.at/sozialwort/bibliothek/Sozialwort_2003.doc, 24.06.2011<br />

105


Handlungsorientierungen zu suchen <strong>und</strong> zu geben für die Herausforderungen,<br />

Hoffnungen, Ängste <strong>und</strong> geistigen Nöte der heutigen Zeit.<br />

d) Die von der Diözese jeweils vorgegebenen kirchlichen Kernaufgaben in der<br />

Erwachsenenbildung zu erfüllen.“ 263<br />

In diesem Kontext <strong>und</strong> auf Basis eines christlichen Menschen- <strong>und</strong> Gottesbildes<br />

formuliert das KBWK folgende Leitsätze:<br />

- „mit Menschen Motive des Lebens wahrnehmen<br />

- Raum schaffen, um darin Begegnung zu ermöglichen <strong>und</strong> Gespräche zu<br />

fördern<br />

- mit Menschen Motive der Hoffnung erschließen“ 264<br />

Hauptberuflich <strong>im</strong> KBWK angestellt sind derzeit ein Diözesanreferent, eine<br />

Bildungsbeauftragte, eine Sachbearbeiterin, zwei Sekretärinnen <strong>und</strong> drei<br />

RegionalreferentInnen (Regionen: St. Veit/Glan, Klgft/Klgft. Land,<br />

Spittal/Oberkärnten, Wolfsberg/Lavanttal – derzeit vakant; die zweisprachige<br />

Region wird von einer Mitarbeiterin der slowenischen Abteilung Katoliška prosveta<br />

bearbeitet).<br />

Neben den üblicherweise neun hauptamtlich Angestellten zeichnen sich über 180<br />

ReferentInnen <strong>und</strong> mehr als 230 ehrenamtliche MitarbeiterInnen für die Arbeit des<br />

Katholischen Bildungswerkes verantwortlich, die sich thematisch in folgende<br />

Bereiche einteilen lässt:<br />

- „Theologische Bildung: direkte Auseinandersetzung mit den religiösen<br />

Wurzeln. Reflexion der Verantwortung des eigenen Glaubens in Kirche <strong>und</strong><br />

Gesellschaft. Interreligiosität.<br />

- Persönlichkeitsbildung: personale Bildung <strong>und</strong> Subjektwerdung. Stärkung<br />

der Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen ()<br />

- Elternbildung: Zielgruppenspezifisch konzipierte Angebote in allen<br />

Bereichen.<br />

- Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Umwelt ()<br />

263 Statuten, 2006, S. 1<br />

264 Jahresbericht, 2008, S. 1<br />

106


- Gesellschaft: Altern in Würde. Verantwortungsvolle, wertbezogene<br />

Mitgestaltung des Gemeinwesens. Förderung von Dialog- <strong>und</strong><br />

Demokratiefähigkeit sowie Pluralitätstoleranz.“ 265<br />

Die Zahlen <strong>und</strong> die nachstehend angeführten Graphiken 266 aus dem Jahresbericht<br />

2009 sprechen für sich <strong>und</strong> erläutern klar, in welchen Bereichen das Katholische<br />

Bildungswerk thematisch seine Schwerpunkte setzt.<br />

Anzahl der Veranstaltungen<br />

1300<br />

1250<br />

1200<br />

1150<br />

1224<br />

1275<br />

1100<br />

1050<br />

1000<br />

1032<br />

995<br />

1073<br />

950<br />

900<br />

850<br />

800<br />

841<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />

Jahr<br />

Abb. 1: Gesamtanzahl der Veranstaltungen <strong>im</strong> Jahresvergleich 267<br />

Das Gesamtangebot an jährlichen Veranstaltungen ist in den vorhergehenden vier<br />

Jahren kontinuierlich auf 1275 Veranstaltungen <strong>im</strong> Jahr 2009 angewachsen, wobei<br />

folgende Graphik die Aufteilung in Arbeitseinheiten zu je 45 Minuten zeigt - lt.<br />

dieser wurden <strong>im</strong> Jahre 2009 insgesamt 4844 Einheiten absolviert.<br />

265 Jahresbericht, 2009, S. 2<br />

266 vgl. Jahresbericht 2009, S. 1ff<br />

267 Jahresbericht, 2009, S. 3<br />

107


Arbeitseinheiten zu 45 Minuten<br />

5100<br />

4900<br />

4700<br />

4709<br />

4772<br />

4844<br />

4500<br />

4511 4509<br />

4300<br />

4100<br />

4066<br />

3900<br />

3700<br />

3500<br />

2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />

Abb. 2: Arbeitseinheiten zu je 45 Minuten <strong>im</strong> Jahresvergleich 268<br />

Insgesamt gab es bei den Veranstaltungen 24.975 TeilnehmerInnen, wobei der<br />

Anteil an Frauen bei 77% liegt (19.274). Wie nachstehender Graphik zu<br />

entnehmen ist, ist diese Anzahl <strong>im</strong> Vergleich mit dem Vorjahr gestiegen, liegt aber<br />

trotzdem noch knapp unter der Gesamtanzahl an TeilnehmerInnen aus dem Jahre<br />

2007 (25.957).<br />

TeilnehmerInnen<br />

26500<br />

26000<br />

25957<br />

25500<br />

25000<br />

24975<br />

24500<br />

24000<br />

23500<br />

23666<br />

23821<br />

23652<br />

TeilnehmerInnen<br />

23000<br />

22500<br />

22000<br />

2005 2006 2007 2008 2009<br />

Abb. 3: Gesamtanzahl TeilnehmerInnen <strong>im</strong> Jahresvergleich 269<br />

268 Jahresbericht, 2009, S. 3<br />

108


Interessant ist vor allem auch die Aufteilung der Veranstaltungen anhand vorher<br />

genannter Themengebiete, die folgendes Tortendiagramm anschaulich darstellt.<br />

Veranstaltungen nach Bereichen<br />

24 34<br />

189<br />

Glaube, Weltanschauung<br />

Familie, Ehe, Partnerschaft<br />

210<br />

Gesellschaft, Politik<br />

Persönlichkeit, Kommunikation<br />

584<br />

Musisch-kulturelle Bildung<br />

SeniorInnenbildung<br />

58<br />

48<br />

128<br />

MitarbeiterInnenbildung<br />

Sonstiges<br />

Abb. 4: Gesamtveranstaltungen nach Bereichen <strong>im</strong> Jahr 2009 270<br />

Was hier besonders auffällt ist die Tatsache, dass der Schwerpunkt <strong>im</strong> Bereich<br />

SeniorInnenbildung, gefolgt von Themen <strong>im</strong> Sektor Familie, Ehe <strong>und</strong><br />

Partnerschaft, liegt.<br />

Für diese Arbeit relevant ist vor allem der Angebotsschwerpunkt <strong>im</strong> Bereich der<br />

SeniorInnenbildung – hier sind insgesamt für das Jahr 2009 584 Veranstaltungen<br />

angeführt, die zum Großteil dem Programm MiL zu zuordnen sind.<br />

7. Mitten <strong>im</strong> Leben<br />

Die Frage bzw. Notwendigkeit der Bildung <strong>im</strong> Alter ist hier <strong>im</strong>mer vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> „Bildung <strong>im</strong> Alter“ vs. „Angst- <strong>und</strong> Panikmache“, die schlussendlich<br />

das Eigen- wie Fremdbild des Alters <strong>und</strong> Alterns destruktiv beeinflusst zu sehen.<br />

Im Zusammenhang mit dieser Arbeit <strong>und</strong> den weiterführenden empirischen<br />

Schritten wird der Begriff der Alten- oder SeniorInnenbildung aber <strong>im</strong>mer mit<br />

269 Jahresbericht, 2009, S. 4<br />

270 Jahresbericht, 2009, S. 4<br />

109


Chance in Verbindung gebracht – eine Chance für ältere <strong>und</strong> alte Menschen <strong>im</strong><br />

Raum Kärnten, die vom KBWK bereits vor langer Zeit ergriffen wurde <strong>und</strong> heuer<br />

als eigener Bildungsbereich bereits das 10jährige Jubiläum feierte.<br />

Im Jahre 2001 wurde das Projekt MiL aus der Taufe gehoben – es orientiert sich<br />

in seiner Konzeption <strong>und</strong> Zielsetzung sehr stark am Übungsprogramm, das sich<br />

S<strong>im</strong>A nennt <strong>und</strong> für Selbständig <strong>im</strong> Alter steht. Insgesamt wurden <strong>im</strong> Rahmen<br />

dieses Übungsprogrammes 271 , das von der Universität Erlangen entwickelt wurde<br />

<strong>und</strong> auf Wolf. D. Oswald zurück geht, drei Trainingsprogramme entwickelt: Ein<br />

Kompetenztraining (Training direkt zugänglicher, personaler Ressourcen mit dem<br />

Ziel, eine Einstellungsänderung zu erreichen <strong>und</strong>, <strong>im</strong> Sinne der Kompensation,<br />

zusätzliche Bewältigungsstrategien für altersbedingte Alltagsprobleme zu<br />

erlernen), ein Gedächtnistraining (trainiert dynamische Gedächtnis-<br />

Gr<strong>und</strong>funktionen <strong>und</strong> vermittelt Kompensationsstrategien für altersbedingte<br />

Einbußen) sowie ein Psychomotoriktraining (Ganzheitliche Aktivierung <strong>und</strong><br />

Förderung der Bewegungskoordination durch motorische Lernprogramme), die <strong>im</strong><br />

Idealfall kombiniert zur Anwendung kommen sollten. Wie folgende Graphiken<br />

zeigen werden, verbesserten sich gegenüber der Kontrollgruppe nur die<br />

TeilnehmerInnen am kombinierten Gedächtnis- <strong>und</strong> Psychomotoriktraining<br />

bedeutsam über den Gesamtzeitraum – <strong>und</strong> das in den Disziplinen Kognitiver<br />

Status (Abb. 5), Ges<strong>und</strong>heitsstatus (Abb. 6), Selbstständigkeit (Abb. 7) <strong>und</strong><br />

Dementielle Symptomatik (Abb. 8):<br />

Abb. 5: Kognitiver Status 272 Abb. 6: Ges<strong>und</strong>heitsstatus 273<br />

271 vgl. Oswald et. al., 2007, S. 3ff, in: http://www.s<strong>im</strong>a-akademie.de/pdfs/SIMA-<br />

50+_in_Stichworten_2-2007.pdf, 24.06.201<br />

272 Ebda., S. 8<br />

273 Ebda., S. 9<br />

110


Abb. 7: Selbstständigkeit 274 Abb. 8: Dement. Symptomatik 275<br />

Wie die Graphiken gut darstellen, kam man <strong>im</strong> Rahmen dieser bereits 1991<br />

begonnenen Interventions- <strong>und</strong> Längsschnittstudie zu Bedingungen der Erhaltung<br />

<strong>und</strong> Förderung von Selbstständigkeit <strong>im</strong> höheren <strong>Lebensalter</strong> zu bahnbrechenden<br />

Erkenntnissen <strong>und</strong> belegte unter anderem eindeutig, „welche hohe Bedeutung<br />

einer körperlichen <strong>und</strong> kognitiven Aktivität für den Erhalt der Selbständigkeit<br />

beizumessen ist. Nur eine lebenslange körperliche <strong>und</strong> geistige Aktivität<br />

gewährleisten die möglichst lange Aufrechterhaltung der Selbständigkeit <strong>im</strong><br />

höheren <strong>Lebensalter</strong>. Die SIMA-Studie dokumentiert jedoch auch, dass einem<br />

Verlust der Selbständigkeit <strong>und</strong> eventuell auch einer dementiellen Erkrankung<br />

durch spezifische Interventionsprogramme begegnet werden kann“ 276<br />

Wie bereits erwähnt basiert die Kärntner S<strong>im</strong>A-Variante namens MiL auf dem von<br />

Wolf D. Oswald konzipierten Übungsprogramm <strong>und</strong> läuft <strong>im</strong> Kärntner Raum<br />

äußerst erfolgreich seit nunmehr 10 Jahren.<br />

Projektträger 277 sind das KBWK aber auch der Kärntner Caritasverband (Referat<br />

für Altenarbeit) – auch das Land Kärnten hat die Wichtigkeit dieses Projektes<br />

erkannt <strong>und</strong> beteiligt sich seit 2005 finanziell <strong>im</strong> Rahmen des Angebotes der<br />

„Ges<strong>und</strong>en Gemeinden“.<br />

274 Ebda., S. 9<br />

275 Ebda., S. 10<br />

276 Ebda., S. 20<br />

277 vgl. MiL-Projektbeschreibung, 2011, S. 1f<br />

111


Detailierte MiL-Inhalte sind folgende:<br />

• „Kompetenztraining fördert alltagsbezogene Fähigkeiten wie Pflege von<br />

Körper <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, soziale Kontakte, Wohnen, Umgang mit<br />

technischen Geräten etc.<br />

• Gedächtnistraining fördert Konzentration <strong>und</strong> Aufmerksamkeit,<br />

Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Kurz- <strong>und</strong> Langzeitgedächtnis<br />

• Psychomotorisches Training fördert Bewegungskoordination, Kraft,<br />

Beweglichkeit <strong>und</strong> Ausdauer<br />

• Sinnfindung durch Beschäftigung mit verschiedensten Lebensthemen“ 278<br />

Um die Qualität zu sichern <strong>und</strong> das Projekt am Kärntner Bildungsmarkt etablieren<br />

zu können wurde ein eigener Ausbildungslehrgang für zukünftige MiL-<br />

GruppenleiterInnen konzipiert, der mit dem Zertifikat des Forums Katholischer<br />

Erwachsenenbildung abschließt <strong>und</strong> insgesamt 230 Unterrichtseinheiten umfasst.<br />

Im Rahmen der Projektlaufzeit 279 wurden innerhalb von vier Lehrgängen bis dato<br />

über 60 GruppenleiterInnen ausgebildet, die versuchen, gemäß den neuesten<br />

Erkenntnissen der Neurowissenschaften, die körperliche, geistige <strong>und</strong> seelische<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>im</strong> Alter durch soziale Kontakte, Aktivität, Bildung, Humor <strong>und</strong><br />

Lebensfreude zu erhöhen. Über das ganze Land verteilt wird so derzeit in ca. 45<br />

aktiven MiL-Gruppen kontinuierlich gearbeitet, was in Summe, wie dem<br />

Tortendiagramm in Abb. 4 zu entnehmen ist, mit mehr als 580 Veranstaltungen<br />

jährlich zu Buche schlägt.<br />

„Wie es sich <strong>im</strong>mer wieder zeigt, ist „Mitten <strong>im</strong> Leben“ (MIL) mehr als Gedächtnis-,<br />

Psychomotorisches- <strong>und</strong> Kompetenztraining. MIL beinhaltet die<br />

Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten (Lebens) Themen, ermöglicht das<br />

Knüpfen neuer Kontakte <strong>und</strong> die Erweiterung sozialer Netze, schafft Lebensfreude<br />

<strong>und</strong> neue Perspektiven.“ 280<br />

Dafür sprechen unterschiedlichste Initiativen, die sich in vielen, sich teilweise über<br />

Jahre hindurch treffenden Gruppen, entwickelt haben, z. B.:<br />

• „Märchen „Rumpelstilzchen“: es wird nicht mehr nur in Kindergärten <strong>und</strong><br />

Altershe<strong>im</strong>en, sondern unter großem Erfolg vor öffentlichem Publikum<br />

278 MiL-Projektbeschreibung, 2011, S. 2<br />

279 vgl. Jahresbericht, 2009, S. 14f<br />

280 Jahresbericht, 2009, S. 14<br />

112


aufgeführt. Beeindruckend ist die Reaktion der unterschiedlichsten<br />

Generationen - ein neues Bild des Alters ist <strong>im</strong> Entstehen!<br />

• Begegnung der Generationen: eine MIL <strong>und</strong> eine Jungschargruppe<br />

verbringen einen Nachmittag gemeinsam, lernen sich <strong>und</strong> ihre<br />

Lebenswelten besser kennen.<br />

• das etwas „andere“ Kochbuch: kochen <strong>und</strong> daneben die grauen Zellen<br />

aktivieren - leicht gemacht? Für gutes Gelingen wird (nicht) garantiert!<br />

• „Sparen ist angesagt“ - von den älteren Generationen lernen am Beispiel<br />

einkaufen <strong>und</strong> kochen: Wissen der Älteren wurde gesammelt <strong>und</strong> in<br />

Lebensmittelgeschäften in (aktivierenden Vorträge nach Geschäftsschluss)<br />

<strong>und</strong> in Eltern-Kindgruppen präsentiert. In weiterer Folge sollen Kurse dazu<br />

angeboten werden.“ 281<br />

Sich bezüglich der Zielgruppe auf das dritte <strong>Lebensalter</strong> festzulegen birgt natürlich<br />

<strong>im</strong>mer die Gefahr, das vierte <strong>Lebensalter</strong> zu vernachlässigen bzw. sogar<br />

auszuschließen. Auch in diesem Fall geht MiL beispielgebend voran, denn es hat<br />

sich <strong>im</strong> Laufe der Zeit eine MiL-Gruppe gebildet, die über die zielgruppendefinierte<br />

Festschreibung des <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong>s hinausgeht <strong>und</strong> mit an Morbus Alzhe<strong>im</strong>er<br />

erkrankten Menschen arbeitet.<br />

Ebenso muss noch erwähnt werden, dass die GruppenleiterInnen absolut frei <strong>und</strong><br />

individuell ihre Schwerpunkte setzen <strong>und</strong> unter Einbindung der TeilnehmerInnen<br />

verschiedenste Initiativen starten sollten – was bis dato bereits geschehen <strong>und</strong> an<br />

vorher genannten Punkten übersichtlich dargestellt ist.<br />

281 Ebda, 2011, S. 15<br />

113


TEIL III<br />

Teilnehmerinnenbefragung dreier MiL-Gruppen<br />

8. Einleitung<br />

Der dritte <strong>und</strong> letzte Teil taucht ein in die Empirie <strong>und</strong> versucht angesichts des<br />

vorhergehenden theoretischen Konstruktes <strong>im</strong> Rahmen eines qualitativen<br />

Forschungsprozesses die Auswirkungen des MiL-Programmes zu hinterfragen.<br />

9. Definition des Untersuchungsgegenstandes<br />

In Anbetracht der Tatsache, dass mittlerweile über 45 aktive MiL-Gruppen über<br />

ganz Kärnten verteilt kontinuierlich, teilweise bereits über Jahre hinweg, arbeiten,<br />

<strong>und</strong> es bis dato noch keine auf wissenschaftlichen Standards basierende<br />

Befragung der TeilnehmerInnen über die Auswirkungen der konstanten<br />

Auseinandersetzung mit den MiL-Programminhalten gibt, beschäftigt sich der<br />

letzte Teil dieser Diplomarbeit mit genau diesem Thema.<br />

Dazu werden sechs MiL-GruppenteilnehmerInnen herangezogen, die in Form<br />

eines halb-standardisierten Leitfadeninterviews zu den Auswirkungen in den<br />

Bereichen „eigener Zugang zum Altern“, „<strong>Lernen</strong> <strong>und</strong> Bildung <strong>im</strong> Alter“ <strong>und</strong><br />

„<strong>Lebensqualität</strong>“ befragt werden.<br />

Die für das Interview ausgewählten TeilnehmerInnenpaare (pro Gruppe 2<br />

TeilnehmerInnen) kommen aus je drei Gruppen, die zum Einen regional in Kärnten<br />

unterschiedlich aufgeteilt sind <strong>und</strong> zum Zweiten verschiedene Gruppenleiterinnen<br />

(es gibt nur Frauen!) haben.<br />

Die regionale Aufteilung ergibt eventuell einen Stadt-Land-Unterschied,, wobei<br />

nicht zwingend davon ausgegangen wird. Dass drei unterschiedliche Gruppen mit<br />

unterschiedlichen Leitungspersonen herangezogen werden hat die Begründung,<br />

dass jede Gruppenleiterin eine andere Herangehensweise sowie methodischdidaktische<br />

Umsetzung verfolgt <strong>und</strong> individuell unterschiedliche Schwerpunkte<br />

114


setzt. Das erschwert zwar die Vergleichbarkeit untereinander, lässt aber trotzdem<br />

ein informatives Gesamtbild zu.<br />

Die paarweise Aufteilung soll zeigen, wie individuell unterschiedlich die<br />

persönliche Wahrnehmung innerhalb einer Gruppe sein kann. Trotz der<br />

unterschiedlichen Gruppenleiterinnen, GruppenteilnehmerInnen, Regionen <strong>und</strong><br />

vieler anderer Parameter, die da noch mit einfließen werden, wird versucht, zu<br />

aussagekräftigen, die aufgestellten Hypothesen veri- bzw. falsifizierenden<br />

Ergebnissen zu gelangen.<br />

10. Methodische Aspekte<br />

Angesichts der Tatsache, dass sich das Forschungsvorhaben hauptsächlich auf<br />

Fragestellungen konzentriert, bei denen individuell-subjektive Zugänge <strong>und</strong><br />

Sichtweisen <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen, ist die Entscheidung zu Gunsten eines<br />

qualitativen Prozesses <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en des Leitfadeninterviews gefallen.<br />

10.1. Datenerhebung - Das Leitfadeninterview<br />

Wie eben bereits erwähnt, war es angesichts der Forschungsfragestellung <strong>und</strong><br />

des dahinter stehenden Forschungsinteresses zweckdienlicher, der quantitativen<br />

die qualitative Erhebungsmethodik vorzuziehen. Da die individuell-subjektive<br />

Sichtweise der ProbandInnen von vordergründigem Interesse ist <strong>und</strong> in der<br />

qualitativen Forschung der verbale Aspekt, also das Gespräch, eine<br />

übergeordnete Rolle spielt, fiel die Entscheidung dahingehend aus: „Subjektive<br />

Bedeutungen lassen sich nur schwer aus Beobachtungen ableiten. Man muss hier<br />

die Subjekte selbst zur Sprache kommen lassen; sie selbst sind zunächst die<br />

Experten für ihre eigenen Bedeutungsgehalte.“ 282<br />

Unter anderem eignet sich die Methode des Leitfadeninterviews sehr gut dazu, <strong>im</strong><br />

