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Teil 2 Figuration des Phänomens sozialer Aufstieg um 1900

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Einleitung<br />

3. Der organisierte Kapitalismus; die Periode <strong>des</strong> Wettbewerbs <strong>um</strong> Bildungschancen bei leichter<br />

Bildungsexpansion<br />

Mobilitätschancen: Sie verbesserten sich nach Umfang und Verteilung gegenüber der vorangegangenen<br />

Epoche, vor allem wegen der nunmehr deutlichen berufsstrukturellen Wandlungen (Zunahme der<br />

Angestelltenberufe), bis hin z<strong>um</strong> Manager-Unternehmer, <strong>des</strong>sen Berufsposition nicht mehr an Kapitalbesitz<br />

geknüpft war. Gleichzeitig expandierte der öffentliche Dienst im Zeichen zunehmender<br />

Staatsintervention, so daß sich die Berufs- und <strong>Aufstieg</strong>schancen vergrößerten, z<strong>um</strong>al sie kalkulierbar<br />

waren über das Kriteri<strong>um</strong> erwerbbarer Bildungsabschlüsse.<br />

Bildungschancen: Die Verschiebungen in der Berufsstruktur leiteten einen säkularen Wandel der Qualifikationsstruktur<br />

der Erwerbstätigen ein, <strong>des</strong>sen Anfänge, unter Bedingungen nur sehr langsamer<br />

Bildungsexpansion, durch verschärften Wettbewerb <strong>um</strong> Bildungschancen gekennzeichnet waren.<br />

Deutlicher Ausdruck dieses Wettbewerbs ist der bekannte Kampf <strong>um</strong> ‚Berechtigungen’ zwischen<br />

den verschiedenen höheren Schultypen und Hochschultypen, ein Kampf <strong>um</strong> Zugang zu (oder<br />

Ausschluß von) den Arbeitsmärkten für Akademiker, Abiturienten und ‚Einjährige’. Ob dieser langsam<br />

wachsende Markt, der die Bildungschancen durch Nachfrageimpulse leicht vergrößerte, zugleich<br />

die Chancenungleichheit der Bildung verringerte, ist allerdings zweifelhaft und höchstens für Sozialgruppen<br />

aus den Mittelschichten wahrscheinlich.<br />

4. Die post-industrielle Gesellschaft; die Periode der wohlfahrtsstaatlichen Bildungschancen<br />

Mobilitätschancen: Noch nie zuvor war das Tempo <strong>des</strong> berufsstrukturellen Wandels, vor allem das<br />

Wachst<strong>um</strong> <strong>des</strong> Dienstleistungssektors (Prozeß der ‚Tertiarisierung’) so groß wie in der Epoche der<br />

post-industriellen Gesellschaft oder <strong>des</strong> modernen Wohlfahrtsstaates (vor allem seit Ende <strong>des</strong> Zweiten<br />

Weltkrieges). Die Berufs- und <strong>Aufstieg</strong>schancen der Mittel- und Unterschichten erreichten ungewohnt<br />

hohe Werte, waren allerdings weitgehend ‚erzwungen’ (Strukturmobilität), und es ist keineswegs<br />

ausgemacht, ob man auch von Chancen<strong>um</strong>verteilung auf Kosten der Privilegierten sprechen<br />

kann.<br />

Bildungschancen: Auch hier ist der zentrale Befund die Expansion dieser Chancen, ablesbar an den<br />

stark steigenden Quoten <strong>des</strong> relativen Schul- und Hochschulbesuchs, an der entsprechend expansiven<br />

Akademikerquote unter den Erwerbstätigen, überhaupt daran, daß die Schule jene „primäre<br />

soziale Dirigierungsstelle“ für Berufschancen geworden ist (Schelsky-These). Charakteristisch für<br />

diese Periode ist, daß die staatliche Bildungspolitik, nicht zuletzt unter dem Einfluß der politisch<br />

erstarkten (oder gar regierenden) Arbeiterbewegung, ‚Chancengleichheit’ als Orientierung und Zielsetzung<br />

ihrer Maßnahmen begreift. Der Abbau von Ungleichheit in der schichtspezifischen Bildungsbeteiligung<br />

fiel allerdings langsamer und geringer aus, als vielfach erwartet.“ 88<br />

Der Hinweis von Lundgreen/Kraul/Ditt auf die „weitverzweigte Forschungsliteratur“,<br />

auf die sich dieses Raster stützt, deutet aufgrund seiner legitimierenden<br />

Funktion schon auf eine gewisse Problematik dieser Zusammenfassung hin. Die<br />

Überlappungen der Perioden stellen dabei noch das geringere Problem dar.<br />

Schwerer wiegt, dass die teils erheblichen nationalen Unterschiede im Hinblick auf<br />

das temporale Eintreten und das Ausmaß bestimmter Entwicklungsfaktoren auch<br />

innerhalb Westeuropas selbst nicht z<strong>um</strong> Vorschein kommen. Das erweist sich<br />

gerade mit Blick auf die deutschen Verhältnisse als ein Dilemma. Denn selbst<br />

wenn die Mehrheit der HistorikerInnen die sogenannte Sonderwegsthese heute<br />

ablehnt oder z<strong>um</strong>in<strong>des</strong>t stark relativiert, 89 so wird man doch nicht darüber hinweg<br />

88 Lundgreen/Kraul/Ditt 1988, S. 13-15.<br />

89 Vgl. Kocka 1998.<br />

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