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Steinkreis 231 - Das Volk von Tir Thuatha

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<strong>Steinkreis</strong> <strong>231</strong><br />

Der Klang der Welt<br />

Getier auf und jauchzten vor Vergnügen!<br />

Wie schön war Dwyllûgnach, wenn man<br />

es durchmessen konnte wie ein Vogel am<br />

Himmel!<br />

Der Wind stand günstig, er wehte <strong>von</strong><br />

Wes, sich hoch türmende Wolken warfen<br />

schnell ziehende Schatten. Die Herde würde<br />

uns nicht zu früh bemerken. Wir umgingen<br />

sie im Est und näherten uns vorsichtig. Bald<br />

brüllten wir nicht mehr, nur noch leise trabend<br />

ging es weiter, dann im Schritt, schweigend,<br />

mit Zeichen deutend, wer wohin reiten<br />

und Rene <strong>von</strong> der Herde trennen sollte.<br />

Dann begann die Jagd. Es gelang leicht,<br />

Nachzügler abzudrängen, und es kümmerte<br />

uns nicht, daß die Herde aufschreckte und<br />

gemeinsam die Flucht ergriff, daß wir selbst<br />

zu Pferd das Donnern der Abertausend Hufe<br />

als ein Zittern im Boden spürten. Jedoch, die<br />

Beute zur Strecke zu bringen, das währte<br />

lange, denn die Rene schlugen Haken mit<br />

großem Geschick und so manches entging<br />

uns. Wenn sie aber Menschen kannten, so<br />

waren sie doch nicht auf uns und unseren<br />

Hunger vorbereitet. Wir würden sie nicht<br />

auslassen.<br />

Ich nahm einen Speer zur Hand und sah,<br />

wie Edar zum Bogen griff und aus vollem<br />

Galopp schoß – und traf! <strong>Das</strong> vermochte ich<br />

nicht. Aber ich war ein leidlich guter Reiter<br />

und mit einem Speer in der Hand versuchte<br />

ich mein Glück. Von rechts trieben uns<br />

Craig und Martell die Rene zu, die wild mit<br />

den Augen rollten, auf der Suche nach einem<br />

Ausweg. Der Bolger war der kühnste <strong>von</strong><br />

uns: mit Staunen sah ich, wie er sich, das<br />

Messer zwischen den Zähnen, vom Pferd<br />

herab auf eine Kuh warf, sie zu Fall brachte<br />

und ihr die Kehle durchschnitt. Martell wollte<br />

es ihm gleichtun. Er war ein wendiger<br />

Reiter und besaß die Kraft und das Geschick<br />

der Jugend, aber nicht Craigs Erfahrung, also<br />

landete er im Morast. Ich setzte einem Bullen<br />

nach, der mir fast entkommen wäre, hätte<br />

ich nicht den Speer gleich einer Lanze nach<br />

vorn gestoßen, gerade, als er einen Haken<br />

nach rechts schlagen wollte. Da spießte er<br />

sich fast selbst auf und stürzte, den Speer in<br />

seiner Brust, noch nicht tot, aber schwer<br />

getroffen.<br />

Wir jubelten und lachten, über die Beute<br />

und über Martells schwarzes Gesicht, denn<br />

er war der Länge nach hingeschlagen. Drei<br />

hatten wir erlegt! Zwei bluteten schon aus,<br />

meinem Bullen gaben wir den Gnadenstoß<br />

und priesen unser Können.<br />

Noch an Ort und Stelle weideten wir die<br />

Rene aus. Die Lebern hoben wir auf, die<br />

Herzen aber weihte Craig den Göttern des<br />

Landes und vergrub sie, bis auf eines, das er<br />

Martell reichte. „Hier! Heute hast du noch<br />

gefehlt, aber wenn du die Kraft dieses Tieres<br />

in dich aufnimmst, wirst du ein großer Jäger<br />

werden!“ Zweifelnd starrte Martell auf die<br />

blutige Gabe, doch Craig reckte ihm das<br />

Herz aufmunternd entgegen. „Iß!“<br />

Und Martell aß, zuerst zögernd, dann mit<br />

großem Hunger. Blut lief ihm übers Kinn<br />

und tropfte ihm auf die Brust. Knurrend biß<br />

er noch einmal hinein, dann reichte er das<br />

Übrige weiter und so teilten wir uns in das<br />

erbeutete Herz und fühlten uns vereint.<br />

Einem Rudel Wölfe gleich zerrten die Männer<br />

an den Renen, häuteten sie geschickt,<br />

zerteilten sie mit raschen Schnitten ihrer<br />

Messer, schürten ein ordentliches Feuer,<br />

schnitten Spieße und Gabeln, brieten die<br />

ersten zarten Stücke und hängten so viel<br />

Fleisch, wie sie konnten, dicht ans Feuer, um<br />

es zu rösten und zu trocknen für die Tage,<br />

die noch vor uns lagen. Derweil kreiste ein<br />

Stück Haut mit den Lebern darauf und jeder<br />

schnitt sich ein Stück <strong>von</strong> der blutigdunklen<br />

Köstlichkeit herunter, die auf der Zunge zerging,<br />

verglich man sie mit dem Fleisch der<br />

Rene.<br />

Wir schlugen uns die Bäuche voll, als wäre<br />

es das letzte Mahl unseres Lebens, kauten das<br />

halbverbrannte, halbrohe Fleisch, bis die Kiefer<br />

schmerzten, spülten sehnige Brocken mit<br />

Wasser herunter und rissen Fetzen <strong>von</strong> den<br />

Knochen, als unsere verkümmerten Mägen<br />

schon nichts mehr aufnehmen wollten.<br />

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