Rahmen einer mündlichen Befragung gezielt nach Antworten auf vorher<br />

282 Mayring, 2002, S. 66<br />

115


festgelegte Fragen zu suchen, gleichzeitig aber auch ein hohes Maß an Offenheit<br />

gegenüber unerwarteten Inhalten oder Fragestellungen zu gewährleisten.<br />

Es kann natürlich vorkommen 283 , dass das Prinzip der Offenheit nicht bzw. nur<br />

geringfügig praktiziert wird <strong>und</strong> sich der/die ForscherIn zu stark an den Leitfaden<br />

klammert, was sich Ergebnis verzerrend auf die soziale Situation des/der<br />

Befragten auswirken könnte. In diesem Fall wird der Leitfaden zu einem<br />

Instrument des Zwanges <strong>und</strong> beschneidet in gleichem Zuge das Engagement<br />

bzw. die Spontaneität des Interviewers <strong>und</strong> des/der Befragten.<br />

Im Rahmen des Leitfadeninterviews werden den ProbandInnen Fragen zu<br />

gleichen Fragenkomplexen gestellt, jedoch unter Rücksichtnahme ihrer je eigenen<br />

Perspektiven bezogen auf den zu evaluierenden Sachverhalt.<br />

Im Interviewprozess ist es möglich <strong>und</strong> sogar erwünscht, zusätzliche Fragen, die<br />

nicht <strong>im</strong> Leitfaden enthalten sind, zu stellen, um Aussagen bzw. Antworten zu<br />

konkretisieren <strong>und</strong> so möglichen Missverständnissen aus dem Weg zu gehen.<br />

„Wesentlich bei Leitfadengesprächen ist die Fähigkeit der oder des Forscher(s),<br />

zentrale Fragen <strong>im</strong> geeigneten Moment zur Diskussion zu stellen.“ 284<br />

Diese Form von Flexibilität ermöglicht einem nach erklärenden Beispielen zu<br />

fragen bzw. auf unerwartete Informationen eingehen zu können, was wiederum<br />

die Gefahr an Missinterpretationen verringert. Die Offenheit gegenüber dem<br />

Erzählverhalten der zu befragenden Person bleibt somit erhalten, während<br />

gleichzeitig alle thematisch relevanten Fragestellungen bearbeitet werden können.<br />

Wichtig ist, dass die konkreten Frageformulierungen erst <strong>im</strong> unmittelbaren<br />

Interaktionsprozess stattfinden, um sich der Alltagssprache der ProbandInnen<br />

anpassen zu können. Zur Unterstützung kann sich der/die EvaluatorIn Fragen<br />

vorformulieren, man sollte sich aber, wie schon gesagt, nicht entgegen des<br />

Gr<strong>und</strong>satzes der Flexibilität zwingend daran halten.<br />

Im gesamten Gesprächsverlauf sollte darauf geachtet werden, dass wenig bis<br />

keine geschlossenen Fragen vorkommen. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass die<br />

Antwortkategorien vorgegeben sind, dienen sie ausschließlich der<br />

283 vgl. Girtler, 1984, S. 154f<br />

284 Atteslander, 1993, S. 171<br />

116


Informationsgewinnung <strong>und</strong> kommen selten bis gar nicht in qualitativen<br />

Forschungsprozessen zur Anwendung. „Es würde der Methodologie qualitativer<br />

Verfahren nicht entsprechen, mit geschlossenen Fragen ins soziale Feld zu<br />

gehen.“ 285<br />

Viel sinnvoller <strong>und</strong> zweckdienlicher erscheinen hier offene Fragen 286 , bei denen<br />

die Antworten nicht kategorisch vorgegeben sind, sondern aus den<br />

aufgezeichneten Formulierungen, den genannten Fakten, Gegenständen sowie<br />

Bedeutungsstrukturierungen abgelesen werden. So genannte Antworten in den<br />

M<strong>und</strong> legende Suggestivfragen sind absolut unangebracht <strong>und</strong> tunlichst zu<br />

vermeiden.<br />

„Während bei der persönlichen Befragung der Interviewer <strong>im</strong>mer auch direkten<br />

Einfluß auf den Gesprächsverlauf n<strong>im</strong>mt, also einen Verzerrungsfaktor darstellt, ist<br />

er andererseits in der Lage, auch Regel- <strong>und</strong> Kontrollfunktionen zu<br />

übernehmen.“ 287<br />

Die Rolle des/der EvaluatorIn hat <strong>im</strong> qualitativen Forschungsprozess eher<br />

zuhörenden Charakter. Um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen <strong>und</strong><br />

Verstehen bzw. Interesse zu signalisieren, sollte das Gesagte <strong>im</strong>mer wieder<br />

zusammenfassend wiedergegeben werden. Der/Die ProbandIn darf sich aber<br />

niemals ausgefragt fühlen. „Nur wenn er das Gefühl hat, daß er nicht inquisitorisch<br />

ausgefragt wird <strong>und</strong> daß er nur das berichtet, was er berichten will <strong>und</strong> daß er<br />

über den Gesprächsablauf entscheidet, wird eine Datenerhebung als zuverlässige<br />

<strong>und</strong> gültige möglich sein.“ 288<br />

Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist die Örtlichkeit, an der das Interview<br />

stattfindet. „Qualitative Interviews erfolgen <strong>im</strong> alltäglichen Milieu des Befragten, um<br />

eine möglichst natürliche Situation herzustellen <strong>und</strong> authentische Informationen zu<br />

erhalten.“ 289<br />

285 Lamnek, 1995, S. 59<br />

286 vgl. Ebda., 1995, S. 58f<br />

287 Atteslander, 1993, S. 159<br />

288 Lamnek, 1995, S. 96<br />

289 Ebda., 1995, S. 68<br />

117


Be<strong>im</strong> qualitativen Interview 290 geht es nicht oder nur beschränkt wie bei<br />

quantitativen Verfahren um die Feststellung von Häufigkeiten einer best<strong>im</strong>mten<br />

Merkmalsausprägung oder darum, generalisierende Aussagen über das<br />

Untersuchungsobjekt zu erhalten, was sich natürlich auf die Auswahl der<br />

ProbandInnen auswirkt.<br />

Man wählt die ProbandInnen weniger nach Stichprobenziehung, denn mehr nach<br />

best<strong>im</strong>mten Kriterien aus, wie z. B. die Erreichbarkeit oder Zugänglichkeit der<br />

Personen, deren Informationen <strong>im</strong> Rahmen des Untersuchungsprojektes<br />

aussagekräftig <strong>und</strong> somit verwertbar sind.<br />

Eine Stichprobenauswahl ist zwar möglich, macht aber bei Programmen mit einer<br />

geringen Zahl an Beteiligten wenig Sinn. Man sollte sich auf die Personen fixieren,<br />

von denen man ann<strong>im</strong>mt, dass deren Aussagen <strong>und</strong> Informationen <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

die Evaluationsziele ein möglichst vollständiges Bild der Maßnahme widerspiegeln<br />

<strong>und</strong> dadurch sachdienlich für das Untersuchungsobjekt sind.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> muss ein hohes Maß an Selbstkontrolle seitens des/der<br />

Evaluators/in gegeben sein, um nicht durch theoretische Orientierung eine<br />

Ergebnis verzerrende Auswahl der Befragten zu erhalten. Es ist durchaus möglich,<br />

den Befragtenkreis <strong>im</strong> bereits laufenden Erhebungsprozess zu vergrößern.<br />

Am Ende des Interviews sollte nach dem Abschalten des Tonbandes noch ein<br />

wenig weiter geplaudert werden, um somit das Gespräch langsam ausklingen zu<br />

lassen. Als EvaluatorIn kann man davon ausgehen, dass in dieser Phase noch für<br />

die Evaluation relevante Aspekte <strong>und</strong> Informationen auftauchen. Um diese nicht in<br />

Vergessenheit geraten zu lassen, sollte nach der Verabschiedung ein<br />

Postskriptum angefertigt werden.<br />

10.1.1. Der Leitfaden<br />

Folgender Leitfaden bezieht sich prinzipiell auf die <strong>im</strong> Vorfeld der Untersuchung<br />

ausformulierten Hypothesen <strong>und</strong> deren Möglichkeit der Bestätigung bzw.<br />

Widerlegung <strong>im</strong> Rahmen des Interviews. In diesem Zusammenhang werden<br />

nachstehend die Hypothesen <strong>und</strong> der daraus resultierende Leitfaden angegeben:<br />

290 vgl. Ebda., 1995, S. 92ff<br />

118


• Die MiL-GruppenteilnehmerInnen fühlen sich nicht alt (bzw. bezeichnen<br />

sich nicht als alt bzw. fühlen sich nicht ihrem kalendarischen Alter<br />

entsprechend)!<br />

• Die Teilnahme an den MiL-Gruppen fördert nachhaltig den<br />

Gemeinschaftsaspekt (bzw. stillt das Bedürfnis nach Gemeinschaft)!<br />

• Die Tatsache des Vergleichens, sprich zu sehen, wie sich andere mit<br />

denselben bzw. gleichen Frage- oder Aufgabenstellungen tun, wirkt sich<br />

motivierend aus!<br />

• Die MiL-TeilnehmerInnen haben ein positives Bild von der heutigen Jugend<br />

<strong>und</strong> deren Einstellung gegenüber den Älteren/Alten!<br />

• Bildung <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong> ist für die MiL-GruppenteilnehmerInnen auch <strong>im</strong> Alter<br />

ein wichtiger Aspekt!<br />

• Für die MiL-TeilnehmerInnen ist der Begriff Lebenslanges <strong>Lernen</strong> nicht nur<br />

positiv behaftet!<br />

• Die MiL-Teilnahme setzt ein hohes Interesse an Bildungs- <strong>und</strong><br />

Lerninhalten, auch in jüngeren Jahren, voraus!<br />

• Für die MiL-Teilnehmerinnen ist Ges<strong>und</strong>heit der wichtigste Aspekt von<br />

<strong>Lebensqualität</strong>/von einem „guten Altern“!<br />

• Die Teilnahme an den MiL-Gruppen beeinflusst die <strong>Lebensqualität</strong> positiv!<br />

• Die Teilnahme an den MiL-Gruppen stärkt das Selbstbewusstsein!<br />

• Die MiL-GruppenteilnehmerInnen bezeichnen ihre derzeitige <strong>Lebensqualität</strong><br />

als gut! Für die MiL-TeilnehmerInnen ist die Ges<strong>und</strong>heit der wichtigste<br />

Aspekt von <strong>Lebensqualität</strong>!<br />

• Die Teilnahme an den MiL-Gruppen stärkt das Selbstbewusstsein!<br />

• MiL an<strong>im</strong>iert zur <strong>und</strong> fördert die Kontaktaufnahme zu jüngeren<br />

Generationen!<br />

Der Interview-Leitfaden:<br />

Der Interview-Leitfaden orientiert sich pr<strong>im</strong>är an der Ausgangsfragestellung: Wie<br />

gefällt den Betroffenen die MiL-Gruppenteilnahme? Was hat sich spezifisch für die<br />

Betroffenen <strong>im</strong> Rahmen der MiL-Gruppenteilnahme verändert? Gibt es<br />

Verbesserungsvorschläge/Wünsche/Beschwerden <strong>im</strong> Bezug auf die<br />

Organisation/methodische Gestaltung etc.?<br />

119


Den Ausgangsfragestellungen entsprechend konnte der Leitfaden grob in fünf<br />

Bereiche mit ihren spezifischen Fragestellungen unterteilt werden:<br />

- Einleitungs- <strong>und</strong> Sachverhaltsdarstellungsphase<br />

- Fragen zum Alter/zur eigenen Lebenssituation<br />

- Fragen zum Thema Bildung <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong> <strong>im</strong> Alter<br />

- Fragen zum Thema <strong>Lebensqualität</strong><br />

- Profil der MiL-GruppenteilnehmerInnen<br />

1) Einleitung <strong>und</strong> Sachverhaltsdarstellung<br />

2) Fragen zum Alter/zur eigenen Lebenssituation:<br />

Wie geht es Ihnen? Wie alt sind Sie? Was bedeutet für Sie Alter/alt sein? Wie<br />

haben Sie das Altwerden erlebt? Wie alt fühlen Sie sich? Sind Sie verheiratet<br />

(gewesen)? Haben Sie einen Partner? Haben Sie (Enkel)Kinder? Leben Sie<br />

alleine (Selbstbest<strong>im</strong>mung)? Nehmen Sie gerne an MiL teil? Warum nehmen Sie<br />

an der MiL-Gruppe teil? Wie sind Sie dazu gekommen? Was hält Ihr soziales<br />

Umfeld davon? Wie oft treffen Sie sich? Wie ist Ihrer Meinung nach das Altersbild<br />

in der Gesellschaft? (Was halten die Jungen von Älteren <strong>und</strong> Alten?)<br />

3) Fragen zum Thema Bildung <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong> <strong>im</strong> Alter:<br />

Was bedeutet für Sie Bildung? Haben Sie den Begriff Lebenslanges <strong>Lernen</strong> schon<br />

einmal gehört? Was bedeutet das für Sie (Zwang vs. Chance)? Wo wird in Ihrer<br />

MiL-Gruppe der Schwerpunkt gesetzt – eher körperliche Aktivierung oder geistigintellektuelle<br />

Arbeit? Was machen Sie in der Gruppe am liebsten<br />

(Gedächtnistraining, körperl. Aktivitäten, Kompetenztraining)? Haben sich für Sie<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Teilnahme neue Interessensgebiete ergeben – Themen, die Sie<br />

vorher nicht interessiert haben? Lesen Sie viel (wenn ja, was – Zeitung, Bücher<br />

etc.)?<br />

4) Fragen zum Thema <strong>Lebensqualität</strong>:<br />

Wie definieren Sie <strong>Lebensqualität</strong>? Was bedeutet für Sie<br />

gutes/erfolgreiches/ges<strong>und</strong>es/aktives Altern? Wie wirkt sich die MiL-Teilnahme auf<br />

Ihr Leben, auf Ihre spezifische Lebenssituation, auf Ihr Umfeld aus? Was bringt<br />

120


Ihnen die MiL-Teilnahme? Hat sich Ihre <strong>Lebensqualität</strong> dadurch verändert? Hat<br />

sich Ihr Selbstbewusstsein/Altersbild etc. verändert? Hat sich Ihre<br />

Gedächtnisfähigkeit, Ihre Bereitschaft für körperliche Aktivität verändert? Hilft MiL<br />

dabei, mit anderen Generationen in Kontakt zu treten? Wie empfinden Sie es, sich<br />

mit anderen in der Gruppe zu vergleichen, zu messen? Was ist Ihr größter Traum?<br />

Hilft MiL dabei diesem Traum einen Schritt näher zu kommen?<br />

5) Profil der MiL-GruppenteilnehmerInnen:<br />

Alter; Geschlecht; Beruf; Dauer der MiL-Teilnahme<br />

11. Auswertung <strong>und</strong> Analyse der Interviewergebnisse<br />

Den sehr zeitintensiven Arbeitsschritt der Auswertung <strong>und</strong> Analyse unterteilt<br />

Lamnek 291 in insgesamt vier Phasen, die nachfolgend beschrieben werden <strong>und</strong> an<br />

denen sich der weitere Forschungsprozess auch praktisch orientiert:<br />

- Im Sinne der Transkription wird das umfangreich vorhandene<br />

Datenmaterial, in diesem Fall das zugr<strong>und</strong>e liegende Tonmaterial,<br />

wortwörtlich transkribiert, wobei nonverbale Aspekte wie kurze Pausen,<br />

Räuspern etc. in der Transkription nicht berücksichtigt werden. In diesem<br />

Forschungsprozess wird die dialektale Sprache zwar umgangssprachlich<br />

übersetzt, jedoch ohne weitere Einflussnahme auf Grammatik <strong>und</strong><br />

Wortstellung.<br />

- Bei der Einzelanalyse wird das vorhandene Datenmaterial jedes einzelnen<br />

Interviews zur Betrachtung herangezogen, auf das Wesentliche eingegrenzt<br />

<strong>und</strong> Nebensächlichkeiten weggelassen. Nachdem dann ein gekürzter, stark<br />

konzentrierter <strong>und</strong> auf relevante Informationen eingegrenzter Text<br />

entstanden ist, wird dieser „kommentiert <strong>und</strong> bewusst wertend integriert zu<br />

einer ersten Charakterisierung des jeweiligen Interviews“. 292<br />

121<br />

So entsteht<br />

eine gewisse Charakteristik eines jeden Einzelinterviews, wobei wörtliche<br />

Passagen bzw. sinngemäße Antworten mit den Wertungen sowie<br />

Beurteilungen des Forschers in Beziehung gesetzt werden.<br />

291 vgl. Ebda., 1995, S. 108ff<br />

292 Ebda., 1995, S. 109


- Danach kommt es zu einer generalisierenden Analyse, wobei nicht mehr<br />

nur ein Interview, sondern mehrere bzw. alle vorhandenen zueinander in<br />

Beziehung gesetzt werden. Erster Schritt wird hier die Suche nach<br />

Gemeinsamkeiten sein. Darüber hinaus dürfen auch nicht die<br />

Unterschiedlichkeiten, die mitunter gravierend sein können, vernachlässigt<br />

werden. „Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede ergeben bei weiterer Analyse<br />

möglicherweise Syndrome oder Gr<strong>und</strong>tendenzen, die für einige oder alle<br />

Befragten typisch erscheinen. Erhält man unterschiedliche Typen von<br />

Befragten, Aussagen, Informationen etc., so werden diese unter<br />

Bezugnahme auf die konkreten Einzelfälle dargestellt <strong>und</strong> interpretiert.“ 293<br />

- Abgeschlossen wird der Prozess von einer Kontrollphase, sprich jene der<br />

ständigen Kontrolltätigkeit. Besteht nur das geringste Anzeichen eines<br />

Zweifels hinsichtlich einer Fehlentscheidung bzw. Fehlinterpretation, sollte<br />

<strong>im</strong>mer das Originalskript zur Kontrolle herangezogen werden. Bei<br />

Teamarbeiten empfiehlt sich auch die gegenseitige Kontrolle, sprich<br />

Fremdkontrolle.<br />

12. Praktische Erfahrungen – Auswertung & Interpretation der<br />

Interviewergebnisse<br />

Im Bezug auf die individuellen Befragungssituationen sei angemerkt, dass die<br />

Interviews, sechs an der Zahl, allesamt <strong>im</strong> privaten Bereich der<br />

Interviewpartnerinnen stattgef<strong>und</strong>en haben. Das war insofern eine gute<br />

Entscheidung, als dass, die eine mehr, die andere weniger aber durchwegs alle,<br />

anfänglich nervös waren <strong>und</strong> sich die Nervosität in einem fremden Umfeld noch<br />

erhöht hätte. Angesichts der Sachverhaltsdarstellung <strong>und</strong> dem Hinweis, dass es<br />

keine falschen Antworten auf die gestellten Fragen geben kann <strong>und</strong> die Antworten<br />

aufgr<strong>und</strong> der individuellen Sichtweise <strong>und</strong> subjektiven Interpretation alle „richtig“<br />

sind, hat sich die Nervosität relativ schnell gelegt <strong>und</strong> eine ehrliche <strong>und</strong> offene<br />

Gesprächsführung eingestellt.<br />

293 Ebda., 1995, S. 109<br />

122


Da die Durchschnittszeit pro Interview exakt 45,2 Minuten betrug <strong>und</strong> das zur<br />

Verfügung stehende Transkriptionsmaterial insgesamt 75 Seiten umfasste, war die<br />

strukturierte Herangehensweise an die Auswertung eine große Herausforderung.<br />

Im Rahmen der Einzelanalyse wurde jedes Interview in Bezug zu den fünf Phasen<br />

des Interview-Leitfadens <strong>und</strong> den daraus resultierenden Einzelfragen zur näheren<br />

Betrachtung herangezogen <strong>und</strong> die in Bezug auf die jeweiligen Fragestellungen<br />

gegebenen Antworten herausgenommen. Damit die verschiedenen<br />

Antwortmöglichkeiten auch klar ersichtlich waren, wurden diese von IP1 (also<br />

Interviewpartnerin 1) bis IP 6 (also Interviewpartnerin 6) durchnummeriert. In der<br />

anschließenden Teil-Interpretation wurden dann alle Interviewergebnisse,<br />

wiederum bezogen auf die jeweilige Fragestellung, zusammengefasst.<br />

Im Sinne der generalisierenden Analyse wurden dann die Gesamtergebnisse<br />

zueinander in Beziehung gesetzt, die <strong>im</strong> Vorfeld aufgestellten Hypothesen zur<br />

näheren Betrachtung herangezogen <strong>und</strong> folglich anhand des vorliegenden<br />

Datenmaterials verifiziert bzw. falsifiziert.<br />

12.1. Auswertung<br />

Phase 1: Einleitung <strong>und</strong> Sachverhaltsdarstellung<br />

Diese Phase hat durch die anfängliche Erklärung, warum das Interview passiert<br />

<strong>und</strong> was mit den Ergebnissen gemacht wird, als Eisbrecher den weiterführenden<br />

Gesprächsverlauf positiv beeinflusst <strong>und</strong> Berührungsängste, Nervosität <strong>und</strong><br />

allfällige Selbstzweifel abgebaut.<br />

Phase 2: Fragen zum Alter/zur eigenen Lebenssituation<br />

Wie geht es Ihnen?<br />

IP1: Danke, sehr gut.<br />

IP2: Gut, danke.<br />

IP3: Mir geht es gut.<br />

IP4: Mir geht es gut, es zwickt <strong>und</strong> zwackt <strong>im</strong>mer wieder einmal, aber das darf<br />

sein <strong>und</strong> das muss man ein bisschen überspielen <strong>und</strong> nicht so tragisch nehmen.<br />

Dann gibt es wieder einen Tag, wo wieder null was ist <strong>und</strong> dann ist wieder einmal<br />

ein Tag wetterbedingt, dass halt einmal ein bisschen etwas zwickt, einmal be<strong>im</strong><br />

Knie etwas ist, aber dann ist es wieder weg.<br />

IP5: Sehr gut, mir geht es sehr gut.<br />

IP6: Danke, gut.<br />

123


Interpretation:<br />

Bei dieser Frage fällt auf, dass es, trotz teilweise klar erkennbarer körperlicher<br />

