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Teil 2 Figuration des Phänomens sozialer Aufstieg um 1900

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Einleitung<br />

sammenhang überdies, dass Elias aus eigener Erfahrung mit der Position eines<br />

Randständigen resp. Außenseiters vertraut war. Als Wissenschaftler kam er erst in<br />

den 1970er Jahren, als er bereits in einem hohen Alter war, zu einem gewissen<br />

Ruhm. Als deutscher Jude hatte er sich 1935 gezwungen gesehen, aus Deutschland<br />

nach London zu emigrieren. In der Folge war es für ihn keineswegs einfach,<br />

einen Platz in der akademischen Welt zu finden. Über einen langen Zeitra<strong>um</strong> hat<br />

er keine sozial gefestigte und akademisch etablierte Position inne gehabt. Wie die<br />

folgenden Fallanalysen zeigen werden, bestehen im Hinblick auf die Randständigkeit<br />

gewisse Ähnlichkeiten zu den biografischen Erfahrungen einiger sozial Aufstrebender.<br />

Elias’ eigener Lebenslauf weist – in gewissen Grenzen vergleichbare –<br />

Spuren der Prekarität und <strong>des</strong> Draußenstehens auf, wie sie in den Biografien dieser<br />

im Folgenden analysierten Nicht-Etablierten z<strong>um</strong> Vorschein kommen. 43<br />

Neben dem „Prozeß der Zivilisation“ sei noch auf einen weiteren wesentlichen<br />

Bezugsrahmen für die vorliegende Untersuchung hingewiesen: Elias’ „Studien<br />

über die Deutschen“ sind zwischen den frühen 1960ern und den späten 80ern<br />

entstanden. Sie dürfen als das Ergebnis einer jahrzehntelangen Forschungserfahrung<br />

und einer sehr ausgereiften Theorie erachtet werden. Elias hat zweifelsohne<br />

schon aufgrund seiner eigenen biografischen Erfahrungen eine besondere reflexive<br />

Distanz zu Deutschland und <strong>des</strong>sen Geschichte wahren können, was ihn mit<br />

vielen Intellektuellen verbindet, die ebenfalls emigriert sind und bedeutende Beiträge<br />

zur Erforschung der deutschen Geschichte geliefert haben (erinnert sei diesbezüglich<br />

nur an den Historiker Fritz Stern und die Soziologen Theodor W. Adorno<br />

und Helmuth Plessner). Dass diese wie Elias Deutschland vornehmlich an<br />

westlichen Industrienationen „gemessen“ haben, die bereits auf eine jahrhundertealte<br />

parlamentarische und z<strong>um</strong>in<strong>des</strong>t partiell demokratische Tradition zurückblicken<br />

können, ist schon <strong>des</strong>halb nicht verwunderlich, weil sie selbst meist nach<br />

ihrer Auswanderung das Leben und den Alltag in diesen Ländern genauestens<br />

kennenlernten. Abgesehen davon, dass die meisten dieser Intellektuellen schon<br />

vorher eher einem liberal-demokratischen bis sozialistischen Spektr<strong>um</strong> zugerechnet<br />

werden konnten, war es wohl auch dem konkreten Kennenlernen westlicher<br />

Demokratien zuzuschreiben, dass gerade von dieser Gruppe von Emigranten die<br />

Sonderwegsthese weiterentwickelt worden ist. An dieser Stelle sei schon vorweggenommen,<br />

dass auch Vertreter einer jüngeren Generation von Wissenschaftlern<br />

den Sonderweg Deutschlands betonten. So stellte beispielsweise Ralf Dahrendorf,<br />

auf <strong>des</strong>sen Arbeiten einzugehen sein wird, ebenfalls Vergleiche mit Staaten wie<br />

England, Frankreich und den Niederlanden an. Er war allerdings aus freiem Willen<br />

im Laufe seiner akademischen Karriere in diese westlichen Staaten gekommen<br />

und mit den dortigen Verhältnissen vertraut geworden. Die Erfahrungen vor Ort,<br />

43 Es sei dazu angemerkt, dass er sich dieser Thematik auch in einer in Großbritannien entstandenen<br />

wissenschaftlichen Arbeit über „Etablierte und Außenseiter“ (engl. Original von 1965) gewidmet<br />

hat.<br />

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