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Teil 2 Figuration des Phänomens sozialer Aufstieg um 1900

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Einleitung<br />

flackernde Revolution von 1918/19 hinaus die entscheidenden Machtpositionen<br />

sichern. 51 Wie erwähnt, wird sich in der vorliegenden Untersuchung zeigen, dass<br />

der Mangel an gesellschaftlicher und politischer Partizipation in der Folge, bis in<br />

die Bun<strong>des</strong>republik hinein für weitere <strong>Teil</strong>e der Gesellschaft unterhalb der bürgerlichen<br />

Mittelschichten ein wesentliches Hemmnis für die individuelle Entfaltung<br />

darstellen sollte. Bis in die Gegenwart hinein fühlen sich individuell Aufstrebende<br />

fortwährend als zu spät Gekommene, sehen sich oft an einem bestimmten Punkt<br />

ihres Weges ausgebremst und kämpfen teils ihr Leben lang mit Minderwertigkeitskomplexen.<br />

Bestimmte Aspekte von <strong>Aufstieg</strong>sbewegungen begegnen also auf<br />

verschiedenen Ebenen: auf nationalstaatlicher, sozial-ständischer und individuellbiografischer<br />

Ebene. Elias versucht die Mikro- und die Makrophänomene als<br />

ineinander verflochtene darzustellen 52 und darüber hinaus auch eine vergleichendinternationale<br />

Perspektive einzunehmen.<br />

Pierre Bourdieu<br />

Da die im Zentr<strong>um</strong> der vorliegenden Ausarbeitung stehende Gruppierung der<br />

sozialen AufsteigerInnen sich aus einem gesellschaftlichen Unten rekrutiert, in<br />

dem die für ein Fortkommen wichtigen Ressourcen meistens nur in sehr eingeschränktem<br />

Maße zur Verfügung stehen, liegt es nahe, sich auf den soziologischen<br />

Ansatz von Pierre Bourdieu (1930-2002) zu beziehen, der eben diese Ressourcenknappheit<br />

genauer zu fassen vermag. Dabei spricht allerdings nicht allein die Differenziertheit,<br />

die sich in den schon erwähnten verschiedenen Kapitalsorten ausdrückt,<br />

für diesen Ansatz, sondern auch der explizite Bezug auf die Praxis <strong>des</strong><br />

Alltags, der sich insbesondere in seinem berühmtesten Werk „Die feinen Unterschiede“<br />

manifestiert. Die Ergebnisse dieses quasi bis in die gesellschaftliche Gegenwart<br />

weiter ausdifferenzierten praxeologischen Theoriegebäu<strong>des</strong> sind implizit<br />

und explizit in die Einzelfallanalysen der vorliegenden Untersuchung eingeflossen.<br />

Bourdieu hat in der Auseinandersetzung mit der Praxis völlig unterschiedlicher<br />

Gesellschaftstypen (erinnert sei an seine ersten Studien über die quasi vormodernen<br />

Kabylen in Algerien, an die sich dann erst seine Arbeiten über den modernen<br />

Industriestaat Frankreich anschlossen) nicht nur ein äußerst differenziertes begriffliches<br />

Instr<strong>um</strong>entari<strong>um</strong> entwickelt, sondern mit seinem Habituskonzept auch<br />

einen Weg gefunden, den für sozialwissenschaftliche Untersuchungen so hinderlichen<br />

Dualismus von Gesellschaft und Individu<strong>um</strong> – dem ja auch Elias eine klare<br />

Absage erteilt53 – zu überwinden. Es wird sich zeigen, dass gerade soziale Aufsteiger<br />

oft gesellschaftsstrukturelle Barrieren in recht eigenwillig-individueller Weise<br />

bearbeiten müssen, <strong>um</strong> ihren Bestrebungen zu entsprechen. In<strong>des</strong> ist dem Werk<br />

51 Elias, Studien, 1998, S. 34f.<br />

52 Wie Greiffenhagen 2000, S. 245, erläutert, ist es für die Politische Kulturforschung bisher immer<br />

noch „weitgehend ungeklärt“, „auf welche Weise Mikro- und Makroebene verknüpft sind“.<br />

53 Elias, Die Gesellschaft der Individuen, 1987.<br />

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