Einschränkungen allen gut bis sehr gut geht. Ebenso hatte ich das Gefühl, dass<br />

das Gesagte mit dem Gemeinten übereingest<strong>im</strong>mt hat – also kongruent war.<br />

Wie alt sind Sie?<br />

IP1: 75<br />

IP2: Ich bin 83.<br />

IP3: Ich werde jetzt 72, <strong>im</strong> August.<br />

IP4: Ich bin jetzt <strong>im</strong> 77. Lebensjahr.<br />

IP5: 76 war ich am 12. Juni.<br />

IP6: Ich werde 67. Am 11. November.<br />

Interpretation:<br />

Die Altersspanne der Interviewpartnerinnen zieht sich von 66 bis 83 Lebensjahre.<br />

Wie alt fühlen Sie sich?<br />

IP1: Pfoa, ich sage Ihnen, oft denke ich mir, wenn es mir nicht so gut geht, ich bin<br />

100 <strong>und</strong> dann können wieder so Tage sein, wenn alles gut läuft <strong>und</strong> die Arbeit von<br />

der Hand geht, dann fühle ich mich nicht so alt wie ich bin.<br />

IP2: Niemals. Mein Körper ist alt, aber ich fühle mich sp<strong>und</strong>jung. Ich habe ein<br />

Temperament, also ich habe als junges Mädchen wahnsinnig gerne getanzt, ich<br />

war lustig <strong>und</strong> fröhlich, habe aber auch gerne gearbeitet. Ich habe diese Arbeit<br />

alles mit Liebe gemacht. Und heute kann ich halt nicht mehr tanzen. Oben, als es<br />

noch so halbwegs gegangen ist, habe ich alleine in der Küche, wenn eine schöne<br />

Musik war, habe ich alleine mit mir getanzt. Und meine Kinder sagen jetzt, <strong>und</strong> ich<br />

liebe jetzt Musik, <strong>und</strong> ich liebe die Jungen wenn sie tanzen. Ich mag auch<br />

Jazzmusik, ich mag die ganze Musik. Dann sagen die Kinder zu mir: „Mama, wenn<br />

du noch so könntest, was würdest du heute noch tanzen?“ Dann sag ich: „Rock’n<br />

roll.“ Da lachen sie dann. Die Mama mit den zwei Stöcken.<br />

IP3: Ja wie soll ich sagen, meistens fühle ich mich jünger, als ich bin. Aber es gibt<br />

natürlich Situationen, wo man dann schon ein bisschen zum Nachdenken kommt.<br />

Tja, es lässt sich nicht mehr verleugnen.<br />

IP4: Nein, also fühlen tu ich mich nicht so. Wenn ich darüber nachdenke, dass ich<br />

so alt bin, dann denke ich mir, das kann ja nicht wahr sein. Weil ich ja noch überall<br />

dabei bin. Ich bin be<strong>im</strong> Singen dabei, be<strong>im</strong> Tanzen, bei der Saunagruppe, Mitten<br />

<strong>im</strong> Leben sowieso. Ja, also interessieren tut mich alles. Jeder Kurs eigentlich, der<br />

angeboten wird, hat mich interessiert.<br />

IP5: Ja, das ist je nach dem. Nein, ist nicht das gleiche. Ich habe mit den Händen<br />

sehr zu tun <strong>und</strong> mit den Gelenken. War ich eh am Muttertag, haben sie mich ins<br />

Krankenhaus ein bisschen zum Durchchecken getan. Hinten nach hab ich mir<br />

gedacht, das hat mir gut getan. Ich habe sechs Kinder großgezogen, Haus, wenn<br />

ich auch nicht mit gebaut habe, aber da hat man zum Kochen, zum Putzen, alles.<br />

Oft einmal geht es mir sehr gut, aber oft einmal halt nicht so. Oft fühle ich mich<br />

jünger, oft so alt, wie ich bin.<br />

124


IP6: Ich bin relativ gut beinand, ich brauche keine Tabletten nehmen außer<br />

Kalzium <strong>und</strong> so, aber so fehlt mir nichts. Ich fühle mich schon oft jünger. Mir<br />

kommt nicht vor, dass ich schon so alt wäre.<br />

Interpretation:<br />

Bei dieser Frage bzw. den genannten Antworten wird klar ersichtlich, dass sich<br />

alle durchwegs jünger fühlen, als sie sind, einige sich dann aber doch, situativ<br />

bezogen auf die Tagesverfassung, dem kalendarischen Alter entsprechend oder<br />

älter fühlen. Bei IP2 ist auch eine klare Trennung zwischen körperlichem <strong>und</strong><br />

geistigem Alter festzustellen.<br />

Wie haben Sie das Altwerden/Älterwerden erlebt?<br />

IP1: Ja, das sind halt so Abschnitte von zuerst einmal. Ja, ich weiß nicht. 70 hat<br />

mir weh getan, ich weiß nicht warum. Also vorher eigentlich nicht. 50, 60 das war,<br />

so halt die R<strong>und</strong>en, die man halt so feiert. Das war <strong>im</strong>mer so schön <strong>und</strong> nett <strong>und</strong><br />

lustig <strong>und</strong> gut. Ich weiß nicht, ich hab mir dabei nicht so gedacht. Aber der 70er,<br />

das war so ein Einschnitt. Da hab ich mir gedacht: „Ja um Gottes Willen!“ 70, dann<br />

kommt halt schon irgendwie, tut man sich mit dem Tod konfrontieren. Ja, ich<br />

meine, es sterben Junge, aber doch das Alter ist da <strong>und</strong> man weiß nie. Aber jetzt<br />

passt es wieder. Jetzt werde ich heuer 76. Ich freue mich schon auf den 80er<br />

(lacht). Nein wirklich wahr, jetzt passt das.<br />

IP2: Mein Körper darf alt werden. Aber mein Geist, für den werde ich <strong>im</strong>mer etwas<br />

tun. Weil manche sagen, dass ich so fröhlich bin, du kannst ja 100 Jahre alt<br />

werden. Mir sieht man das ja nicht an Alter ist für mich keine Belastung. Man<br />

muss <strong>im</strong>mer vom innerlichen des Menschen reden. Wir leben alle von dieser Mitte,<br />

jeder Ausländer, alle haben wir dieses göttliche Licht, das ist da drinnen. Das hat<br />

jeder. Es ist nur, was ich damit mache. Ob ich es zudecke, oder ob ich schaue,<br />

dass es frei wird, dass es wachsen kann. Aber haben tut es jeder.<br />

IP3: Eigentlich, nein gar nicht so richtig. Es kommt mir meistens gar nicht so zu<br />

Bewusstsein. Mein Sohn sagt oft, du – der n<strong>im</strong>mt oft wie er es braucht. Oft sagt er,<br />

tu nicht so viel, du bist ja nicht mehr die Jüngste. Und dann, in manchen<br />

Situationen sagt er, du bist ja nicht alt. Also wenn ich halt alleine wohin fahren will,<br />

weiter weg, dann sagt er, das kannst du nicht machen, du bist ja nicht mehr die<br />

Jüngste, was glaubst du denn.<br />

IP4: Ich habe das überhaupt nicht erlebt. Nur durch den Taufschein bin ich meines<br />

Glaubens älter geworden. Aber sonst bin ich noch überall dabei. Ich hätte es nicht<br />

schrecklich wahrgenommen.<br />

IP5: Alt werden ist schön, aber selber sich noch versorgen können. Ja, das war,<br />

<strong>im</strong> 90er Jahr bin ich in Pension gegangen, weil ich eine schwere<br />

Unterleibsoperation hatte <strong>und</strong> dann habe ich eigentlich so richtig mich gefreut, wie<br />

ich Bescheid bekommen habe, dass ich in Pension gehen kann. Das war wie<br />

Weihnachten <strong>und</strong> Ostern zugleich. Ehrlich wahr.<br />

IP6: Ich muss ehrlich sagen, es ist so ruck zuck gegangen. Ich habe zuerst<br />

Zeitung ausgetragen, fast 30 Jahre lang <strong>und</strong> da ist man <strong>im</strong>mer in Bewegung <strong>und</strong><br />

das hat mir eigentlich sehr viel geholfen. Und dann auch durch meine Nachbarn<br />

<strong>und</strong> meine Fre<strong>und</strong>e tun wir viel Radfahren, dann tun wir wandern. Also wir haben<br />

eine sehr gute Nachbarschaft.<br />

125


Interpretation:<br />

Interessanterweise geht hier das Spektrum vom schnellen Altwerden, über das<br />

gefühlte Nicht-Altern, wo zur Best<strong>im</strong>mung der Taufschein zu Rate gezogen<br />

werden muss bis hin zur schmerzvollen Altersgrenze, die <strong>im</strong> besagten Fall mit 70<br />

Jahren genannt wurde (weiterführend wird aber die Freude auf den 80. Geburtstag<br />

erwähnt!). Das Altwerden als solches wird aber prinzipiell als nicht belastend bzw.<br />

sogar schön empf<strong>und</strong>en.<br />

Sind Sie verheiratet (gewesen)?<br />

IP1: Ja (Mann lebt noch, Anm.)<br />

IP2: Witwe<br />

IP3: Witwe<br />

IP4: Ja (Mann lebt noch, Anm.)<br />

IP5: Ja (hat sich <strong>im</strong> Alter scheiden lassen, Anm.)<br />

IP6: Witwe<br />

Haben Sie einen Partner?<br />

IP1: s.o.<br />

IP2: Nein<br />

IP3: Nein<br />

IP4: s.o.<br />

IP5: Nein<br />

IP6: Nein<br />

Interpretation:<br />

In Bezug auf die zwei vorhergehenden Fragen ist aufgefallen, dass der Großteil<br />

(vier von sechs) entweder verwitwet oder aus anderen Gründen allein stehend<br />

sind, alle jedoch verheiratet waren.<br />

Haben Sie (Enkel)Kinder?<br />

IP1: Kinder, Enkel<br />

IP2: 3 Kinder, 7 Enkel, 1 Urenkerl<br />

IP3: 1 Sohn, 2 Enkel<br />

IP4: 4 eigene, teilweise 2 Waisenkinder, teilw. 3 Tageskinder<br />

IP5: 6 Kinder, Enkel<br />

IP6: 2 Kinder, 4 Enkel<br />

Interpretation:<br />

Alle Befragten sind Mütter <strong>und</strong> Großmütter, teilweise sogar Urgroßmutter<br />

126


Leben Sie alleine (Selbstbest<strong>im</strong>mung)?<br />

IP1: Ja (mit Ehemann, Anm.)<br />

IP2: Ja<br />

IP3: Ja<br />

IP4: Ja (mit Ehemann, Anm.)<br />

IP5: Ja<br />

IP6: Ja<br />

Interpretation:<br />

Alle IP leben noch alleine in einem Haus oder in einer Wohnung, zwei davon mit<br />

Ehemann, vier allein stehend, <strong>und</strong> erledigen sämtliche Haushaltstätigkeiten<br />

alleine.<br />

Wie lange nehmen Sie bereits an der MiL-Gruppe teil?<br />

IP1: 10. Jahre. Ja, die 10-Jahresfeier war gerade <strong>im</strong> Frühjahr <strong>und</strong> ich bin eben von<br />

Anfang an dabei.<br />

IP2: 3 Jahre<br />

IP3: Ich weiß nicht mehr, wie lange wir das schon haben, aber von Anfang an. (8<br />

Jahre – Anm.)<br />

IP4: Von Anfang an. Ja, angefangen hat es in Eberstein. Da bin ich schon einen<br />

Kurs in Eberstein gegangen. (8 Jahre – Anm.)<br />

IP5: Aber schon so über zehn Jahre glaube ich. (8 Jahre – Anm.)<br />

IP6: Puh, das weiß ich nicht genau Das kann ich ehrlich auch gar nicht so<br />

genau sagen. Aber ja, das dürfte Ca. zehn Jahre wird das schon her sein. (8<br />

Jahre – Anm.)<br />

Interpretation:<br />

Alle (außer IP2) sind langjährige Teilnehmerinnen <strong>und</strong> von Anfang an dabei.<br />

Aufgefallen ist, dass die wenigsten den genauen Zeitraum der MiL-Teilnahme<br />

genau nennen können – die musste teilweise bei den Gruppenleiterinnen<br />

nachrecherchiert werden.<br />

Nehmen Sie gerne an MiL teil?<br />

Die Antworten auf diese Frage sind dem weiteren Verlauf (auch folgende<br />

Fragestellung) der Auswertung entnehmbar. Auch die Tatsache, dass nahezu alle<br />

(außer IP2) seit Beginn der Gruppengründung über Jahre hinweg teilnehmen,<br />

spricht für eine positive Beantwortung der Frage.<br />

Warum nehmen Sie an der MiL-Gruppe teil?<br />

IP1: Da sag ich: „Ja, ich könnte ohne dem gar nicht mehr sein. Das gehört zu<br />

meinem täglichen Leben dazu.“ Diese 1,5 St<strong>und</strong>en, das ist so aufbauend, weil<br />

<strong>im</strong>mer wieder etwas Neues ist. Wir machen Tänze, Übungen. Und wie Sie wissen<br />

haben wir ja sehr erfolgreich Theater gespielt Ja also, wenn man da dabei ist,<br />

127


dann fühlt man sich da einfach, da fühlt man sich einfach nicht so alt, man ist noch<br />

für etwas zu gebrauchen. Man leistet noch was, man lernt noch was <strong>und</strong> dadurch<br />

steigt auch die <strong>Lebensqualität</strong>. Man ist noch für irgendetwas nützlich. Man ist nicht<br />

für nichts mehr zu gebrauchen. Da wird man so richtig aufgebaut. Das ist einfach<br />

so schön, weil man da etwas tut für sich. Man macht was <strong>und</strong> das trägt auch<br />

Früchte Weil wir sind ja so eine nette Gruppe. Ich weiß nicht, eine besondere<br />

Gruppe. Das ist so eine Gemeinschaft. Wir sind richtig so wie eine Familie.<br />

IP2: Eine ganz w<strong>und</strong>erbare Gemeinschaft, also wirklich. Man kann sagen, der<br />

Faden zieht sich r<strong>und</strong>herum um alle. Und das ist viel wert. Und man bleibt wach.<br />

Man bleibt <strong>im</strong>, am Leben. Man sinkt nicht ab, man wird nicht einsam.<br />

IP3: Weil es <strong>im</strong>mer eine Abwechslung ist <strong>und</strong> man kommt wieder mit lieben<br />

Leuten zusammen <strong>und</strong> es wird doch der Geist wieder mehr angeregt Auf jeden<br />

Fall. Weil ich bin zu Hause doch nur alleine Ja, schon. Da sagen viele, was ich<br />

wieder viel unterwegs bin. Aber was soll ich alleine zu Hause.<br />

IP4: Ja, sowieso. Und erstens man hat auch, ja gut, ich habe eh mit allen Kontakt,<br />

ich darf ja überhaupt nichts sagen. Aber es sind auch andere, die sich ein<br />

bisschen zurückgezogen fühlen <strong>und</strong> für die ist das auch gut, wenn sie ein<br />

bisschen hinaus kommen. Ja, die Gemeinschaft sowieso.<br />

IP5: Und man wird süchtig. Z. B. von einem Wort so wie Faschingsumzug so viel<br />

Wörter von jedem Buchstaben herausfinden. Da habe ich einen Zettel gehabt <strong>und</strong><br />

wenn ich ein Wort gef<strong>und</strong>en habe, habe ich es schon aufgeschrieben. Aber bis<br />

natürlich dann alles schon zum Überschreiben war, war schon viel falsch. Da wird<br />

man direkt süchtig Nein, das brauche ich. Dass man nicht so verfallen wird<br />

Ja, die Gemeinschaft ist ganz wichtig.<br />

IP6: Erstens einmal ist es die Gemeinschaft. Also wir haben eine ganz liebe, nette<br />

Gemeinschaft <strong>und</strong> einfach das Miteinander. Und wenn man oft selber denkt, aha,<br />

<strong>und</strong> der andere erzählt, <strong>und</strong> es sind überhaupt so viele Alte. Und wenn man diese<br />

Leute dann sieht, dann muss man echt zufrieden sein Ja, genau. Und es ist<br />

auch 1,5 St<strong>und</strong>en abschalten, oft dauert es auch länger, das zieht sich <strong>im</strong>mer<br />

etwas länger. Weil wir die Frau Schmied alles fragen können <strong>und</strong> es ist einfach ein<br />

gutes Verhältnis. Alle zusammen.<br />

Interpretation:<br />

Von allen IP wird der gemeinschaftliche Aspekt, das Zusammenkommen in der<br />

Gruppe eindeutig hervorgehoben. Ebenso werden Gründe wie abschalten,<br />

rauskommen, Abwechslung zum Alltag, Leistung <strong>im</strong> Alter, Steigerung der<br />

<strong>Lebensqualität</strong> <strong>und</strong> sogar Suchtverhalten (IP5) genannt.<br />

Wie sind Sie dazu gekommen?<br />

IP1: Ja, die hat da so eine Gruppe gehabt von Pensionistinnen, so zu Kaffee <strong>und</strong><br />

Ding eingeladen, ich weiß nicht wo sie da auch mitgearbeitet hat vor Jahren. Und<br />

dann hat sie durch die Frau Triebelnig erfahren, dass da so etwas <strong>im</strong> Entstehen<br />

ist. Und meine Nachbarin hat gesagt: „Weißt du was, hast du nicht Lust<br />

mitzugehen? Schauen wir uns das an.“ Ja, hab ich gesagt, ich bin dabei.<br />

Irgendwie <strong>im</strong> Alter sollst du dich ja nicht verkriechen, oder nichts mehr machen.<br />

Die Enkel sind auch nicht mehr zum Schauen, weil sie schon erwachsen sind. Und<br />

ich bin mitgegangen. Und bin seit dem voller Eifer <strong>und</strong> Freude dabei.<br />

128


IP2: Das war dann meine Tochter, die bei der AVS arbeitet Sie hat dann die<br />

Frau Mödritscher, die Chefin vom Kath. Bildungswerk hat sie gekannt <strong>und</strong> dann<br />

hat sie halt gefragt. Weil ich habe gesagt, dass ich schon gerne etwas möchte.<br />

Weil oben hat man ja keine Möglichkeit gehabt, wo denn hin. Wo denn, wie denn?<br />

Ich hab da so Nachholbedarf gehabt. Mit so geistigen Sachen. Und der Frau<br />

Mödritscher hat sie dann beschrieben, wie ich so bin. Und dann hat sie gesagt:<br />

„Sie soll gleich kommen, die passt da gut hinein.“<br />

IP3: Ich weiß nicht wo es ausgeschrieben war. Ja, ich glaube, dass das in den<br />

Gemeindenachrichten war, oder wo, das kann ich nicht mehr genau sagen. Aber<br />

ich bin von Anfang an dabei.<br />

IP4: Über M<strong>und</strong>propaganda <strong>und</strong> dann ist es hier herausgekommen. Von Anfang<br />

an. Ja, angefangen hat es in Eberstein. Da bin ich schon einen Kurs in Eberstein<br />

gegangen. Da ist mein Mann zuerst einmal mitgefahren <strong>und</strong> dann hat er gesagt, er<br />

allein als Mann, nein das mag er nicht. Aber er fährt mich hinunter Eben, ja. Und<br />

da hat er gesagt, das mag er nicht. Und dann ist das aber in Kl. St. Paul<br />

herausgekommen. Unten war die Frau Schmied. Ich weiß nicht, ob das jetzt schon<br />

der erste Kurs oder der zweite war, das kann ich nicht genau sagen. Jedenfalls<br />

hab ich in Eberstein angefangen <strong>und</strong> dann von da weg, wie es hier in Kl. St. Paul<br />

war ich halt <strong>im</strong>mer dabei. Das ist von der Gemeinde ausgeschrieben worden.<br />

IP5: Ja. Die Frau Petutschnig Heidi hat mich getroffen <strong>und</strong> dann sagt sie, ob ich<br />

nicht Lust hätte, sie machen jetzt be<strong>im</strong> Pfarrer Mitten <strong>im</strong> Leben. Da tun wir fürs<br />

Gedächtnis was <strong>und</strong> auch für die Bewegung was. Weil wir tun sehr viel fürs<br />

Gleichgewicht. Ich muss der Frau Schmied die größte Anerkennung sagen, was<br />

sie alles macht mit uns, wirklich wahr. Die macht sehr viel. Jetzt haben wir ja<br />

schon vier oder fünf schon vom He<strong>im</strong> auch dabei. Die nur gelähmt sind, aber<br />

geistig noch gut.<br />

IP6: Also wir haben hier einen Postwurf bekommen. Von der Gemeinde. Und dann<br />

dachte ich mir, das schaue ich mir einmal an. Und die Frau Schmied hat mir von<br />

Anfang an getaugt <strong>und</strong> so sind dann <strong>im</strong>mer mehr geworden. Am Anfang war<br />

überhaupt, mein Gott, Gedächtnistraining. Jeder denkt sich, nein, das ist nichts für<br />

mich. Ich weiß eh alles, ich vergesse nichts. Und vor allem sind dann wenig<br />

Männer, Männer haben zum Teil überhaupt kein Interesse, wahrscheinlich schon,<br />

aber sie genieren sich. So ist das.<br />

Interpretation:<br />

Zwei IP wurden via Flugzettel über die veranstaltende Gemeinde informiert. Bei<br />

den restlichen waren dazu motivierende Personen aus dem direkten Umfeld der<br />

Motor, an MiL teilzunehmen.<br />

Was hält Ihr soziales Umfeld davon?<br />

IP1: Jaja, spitze, die sagen: „Spitze Oma.“ Die Töchter überhaupt, die bew<strong>und</strong>ern<br />

mich, haben sie gesagt „Du bist toll.“ Da sag ich: „Ja, ich könnte ohne dem gar<br />

nicht mehr sein. Das gehört zu meinem täglichen Leben dazu.“ Diese 1,5 St<strong>und</strong>en,<br />

das ist so aufbauend, weil <strong>im</strong>mer wieder etwas Neues ist. Wir machen Tänze,<br />

Übungen. Und wie Sie wissen haben wir ja sehr erfolgreich Theater gespielt.<br />

