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Teil 2 Figuration des Phänomens sozialer Aufstieg um 1900

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<strong>Figuration</strong> <strong>des</strong> <strong>Phänomens</strong> <strong>sozialer</strong> <strong>Aufstieg</strong> <strong>um</strong> 1800<br />

In eine etwas spätere Phase fallen Kontakte zu zwei etwas älteren Frauen, die<br />

bereits kleine Kinder hatten und einen gutbürgerlichen Lebensstil pflegten. Der<br />

Umgang und Austausch mit diesen Freundinnen war gewiss sehr förderlich für<br />

ihren weiteren Weg. Wie vorteilhaft es gerade in der Ständegesellschaft <strong>des</strong> 18.<br />

Jahrhunderts für Emporstrebende („jenes heilige Ahnden von etwas Höherem“ 38)<br />

war, das Wohlwollen anerkannter bzw. höher positionierter Personen zu genießen<br />

und über eine gewisse Kenntnis <strong>des</strong> ungeschriebenen formalen Regelwerks der<br />

gehobenen Stände zu verfügen, wird sich noch bei den nachfolgenden Analysen<br />

zu männlichen Aufsteigenden zeigen. Auch im 19. und selbst noch im 20. Jahrhundert<br />

ist unübersehbar, dass je<strong>des</strong> Mehr an sozialem Kapital für VertreterInnen<br />

dieser Gruppierung entscheidend sein kann, <strong>um</strong> weiterzukommen resp. emporzusteigen.<br />

39 Im Falle Rudolphis lässt sich vermuten, dass sie die beiden bürgerlichen<br />

Frauen zunächst aus geschäftlichen Gründen kennenlernte, als sie für Näharbeiten<br />

ihre Häuser frequentierte. Die Freundschaften, also ein informelleres Verhältnis zu<br />

ihnen, werden sich erst mit der Zeit ergeben haben. Der erstaunliche soziale und<br />

berufliche <strong>Aufstieg</strong>, der Caroline im Weiteren durch einen bemerkenswert selbstständigen<br />

Weg als Erzieherin gelang, kommt in ihrer Autobiografie wie schon bei<br />

Gabriel nicht explizit zur Sprache. (Übrigens ist ihr geradezu ‚pädagogischer Habitus’<br />

z<strong>um</strong>in<strong>des</strong>t teilweise wohl auf den Einfluss <strong>des</strong> vorbildgebenden Vaters zurückzuführen.<br />

Gleiches gilt für ihren Bruder, den es „zur geliebten Pädagogik“ 40<br />

drängte.) So erscheint ihr Weg als eine Bildungsgeschichte, in der die Akteurin<br />

vornehmlich kulturelles Kapital akk<strong>um</strong>uliert. Dass sie in deren Verlauf auch neue<br />

Wege als Erzieherin einschlägt, ja sogar selbst erst entsprechende institutionelle<br />

Innovationen schafft, wird eher als Begleiterscheinung dieser Entwicklung und<br />

folgerichtige Umsetzung ihrer eigenen Interessen geschildert. Der etappenweise<br />

Aufbau eines eigenen Erziehungsinstituts für Mädchen erscheint nicht als Sign<strong>um</strong><br />

von gesellschaftlichem Fortkommen oder gar Statusgewinn. Selbst im Erziehungswesen,<br />

dem ‚weichen’ Bereich beruflichen Wirkens, der bis in die Gegenwart<br />

hinein von der Gesellschaft eher Frauen als Männern zugedacht wird (für <strong>um</strong><br />

<strong>1900</strong> wird im Folgenden noch eine weitere Lebensgeschichte einer Erzieherin,<br />

Christine Holsteins, vorgestellt), war damals eine beruflich-soziale Erfolgsgeschichte<br />

noch ka<strong>um</strong> präsentierbar. 41 Nur über eine künstlerische Betätigung, das<br />

38 Rudolphi 1835, S. 16. Allgemein z<strong>um</strong> Streben nach „Höherem“, womit Bildung, Kunst, Dichtung,<br />

Lebensstil etc. gemeint sein kann und das häufig in Aufsteigerautobiografien erwähnt wird, vgl.<br />

Bergmann 1991, S. 166ff.<br />

39 Dies darf wohl unter anderem als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ständische Dispositionen,<br />

Mentalitäten und Strukturen in einem bestimmten Kulturkreis nicht zwangsläufig mit rechtlichinstitutionellen<br />

Veränderungen und politisch-staatlichen Systemwechseln Schritt halten.<br />

40 Rudolphi 1835, S. 46.<br />

41 Ob es gewissermaßen einem selbstbewusst-emanzipatorischen Gegenimpuls gegen männlich<br />

dominierte Berufskonventionen zuzusprechen ist, dass Rudolphi die durchaus vorhandene persönliche<br />

und berufliche Nähe zu Johann Heinrich Campe und dem Philanthropismus in ihrem Text mit<br />

keinem Wort erwähnt, sei dahingestellt. Zu den Kontakten zu Campe vgl. Rüdiger 1903, S. 62-65.<br />

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