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Steinkreis 231 - Das Volk von Tir Thuatha

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<strong>Steinkreis</strong> <strong>231</strong><br />

Der Klang der Welt<br />

konnten. Hearnor und Liadhkor liefen los,<br />

um mit Schlinge und Speer Hasen und<br />

Schneehühner zu fangen. Wala und Yllandhor<br />

ritten hinaus, um Holz zu suchen und<br />

nahmen zwei weitere Pferde als Packtiere<br />

mit, die übrigen Pferde nahmen Craig und<br />

ich, um größeres Wild zu hetzen. Edar gab<br />

mir seinen Bogen und schweren Herzens alle<br />

seine restlichen Pfeile, nur noch sechs an der<br />

Zahl, und er küßte jeden einzelnen, damit er<br />

nicht verlorenginge.<br />

Nach der letzten Nacht war mir das Herz<br />

ganz leicht. Gemeinsam würden wir es schaffen,<br />

daran zweifelte ich nicht mehr. Selbst<br />

der Himmel war mit uns, es blieb trocken,<br />

der Wind flaute ab, nur ganz hoch oben sah<br />

ich dünne, faserige Wolken. Ich zeigte darauf<br />

und sagte: „Es bleibt gut, denke ich.“<br />

Craig mochte mir nicht zustimmen:<br />

„Hier im Nor herrschen andere Winde als<br />

in deinen Bergen, Camo. Du wirst es sehen:<br />

längstens in zwei Tagen klatscht uns der<br />

Regen ins Gesicht.“<br />

„Dann sollten wir besser ein paar Häute<br />

mit zurückbringen. Wir sind nicht gut gerüstet<br />

gegen schlechtes Wetter.“<br />

„Du sagst es!“<br />

Bis Mittag fanden wir bloß eine Spur.<br />

Eine Herde war hier auf großer Breite gen<br />

Ydd gezogen, schon Tage zuvor – gehört hatten<br />

wir sie wohl, aber nicht gesehen. Craig<br />

stieg ab, untersuchte die Abdrücke und hob<br />

etwas trockene Losung auf, die er mir zuwarf,<br />

eichelgroß und kugelrund.<br />

„Achdmarch“, sagte er und verzog den<br />

Mund.<br />

„Rene?“<br />

Der Bolger nickte. „Zu lange her, drei oder<br />

vier Tage – so lange sollten wir nicht wegbleiben.“<br />

„Und wenn wir Nachzügler finden?“<br />

Er winkte ab. „Du hast doch die Wölfe<br />

gehört diese Nacht … Nein, ich sage, wir<br />

reiten zurück. Laß uns einen weiten Bogen<br />

machen – wer weiß, vielleicht scheuchen wir<br />

etwas auf, daß du schießen kannst.“<br />

So sehr wir uns aber bemühten, die Augen<br />

offenzuhalten, größere Beute als ein Rudel<br />

Gänse erblickten wir nicht und als ich an sie<br />

heranpirschte, fand ich sie unerwartet wachsam.<br />

Näher als auf fünfzig Schritt würde ich<br />

wohl nicht an sie herankommen. Mit einem<br />

Zeichen bedeutete ich Craig, zurückzubleiben.<br />

Es waren kleine Tiere mit dunklem<br />

Gefieder und einem weißen Ring am Hals –<br />

diese Art sah ich zum ersten Mal. Ich war<br />

mir nicht sicher, ob ich eine würde treffen<br />

können, so klein war das Ziel.<br />

Als sie zu mir herüberäugten, blieb ich still<br />

stehen. Nach einer Weile ästen sie friedlich<br />

weiter, da wagte ich es, einen Pfeil aufzulegen<br />

und einen zweiten zwischen Ringfinger<br />

und Mittelfinger der Bogenhand zu klemmen,<br />

behutsam, ohne eine schnelle Bewegung.<br />

Ich wartete. Wenn sie nur zusammenrücken<br />

würden, daß ich mehrere hintereinander<br />

in der Schußbahn hätte … Endlos lang<br />

erschien mir das Warten. Weiter weg hinter<br />

schnaubte eines der Pferde, die Gänse sahen<br />

auf. Ich hielt den Atem an. ,Alles ist gut‘,<br />

dachte ich. ,Freßt weiter, es gibt keine<br />

Gefahr …‘<br />

Ich schloß die Augen, stellte mir vor, wie<br />

ich schoß, dann öffnete ich sie wieder und<br />

wirklich: sie fraßen ruhig weiter. Da atmete<br />

ich langsam aus, holte tief Luft und brachte<br />

den Pfeil in den Anschlag. Dann schoß ich,<br />

atmete aus, zog den zweiten Pfeil zwischen<br />

den Fingern hervor, legte ihn auf die Sehne,<br />

sah, wie der erste zwischen die Gänse fuhr<br />

und sie alle aufschreckten und losfliegen<br />

wollten, atmete wieder ein, zog die Sehne<br />

durch und schoß sofort noch einmal. Da<br />

flatterten sie auch schon los, laut kreischend,<br />

Federn lösten sich und nach ein paar Flügelschlägen<br />

hatte sich mein Traum <strong>von</strong> einem<br />

üppigen Abendmahl in die Luft erhoben.<br />

„Yay!“ jubelte Craig hinter mir. Ich drehte<br />

mich um und sah ihn mit langen Sätzen herbeieilen,<br />

Grasbüschel und niedriges Gestrüpp<br />

überspringend. „Gut geschossen, Bruder!“<br />

lobte er mich.<br />

„Habe ich getroffen?“ Ich war verwundert,<br />

weil ich nichts gesehen hatte. „Du mußt<br />

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