IP2: Die finden das auch super, die Kinder wie die Enkerl.<br />

IP3: Ja die sind <strong>im</strong>mer für solche Sachen, wenn ich so was mache, „Tua lei was<br />

für dich.“<br />

129


IP4: Ja sowieso halten die es für gut. Überhaupt, dass wir was tun. Einöde fahren<br />

wir auch. Jetzt nicht <strong>im</strong> Sommer, weil es so heiß ist <strong>und</strong> weil wir keine Zeit haben,<br />

aber wenn schlechtes Wetter ist, fahren wir hinaus.<br />

IP5: Ja, mah sehr. Die loben nur die Frau Schmied, was die macht. (Eine<br />

Damenst<strong>im</strong>me <strong>im</strong> Hintergr<strong>und</strong>: Auch so viele Bastelarbeiten.) So wie zu Ostern,<br />

da haben wir so w<strong>und</strong>erschöne Sachen gemacht. Oder so Glasschüsseln.<br />

IP6:<br />

Interpretation:<br />

Sämtliche IP (außer IP6, da <strong>im</strong> Interview nicht angesprochen!) erwähnen die<br />

absolut positive Einstellung des sozialen Umfeldes <strong>und</strong> begrüßen, dass gerade <strong>im</strong><br />

Alter „noch etwas für sich getan wird“.<br />

Wie oft treffen Sie sich?<br />

IP1: Wir haben jetzt nicht mehr wöchentlich sondern 14tägig.<br />

IP2: Und alle 14 Tage haben wir das <strong>und</strong> da ist alles Mögliche. Geistige Arbeit,<br />

verschiedene Sachen auflösen, nicht nur Rätsel, verschiedene Wörter oder<br />

Buchstaben, oder Zahlen heraussuchen, Sätze weiterbilden Zwe<strong>im</strong>al <strong>im</strong> Monat.<br />

IP3: Bis vergangenes Jahr war es wöchentlich <strong>und</strong> <strong>im</strong> letzten Winter war es dann<br />

zweiwöchentlich.<br />

IP4: Ja jetzt ist 14tägig Mir ist es gleich. Mir ist es so recht <strong>und</strong> so recht.<br />

IP5: Einmal in der Woche. Immer mittwochs. Wöchentlich. Zehn Mal, dann ist ein<br />

Modul fertig. Das ist von halb neun bis zehn. Aber vor halb elf gehen wir eh nie<br />

Immer wöchentlich.<br />

IP6: Ja, ein Mal in der Woche.<br />

Interpretation:<br />

Vier IP treffen sich 14tägig, zwei jeweils wöchentlich.<br />

Wie ist Ihrer Meinung nach das Altersbild in der Gesellschaft?<br />

- Was halten die Alten von den Jungen?<br />

IP1: Ja, ich meine, man darf nicht alle in einen Topf werfen. Die Jugend ist nicht<br />

schlecht. Die Jugend ist ja für mich arm, weil auf die Jugend kommt ja so viel ein,<br />

das ist ja das Ganze drum herum. Für mich ist halt wichtig, dass ich vorlebe, das<br />

Elternhaus, dass ich weiß, wo bewegt sich mein Kind, mit wem bewegt sich mein<br />

Kind. Und ich meine, dann kann nichts schief gehen. Aber es gibt halt heute so<br />

viele Schlüsselkinder, wo die Eltern ihre Ruhe haben wollen: „Da hast du dein<br />

Geld!“ Und die oft gar nicht wissen, wo sich ihr Kind herumtreibt. Also ich finde die<br />

Jugend Ich war 47 Jahre ehrenamtlich be<strong>im</strong> Roten Kreuz. Und da gibt es auch<br />

Jugendgruppen. Ich sage Ihnen, die sind so lieb, die Mädchen wie die Buben. So<br />

was von hilfsbereit <strong>und</strong> lieb, da könnte man alle drücken. Wirklich wahr. Und ich<br />

sage halt, früher haben sie auch gerauft. Ich weiß noch wie mein Mann erzählt<br />

hat. Sie waren sieben Kinder <strong>und</strong> sie haben auch untereinander oder mit den<br />

Nachbarbuben gerauft. Früher waren halt die Kirchtage <strong>und</strong> auf den Kirchtagen ist<br />

<strong>im</strong>mer gerauft worden. Wir haben zwei Gasthäuser gehabt in Tessendorf <strong>und</strong> da<br />

war <strong>im</strong> August <strong>im</strong>mer der Tessendorfer Kirchtag <strong>und</strong> da haben die Leute schon<br />

130


gewartet, da oben <strong>im</strong> Schloss Annabichl, da hat eine Familie gewohnt, die hat drei<br />

Buben gehabt, so richtige Athleten. Ja wann werden denn diese Buben kommen,<br />

weil dann ist <strong>im</strong>mer gerauft worden. Und das war high life. Irgendwie tut mir die<br />

Jugend leid, weil manche Ich weiß unsere große Tochter ist Frauenberufsschule<br />

gegangen, die fünfjährige, die Mädchen haben gelernt <strong>und</strong> die sind <strong>im</strong>mer zu uns<br />

gekommen. Da waren sechs, sieben Mädchen. Die waren <strong>im</strong>mer alle da. Und da<br />

ist geredet worden, ich in der Mitte drinnen <strong>und</strong> da haben wir einmal Probleme<br />

gewälzt usw. <strong>und</strong> dann haben die Mädchen gelernt. Ich verdamme die Jugend<br />

nicht, weil sie für mich heute arm sind. Man kann nicht sagen, dass die Jugend<br />

heute so schlecht ist. Das ist meine Meinung. Die sind einfach mit so viel<br />

konfrontiert. Mit Drogen <strong>und</strong> dem ganzen Zeug. Das war ja früher nicht. Früher<br />

haben wir auch he<strong>im</strong>lich geraucht, haben wir auch probiert. Gut, heute rauchen sie<br />

halt öffentlich. Und ich sage halt <strong>im</strong>mer, das Elternhaus, da kann man sagen was<br />

man will. Das ist so viel. Freilich ist oft auch, wie sagt man, unter einem Schock<br />

ein Bock, aber die sind nett. Ich sage Ihnen, ich habe noch keine schlechte<br />

Erfahrung gemacht. Wenn manche oft so sagen: „Mah.“ Man sieht das oft alleine<br />

<strong>im</strong> Bus, da ärgere ich mich oft. „A wirst du nicht aufstehen!“ Weil es sind ja die<br />

alten Leute auch schl<strong>im</strong>m. Die keifen die Jugend an. Was ist denn dabei, wenn<br />

jemand sagt: „Mah bitte, könnte ich niedersitzen.“ Wenn der Jugendliche schon<br />

nicht selber aufsteht. Mit welchem Recht pöble ich den an? Der hat mir ja nichts<br />

getan. Nur weil er da sitzt. Man muss die genauso schätzen. Das ist meine<br />

Meinung.<br />

IP2: W<strong>und</strong>erbar, ich liebe die Jugend. Und das sind die Menschen von morgen,<br />

mit denen müssen wir anders umgehen. Nicht so hassen <strong>und</strong> so runter machen.<br />

So wie mir es die jungen klagen, wie die alten Leute mit ihnen umgehen. Das geht<br />

nicht Nein. Und die Menschen die das sagen, <strong>und</strong> ich habe das der Jugend<br />

gesagt. Ich habe gesagt: „Wenn euch wieder alte Leute begegnen die sagen, dass<br />

ihr schuld seid, dass es ihnen so geht.“ Dann sollen sie sagen: „Moment. Wir<br />

haben uns nicht selber auf die Welt gestellt. Wir haben uns auch nicht erzogen.<br />

Wir sind von eurem System geprägt worden. Und Ihr habt das ja gesehen wie es<br />

zugeht. Ich war still, Ihr habt zugesehen <strong>und</strong> habt euch nur die Rosinen<br />

herausgepickt. Jeder für sich. Und Ihr habt nicht gedacht, dass es uns auch noch<br />

gibt. Und jetzt sind wir schuld.“ Und da stärke ich die Jugend: „Sagt ihnen das ins<br />

Gesicht.“ Und wie. Immer. Ich war auch Spiegel der Gesellschaft, weil ich war<br />

die Trotzige, die über den Tellerrand hinausgeschaut hat. Ich war die einzige von<br />

der ganzen Sippe, die überlebt hat. Die anderen sind alle verstorben. Ich bin<br />

alleine. Ganz alleine bin ich übrig geblieben. Wird schon seinen Sinn haben. Und<br />

ich glaube heute ist die Zeit, in meinem Kreis sagen sie <strong>im</strong>mer: „Das ist bei mir<br />

vorbei. Du musst den Menschen sagen, dass es etwas anderes auch noch gibt <strong>im</strong><br />

Alter.“<br />

IP3: Sehr unterschiedlich. Meine zwei Enkel, 26 <strong>und</strong> 23 Jahre <strong>und</strong> die sind so<br />

krasse Gegensätze, obwohl man bei beiden gleich gemeint hat. Die sind aus der<br />

geschiedenen Ehe von meinem Sohn aber kommen eigentlich beide noch zu mir<br />

oder zu uns. Der ältere war ein lieber Bub <strong>im</strong>mer, aber er ist in die falsche<br />

Gesellschaft gekommen <strong>und</strong> ist <strong>im</strong> Drogenmilieu gelandet. Hat voriges Jahr eine<br />

Entwöhnung gemacht, war sicher nicht leicht. Er war ein ¾ Jahr draußen in<br />

Johnsdorf <strong>und</strong> ist wieder hinein gekommen.<br />

IP4: Ja ich habe keine negativen Erfahrungen mit der Jugend, weil ich bin bei der<br />

Jugend auch dabei Erstens war ich schon bei der Landjugend. Da war ich schon<br />

Gründungsmitglied. Wenn dann jetzt von der Landjugend was ist, gehe ich halt<br />

auch. Und dann hat sich jetzt hier in Kl. St. Paul so ein Jugendclub gebildet <strong>und</strong> da<br />

131


war ich auch bei der Einführung einmal dabei. Und wenn jetzt eröffnet wird, dann<br />

bin ich auch dabei. Und dann haben wir eine Theatergruppe, oder zumindest<br />

Faschingssitzung, da sind auch Jugendliche dabei <strong>und</strong> da haben wir auch wieder<br />

ein gutes Verhältnis.<br />

IP5: Die Jugend ist heute wiff, zielstrebig. Ich halte fest an die Jugend. Und die<br />

getrauen sich Ja. So wie mein Enkel, der Hannes, der war 29, da haben wir<br />

<strong>im</strong>mer gesagt, dass er in die Fremde gehen soll. Einmal hinaus probieren. Jetzt ist<br />

er in Karlsruhe, <strong>und</strong> da kann er sich entwickeln. Weil der ist so für die Computer.<br />

Die Programme <strong>und</strong> das. Ich habe mich vor 4 Jahren scheiden lassen. Und ich<br />

bereue keinen Tag. Das hat mich auch seelisch zusammen gehaut. Das hat mich<br />

10 Jahre meines Lebens gekostet. Aber ich habe es geschafft. Deswegen sage<br />

ich, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.<br />

IP6: Ja, ich habe kein Problem damit Es hat bei uns die Jugend gegeben, das<br />

gibt es <strong>im</strong>mer wieder. Es wäre traurig, wenn es nicht so wäre. Das ist von Mensch<br />

zu Mensch unterschiedlich. Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück.<br />

Interpretation:<br />

Bei dieser Frage fällt auf, dass vor allem zwei IP (IP5 & 2) ein höchst positives Bild<br />

von der heutigen Jugend haben. IP 4 spricht von den guten Beziehungen zur<br />

heutigen Jugend <strong>und</strong> gibt in diesem Zusammenhang ein sehr positives Bild<br />

wieder. IP 3 bezieht sich auf ihre zwei Enkel <strong>und</strong> teilt die Jugend in gut <strong>und</strong><br />

schlecht, abhängig vom sozialen Umfeld. IP 1 hat ein eher neutrales bis positives<br />

Bild, spricht von der armen Jugend <strong>und</strong> bezieht sich in diesem Zusammenhang<br />

aber auf die fehlende Vorbildwirkung <strong>und</strong> die alleinige Schuld der Erwachsenen.<br />

IP 6 erwähnt auch die Vorbildwirkung <strong>und</strong> bestätigt ein neutrales Bild von der<br />

heutigen Jugend. In Summe gibt es niemanden, der eine negative Haltung<br />

gegenüber der heutigen Jugend hat <strong>und</strong> wenn diese eher neutraler Natur ist, dann<br />

werden nicht die Jugendlichen per se, sondern die Erwachsenen – <strong>und</strong> das<br />

schließt die IP mit ein - dafür verantwortlich gemacht.<br />

- Was halten die Jungen von den Alten?<br />

IP1: das Märchen beginnt ja: „Es war einmal ein Müller, der hatte eine<br />

w<strong>und</strong>erschöne Tochter.“ Ich habe gesagt: „Wenn Sie das Wort w<strong>und</strong>erschön nicht<br />

erwähnen, dann spiele ich sie.“ Dann fragte sie warum. Ich sagte: „Ja bitteschön,<br />

die Kinder werden sagen, das ist eine alte Frau <strong>und</strong> die sagt .“ Nein, das hat sie nicht getan, weil sie gesagt hat, dass die Kinder<br />

das mit anderen Augen sehen. Und so war es auch. Ich sage Ihnen eine Episode.<br />

Die Kinder die sitzen dann ja auf dem Boden, M<strong>und</strong>, Ohren <strong>und</strong> Augen offen. Und<br />

dann sind zwei Buben vorne gesessen. Und ich dann, wie ich halt dem Boten<br />

sage, er muss mir den Namen bringen, so auf <strong>und</strong> ab gehe, da sagt der eine: „Du,<br />

weißt du was, die schaut aus wie meine Oma, genau so lieb.“ Da hab ich mir<br />

gedacht, schau, die Kinder, die sehen nicht den alten Menschen, dass der da.<br />

IP2: Überhaupt. Deshalb muss man diesen Menschen, den Jungen so begegnen.<br />

Und ich glaube, Ein negatives. Die ganze Gesellschaft, wir sind alle, ob es die<br />

132


Ärzte sind, die Lehrer, die Politiker, in Zukunft wird es ja noch viel mehr Alte<br />

geben. Da sind wir alle daran zu lernen, wie man mit alten Menschen umgeht. Das<br />

können wir alle nicht. Und die ganzen Therapeuten <strong>und</strong> Psychologen, alle sind sie<br />

dran, aber nach der Reihe. Die haben alle nur das Kopfdenken <strong>und</strong> einen<br />

Hausverstand, den haben wir nicht. Man muss aber den alten Menschen auch<br />

anschauen. Und ich habe das nicht brauchen lernen, das habe ich in die Wiege<br />

gelegt bekommen. Ich schaue mir jeden Menschen an. Ich kann sagen, ob es<br />

jemandem gut oder schlecht geht, aber ich kann nicht sagen warum. Die Leute in<br />

meinem Bekanntenkreis haben schon oft etwas gesagt, was ich schon lange in<br />

ihnen gesehen habe. Da hab ich dann gesagt, dass ich das schon lange weiß. Mir<br />

braucht man nichts sagen, ich sehe die Leute, ich höre ihnen zu.<br />

IP3: Nicht <strong>im</strong>mer das BesteIch täte halt sagen, die Vorbildwirkung, die fehlt<br />

Ja, oder auch, es ist ja so Nein. Also so von der Erziehung her, da haben ja<br />

vielfach die Eltern, die Alten falsch gemacht. Keine Konsequenz mehr.<br />

IP4: Ich glaube, das ist aber auf Gegenseitigkeit. Wenn ich auf die Jugend positiv<br />

zugehe dann werden sie positiv zurück reagieren. Wie man in den Wald hineinruft,<br />

so kommt es zurück. Nein, also ich habe kein Problem.<br />

IP5: Ja, meine Enkel haben ein Gutes. Ich sage, sie haben schon einen Respekt.<br />

Natürlich darf man sie nicht ausgrenzen <strong>und</strong> sagen: „Ja die Jungen.“ Wir haben<br />

eine andere Jugend gehabt <strong>und</strong> die haben eben so eine Jugend. Und wenn sie<br />

sagen, die Jugend heute ist verwöhnt, die haben ja nichts was anderes gesehen.<br />

Unsere Hauptspeise war damals Erdäpfel, Kraut <strong>und</strong> Bohnen.<br />

IP6: Ja, es ist auch eine Sache, wie einem die Älteren entgegen kommen. Manche<br />

alten Leute, die sind lieb <strong>und</strong> nett <strong>und</strong> mit denen kann man reden <strong>und</strong> manche, da<br />

heißt es <strong>im</strong>mer nur, ja Ihr.<br />

Interpretation:<br />

IP 1 spricht <strong>im</strong> angegebenen Beispiel von einem defizitorientierten Bild der Kinder<br />

– das sich aber in der Praxis nicht bestätigt hat (ganz <strong>im</strong> Gegenteil). IP 2 & 3<br />

glauben, dass das Bild eher schlecht bzw. negativ ist – ebenso mit Bezug auf die<br />

fehlende Vorbildwirkung der Erwachsenen <strong>und</strong> das gesellschaftlich präsente<br />

Altersbild. Mit Bezug auf ihre Enkel spricht IP 5 von einem positiven Bild<br />

gegenüber den Älteren <strong>und</strong> Alten. IP 4 & 6 beziehen sich wieder auf die<br />

Eigenverantwortlichkeit <strong>und</strong> das vorbildhafte, eigene Zugehen auf die<br />

Jugendlichen.<br />

Phase 3: Fragen zum Thema Bildung <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong> <strong>im</strong> Alter!<br />

Was bedeutet für Sie Bildung?<br />

IP1: Ist schon sehr wichtig. Ich sage <strong>im</strong>mer zu meinem Enkel, der kleine, der<br />

13jährige, der sagt: „Wenn die Schule abbrennen würde!“ oder so. Der mag halt<br />

nicht, er ist nicht schlecht, aber er könnte besser sein. Da sag ich ihm: „Lieber<br />

Stefan, du lernst für dich alleine. Wissen ist Macht. Alles was du weißt kannst du<br />

vielleicht einmal brauchen.“ Also mir taugt das schon, weil man tut ja dann nicht<br />

mehr so, wenn man was liest oder Kreuzworträtsel macht. Aber das ist dann, da<br />

133


sind dann so 1,5 St<strong>und</strong>en so man wirklich geistig gefordert wird. Da muss man<br />

dann schon seine Gehirnhälften anstrengen. Man möchte nicht glauben, aber das<br />

kann man bis ins hohe Alter trainieren. Und man wird besser.<br />

IP2: Sehr. In allererster Linie, ich lerne alle Tage etwas. Ganz wichtig. Es fängt<br />

alles <strong>im</strong> Kopf an. Und ich habe nie Bücher gelesen. Ich bin ein hörender<br />

Mensch, ich gehöre zu diesen Hörenden. Ich habe <strong>im</strong>mer Vorträge oder Seminare<br />

besucht <strong>und</strong> habe eigentlich sehr viel über diese Generation aufgearbeitet, mit<br />

Familienaufstellungen <strong>und</strong> lauter solche Sachen. In diese Richtung.<br />

IP3: Sicher einen großen. Nur, ich möchte mich noch gerne am Computer<br />

weiterbilden, aber das packe ich nicht mehr recht. Die letzten Dienstjahre, wenn<br />

wir unsere Dienstbesprechungen gehabt haben, die Jungen haben <strong>im</strong>mer gefragt,<br />

wann wir endlich Computer bekommen. Und ich hab mir gedacht, hoffentlich<br />

kommt er nicht mehr, so lange ich noch da bin. Ich wollte da nichts zu tun haben<br />

damit. Und dann war ich ein paar Jahre in Pension, da dachte ich mir, da ist man<br />

aufgeschmissen ohne irgendwas. Ich war be<strong>im</strong> Pfarrgemeinderat, ich war bei den<br />

Senioren, überall muss man schreiben <strong>und</strong> es ist keine Schreibmaschine mehr <strong>im</strong><br />

Haus. Dann habe ich zwei Computerkurse gemacht, so viel, dass ich schreiben<br />

konnte am Computer. Und voriges Jahr habe ich dann einen Internetkurs gemacht<br />

<strong>und</strong> da bin ich aber nicht viel weiter gekommen. Ich weiß nicht, liegt das an mir<br />

oder.<br />

IP4: Hat <strong>im</strong>mer einen hohen Stellenwert gehabt. Einen hohen Stellenwert. Und<br />

jetzt habe ich entdeckt, das habe ich eh schon dort der Mama gesagt, um halb<br />

eins zu Mittag ist <strong>im</strong> Bayrischen Planet Wissen. Und da teile ich jetzt so ein, dass<br />

wir entweder vorher noch schnell essen wenn wir von draußen herein kommen,<br />

<strong>und</strong> ich habe schon gekocht, damit ich das schau. Weil das sind so interessante<br />

Sachen. Und auch schade, <strong>im</strong>mer um Mitternacht. Da sind nämlich auch so viele<br />

Sachen. Ich bin be<strong>im</strong> Singen dabei, be<strong>im</strong> Tanzen, bei der Saunagruppe, Mitten<br />

<strong>im</strong> Leben sowieso. Ja, also interessieren tut mich alles. Jeder Kurs eigentlich, der<br />

angeboten wird hat mich interessiert. Das war einmal Italienisch, zum Auffrischen<br />

Englisch, das war auch Schritt für Schritt zum Wohlfühlgewicht, das war einmal<br />

Ernährungsberatung. Das war für mich <strong>im</strong>mer wichtig. Ja, auch an<br />

Seminaren teilzunehmen. <br />

IP5: Bildung ist so, ich habe sehr viel mit meinen Kindern mitgelernt. Und dann<br />

habe ich Enkel geschaut, Aufsatz habe ich <strong>im</strong>mer mit meinem Enkel geschrieben.<br />

Das sagt er oft zu mir, weil ich habe ja schon große Enkel. Und dann mit den<br />

neuen Sachen machen sie einen bekannt. Das ist es. Es war ja schon eine<br />

Umstellung der Fernseher. Dass man nichts machen kann, wenn er auf einmal<br />

nicht mehr geht. Oder be<strong>im</strong> Handy. Ich bin ja nicht so bewandt. Ich habe alle<br />

Kinder eingespeichert, aber so bewandt bin ich nicht.<br />

IP6: Ich habe keine, so gesehen keine Schulausbildung, aber ich tu mich<br />

eigentlich für viele Sachen interessieren. Eigentlich alles, was so passiert.<br />

