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Teil 2 Figuration des Phänomens sozialer Aufstieg um 1900

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Einleitung<br />

und Wissen über dieses „seltsame Etwas“ entstehen. Autobiografien sind selbstverständlich<br />

nur eine Textsorte unter vielen anderen, die man für eine Behandlung<br />

der Körperdimension heranziehen kann. 13 Es gibt allerdings Anzeichen dafür,<br />

dass schon anhand dieser einen Textsorte wesentliche Aspekte der im Zentr<strong>um</strong><br />

<strong>des</strong> Interesses stehenden historischen Entwicklung aufgezeigt werden können.<br />

1.4 Wahrhaftigkeit und Authentizität<br />

Wahrhaftigkeit und Authentizität waren lange Zeit die Leitbegriffe, mit deren<br />

Hilfe Wissenschaftler versuchten, den Wert von autobiografischen Texten aller<br />

Art, allgemein spricht man heute von Ego-Dok<strong>um</strong>enten 14 (Tagebüchern, Autobiografien,<br />

Briefen usf.), zu beurteilen. Meistens lief das darauf hinaus, dass den<br />

AutobiografInnen Wissenslücken, Irrtümer, Verzerrungen oder sogar bewusste<br />

Fälschungen ihrer Lebenserfahrungen und/oder der historischen Umstände vorgeworfen<br />

wurden. „Lebensgeschichten als ‚soziale Artefakte’ zu entlarven“, so die<br />

selbstkritische Reflexion <strong>des</strong> Historikers Volker Depkat, ist „für Historiker die<br />

einfachste und seit langem praktizierte Übung im Umgang mit Autobiographien,<br />

und sie hat letztlich dazu geführt, daß dieses Quellenreservoir nur sehr unzureichend<br />

und bruchstückhaft für die historische Analyse nutzbar gemacht worden<br />

ist.“ 15 Die Lebensbeschreibungen dienten so etwa der Politikgeschichte nur als<br />

untergeordnete Quellen, <strong>um</strong> spezifische Einzelheiten über eine Person oder ein<br />

geschichtliches Ereignis aus einer individuellen Sicht herauszufinden – Autobiografien<br />

also quasi als subjektiv gefärbtes Reservoir für die Erkundung eines historischen<br />

Faktors, der sonst verhüllt bliebe. 16 Über einen derartigen Missbrauch von<br />

Lebensgeschichten 17 ist man natürlich heute weit hinaus. 18<br />

Die sozialwissenschaftliche Biografieforschung hat seit den 1980ern ein Instr<strong>um</strong>entari<strong>um</strong><br />

entwickelt, das es ermöglicht, eine biografische Erzählung sequenziellkritisch<br />

zu untersuchen (in der Regel arbeitet die Biografieforschung mit soge-<br />

13 Zu einigen Aspekten <strong>des</strong> Konnexes zwischen Lebensgeschichte und Leiblichkeit siehe den Sammelband<br />

von Alheit/Dausien/Fischer-Rosenthal/Hanses/Keil 1999.<br />

14 Schulze 1996.<br />

15 Depkat 2003, S. 475.<br />

16 Depkat 2003, S. 450, schreibt, dass „autobiographische Texte“ in diesem Verständnis „die Bereiche<br />

vergangener Wirklichkeit“ ausleuchten, „die entweder von den Akten nicht abgedeckt werden<br />

oder die überhaupt keinen schriftlichen Niederschlag gefunden haben. Autobiographische Texte<br />

führen in die Grauzone <strong>des</strong> Atmosphärischen hinter den verschlossenen Türen der Konferenz- und<br />

Verhandlungszimmer.“<br />

17 Wie Depkat 2003, S. 445, moniert, begegnete man diesem Quellenmaterial lange Zeit „mit unpassenden<br />

Fragen“.<br />

18 Um nur beispielhaft auf die innovative Auseinandersetzung der jüngeren und jüngsten historischen<br />

Forschung mit autobiografischem Quellenmaterial hinzuweisen, seien hier zwei Untersuchungen<br />

hervorgehoben: Doerry 1986; Malinowski 2004.<br />

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