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Teil 2 Figuration des Phänomens sozialer Aufstieg um 1900

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Einleitung<br />

den sollte, kann somit durchaus als ein Aufsteiger bezeichnet werden, 25 der teils<br />

ähnliche Zurückweisungen erlebte wie die sozial weiter unten ansetzenden Aufsteiger.<br />

Im Zentr<strong>um</strong> der vorliegenden Analyse sollen jedoch sozial Aufstrebende<br />

aus einfachen Verhältnissen stehen. „Aus einfachen Verhältnissen“ kann in den verschiedenen<br />

Jahrhunderten Unterschiedliches bedeuten. Im 18. Jahrhundert wird<br />

man etwa den Sohn eines Pfarrers auf dem Lande meist auch unter dieser Kategorie<br />

einordnen dürfen. Im späten 20. Jahrhundert wird man sich hingegen hüten,<br />

etwa die Tochter eines Arbeiters grundsätzlich derartig einzustufen. Denn z<strong>um</strong>in<strong>des</strong>t<br />

in materieller Hinsicht (auf das Einkommen z.B. eines Facharbeiters bezogen)<br />

scheint es fragwürdig, ob der Begriff „einfach“ noch prinzipiell angemessen<br />

ist. Manch ein Facharbeiter mag sich sogar als wohlsituiert betrachten. „Aus einfachen<br />

Verhältnissen“ wird daher für das Folgende auch an den Bildungsstand im<br />

Herkunftsmilieu gekoppelt. D.h. das Hauptinteresse gilt sozial Aufsteigenden aus<br />

möglichst bildungsfernem Elternhaus. 26 Dazu sei angemerkt, dass man durchaus nicht<br />

erst in einer „Wissensgesellschaft“ <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts angelangt sein muss, <strong>um</strong><br />

die Relevanz von Bildungs- bzw. kulturellem Kapital für den individuellen Lebenslauf<br />

angemessen einschätzen zu können. <strong>Aufstieg</strong>sambitionierte wie Johann<br />

Heinrich Voß und Gottlieb Hiller waren sich schon im 18. Jahrhundert, also zu<br />

Zeiten eines erst äußerst bescheidenen Einstiegs in ein meritokratisches Gesellschaftssystem,<br />

der immensen Bedeutung kultureller Kenntnisse und schulischer<br />

Bildungstitel bewusst. Und auch im 19. und 20. Jahrhundert scheint für die meisten<br />

<strong>Aufstieg</strong>sautobiografInnen das eigene Fortkommen vornehmlich eine Frage<br />

der Bildung gewesen zu sein, was keineswegs heißen soll, dass es nicht von Vorteil<br />

war, wenn den Aufstrebenden eine gewisse materielle Grundausstattung, also<br />

ökonomisches Kapital, zur Verfügung stand. Über die Vorzüge verschiedener<br />

Formen sozialen Kapitals (eines einflussreichen Netzwerkes wechselseitiger <strong>sozialer</strong><br />

Verpflichtungen) wird überdies eingehend zu handeln sein.<br />

Die verwendete Begrifflichkeit der „Problemkonfigurationen“ und der verschiedenen<br />

Kapitalsorten – das sei hier z<strong>um</strong> theoretischen Hintergrund vorausgeschickt<br />

– deutet schon darauf hin, dass mit der vorliegenden Untersuchung an die<br />

soziologischen Theoriegebäude von Norbert Elias und Pierre Bourdieu angeknüpft<br />

wird. In den Werken dieser beiden Soziologen finden sich immer wieder<br />

interessante Ausführungen gerade z<strong>um</strong> Thema <strong>sozialer</strong> <strong>Aufstieg</strong>. Von Vorteil ist<br />

diesbezüglich, dass Elias und Bourdieu in gewisser Hinsicht sehr ähnlich dachten<br />

und arg<strong>um</strong>entierten. Obwohl sie bei recht unterschiedlichen Forschungstraditionen<br />

ihren Ausgangspunkt haben und auch in der Folge relativ unabhängig voneinander<br />

ihre Theorien entwickeln, lassen sich in vieler Hinsicht Überschneidungen<br />

ihrer Theorien erkennen. Diese theoretisch-konzeptionelle Nähe spiegelt sich –<br />

25 Dazu Elias, Studien, 1998, S. 21f.<br />

26 Dieser Terminus ist einer Arbeit von Martin Schmeiser (1996, S. 135) entnommen, auf die später<br />

noch einzugehen sein wird.<br />

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