Interpretation:<br />

Einerseits wird Bildung vielfach mit Schul(aus)bildung <strong>und</strong> Methodenkompetenz<br />

(Computer, Handy, Internet) gleichgesetzt (IP1, IP5, IP6) andererseits ist bei IP 2<br />

<strong>und</strong> IP 4 eine sehr weite Bildungsdefinition erkennbar. IP1 spricht außerdem an,<br />

dass Training <strong>im</strong> hohen Alter effektiv ist <strong>und</strong> man <strong>im</strong>mer besser wird. Vor allem hat<br />

jede IP den hohen Stellenwert von Bildung für sich selber betont. Interessant ist<br />

134


ebenso die Antwort von IP 6, die Bildung anfänglich mit Schulausbildung benennt,<br />

in weiterer Folge aber von vielfältigem Interesse spricht.<br />

Haben Sie den Begriff Lebenslanges <strong>Lernen</strong> schon einmal gehört? Was<br />

bedeutet das für Sie (Zwang vs. Chance)?<br />

IP1: Ist schon sehr ok. Also ich finde, dass ist ganz wichtig. Das ist so wichtig wie,<br />

ich meine, man lässt sich ja so auch nicht gehen. Man kauft sich was zum<br />

Anziehen, auch wenn ich älter bin. Warum soll ich dann nicht auch für meinen<br />

Geist was tun. Ich finde, das ist einfach die <strong>Lebensqualität</strong> steigt dadurch, wenn<br />

man sich dadurch selbstbewusster <strong>und</strong> freier bewegt.<br />

IP2: Ja, absolut. Und wenn ich 100 Jahre alt bin, wenn ich morgen sterbe, dann<br />

werde ich heute noch etwas lernen. Nein, müssen tu ich nicht. Ich will. Muss ist<br />

nicht gut. Ich sage, hört auf mit dem Muss. Diese bekannte Frau, die mag nicht<br />

mehr. Sie sagt: „Ich werde da noch etwas lernen? Das aber wohl nicht.“ Sie ist ein<br />

Jahr jünger als ich. Dann sagt sie: „Und du redest <strong>im</strong>mer nur vom <strong>Lernen</strong>.“ Dann<br />

hab ich gesagt: „Wenn dir das genügt. Aber weißt du, bei mir ist es anders, ich<br />

brauche das.“<br />

IP3: Ja das ist wichtig. Da habe ich in meiner Verwandtschaft <strong>im</strong>mer das<br />

Beispiel vor Augen. Meine Schwiegermutter war eine Bergbäuerin, aber eine sehr<br />

belesene Frau. Und für mich war das überhaupt eine weise Frau. Und der hat man<br />

keine größere Freude machen können, als wenn man ihr irgendwas zu lesen<br />

gebracht hat. War ganz egal ob die Tageszeitung. Wenn man Sonntags<br />

gekommen ist: „A hast du keine Zeitung mit?“ Weil unter der Woche haben sie sie<br />

eh mit der Post bekommen. Oder ob’s die News war oder sonst eine Illustrierte<br />

oder ein Roman, die hat alles gelesen. Und eine Schwester von ihr, eine ihrer<br />

vielen Schwestern, bei der ich auch oft war, das war eine Bäuerin in Zweinitz<br />

droben, der wollte ich auch einmal eine Freude machen mit einem Buch. Ein<br />

He<strong>im</strong>atroman. Die hat mir so lieb gesagt: „Gib das gescheiter der Sophie, die tut<br />

lieber lesen.“ Und diese Tante die ist voriges Jahr <strong>im</strong> Herbst gestorben, nachdem<br />

sie zehn Jahre ein totaler Pflegefall war. Alzhe<strong>im</strong>er, bei der ist das auf einmal so<br />

schnell gegangen. Und die Schwiegermutter, die ist vor drei Jahren gestorben,<br />

war <strong>im</strong> 97. Lebensjahr <strong>und</strong> war bis zum letzten Tag voll da. Ja ich finde, das ist<br />

für mich so ein leuchtendes Beispiel.<br />

IP4: Für mich ist das sicher super. Es ist aber <strong>im</strong>mer freiwillig. Das sagt ihre<br />

Mutter <strong>im</strong>mer, das ist keine Muss-Aufgabe sondern eine Lust-Aufgabe. Und bei<br />

uns ist nicht <strong>im</strong>mer Lust, weil wir nicht <strong>im</strong>mer Zeit haben, dann ist es halt oft nicht<br />

so opt<strong>im</strong>al oder haben es oft einmal gar nicht.<br />

IP5: Ja freilich. Ich habe eh zu spät angefangen. Man sollte schon früher. Aber so<br />

was hat es nicht gegeben. Ich habe sehr viel mit den Kindern mitgelernt. Das<br />

glaubt man gar nicht, wie wichtig die Jugend für einen alten Menschen ist. Das<br />

wissen viele gar nicht.<br />

IP6: Ja. Es ist nur bei uns hier so, dass man so wenig Gelegenheit hat. Weil<br />

Eberstein, wenn ich jetzt in einer Stadt oder wo bin, dann kann ich ja Kurse<br />

besuchen <strong>und</strong> bei uns hier geht das eben nicht. Und wenn irgendwas ist, dann<br />

wird wenig Interesse gezeigt, dann verläuft das wieder <strong>im</strong> Sand.<br />

135


Interpretation:<br />

Der Begriff Lebenslanges <strong>Lernen</strong> ist jeder IP bekannt – <strong>und</strong> wird von jeder positiv<br />

gesehen – es steht hier eher die Chance als der Zwang <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>. Es<br />

werden auch Beispiele von Personen genannt, die sich demgegenüber<br />

verschlossen haben <strong>und</strong> sich dadurch, nach Meinung der IP, deren <strong>Lebensqualität</strong><br />

rapide verschlechtert hat (IP 3, auch IP 2). IP 5 spricht davon, zu spät begonnen<br />

zu haben <strong>und</strong> hebt diesbezüglich die wichtige Rolle jüngerer Generationen hervor.<br />

IP 6 verweist in diesem Zusammenhang auf die eingeschränkten Möglichkeiten <strong>im</strong><br />

ländlichen Raum.<br />

Wo wird in Ihrer MiL-Gruppe der Schwerpunkt gesetzt (eher körperliche<br />

Aktivierung oder geistig-intellektuelle Arbeit)?<br />

IP1: Wir machen Tänze, Übungen. Und wie Sie wissen haben wir ja sehr<br />

erfolgreich Theater gespielt. Also was wir in der Gruppe machen. Also wir<br />

machen von diesen Sachen, wir wärmen uns auf, da machen wir gewisse<br />

Übungen, Gymnastik <strong>und</strong> dann gehen wir ins Geistige über. Schnell denken,<br />

schnell antworten, Sätze bilden usw. <strong>und</strong> dann bekommen wir eben so Bögen, mit<br />

den unmöglichsten Sachen zum Unterstreichen, zum Heraussuchen. Aber es ist<br />

<strong>im</strong>mer nett <strong>und</strong>. <br />

IP2: Geistige Arbeit, verschiedene Sachen auflösen, nicht nur Rätsel,<br />

verschiedene Wörter oder Buchstaben, oder Zahlen heraussuchen, Sätze<br />

weiterbilden. Jeder sagt ein Wort <strong>und</strong> das ein Satz dann herauskommt. Oder<br />

verschiedene Wörter nach dem ABC, eine Stadt, ein Land, einen Namen usw.<br />

Etwas zum Essen, ein Tier usw. Immer so auf diese Art <strong>und</strong> Weise. Aber es ist<br />

jeder von den Teilnehmern ein w<strong>und</strong>erbarer Mensch, jeder einzelne ist eine große<br />

Ergänzung. Es lernt einer vom anderen. Und es ist sehr, sehr lustig <strong>und</strong> wir freuen<br />

uns, wenn wir uns treffen. Auch körperliche. Wie es jeder kann. Nur wie es<br />

jeder kann, was jemand nicht kann, brauch er nicht tun. Und was ihm zu viel ist,<br />

be<strong>im</strong> Schreiben oder so, brauch er nicht tun.<br />

IP3: Verschiedenste Sachen. Denkaufgaben, oder diese Anagramme. Ihre Mutter<br />

sagt dann <strong>im</strong>mer: „Tut’s das bis zum nächsten Mal, soll aber keine Hausaufgabe<br />

sondern eine Lust-Aufgabe sein.“ Wer Lust dazu hat, soll es machen, wer keine<br />

Lust hat, nicht. Sehr abwechslungsreich<br />

IP4: Eigentlich ist es eh mehr geistige Arbeit. Aber auch nur, was man will. Wenn<br />

einer sagt, das interessiert mich nicht. Wenn einer sagt, ich kenne mich da nicht<br />

aus oder so. Erstens kann er fragen, das ist gar kein Problem. Weil da sind auch<br />

Themen, die einen anderen gar nicht interessieren. Nein, Zwang ist keiner<br />

dahinter, das ist alles freiwillig.<br />

IP5: So wie zu Ostern, da haben wir so w<strong>und</strong>erschöne Sachen gemacht. Oder so<br />

Glasschüsseln. Weil wir tun ja auch für das Gleichgewicht, da hat der Herr<br />

Schmied, der ist ja auch so ein richtiger Kamoter, der hat so viereckige Bretter<br />

gehabt, so Spanplatten. Und da hat er ein R<strong>und</strong>holz auseinander geschnitten <strong>und</strong><br />

so hinauf gemacht, dass das r<strong>und</strong>e unten ist. Und da müssen wir<br />

Gleichgewichtsübungen machen. Ja wirklich, geistige <strong>und</strong> körperliche Sachen.<br />

Wir tun überhaupt sehr viel für die Gehirnhälften, links <strong>und</strong> rechts. Mit Musik,<br />

so einen Tanz, <strong>im</strong>mer etwas anderes.<br />

136


IP6: Alles ja. Gymnastik, <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer verschiedene Themen. Z. B. über Ges<strong>und</strong>heit<br />

über alles Mögliche halt. Von Eiern, von Bäumen, von allem halt. Alles was halt<br />

von der Natur, alles. Die Frau Schmied gibt Anregungen <strong>und</strong> wir sagen dann<br />

einfach ja. Oder wenn irgendein Thema ist, das uns interessiert, dann reden wir<br />

halt über das. Oder so Sachen, wo man beide Gehirnhälften einschalten muss,<br />

nicht <strong>im</strong>mer das gleiche. Und dann hat der Herr Schmied uns so ein Viereck<br />

gemacht, so wie die Sportler haben, wo man so balancieren muss. Unterhalb mit<br />

so einem Holz drauf.<br />

Interpretation:<br />

Bei IP 1&2 sowie IP 5&6 scheint die Abwechslung zwischen körperlicher <strong>und</strong><br />

geistiger Tätigkeit gegeben zu sein. IP 5&6 unterstreichen auch noch die kreativen<br />

Akzente in ihrer Gruppe. Bei IP 3&4 wird der Schwerpunkt eher in der geistigen<br />

Arbeit gesehen, beide heben auch die Freiwilligkeit hervor.<br />

Was machen Sie in der Gruppe am liebsten (Gedächtnistraining, körperl.<br />

Aktivitäten, Kompetenztraining)?<br />

IP1:<br />

IP2:<br />

IP3: Ich würde sagen, schon beides. Ja, körperliche <strong>und</strong> geistige Übungen.<br />

IP4: Körperlich gehe ich tanzen, Tanz ab der Lebensmitte. Dann gehe ich auch<br />

Wirbelsäulengymnastik. Also mir wäre es ganz egal, ob mehr geturnt wird oder<br />

weniger. Ich bin mit allem einverstanden. Mir passt es so, wie es ist.<br />

IP5: Nein, das brauche ich, die Abwechslung. Dass man nicht so verfallen wird.<br />

Weil man baut ja ab. Erstens wohne ich alleine <strong>im</strong> Haus, was mir auf der einen<br />

Seite eh nicht schadet, weil man nicht mehr so kann, weil man mehr Ruhe<br />

braucht. Gleichgewichtsübungen, die sind ganz wichtig.<br />

IP6: Muss ich Ihnen ehrlich sagen. Lesen, Rätsel lösen, das ist mein.. Und so halt<br />

auch Radfahren, Stricken. In der Mitten <strong>im</strong> Leben-Gruppe eigentlich alles.<br />

Interpretation:<br />

Während bei IP 1&2 keine Antwort raus zu lesen war, heben restliche IP die<br />

Wichtigkeit beider, körperlicher wie geistiger Arbeit hervor <strong>und</strong> betonen die<br />

Abwechslung.<br />

Haben sich für Sie <strong>im</strong> Rahmen der Teilnahme neue Interessensgebiete<br />

ergeben – Themen, die Sie vorher nicht interessiert haben?<br />

IP1: Also Theater bin ich <strong>im</strong>mer gegangen Nein, gar nichts. Nein, ich habe nie<br />

Theater gespielt Wir machen Tänze, Übungen. Und wie Sie wissen haben wir ja<br />

sehr erfolgreich Theater gespielt.<br />

IP2: Ja, auch. Absolut, absolut. Und sie würden mich auch bei der Theatergruppe<br />

gerne sehen. Da sag ich, dass ich das nicht verantworten kann, ohne Stecken, da<br />

bin ich unsicher. Da kann es passieren, dass ich herfalle auf der Bühne, das<br />

137


möchte ich vermeiden. Wir werden sehen wie es weiter geht. Die Frau Triebelnig<br />

hat ja wieder ein neues Stück geplant.<br />

IP3: Nein, das eigentlich nicht. Aber ich bin z. B. mit ein paar von den St. Paulern<br />

viel näher zusammengerückt, was früher nicht war, weil zwischen Wieting <strong>und</strong> St.<br />

Paul ist <strong>im</strong>mer ein bisschen ein Konkurrenzdenken.<br />

IP4: Nein, weil mich eigentlich <strong>im</strong>mer alles interessiert hat. Muss ich echt sagen.<br />

IP5: Ja, das ist sehr interessant gewesen, einmal durchs Mikroskop zu schauen.<br />

IP6: Ja eigentlich, das muss ich Ihnen sagen, was so passiert oder wenn wieder<br />

etwas Neues ist, da denke ich mir, aha so ist das.<br />

Interpretation:<br />

IP 1&2 sprechen die Theater-Initiative an, wobei IP 1 auch aktiv mitspielt, vorher in<br />

ihrem Leben aber nie als Laienschauspielerin auf der Bühne gestanden ist. IP 2<br />

spielt aufgr<strong>und</strong> körperlicher Gebrechen nicht aktiv mit, ist <strong>im</strong> Rahmen einer<br />

weiteren Produktion aber nicht abgeneigt, auch einen Part zu übernehmen. Für IP<br />

5&6 haben sich neue Interessensgebiete aufgetan. IP 5 verneint die Frage,<br />

ebenso IP 4 – sie verweist diesbezüglich auf ihr ohnehin bereits stark<br />

ausgeprägtes Interessenspotential.<br />

Lesen Sie viel (wenn ja, was – Zeitung, Bücher)?<br />

IP1: Als junges Mädchen habe ich oft die Nächte durchgelesen. Und jetzt, ich weiß<br />

nicht, ich muss mich wieder dazu zwingen. Wenn ich jetzt lese, zehn Seiten, <strong>und</strong><br />

dann kann ich mich nicht so konzentrieren, dann weiß ich nicht, was ich jetzt<br />

gelesen habe. Also momentan, ich werde schon wieder anfangen. Aber ich<br />

lese gerne <strong>und</strong> viel. Da höre <strong>und</strong> sehe ich dann nichts. Aber momentan kann ich<br />

nicht. Tageszeitung, das ist das Erste in der Früh.<br />

IP2: Und ich habe nie Bücher gelesen. Ich bin ein hörender Mensch, ich gehöre zu<br />

diesen Hörenden. Ö1, da aber jeden Tag. Da sind gute Sendungen. Da würde<br />

so mancher etwas lernen dabei. Da bräuchte man gar nicht studieren.<br />

IP3:<br />

IP4: Und zum Lesen komme ich eigentlich wenig. Die Zeitung blättere ich alle<br />

Tage durch <strong>und</strong> teilweise, wenn ich ganz früh aufstehe, lese ich sie durch. Aber<br />

sonst lege ich <strong>im</strong>mer die Artikel auf die Seite, die werde ich einmal lesen, aber<br />

dabei bleibt es dann auch. Freilich haben wir Bücher auch, jede Menge. Man<br />

kauft <strong>im</strong>mer wieder etwas. Also das auf jeden Fall.<br />

IP5:<br />

IP6: Tageszeitung, Radio, Bücher tu ich sowieso lesen. Über alles. Über dieses<br />

<strong>und</strong> jenes. Sachbücher.<br />

Interpretation:<br />

IP 2 liest nicht <strong>und</strong> hat auch nie gelesen – verweist auf das Hören <strong>und</strong> die<br />

auditiven Bildungsaspekte. Auffallend ist, dass lediglich IP 6 viel liest, auch<br />

Bücher, während IP 1 auf die Vergangenheit verweist <strong>und</strong>, wie bei IP 4, die<br />

Tageszeitung <strong>im</strong> lesenden Mittelpunkt steht.<br />

138


Phase 4: Fragen zum Thema <strong>Lebensqualität</strong>!<br />

Wie definieren Sie <strong>Lebensqualität</strong>?<br />

IP1: Ja. Das ist, also, ja Qualität, uns geht es ja heute gut, wenn man so denkt,<br />

wie es in der Welt ist. Die Familie, der Frieden, ist für mich das Um <strong>und</strong> Auf.<br />

Streiten oder Hassen, das sind nicht meine Wörter. Also ein Verstehen, ein<br />

Miteinander, das ist für mich Qualität. Und auch nicht Absacken, dass man jetzt<br />

sagt nein. Teilnehmen am Leben. Sich damit auseinander setzen.<br />

IP2: <strong>Lebensqualität</strong> ist nicht, was du hast, nicht, was du bist, sondern wie bist du<br />

Mensch. Das alleine. Das alleine zählt. Weil Mensch sein heißt, die Liebe leben.<br />

Wenn ich menschlich bin, dann hab ich eine Ehrfurcht nach oben, dann hab ich<br />

ein Ehrfurcht vor den Tieren, vor der Erde eine Ehrfurcht vor dem Menschen <strong>und</strong><br />

vor der Natur. Das geht Hand in Hand weiter.<br />

IP3: Sicherlich ist <strong>Lebensqualität</strong> solange ich alles selber noch machen kann <strong>und</strong><br />

mich bewegen kann ich noch reisen kann. Eine große Reise <strong>im</strong> Jahr habe ich<br />

mir vorgenommen, solange ich kann. Und heuer sind es zwei.<br />

IP4: Ich weiß ja nicht. <strong>Lebensqualität</strong> ist die Mischung alleine dahe<strong>im</strong>, oder, dass<br />

man einigermaßen ges<strong>und</strong> ist. Das ist schon einmal eine <strong>Lebensqualität</strong>. Ich weiß<br />

nicht, mir passt eigentlich alles so wie es ist. Es ist ein bisschen stressig oft<br />

einmal, aber ich glaube das gehört auch dazu.<br />

IP5: Meine <strong>Lebensqualität</strong> ist, wenn in der Familie alles halbwegs in Ordnung ist,<br />

in der ganzen Familie <strong>und</strong> dass alle gerade Glieder haben <strong>und</strong> dass sie arbeitsam<br />

sind. Weil wenn man arbeitet, kommt man <strong>im</strong>mer weiter. Für mich ist das<br />

<strong>Lebensqualität</strong>, wenn ich weiß, die Kinder kommen, ich muss was zum Essen<br />

richten oder etwas backen <strong>und</strong> wir gemütlich zusammensitzen. Weil das gibt mir<br />

viel. Da bin ich ganz ganz. Es ist oft anstrengend, aber ich bin ganz glücklich.<br />

IP6: Wie soll ich das sagen, einfach dass man zufrieden ist. Und dass man ein<br />

Auskommen hat. Das ist es eigentlich.<br />

Interpretation:<br />

Die Definition geht vom klassischen Ges<strong>und</strong>heitsbegriff (IP 4) <strong>und</strong> von<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mung/Selbstständigkeit (IP 3&4) über familiären Zusammenhalt (IP<br />

5&1), Zufriedenheit sowie Auskommen (IP 6) bis hin zu einer interessanten<br />

Definition (IP 2), die die Art <strong>und</strong> Weise, wie man Mensch ist, in den Mittelpunkt<br />

stellt („Mensch sein heißt, die Liebe leben“).<br />

Was bedeutet für Sie gutes/erfolgreiches/ges<strong>und</strong>es/aktives Altern?<br />

IP1: Ja in erster Linie so gut es geht, dass man ges<strong>und</strong> ist. Das, ich meine, ja gut,<br />

Wehwehchen kommen, ja klar mit dem Alter kommt einmal was daher. Aber wie<br />

gesagt, die Ges<strong>und</strong>heit, dass man halt selber noch was tun kann. Das ist für<br />

mich sehr wichtig. Dass man halt nicht so ganz abhängig wird. Dass man Hilfe<br />

braucht. Ich meine, das System ist eh krank bei uns mit dem Alter, weil die Leute<br />

werden älter <strong>und</strong> es ist niemand da dafür, oder viel zu wenig. Weil da heute, wenn<br />

man Altershe<strong>im</strong>, da kann man warten, monatelang, weil man nirgends einen Platz<br />

hat.<br />

139


IP2: Das ist so. Jeder Mensch hat sein Schicksal. Was ich <strong>im</strong>mer getan habe, ich<br />

habe mein Schicksal angenommen, egal was gekommen ist. Ich habe es nicht<br />

verstanden. Ich bin auf dem Boden gelegen <strong>und</strong> habe geweint <strong>und</strong> habe gesagt:<br />

„Ja, ich will es annehmen.“ Und dann konnte ich aufstehen <strong>und</strong> habe auch die<br />

Kraft dazu bekommen. Die Menschen müssen lernen. Da haben <strong>im</strong>mer die<br />

anderen Schuld, ich nehme <strong>im</strong>mer mich her, nie den anderen, mich. Bei mir ist<br />

das so gewesen, wenn ich mit einem Menschen nicht zurecht komme, dann muss<br />

ich bei mir anfangen. Wenn ich diese Schwierigkeiten, wenn ich nicht in der Lage<br />

bin, den Andersdenkenden anzunehmen, man muss <strong>im</strong>mer den Menschen<br />

annehmen <strong>und</strong> anschauen was er kann. Weil mir oft Menschen sagen, mein Gott,<br />

so <strong>und</strong> so. Dann sag ich: „Jetzt haben sie mir nur gesagt, was er nicht kann. Kann<br />

der wirklich sonst nichts?“ Dann sagen sie: „Oja.“ Ja warum erzählen sie denn<br />

nicht das? Ich kann auch nicht alles, habe auch meine Fehler <strong>und</strong> meine<br />

Schwächen, das ist ja normal. Niemand ist perfekt. Ein dreifacher Dr. auch nicht.<br />

Das sagt überhaupt nichts. Hört’s mit den Titeln auf. Mit denen kann ich überhaupt<br />

nicht, was ein Mensch kann, da schau ich ein bisschen weiter.<br />

IP3: Ich bin eigentlich zufrieden. Aber ich denke halt, wenn ich in zehn Jahren<br />

auch noch so zufrieden bin, dann ist sicher ein gutes Altern.<br />

IP4: Aktiv, ja bei mir ist es aktiv.<br />

IP5: Halbwegs ges<strong>und</strong>. Das ist das Wichtigste auf der Welt. Was hilft dir Hab <strong>und</strong><br />

Gut, wenn man nicht ges<strong>und</strong> ist. Ich bin mit dem zufrieden was ich habe. Ich<br />

kann nicht Luftsprünge machen, aber das brauche ich nicht mehr. Gar keine<br />

Sehnsucht nach dem. Für mich ist wichtig, halbwegs ges<strong>und</strong> sein. Dass man noch<br />

selber etwas machen kann. Das ist ja eigentlich das Wichtigste.<br />

IP6: Dass man eigentlich relativ ges<strong>und</strong> ist. Das ist eigentlich das Wichtigste. Und<br />

alles andere kommt mir vor, kommt eh von selber. Weil wenn man, so wie heuer<br />

<strong>im</strong> Feber habe ich mir die Hand gebrochen, eben <strong>im</strong> Altershe<strong>im</strong> oben, ganz dumm<br />

ist da zugegangen. Und dann hab ich eigentlich gesehen, <strong>und</strong> die rechte Hand<br />

auch noch dazu. Und da sieht man erst, wie man gehandicapt ist.<br />

Interpretation:<br />

Auch der Begriff „gutes Altern“ wird, wie erwartet, unterschiedlich definiert: IP<br />

1,5&6 sprechen hier den ges<strong>und</strong>heitlichen Aspekt <strong>und</strong> die Unabhängigkeit <strong>im</strong> Alter<br />

an. IP 3 bringt gutes Altern mit Zufriedenheit in Verbindung, während IP 4 auf sich<br />

selber bezogen vom guten, also aktiven Altern spricht. Interessant ist wiederum<br />

die Antwort von IP 2, die in diesem Zusammenhang auf eine höchst reflektierte<br />

Weise davon spricht, wie wichtig es ihr ist, andere in ihrer Verschiedenartigkeit<br />

wertzuschätzen, das eigene Schicksal anzunehmen <strong>und</strong> daraus Kraft zu schöpfen.<br />

Wie wirkt sich die MiL-Teilnahme auf Ihr Leben, auf Ihre spezifische<br />

Lebenssituation, auf Ihr Umfeld aus? / Was bringt Ihnen die MiL-Teilnahme?<br />

IP1: Diese 1,5 St<strong>und</strong>en, das ist so aufbauend, weil <strong>im</strong>mer wieder etwas Neues ist.<br />

Ja also, wenn man da dabei ist, dann fühlt man sich da einfach, da fühlt man<br />

sich einfach nicht so alt, man ist noch für etwas zu gebrauchen. Man leistet noch<br />

was, man lernt noch was <strong>und</strong> dadurch steigt auch die <strong>Lebensqualität</strong>. Man ist noch<br />

für irgendetwas nützlich. Man ist nicht für nichts mehr zu gebrauchen. Da wird<br />

140


man so richtig aufgebaut. Das ist einfach so schön, weil man da etwas tut für sich.<br />

Man macht was, <strong>und</strong> das trägt auch Früchte.<br />

IP2: Also es ist einfach toll. Ja freuen tut man sich. Wir haben eine Freude, wir<br />

lachen. <br />

IP3: Weil es <strong>im</strong>mer eine Abwechslung ist <strong>und</strong> man kommt wieder mit lieben<br />

Leuten zusammen <strong>und</strong> es wird doch der Geist wieder mehr angeregt. Auf jeden<br />

Fall auch die Gemeinschaft. Weil ich bin zu Hause doch nur alleine.<br />

IP4: Ja sicher, die Gemeinschaft ist schön. Schon alleine wieder die<br />

Gemeinschaft. Und es werden ja auch neue Themen angeschnitten, von ihrer<br />

Mutter, die sie ja auch von den Söhnen her mitkriegt oder angeregt wird. Und da<br />

sind schon auch Sachen dabei, die mich interessieren. Dass es neue Inhalte sind.<br />

So wie jetzt von der Hirnforschung. Das hat sie jetzt schon ein paar Mal gebracht.<br />

Das finde ich ganz gut.<br />

IP5: Ja, die Gemeinschaft ist ganz wichtig. . Wir haben ja einen Zusammenhalt.<br />

Das bringt mir was. Das ist für mich ganz wichtig <strong>und</strong> ich bete zu Gott, dass die<br />

Frau Schmied wieder kann. Ja. Sehr viel. Mir halt zumindest sehr viel.<br />

IP6: Erstens einmal ist es die Gemeinschaft. Also wir haben eine ganz liebe, nette<br />

Gemeinschaft <strong>und</strong> einfach das Miteinander. Und wenn man oft selber denkt, aha,<br />

<strong>und</strong> der andere erzählt, <strong>und</strong> es sind überhaupt so viele Alte. Und wenn man diese<br />

Leute dann sieht, dann muss man echt zufrieden sein. Und es ist auch 1,5<br />

St<strong>und</strong>en abschalten, oft dauert es auch länger, das zieht sich <strong>im</strong>mer etwas länger.<br />

Weil wir die Frau Schmied alles fragen können <strong>und</strong> es ist einfach ein gutes<br />

Verhältnis. Alle zusammen.<br />

Interpretation:<br />

Der gemeinschaftliche Aspekt, das Zusammentreffen von liebgewordenen<br />

Menschen wird von IP 3, 4, 5 & 6 als Hauptgr<strong>und</strong> genannt. Sich freuen <strong>und</strong><br />

miteinander lachen (IP 2), neue Themen <strong>und</strong> Inhalte (IP 4), Anregung von Körper<br />

<strong>und</strong> Geist, <strong>Lernen</strong> <strong>und</strong> Leistung erbringen, Nützlichkeit unter Beweis stellen (IP 1)<br />

<strong>und</strong> die Tatsache, mit anderen zusammen zu sein, die eventuell die eigene<br />

Lebenssituation relativieren (IP 6) sind weiters wichtige Gründe für die MiL-<br />

Teilnahme <strong>und</strong> wirken sich auf das eigene Lebensumfeld positiv aus.<br />

Hat sich Ihre <strong>Lebensqualität</strong> dadurch verändert? Hat sich Ihr<br />

Selbstbewusstsein/Altersbild etcverändert?<br />

IP1: Ja, sie (die <strong>Lebensqualität</strong>, Anm.) hat sich erhöht. Weil ich habe mir das<br />

nie so gedacht. Ich war früher <strong>im</strong>mer so schüchtern, heute können sie mich überall<br />

hinschicken. Ich gehe überall hin <strong>und</strong> ich rede mit den Leuten <strong>und</strong> mit denjenigen.<br />

Früher habe ich mich <strong>im</strong>mer ein bisschen zurückgehalten. Aber das war alles nur<br />

das Mitten <strong>im</strong> Leben. Das hat aus mir das gemacht. Ja, viel, viel<br />

selbstbewusster. Ja, oder man denkt darüber nach, man wirft nicht gleich die<br />

Flinte ins Korn, wenn irgendwas ist. Man kann reden über Probleme. Es lässt sich<br />

ja alles ausreden. Ob man jetzt erwachsen ist, oder jünger, oder älter, man kann<br />

über alles reden. Und dann findet man schon irgendwie einen Weg. Wenn man in<br />

der Mitte zusammenkommt. Das ist sehr viel <strong>Lebensqualität</strong>. Wenn ich da<br />

selbstbewusst bin.<br />

141


IP2: Ja, absolut, <strong>im</strong>mer. Weil das ist hoch interessant. Weil diese Frau Triebelnig<br />

hat ja <strong>im</strong>mer ein anderes Programm, das ist ja nicht <strong>im</strong>mer das gleiche, die gleiche<br />

Leier. Es ist ja <strong>im</strong>mer etwas anderes. Nein, nein, das ist schon gut. Erstens ist<br />

man unter Menschen. Eine ganz w<strong>und</strong>erbare Gemeinschaft, also wirklich. Man<br />

kann sagen, der Faden zieht sich r<strong>und</strong>herum um alle. Und das ist viel wert. Und<br />

man bleibt wach. Man bleibt <strong>im</strong>, am Leben. Man sinkt nicht ab, man wird nicht<br />

einsam. Ja, absolut, absolut, absolut, das Selbstbewusstsein hat sich verstärkt.<br />

Deshalb würde ich jedem raten, nicht so alleine <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer zusammen zu kommen<br />

<strong>und</strong> nicht so diesen Kaffeeklatsch <strong>und</strong> nicht so über die Nachbarn.<br />

IP3: Ja, in mancher Hinsicht schon. Wie soll ich sagen? Man wird doch ein<br />

bisschen aufgeschlossener <strong>und</strong> lockerer. Wenn ich zu viel alleine zu Hause bin,<br />

das mag ich halt nicht so gerne.<br />

IP4: Sicher auch. Man wird auch ein bisschen weitsichtiger, weil man von den<br />

anderen Teilnehmern auch gewisse Sachen hört, wie es ihnen geht. Und dem<br />

einen geht es schlechter, da denkt man wieder, wie gut es einem doch geht.<br />

St<strong>im</strong>mt ja wohl.<br />

IP5: Hat sich verbessert. Und mein geistiger Zustand. Ich bin ja so viel hergefallen.<br />

Maria na, was ich hergefallen bin Gleichgewichtsübungen, die sind ganz wichtig.<br />

Da hat sie so <strong>im</strong> Saal Bänder gepickt <strong>und</strong> nach denen mussten wir gehen. Und<br />

einmal mussten wir so ein Buch, ein Heft halten, balancieren am Kopf. Da war ich<br />

sehr unsicher. Sehr unsicher.<br />

IP6: Ja. Es sind oft so Sachen, die man nicht, <strong>und</strong> es ist so, weil was ich kann, das<br />

brauche ich nicht lernen. Das was ich nicht kann, muss ich tun. Weil was ich kann,<br />

das ist ja kein Problem. Ja, schon, die <strong>Lebensqualität</strong> hat sich verbessert.<br />

Wenn irgendwas, aha das haben wir auch gelernt, das weiß man auch <strong>und</strong> so,<br />

das ist schön. Weil man sich dann mit vielen Sachen auseinandersetzt.<br />

Interpretation:<br />

Auf diese Frage haben alle geschlossen mit ja geantwortet. IP 1 spricht sogar von<br />

einer eklatanten Veränderung <strong>im</strong> selbstbewussten Auftreten, was soziale<br />

Kontaktaufnahme <strong>und</strong> –pflege anbelangt. IP 2 nennt dazu die Gemeinschaft <strong>und</strong><br />

das Der-Vereinsamung-Entgegenwirken, aber auch eine bemerkbare Steigerung<br />

des Selbstbewusstseins. IP 3 wurde durch MiL aufgeschlossener <strong>und</strong> lockerer,<br />

was auch auf ein gesteigertes Selbstbewusstsein zurückgeführt werden könnte.<br />

Für IP 4 hatte MiL Auswirkungen auf die (geistige) Weitsichtigkeit, für IP 6 hat sich<br />

die <strong>Lebensqualität</strong> insofern erhöht, als dass sie es als schön empfindet, durch<br />

viele neue Inhalte <strong>und</strong> Themen den eigenen Horizont zu erweitern – <strong>und</strong> dass sich<br />

das dann <strong>im</strong> Alltag <strong>im</strong>mer wieder bestätigt. IP 5 bezieht sich punkto Steigerung der<br />

<strong>Lebensqualität</strong> auf die merkbare Senkung der Sturzgefahr durch körperliche <strong>und</strong><br />

geistige Aktivierung, was wiederum einen positiven Einfluss auf den Selbstwert<br />

hat.<br />

142


Hat sich Ihre Gedächtnisfähigkeit/Bereitschaft für körperliche Aktivität<br />

verändert?<br />

IP1: Aber das ist dann, da sind dann so 1,5 St<strong>und</strong>en so man wirklich geistig<br />

gefordert wird. Da muss man dann schon seine Gehirnhälften anstrengen. Man<br />

möchte nicht glauben, aber das kann man bis ins hohe Alter trainieren. Und man<br />

wird besser.<br />

IP2:<br />

IP3: Auf jeden Fall nicht schlechter geworden.<br />

IP4: Ach ganz sicher. Ich täte sagen sehr wohl. Ja, man hört ja viele andere<br />

Sachen, die man zu Hause vielleicht gar nicht hätte. Und so wird man vielleicht<br />

doch aufmerksam gemacht. Dann kriegen wir unsere Merkblätter, die müssen wir<br />

ein bisschen ausfüllen usw. Kreuzworträtseln tu ich sowieso. Das ist auch noch<br />

mein Hobby. Wohl, da sind schon Sachen dabei, die einen anregen. Positiv.<br />

IP5: Und mein geistiger Zustand. Ich bin ja so viel hergefallen. <br />

Gleichgewichtsübungen, die sind ganz wichtig. Da hat sie so <strong>im</strong> Saal Bänder<br />

gepickt <strong>und</strong> nach denen mussten wir gehen. Und einmal mussten wir so ein Buch,<br />

ein Heft halten, balancieren am Kopf. Da war ich sehr unsicher. Sehr unsicher.<br />

IP6: Ja, schon. Oft ist das dann halt zu Hause, wenn man länger dahe<strong>im</strong> ist, dann<br />

tut man halt wieder weniger. Das ist es. Und das ist glaube ich überall, weil in der<br />

Gemeinschaft der eine den anderen irgendwie aufstachelt. Der eine will besser<br />

sein als der andere <strong>und</strong> das ist das Ganze.<br />

Interpretation:<br />

IP 5 bezieht diese Frage auf körperliche Parameter <strong>und</strong> bringt die durch<br />

zusätzliche körperliche Aktivierung verminderte Sturzgefahr ein. IP 1, 4 & 6<br />

beziehen sich auf die geistige Ebene <strong>im</strong> Sinne der Gedächtnisfähigkeit <strong>und</strong> stellen<br />

eine merkliche Besserung fest, mit der Bemerkung (IP 1), dass das Training,<br />

entgegen der eigenen Erwartung, bis ins hohe Alter merkliche Verbesserungen<br />

nach sich zieht. IP 3 relativiert mit folgenden, neutralen Worten: „Auf jeden Fall<br />

nicht schlechter geworden.“<br />

Hilft MiL dabei, mit anderen Generationen in Kontakt zu treten?<br />

IP1: Ja <strong>und</strong> man möchte das nicht glauben. Ich war ja dagegen (Anm. Das<br />

Theaterstück). Weil die Frau Triebelnig hat eingeteilt. Sie hat uns gefragt ob wir<br />

uns das vorstellen könnten, dass wir da eben für Kinder, also Omas spielen für<br />

Kinder. <br />

IP2: Ja, das ist es. Die haben ja <strong>im</strong>mer für die Kinder gespielt <strong>und</strong> <strong>im</strong> Altershe<strong>im</strong>.<br />

Die haben das Theater schön oft schon gespielt. Und das ist <strong>im</strong>mer<br />

IP3: Na da sind wir eigentlich zum Großteil, sind ein paar noch ältere dabei, als ich<br />

es bin. Es sind ein paar, die Jüngste dürfte vielleicht zehn Jahre jünger sein als<br />

ich. Äh nein, eigentlich nicht.<br />

IP4: Nein, da weiß ich jetzt aber nichts, dass man da was hätte, konkrete<br />

Initiativen.<br />

IP5: Mit Jüngeren? Nein. Nein, der Kindergarten ist ganz draußen, da müssten<br />

sie durch den ganzen Ort herein mit den Kindern.<br />

143


IP6: Wir sind eigentlich nur unter uns. Es war wohl einmal eine<br />

Theaterveranstaltung. Aber so <strong>im</strong> Großen <strong>und</strong> Ganzen. Die Kindergartenkinder<br />

machen zu Ostern, da gehen sie ins Altershe<strong>im</strong>, aber das ist nur für die<br />

He<strong>im</strong>insassen. Oder Martini. Das ist nur für die He<strong>im</strong>insassen.<br />

Interpretation:<br />

Bei IP 1 & 2 wird der intensive Generationenkontakt über die Theatergruppe<br />

hergestellt <strong>und</strong> auch gelebt. Bei IP 3, 4, 5 & 6 spielt sich über den Kontakt in der<br />

MiL-Gruppe (mit jüngeren <strong>und</strong> älteren TeilnehmerInnen) nichts ab – da gibt es<br />

keine direkten Berührungspunkte mit externen Gruppierungen.<br />

Wie empfinden Sie es, sich mit anderen in der Gruppe zu vergleichen, zu<br />

messen?<br />

IP1: Bei uns ist es nicht so, dass der Eine sagt: „Mah, du bist schon fertig oder so<br />

schnell.“ Der Eine macht es halt schneller <strong>und</strong> der Andere braucht halt ein<br />

bisschen länger. Und dann hilft man dem <strong>und</strong> schaut. Da war, ich habe<br />

gedacht, ich habe Konkurrenz bekommen. Das spornt an. Aber wenn man halt<br />

nicht so schnell ist macht das nichts, man macht das dann halt zu Hause fertig.<br />

IP2: Man lernt einer vom anderen. Es ist hoch interessant. Und jeder bringt etwas<br />

anderes mit ein. Das ist das Interessante an dieser Gruppe.<br />

IP3: Ja auf jeden Fall, es spornt an. Sagen wir meine Nachbarin da oben, die ist ja<br />

auch dabei, die ist zehn Jahre älter als ich, <strong>und</strong> die sagt oft, dass sie aufhören<br />

wird. Das ist eine furchtbar Ehrgeizige <strong>und</strong> wenn sie etwas nicht so kann auf<br />

Anhieb, wie die anderen, dann will sie schon wieder nicht mehr. Also sie will also<br />

eben überall die Erste sein <strong>und</strong> glänzen. Dann sagt sie: „Da komm ich ja nicht<br />

mehr mit.“ Dann sag ich, dass da ja mehrere sind, die nicht so schnell mehr sind<br />

bei best<strong>im</strong>mten Aufgaben, bei einem Anagramm oder be<strong>im</strong> Buchstaben suchen<br />

<strong>und</strong> solche Sachen.<br />

IP4: Ja, sicher ist es auch Ansporn. Ja genau, das mach ich nicht, das passt<br />

mir nicht oder das kann ich nicht. Man muss ja nicht alles können.<br />

IP5: Ich tu dann viel, die Heidi, die ist ja wohl die Jüngste, die Frau Petutschnig,<br />

die ist 63 oder 64. Aber die hat ein gutes Allgemeinwissen. Sie kennt Städte,<br />

überall. Wo unsereiner gar keine Ahnung hat. Ich habe ja nicht so Zeit gehabt zum<br />

Reisen. Bei sechs Kindern. Arbeiten gehen 30 Jahre. Da hat man nicht so Zeit.<br />

Aber von der kann man viel lernen. Was sie alles weiß. Da denkt man <strong>im</strong>mer:<br />

„Mensch, die weiß so viel.“ Oder die Frau Strauß, die weiß auch so viel. Ich sag<br />

<strong>im</strong>mer, unser Omale. Die bew<strong>und</strong>ere ich sehrJa. Also jetzt wenn wir anfangen,<br />

brauche ich best<strong>im</strong>mt eine ganze Sitzung, dass ich wieder hinein komme. Dass<br />

mir manches wieder einfällt. Ich werde mir jetzt wohl wieder die Zungenbrecher<br />

anschauen.<br />

IP6: Ja, <strong>und</strong> am Anfang ist dann so, dass man hilft <strong>und</strong> so. Da habe ich <strong>im</strong>mer<br />

müssen schauen, dass ich besser bin als die anderen. So wie diese Anagramme<br />

<strong>und</strong> so. Da kommt dann so der Spieltrieb heraus. Und dann kommt noch eines,<br />

<strong>und</strong> wieder ist etwas eingefallen.<br />

144


Interpretation:<br />

Bei IP 1, 3, 4 & 6 kommt eindeutig heraus, dass sich der Vergleich mit anderen als<br />

Ansporn <strong>und</strong> Motivation auswirkt. Jedoch wird angemerkt, dass das <strong>im</strong> Rahmen<br />

einer fre<strong>und</strong>schaftlichen Atmosphäre passiert <strong>und</strong> weniger als Konkurrenz<br />

gesehen wird. IP 2 & 5 erwähnen die individuell, von GruppenteilnehmerIn zu<br />

GruppenteilnehmerIn unterschiedlichen Fähigkeiten <strong>und</strong> sprechen von einer<br />

Atmosphäre des gegenseitigen <strong>Lernen</strong>s. IP 3 merkt an, dass sich Personen, die<br />

einen ausgeprägten Ehrgeiz aufweisen, zunehmend schwer tun, altersbedingte<br />

Veränderungen anzunehmen – das kann einer zukünftigen MiL-Teilnahme <strong>im</strong><br />

Wege stehen.<br />

Was ist Ihr größter Traum?<br />

IP1: Heute noch? Wenn ich das jetzt sage. (lacht) Ja, Träume kann man ja haben.<br />

Also ich sage, <strong>im</strong>mer wenn ich noch einmal soviel Geld haben täte, das erste wäre<br />

ein VW. Ich bin ein VW-Narr. Mein Mann hatte diesen mit der hinten geteilten<br />

Scheibe, den Käfer. Das erste Auto meiner Tochter war ein VW Käfer. Ich bin halt<br />

ein VW-Fan. Ach da geht mein Herz auf. Sie haben auch einen. Das wäre außer,<br />

da ist eh ein Traum. Sonst habe ich eigentlich nur, dass wir ges<strong>und</strong> bleiben. Die<br />

Familie vor allem, dass alle ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> zufrieden.<br />

IP2: Mein größter Traum ist, ich lebe gerne <strong>und</strong> wenn es mir der liebe Gott<br />

schenkt, dann möchte ich gerne 100 Jahre alt werden.<br />

IP3: Träume habe ich eigentlich nicht gar so viele gehabt. Aufgewachsen sind wir<br />

sehr sehr bescheiden, <strong>und</strong> ich weiß nicht, für mich war jede Kleinigkeit schon ein<br />

Traum erfüllt. Ich genieße das jetzt so, dass ich mir ein paar Reisen gönnen kann,<br />

dass es mir so gut geht. Schön wäre es halt, wenn man das mit einem Partner<br />

noch genießen könnte, aber das ist leider nicht <strong>und</strong> dann muss man eh eben so<br />

nehmen wie es ist.<br />

IP4: Mein größter Traum ist, dass man alle einigermaßen ges<strong>und</strong> bleiben, dass<br />

die Kinder alle ihr Ziel erreichen be<strong>im</strong> <strong>Lernen</strong> <strong>und</strong> be<strong>im</strong> Studieren <strong>und</strong> dass es<br />

ihnen gut geht. Dass sie einen guten Job kriegen. Also das wäre mein, für mich<br />

brauch ich ja nichts, weil mir geht es eh gut. Dass ich einigermaßen ges<strong>und</strong><br />

bleibe. Oder halt mit ein paar Wehwehchen, das darf man ja haben. Weil sonst<br />

würde man glauben, man ist ewig jung. Sonst wüsste ich eigentlich nichts, weil ich<br />

eh alles habe. Ich habe zum Essen, ich habe zum Trinken, ich habe zum Wohnen,<br />

eine warme Wohnung.<br />

IP5: Mein Traum ist, dass ich halbwegs ges<strong>und</strong> bleibe <strong>und</strong> dass bei den Kindern<br />

alles in Ordnung ist, <strong>und</strong> Enkel. Und dass die Jugend, die nachkommt, noch ein<br />

halbwegs gutes Leben hat. Das ist eigentlich mein Wunsch. Sonst habe ich gar<br />

keinen Wunsch. Und dass man selber auch noch eine Weile kann. Weil es ist so<br />

schön auf der Welt.<br />

IP6: Ähm, jetzt habe ich gerade vor ein paar Tagen gesagt, was ich noch einmal<br />

möchte. Ich möchte noch einmal ein Lavendelfeld sehen. Wo es das in Frankreich,<br />

wo ein ganzes Feld, wo sie diese Lavendelfelder anbauen. So was möchte ich<br />

noch einmal sehen. Weil der größte Traum, den ich hatte, den habe ich mir<br />

schon erfüllt. Das war der Grand Canyon.<br />

145


Interpretation:<br />

IP 2 wünscht sich kurz <strong>und</strong> bündig noch einige Lebensjahre. IP 4, 5 & 1 wünschen<br />

sich neben allem Guten für Kinder <strong>und</strong> Familie ebenso Ges<strong>und</strong>heit. IP 3 würde<br />

den (möglichst ges<strong>und</strong>en) Lebensabend gerne noch mit einem Partner teilen.<br />

Konkrete Wünsche gab es einerseits noch von IP 1, die sich gerne den VW-<br />

Lebenstraum erfüllen würde <strong>und</strong> andererseits von IP 6, die gerne einmal ein<br />

Lavendelfeld sehen würde.<br />

Hilft MiL dabei, diesem Traum einen Schritt näher zu kommen?<br />

IP1: Ja also, wenn man da dabei ist, dann fühlt man sich da einfach, da fühlt man<br />

sich einfach nicht so alt, man ist noch für etwas zu gebrauchen. Man leistet noch<br />

was, man lernt noch was <strong>und</strong> dadurch steigt auch die <strong>Lebensqualität</strong>. Man ist noch<br />

für irgendetwas nützlich. Man ist nicht für nichts mehr zu gebrauchen. Da wird<br />

man so richtig aufgebaut. Das ist einfach so schön, weil man da etwas tut für sich.<br />

Man macht was <strong>und</strong> das trägt auch Früchte.<br />

IP2: Ja. Absolut. Mein Körper darf alt werden. Aber mein Geist, für den werde ich<br />

<strong>im</strong>mer etwas tun. Weil manche sagen, dass ich so fröhlich bin, du kannst ja 100<br />

Jahre alt werden. Mir sieht man das ja nicht an. Lasst mich aufstehen. Wenn ich<br />

sitze, das ist mein Wesen, ich bin fröhlich, ich lache gerne <strong>und</strong> ich singe gerne <strong>und</strong><br />

ich singe noch <strong>im</strong>mer. Wenn die Sendung ist „Kärnten singt <strong>und</strong> spielt“ <strong>im</strong> Radio,<br />

dann singe ich noch <strong>im</strong>mer mit usw. Wenn mir der liebe Gott das schenken würde,<br />

gerne. Aber wenn es nicht ist, nehme ich es auch an. Nicht nur zu Hause sitzen<br />

<strong>und</strong> warten. Das geht nicht. Weil der liebe Gott verlangt auch Arbeit. Vom Feiern<br />

bekommt es niemand. Er verlangt genauso eine Arbeit, genauso. So ist das nicht.<br />

Viel glauben, dass die Taler durch den Kamin fallen <strong>und</strong> man die Schürze nur<br />

aufhalten muss. Das ist es nicht.<br />

IP3:<br />

IP4:<br />

IP5:<br />

IP6:<br />

Interpretation:<br />

Die gegebenen oder auch nicht gegebenen Antworten könnten zusammengefasst<br />

werden: Wenn MiL die <strong>Lebensqualität</strong> steigert <strong>und</strong> körperliche wie geistige<br />

Leistungsfähigkeit erhält bzw. erhöht, dann wirkt sich das förderlich auf die<br />

Ges<strong>und</strong>heit aus – was die Antwort auf nahezu alle Träume, ein weiteres Leben in<br />

bestmöglicher Ges<strong>und</strong>heit betreffend angeht. Auf IP 3 bezogen könnte die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass die MiL-Teilnahme Kontakte zu anderen Menschen (ev.<br />

auch zukünftigen Partnern) erhöht, angemerkt werden – das wirkt sich dann<br />

ebenso förderlich auf die Erfüllung des Traumes aus.<br />

146


Lediglich be<strong>im</strong> Lavendelfeld-Traum <strong>und</strong> be<strong>im</strong> VW-Taum ist die Einflussmöglichkeit<br />

von MiL eher eingeschränkt – ev. kann eine höhere <strong>Lebensqualität</strong> zu<br />

verbesserter Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> längerem Leben beitragen, was wiederum die<br />

Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit der Lavendelfeld-Besichtigung erhöht.<br />

Phase 5: Profil der MiL-Gruppenteilnehmerinnen!<br />

Alter:<br />

IP1: 75<br />

IP2: Ich bin 83.<br />

IP3: Ich werde jetzt 72, <strong>im</strong> August.<br />

IP4: Ich bin jetzt <strong>im</strong> 77. Lebensjahr.<br />

IP5: 76 war ich am 12. Juni.<br />

IP6: Ich werde 67. Am 11. November.<br />

Geschlecht: alle weiblich!<br />

Beruf:<br />

IP1: Hausfrau/Pensionistin<br />

IP2:.Hausfrau/Unternehmerin/Pensionistin<br />

IP3: Hausfrau/Fürsorgerin/Pensionistin<br />

IP4: Hausfrau/Tagesmutter/Pensionistin<br />

IP5: Hausfrau/Reinigungskraft/Pensionistin<br />

IP6: Hausfrau/Zeitungszustellerin/Pensionistin<br />

Dauer der MiL-Teilnahme:<br />

IP1: 10 Jahre<br />

IP2:.3 Jahre<br />

IP3: 8 Jahre<br />

IP4: 8 Jahre<br />

IP5: 8 Jahre<br />

IP6: 8 Jahre<br />

12.2. Generalisierende Analyse <strong>und</strong> Hypothesenbetrachtung<br />

Die <strong>im</strong> Vorfeld der Untersuchung formulierten Hypothesen samt Analyse lauten<br />

wie folgt:<br />

147


• Die MiL-GruppenteilnehmerInnen fühlen sich nicht alt (bzw.<br />

bezeichnen sich nicht als alt bzw. fühlen sich nicht ihrem<br />

kalendarischen Alter entsprechend)!<br />

Die IP sind zwischen 66 <strong>und</strong> 83 Jahre alt <strong>und</strong> haben das Altwerden als solches<br />

positiv empf<strong>und</strong>en - derzeit geht es ihnen gut bis sehr gut. Die Empfindung in<br />

Bezug auf das kalendarische Alter divergiert untereinander schwach, d. h. alle<br />

fühlen sich (derzeit) jünger als sie sind, wobei das situativ abhängig ist. Je nach<br />

Verfassung gibt es Tage, da fühlen sie sich dem kalendarischen Alter<br />

entsprechend, oder sogar älter. Lediglich eine Dame, die als einzige offensichtlich<br />

körperlich eingeschränkt ist (Krücken), trennt stark zwischen körperlichem <strong>und</strong><br />

geistigem Alter <strong>und</strong> umschreibt ihre Empfindung mit dem Adjektiv „sp<strong>und</strong>jung“.<br />

Insofern kann also nur eine Teilverifizierung dieser Hypothese festgestellt werden,<br />

da sie die „schlechten Tage“ außer Acht lässt.<br />

• Die Teilnahme an den MiL-Gruppen fördert nachhaltig den<br />

Gemeinschaftsaspekt (bzw. stillt das Bedürfnis nach Gemeinschaft)!<br />

Diese Hypothese trifft vollkommen zu <strong>und</strong> wird durch die Auswertungsergebnisse<br />

verifiziert. Alle IP erwähnen bei der Frage nach der Begründung deren MiL-<br />

Teilnahme, aber auch bei der Frage, was es denn schlussendlich bringt, den<br />

Gemeinschaftsaspekt <strong>und</strong> das geschlossene Werken <strong>und</strong> Wirken in vertrauter<br />

Atmosphäre, in der ebenso ein Nein, ich will bzw. kann nicht, Platz hat.<br />

• Die Tatsache des Vergleichens, sprich zu sehen, wie sich andere mit<br />

denselben bzw. gleichen Frage- oder Aufgabenstellungen tun, wirkt<br />

sich motivierend aus!<br />

Diese Hypothese trifft ebenfalls vollkommen zu, denn neben dem Aspekt des<br />

gegenseitigen <strong>Lernen</strong>s sprechen die Meisten von Ansporn <strong>und</strong> Motivation durch<br />

den Vergleich mit den Anderen. Das spielt sich <strong>im</strong> Sinne einer konstruktivfordernden<br />

Konkurrenz in fre<strong>und</strong>schaftlicher Atmosphäre ab, in der es möglich ist,<br />

zu seinen vielleicht altersbedingten Unterschieden in der Bearbeitung der<br />

Aufgabenstellungen zu stehen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Der Vergleich mit<br />

den Anderen relativiert oftmals die eigene Situation, indem man sieht, wie<br />

erheblich schlechter es denen geht, <strong>und</strong> spornt zum darüber Nachdenken an.<br />

148


• Die MiL-Teilnehmerinnen haben ein positives Bild von der heutigen<br />

Jugend <strong>und</strong> deren Einstellung gegenüber den Älteren/Alten!<br />

Das Bild der heutigen Jugend, das die MiL-Teilnehmerinnen haben, ist zwar in<br />

keinem Fall negativ, geht aber von einer sehr positiven Haltung bis hin zu einer<br />

neutralen Einstellung. Aufgefallen ist, dass <strong>im</strong> Sinne eines reflektierten Zuganges<br />

zu dem Thema die Jugend als Spiegel der Gesellschaft bezeichnet wird <strong>und</strong> sich<br />

die IP nicht der Eigenverantwortung <strong>im</strong> Sinne einer fehlenden Vorbildwirkung<br />

entziehen.<br />

Ähnlich verläuft es mit der gegensätzlichen Vorstellung, dass die Jugendlichen,<br />

nach Einschätzung der IP, eine durchwegs positive Einstellung gegenüber den<br />

Älteren <strong>und</strong> Alten haben. Hier wird eher ein schlechtes bzw. negatives Altersbild<br />

gezeichnet – ebenso mit Bezug auf die fehlende Vorbildwirkung <strong>und</strong> das<br />

gesellschaftlich präsente Altersbild, was mit der Aussage „Wie man in den Wald<br />

hineinruft, so kommt es zurück“ auf den Punkt gebracht wird.<br />

• Bildung <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong> ist für die MiL-GruppenteilnehmerInnen auch <strong>im</strong><br />

Alter ein wichtiger Aspekt!<br />

In den doch individuell erkennbaren Zugängen zum Bildungsbegriff geht eindeutig<br />

hervor, dass Bildung in all ihren Facetten allen MiL-Teilnehmerinnen wichtig<br />

erscheint. Und diese Wichtigkeit motiviert zur MiL-Teilnahme.<br />

• Für die MiL-Teilnehmerinnen ist der Begriff Lebenslanges <strong>Lernen</strong><br />

nicht nur positiv behaftet!<br />

Ausgangslage für diese Hypothese war die Vorstellung, dass Lebenslanges<br />

<strong>Lernen</strong> auch als Verpflichtung bzw. Zwang ausgelegt werden könnte. Diese hat<br />

sich <strong>im</strong> Laufe der Befragung jedoch eindeutig widerlegt, da der Begriff von allen IP<br />

positiv verstanden wird – in diesem Zusammenhang werden sogar Beispiele von<br />

Menschen genannt, deren <strong>Lebensqualität</strong> sich verschlechtert hat, weil sie sich<br />

dem Lebenslangen <strong>Lernen</strong> als Chance verschlossen haben.<br />

• Die MiL-Teilnahme setzt ein hohes Interesse an Bildungs- <strong>und</strong><br />

Lerninhalten, auch in jüngeren Jahren, voraus!<br />

Aufgr<strong>und</strong> der positiven Haltung gegenüber dem Lebenslangen <strong>Lernen</strong> haben sich<br />

die IP auch in den jüngeren Jahren den Bildungs- <strong>und</strong> Lerninhalten nicht<br />

149


verschlossen. Lediglich eine IP hat bekräftigt, zu spät angefangen zu haben. Die<br />

MiL-Gruppenteilnehmerinnen bezeichnen ihre derzeitige <strong>Lebensqualität</strong> als gut!<br />

• Für die MiL-Teilnehmerinnen ist Ges<strong>und</strong>heit der wichtigste Aspekt von<br />

<strong>Lebensqualität</strong>/von einem „guten Altern“!<br />

In Bezug auf diese Hypothese muss angemerkt werden, dass die Zugänge zum<br />

Thema <strong>Lebensqualität</strong> <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en einem „guten Altern“ weit<br />

differenzierter ausfallen. Für drei IP ist Ges<strong>und</strong>heit zwar wichtig, darüber hinaus<br />

werden aber noch Zufriedenheit, Selbstständigkeit, Unabhängigkeit <strong>und</strong> das<br />

intakte familiäre Umfeld als Indikatoren genannt.<br />

• Die Teilnahme an den MiL-Gruppen beeinflusst die <strong>Lebensqualität</strong><br />

positiv!<br />

Aufgr<strong>und</strong> der eindeutigen Interviewergebnisse kann diese Hypothese verifiziert<br />

werden. Durchwegs alle IP sprechen von einer Verbesserung bzw. positiven<br />

Veränderung ihrer <strong>Lebensqualität</strong> durch die MiL-Teilnahme.<br />

• Die Teilnahme an den MiL-Gruppen stärkt das Selbstbewusstsein!<br />

Diese Hypothese kann angesichts der vorliegenden Ergebnisse auch nur<br />

teilbestätigt werden. Während ein Teil der IP von einer eklatanten Veränderung <strong>im</strong><br />

selbstbewussten Auftreten (soziale Kontaktaufnahme <strong>und</strong> –pflege) <strong>und</strong> einer<br />

bemerkbaren Steigerung des Selbstbewusstseins spricht, nennt der andere ein<br />

zunehmend lockeres <strong>und</strong> aufgeschlossenes Auftreten, was ebenso auf eine<br />

positive Veränderung hinweisen könnte. Ebenso wird in diesem Zusammenhang<br />

die Senkung der Sturzgefahr <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en das selbstbewusstere<br />

„Auftreten“ genannt.<br />

• MiL an<strong>im</strong>iert zur <strong>und</strong> fördert die Kontaktaufnahme zu jüngeren<br />

Generationen!<br />

Da lediglich zwei IP <strong>im</strong> Rahmen der von ihnen inszenierten Theateraufführung von<br />

einem bewussten „in Kontakt treten mit jüngeren Generationen“ sprechen, <strong>und</strong> die<br />

restlichen IP innerhalb der MiL-Gruppe keine direkten Berührungspunkte mit<br />

externen Gruppierungen, egal welcher generationellen Zugehörigkeit, haben,<br />

muss diese Hypothese eindeutig widerlegt werden.<br />

150


13. Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />

In der Kärntner Bildungslandschaft <strong>und</strong> vor allem <strong>im</strong> Bereich des<br />

Lebensbegleitenden <strong>Lernen</strong>s <strong>im</strong> <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong> bietet das Programm „Mitten<br />

<strong>im</strong> Leben – auch <strong>im</strong> Alter lebendig <strong>und</strong> selbstbest<strong>im</strong>mt“ unglaubliche<br />

Möglichkeiten für die betroffene Zielgruppe.<br />

In diesem Zusammenhang sprechen die Interviewergebnisse eine eindeutige<br />

Sprache <strong>und</strong> weisen auf höchst positive Persönlichkeitsentwicklungen hin, die <strong>im</strong><br />

Bereich des „guten Alterns“ <strong>im</strong> Sinne einer möglichst hohen <strong>Lebensqualität</strong><br />

nachhaltige Akzente setzen. Gleichzeitig sind die zur Befragung herangezogenen<br />

Personen mit dem Gesamtprogramm, also auch dem Verhältnis von körperlichen,<br />

geistigen <strong>und</strong> kompetenzorientierten Angeboten sehr zufrieden <strong>und</strong> haben keine<br />

Verbesserungs- bzw. Veränderungsvorschläge.<br />

Was zahlreiche Studienergebnisse bereits belegen, wurde von den MiL-<br />

Teilnehmerinnen auf eindrucksvolle Art <strong>und</strong> Weise bestätigt: In ungezwungener<br />

Atmosphäre kann die Auseinandersetzung mit sich selber <strong>und</strong> mit anderen zu<br />

ungeahnten Fähigkeiten <strong>und</strong> Leistungen beitragen – auch <strong>und</strong> vor allem <strong>im</strong><br />

höheren <strong>und</strong> hohen Alter. Diesbezüglich ist MiL ein Musterbeispiel für ein<br />

prozessorientiertes Bildungsangebot <strong>im</strong> <strong>dritten</strong> <strong>Lebensalter</strong>, das mit<br />

niederschwelligen Anreizen beginnt <strong>und</strong> in ungezwungener Atmosphäre in<br />

Auseinandersetzung mit sich selber <strong>und</strong> anderen eine Prozesslawine auslöst.<br />

Vom Anti-Aging zum Pro-Aging – in Bezug auf diesen gesellschaftlichen<br />

Transformationsprozess, der weg vom Anti-Aging-Gedanken hin zum Pro-Aging<br />

gehen sollte, kann MiL nachhaltige Akzente setzen. Im Sinne des „Alt-werden-<br />

Wollens“ müssen wir zukünftig auch „alt sein wollen“, denn das Eine kommt <strong>im</strong><br />

Sinne eines guten Alter(n)s ohne das Andere nicht aus. Gutes Altern heißt eigene<br />

Defizite wahr- <strong>und</strong> annehmen, <strong>im</strong> Rückblick summa summarum eine positive<br />

Bilanz ziehen <strong>und</strong> mit einem ausgeprägten Selbstwertgefühl, einem überzeugtkonstruktiven<br />

Selbstbild <strong>und</strong> überwiegend positiver Einstellung in die Zukunft zu<br />

blicken.<br />

151


Wenn es zukünftig gelingt, ein positives Selbstbild bei den älteren <strong>und</strong> alten<br />

Menschen zu festigen - <strong>und</strong> da gibt MiL wichtige Impulse - dann wird es<br />

weiterführend auch gelingen, das Alter(n)sbild in der Gesellschaft zum Positiven<br />

zu transformieren. Oder muss sich zuerst das gesellschaftliche Bild verändern, um<br />

<strong>im</strong> Alter eine positivere individuelle Ansicht <strong>und</strong> Einschätzung der eigenen<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten, ja der eigenen Persönlichkeit als solches?<br />

Von welcher Seite auch <strong>im</strong>mer dieser konstruktive <strong>und</strong> für die zukünftige<br />

Entwicklung der Generationen verbindenden Beziehungen unumgängliche<br />

Transformationsprozess auch ausgehen muss – Fakt ist, dass es so schnell als<br />

möglich passieren sollte <strong>und</strong> in diesem Hinblick solche Programme mit deren<br />

extraordinären Entwicklungen, wie es <strong>im</strong> Speziellen MiL-Gruppen zeigen,<br />

zukünftig massiv gefördert <strong>und</strong> unterstützt werden sollten.<br />

Da stellt sich natürlich auch die Frage der politischen Anteilnahme, sprich<br />

Finanzierung bzw. Co-Finanzierung solch zukunftsträchtiger Projekte. Derzeit<br />

beteiligt sich das Land mit einem geringen Anteil an den TeilnehmerInnenkosten,<br />

die <strong>im</strong> Rahmen der „Ges<strong>und</strong>en Gemeinden“ für die Teilnehmenden halbiert<br />

werden – ein Tropfen auf dem heißen Stein? Angesichts der positiven<br />

(Aus)Wirkung von MiL auf die Teilnehmenden mehr als das, zumal die zukünftige<br />

finanzielle Unterstützung aufgr<strong>und</strong> der miserablen Kärntner Finanzlage in den<br />

Sternen steht.<br />

Aber auch die Katholische Kirche ist am Sparen <strong>und</strong> kürzt Budgets <strong>im</strong> Rahmen<br />

von Umstrukturierungen <strong>und</strong> scheinbar notwendigen Maßnahmen – auch hier<br />

stellt sich die Frage, wie sich die finanzielle Zukunft einer leistbaren<br />

Erwachsenenbildung für ältere <strong>und</strong> alte Menschen entwickeln wird. Nicht nur<br />

aufgr<strong>und</strong> der von Experten prognostizierten explodierenden Kostendynamik <strong>im</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsbereich, sondern <strong>und</strong> vor allem auch aufgr<strong>und</strong> der Menschlichkeit<br />

bleibt auf jeden Fall zu hoffen, dass solche zukunftsträchtigen <strong>und</strong><br />

gesellschaftspolitisch höchst relevanten Programme nicht der kirchlichen wie<br />

politischen Kurzsichtigkeit zum Opfer fallen.<br />

152


14. Literaturverzeichnis<br />

Bücher/Sammelbände:<br />

ADLER, Georg/GUTZMANN, Hans/HAUPT, Martin/KORTUS, Rainer/WOLTER,<br />

Dirk K. (Hrsg.): Seelische Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter. Depression –<br />

Demenz – Versorgung. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, 2009<br />

AMANN, Anton/EHGARTNER, Günther/FELDER, David: Sozialprodukt des Alters<br />

– Über Produktivitätswahn, Alter <strong>und</strong> <strong>Lebensqualität</strong>. Wien, Köln, We<strong>im</strong>ar: Böhlau<br />

Verlag, 2010<br />

ATTESLANDER, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin, New<br />

York: Verlag de Gruyter, 1993, 7 bearb. Auflage<br />

Bistum Aachen (Hrsg.): Weiterbildung <strong>im</strong> Alter. Neuwied. Kriftel. Berlin: Hermann<br />

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BORSCHEID, Peter/BAUSINGER, Hermann/ROSENMAYR, Leopold u. a.: Die<br />

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DAMMANN, Rüdiger/GRONEMEYER, Re<strong>im</strong>er: Ist Altern eine Krankheit? Wie wir<br />

die gesellschaftlichen Herausforderungen der Demenz bewältigen. Frankfurt/Main:<br />

Campus Verlag GmbH, 2009<br />

ERLINGHAGEN, Marcel/HANK, Karsten (Hrsg.): Produktives Altern <strong>und</strong> informelle<br />

Arbeit in modernen Gesellschaften. Theoretische Perspektiven <strong>und</strong> empirische<br />

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ERNST, Heiko: Weitergeben! Anstiftung zum generativen Leben. Hamburg:<br />

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EVERS, Ralf: Alter-Bildung-Religion. Eine subjekt- <strong>und</strong> bildungstheoretische<br />

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FRIEDAN, Betty: Mythos Alter. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Verlag GmbH,<br />

1995<br />

GIRTLER, Roland: Methoden der qualitativen Sozialforschung. Wien, Köln, Graz:<br />

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GRUBER, Elke/KASTNER, Monika/BRÜNNER, Anita/HUSS, Susanne/KÖLBL,<br />

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trifft Praxis. Klagenfurt/Celovec: Hermagoras/Mohorjeva, 2007<br />

HEYE, Uwe-Karsten: Gewonnene Jahre – Oder die revolutionäre Kraft der<br />

alternden Gesellschaft. München: Karl Blessing Verlag, 2008, 1. Auflage<br />

HIMMELSBACH, Ines: Altern zwischen Kompetenz <strong>und</strong> Defizit – Der Umgang mit<br />

eingeschränkter Handlungsfähigkeit. Wiesbaden: VS Verlag für<br />

Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, 2009<br />

HOFFMANN-GABEL, Barbara: Bildungsarbeit mit älteren Menschen. Themen,<br />

Konzepte <strong>und</strong> praktische Durchführung. München: Verlag Ernst Reinhardt GmbH<br />

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JANSEN, Birgit/KARL, Fred/RADEBOLD, Hartmut/SCHMITZ-SCHERZER,<br />

Reinhard (Hrsg.): Soziale Gerontologie. Ein Handbuch für Lehre <strong>und</strong> Praxis.<br />

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KADE, Sylvia: Selbstorganisiertes Alter – <strong>Lernen</strong> in reflexiven Milieus. Bielefeld:<br />

W. Bertelsmann Verlag, 2001<br />

KADE, Sylvia: Altern <strong>und</strong> Bildung - Eine Einführung. Bielefeld: W. Bertelsmann<br />

Verlag GmbH & Co. KG, 2007<br />

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KAISER, Heinz Jürgen (Hrsg.): Autonomie <strong>und</strong> Kompetenz. Aspekte einer<br />

gerontologischen Herausforderung. Münster: LIT, 2002<br />

KARL, Fred (Hrsg.)/TOKARSKI, Walter: Bildung <strong>und</strong> Freizeit <strong>im</strong> Alter. Bern,<br />

Göttingen, Toronto: Verlag Hans Huber, 1992, 1. Auflage<br />

KERKHOFF, Engelbert (Hrsg.): Selbstbest<strong>im</strong>mtes Alter(n). Denkanstösse <strong>und</strong><br />

Perspektiven aus Forschungs-, Entwicklungsvorhaben, <strong>und</strong> Praxis. Band 22.<br />

Mönchengladbach: FHN, 1999<br />

KLINGENBERGER, Hubert: Ganzheitliche Geragogik. Ansatz <strong>und</strong> Thematik einer<br />

Disziplin zwischen Sozialpädagogik <strong>und</strong> Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn:<br />

Klinkhardt, 1992<br />

KNAPP, Gerald/SPITZER, Helmut (Hrsg.): Altern, Gesellschaft <strong>und</strong> Soziale Arbeit.<br />

Lebenslagen <strong>und</strong> soziale Ungleichheit von alten Menschen in Österreich.<br />

Klagenfurt/Celovec – Ljubljana/Laibach – Wien/Dunaj: Hermagoras<br />

Verlag/Mohorjeva založba, 2010<br />

KOLLAND, Franz: Bildungschancen für ältere Menschen: Ansprüche an ein<br />

gelungenes Leben. Wien: LIT-Verlag, 2005<br />

KOTRE, John: Lebenslauf <strong>und</strong> Lebenskunst: Über den Umgang mit der eigenen<br />

Biographie. Wien, München: Carl Hanser Verlag, 2001<br />

KRÄTZL, Helmut: Geschenkte Zeit: Von der Kunst älter zu werden. Innsbruck:<br />

Tyrolia Verlagsanstalt, 2007, 3. Auflage<br />

KREIMER, Reinhard: Faszination Altern. Gelingender Lebensabend durch<br />

Ressourcenopt<strong>im</strong>ierung. Münster: Waxmann Verlag GmbH, 2010<br />

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KRUSE, Andreas: Weiterbildung in der zweiten Lebenshälfte: Multidisziplinäre<br />

Antworten auf Herausforderungen des demografischen Wandels. Bielefeld: W.<br />

Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, 2008<br />

KRUSE, Andreas/WAHL, Hans-Werner: Zukunft Altern – Individuelle <strong>und</strong><br />

gesellschaftliche Weichenstellungen. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag,<br />

2010<br />

LAMNEK, Siegfried: Qualitative Sozialforschung; Band 2: Methoden <strong>und</strong><br />

Techniken.. Weinhe<strong>im</strong>: Psychologie Verlags Union, 1995, 3. korrigierte Auflage<br />

LASLETT, Peter: Das Dritte Alter. Historische Soziologie des Alterns. Aus dem<br />

Engl. übersetzt <strong>und</strong> mit einer Einf. von Axel Flügel. Weinhe<strong>im</strong>, München: Juventa-<br />

Verlag, 1995<br />

LEHR, Ursula: Psychologie des Alterns. Wiesbaden: Quelle <strong>und</strong> Meyer, 1996, 8.,<br />

überarb. Auflage<br />

LIKAR, Rudolf/BERNATZKY, Günther/PIPAM, Wolfgang/JANIG, Herbert/SADJAK,<br />

Anton (Hrsg.): <strong>Lebensqualität</strong> <strong>im</strong> Alter – Therapie <strong>und</strong> Prophylaxe von<br />

Altersleiden. Wien: Springer-Verlag, 2005<br />

MAYRING, Philipp: Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinhe<strong>im</strong>,<br />

Basel: Beltz Verlag, 2002, 5. überarb. Auflage<br />

MARESCH, Margarete: Erfolgreiches Alter(n) als Lebensaufgabe. Linz: Trauner<br />

Druck GmbH & Co KG, 2006<br />

OTTO, Ulrich (Hrsg.): Partizipation <strong>und</strong> Inklusion <strong>im</strong> Alter – Aktuelle<br />

Herausforderungen. Jena: IKS Garamond, 2005<br />

PASERO, Ursula/BACKES, Gertrud M./ SCHROETER, Klaus R. (Hrsg.): Altern in<br />

Gesellschaft. Ageing – Diversity – Inclusion. Wiesbaden: VS Verlag für<br />

Sozialwissenschaften, 2007<br />

156


PETERS, Meinolf: Die gewonnenen Jahre – Von der Aneignung des Alters.<br />

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co KG, 2008<br />

PÖPPEL, Ernst/WAGNER, Beatrice: Je älter desto besser. Überraschende<br />

Erkenntnisse aus der Hirnforschung. München: Gräfe <strong>und</strong> Unzer Verlag GmbH,<br />

2010<br />

ROSENMAYR, Leopold: Schöpferisch Altern. Eine Philosophie des Lebens. Wien:<br />

LIT Verlag GmbH & Co. KG, 2007<br />

ROSENMAYR, Leopold/BÖHMER, Franz (Hrsg.): Hoffnung Alter. Forschung,<br />

Theorie, Praxis. Wien: WUV-Universitätsverlag, 2003<br />

RUHLAND, Renate: Sinnsuche <strong>und</strong> Sinnfindung <strong>im</strong> Alter als geragogische<br />

Herausforderung. Berlin: LIT Verlag, 2006<br />

SCHIRRMACHER, Frank: Das Methusalem-Komplott. München: Karl Blessing<br />

Verlag GmbH, 2004<br />

SCHIRRMACHER, Frank: Min<strong>im</strong>um – Vom Vergehen <strong>und</strong> Neuentstehen unserer<br />

Gemeinschaft. München: Karl Blessing Verlag, 2008, 1. Auflage<br />

SCHRÖDER,Helmut/GILBERG, Reiner: Weiterbildung Älterer <strong>im</strong><br />

demographischen Wandel – Empirische Bestandsaufnahme <strong>und</strong> Prognose.<br />

Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, 2005<br />

SIMON, Gertrud/HARING, Solveig: Altern als Herausforderung. Band 1: Soziale<br />

Teilhabe <strong>und</strong> Integration älterer Menschen. Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft<br />

für Sozialplanung <strong>und</strong> Sozialforschung Steiermark, Band 6. Graz: Leykam, 1999<br />

STAIGER, Horst: Altenbildung. Bedingungen <strong>und</strong> Grenzen organisierter<br />

Bildungsprozesse <strong>im</strong> Alter. Regensburg: S. Roderer Verlag, 1994, 2. Auflage<br />

157


STUART-HAMILTON, Ian: Die Psychologie des Alterns. Reinbeck bei Hamburg:<br />

Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1994<br />

TEUSEN, Gertrud: Höchste Zeit darüber zu sprechen! 30 heikle Fragen, die Sie<br />

Ihren alten Eltern schonlange mal stellen wollten. Stuttgart: Verlag Kreuz GmbH,<br />

2008<br />

VOGES, Wolfgang: Soziologie des höheren <strong>Lebensalter</strong>s. Eine Einführung in die<br />

Alterssoziologie <strong>und</strong> Altenhilfe. Augsburg: Maro Verlag, 1996, 4. Auflage<br />

WAHL, Hans-Werner/HEYL, Vera: Gerontologie – Einführung <strong>und</strong> Geschichte.<br />

Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, 2004<br />

WAHL, Hans-Werner/MOLLENKOPF, Heidrun: Alternsforschung am Beginn des<br />

21. Jahrh<strong>und</strong>erts. Alterns- <strong>und</strong> Lebenslaufkonzeptionen <strong>im</strong> deutschsprachigen<br />

Raum. Berlin: Akademische Verlagsgesellschaft AKA GmbH, 2007<br />

WITTERSTÄTTER, Kurt: Soziologie für die Altenarbeit. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau:<br />

Lambertus-Verlag, 1999, 12. überarbeitete u. ergänzte Auflage<br />

158


Zeitschriften:<br />

Aktiv Altern: Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Vorschläge für politisches Handeln. Ein<br />

Beitrag der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (World Health Organisation) für die<br />

Zweite UN-Weltversammlung zu Altersfragen, Madrid, Spanien, April 2002<br />

ÄLTER WERDEN – LEBEN GEWINNEN: Sommerakademie der Katholischen<br />

Männerbewegung: 18. Sommerakademie, Bad Tatzmannsdorf, Juli 2004<br />

ERNST, Heiko: Generativität: Die Aufgabe der zweiten Lebenshälfte. In:<br />

Psychologie Heute compact, Heft 20: Älterwerden – Gelassener Leben, zu sich<br />

selbst finden, die Früchte Ernten. Weinhe<strong>im</strong>: Julius Beltz GmbH & Co. KG, 2008,<br />

S. 12 - 16<br />

FINDEKLEE, Antje: In die Jahre gekommen – Alterungsbetrachtung auf neuen<br />

Wegen. In: Spektrum der Wissenschaft – Dossier 4/08: H<strong>und</strong>ert Jahre <strong>und</strong> mehr?<br />

Gehe<strong>im</strong>nisse eines langen Lebens. Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft<br />

Verlagsgesellschaft mbH, 4/2008, S. 81 - 82<br />

ILLER, Carola/WIENBERG, Jana: „Ältere“ als Zielgruppe in der<br />

Erwachsenenbildung oder Ansätze einer Bildung in der zweiten Lebenshälfte? In:<br />

Magazin Erwachsenenbildung.at. Norderstedt: Books on Demand GmbH.<br />

Ausgabe 10/2010, S. 16 – 24<br />

Interdisziplinäres Glossar „Geriatrie <strong>und</strong> Gerontologie in Österreich“.<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Ges<strong>und</strong>heit, Sektion II. Wien: Druckstelle des BMF, 2009<br />

JAEGGI, Eva: „Erfolgreich altern heißt nicht, die Altersgrenze hinauszuschieben.“<br />

In: Psychologie Heute compact, Heft 20: Älterwerden – Gelassener Leben, zu sich<br />

selbst finden, die Früchte Ernten. Weinhe<strong>im</strong>: Julius Beltz GmbH & Co. KG, 2008,<br />

S. 18 - 21<br />

Jahresbericht: Katholisches Bildungswerk Kärnten, 2004<br />

Jahresbericht: Katholisches Bildungswerk Kärnten, 2008<br />

159


Jahresbericht: Katholisches Bildungswerk Kärnten, 2009<br />

KRUSE, Andreas: Der Beitrag der Erwachsenenbildung zur Kompetenz <strong>im</strong> Alter.<br />

In: Sammelband 2001 – Zeitschrift für Erziehungswissenschaft: Ausgabe 4.<br />

Schwerpunkt: Alter. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2001, S. 555<br />

- 576<br />

Statuten des Vereins Katholisches Bildungswerk für Kärnten, 2006<br />

VAUPEL, James W./HOFÄCKER, Dirk: Das lange Leben lernen. In: Zeitschrift für<br />

Erziehungswissenschaft – Schwerpunkt: Bildung <strong>und</strong> Aging. Wiesbaden: VS<br />

Verlag für Sozialwissenschaften, 3. Vierteljahr 2009, S. 383 – 409<br />

160


Internetquellen:<br />

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http://www.bmas.de/portal/18532/property=pdf/aktives_altern_active_ageing.pdf,<br />

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http://www.geo.de/GEO/mensch/medizin/692.html, 06. 02. 2011<br />

BECKER, Martin: „Alter als Gegenstand <strong>und</strong> methodische Herausforderung der<br />

Sozialen Arbeit“, 2006. URL: http://www.organisationsentwicklungbecker.de/pdf/Altern%20als%20Gegenstand%20<strong>und</strong>%20Herausforderung%20Soz<br />

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http://science.orf.at/stories/1634438/, 05.06.2011<br />

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http://www.eurydice.org/portal/page/portal/Eurydice/schowPresentation?pubid=01<br />

8DE, 04.12.2006<br />

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Abteilung V/E/18 – Erwachsenenbildung, 2001. URL:<br />

http://www.app.bmbwk.gv.at/medien/11402-PDFzuPubID451.pdf, 04.12.2006<br />

FRANK, Irmgard: Berufliche Bildung als Chance für lebensbegleitendes <strong>Lernen</strong>,<br />

2004; URL:<br />

http://www.bibb.de/dokumente/pdf/Vortrag_BadBoll_frank_040515.pdf, 06.07.2011<br />

GRUBER, Elke: Schöne neue Bildungswelt?! Bildung <strong>und</strong> Weiterbildung in Zeiten<br />

gesellschaftlichen Wandels. URL: http://www.uniklu.ac.at/ifeb/eb/schoene%20neue%20bildungswelt.pdf,<br />

23. 05. 2010<br />

161


GRUBER, Elke: Professionalisierung in der Erwachsenenbildung: Zwei Schritte<br />

vorwärts, einer zurück? URL: http://www.uniklu.ac.at/ifeb/eb/Professionalisierung.pdf,<br />

26. 05. 2010<br />

Homepage Pensionistenverband Österreichs. URL:<br />

http://www.pvoe.at/?pid=33&id=1377, 05.06.2011<br />

HÖEPFLINGER, Francois: Gerotranszendenz <strong>und</strong> Generativität <strong>im</strong> höheren<br />

<strong>Lebensalter</strong> – neue Konzepte für alte Fragen. 2002. URL:<br />

http://www.hoepflinger.com/fhtop/fhalter1M.html, 03. 06.2011<br />

KOWATSCH, D./MITTENDORF, M./WRIESSNIK, K.: Ges<strong>und</strong>heitspsychologie<br />

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05. 2011<br />

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http://www.erwachsenenbildung.at/services/publikationen/lll_archiv/TagungLLL_La<br />

ssnigg.pdf, 04.02.2007<br />

Medical Tribune: Biologisches <strong>und</strong> kalendarisches Alter: das sind zwei Paar<br />

Schuhe, 2007. URL: http://extranet.medicaltribune.de/volltext/PDF/2007/MTD_Onko/04_MTDOnko/MTDOnko_04_S04.pdf,<br />

03.05.2011<br />

MiL-Projektbeschreibung, 2011 – via Mail von Projektinitiatorin am 02.06.2011<br />

OBERMÜLLER, Eva: Glücklich <strong>und</strong> zufrieden ab 50. URL:<br />

http://science.orf.at/stories/1648145/, 05.06.2011<br />

OSWALD, Wolf D./RUPPRECHT, Roland/HAGEN, Bernd: Bedingungen der<br />

Erhaltung <strong>und</strong> Förderung von Selbständigkeit <strong>im</strong> höheren <strong>Lebensalter</strong> (SIMA).<br />

SIMA-50+ in Stichworten. 2007, 13. Auflage. URL: http://www.s<strong>im</strong>aakademie.de/pdfs/SIMA-50+_in_Stichworten_2-2007.pdf,<br />

24.06.2011<br />

162


SCHULZ, Frederick in: Magazin erwachsenenbildung.at: Erwachsenenbildung als<br />

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http://erwachsenenbildung.at/magazin/11-13/meb11_13.pdf, 24.06.2011<br />

SHALA, Hossein/WURM, Susanne/TESCH-RÖMER, Clemens: Deutscher<br />

Alterssurvey: Beginn der zweiten Erhebungswelle. Heft 7+8, 2001. URL:<br />

http://www.dza.de/infodienst/ida_7+8_01.html, 27. 08.2006<br />

Sozialwort des ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, 2003. URL:<br />

http://ksoe.at/sozialwort/bibliothek/Sozialwort_2003.doc, 24.06.2011<br />

RIBOLITS, Erich: Welche Bildung braucht der Mensch? Vortrag <strong>im</strong> GH Kasino,<br />

Villach, 19.04.2005. URL: http://www.kaernoel.at/cgibin/kaernoel/comax.pl?page=page.std;job=CENTER:articles.single_article;ID=142<br />

1, 10.06.2011<br />

Thematischer Initativkreis Lebenslanges <strong>Lernen</strong>; URL:<br />

http://www.inqua.de/Redaktion/Themen/Lebenslanges<strong>Lernen</strong>/Anlagen/diskussions<br />

papier-lebenslanges-lernen-<strong>im</strong>-bereich-sicherheit-<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit,property=pdf,bereich=inqua,sprache=de,rwb=true.pdf<br />

download von:<br />

http://inqua.de/Inqua/Navigation/Themen/Lebenslanges-<strong>Lernen</strong>/fakten-LLL.html,<br />

04.12.2006<br />

Weiterbildungsblog: B<strong>und</strong>-Länder-Kommission für Bildungsplanung <strong>und</strong><br />

Forschungsförderung, Heft 115, 2004. URL: http://www.blkbonn.de/papers/heft115.pdf,<br />

06.07.2011<br />

163


Abbildungen<br />

Abb. 1: Gesamtanzahl der Veranstaltungen <strong>im</strong> Jahresvergleich, S. 107<br />

Abb. 2: Arbeitseinheiten zu je 45 Minuten <strong>im</strong> Jahresvergleich, S. 108<br />

Abb. 3: Gesamtanzahl TeilnehmerInnen <strong>im</strong> Jahresvergleich, S. 108<br />

Abb. 4: Gesamtveranstaltungen nach Bereichen <strong>im</strong> Jahr 2009, S. 109<br />

Abb. 5: Kognitiver Status, S. 110<br />

Abb. 6: Ges<strong>und</strong>heitsstatus, S. 110<br />

Abb. 7: Selbstständigkeit, S. 111<br />

Abb.8: Dementielle Symptomatik, S. 111<br />

164

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