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Steinkreis 231 - Das Volk von Tir Thuatha

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<strong>Steinkreis</strong> <strong>231</strong><br />

Der Klang der Welt<br />

dieser Nacht, die Geschichten, die sie erzählten,<br />

kündeten <strong>von</strong> anderen Zeitaltern, <strong>von</strong><br />

Midhiadachd, der Zeit der Wirren, da die<br />

Welt noch jung war und die Kinder der Luft<br />

über sie herrschten, die Erstgeborenen der<br />

Großen Mutter, die Magira verlassen mußten,<br />

lange bevor die Menschen erschienen.<br />

Erschöpft, trunken, satt und zufrieden sah<br />

ich, daß so mancher diese Nacht nicht allein<br />

verbringen würde. Da schlich ich mich da<strong>von</strong>,<br />

denn Richilde war noch lebendig in mir.<br />

Nahmen sich die Wohnstätten und Sitten<br />

der Clanthonen und der Bolger in<br />

meinen Augen auch roh aus, so waren<br />

die der Danannain noch um einiges urtümlicher.<br />

Was ihnen aber an Verfeinerung der<br />

Künste zu mangeln schien, oder an Prunk<br />

und Reichtümern, das machten sie durch<br />

Kenntnis wett und mit einer Gelassenheit in<br />

der Begegnung mit den Mächten der Welt,<br />

die ich nirgends mehr so antraf. In den Augen<br />

der südlichen Stämme waren die Danannain<br />

ungehobelte, streitlustige Wilde, unwissend,<br />

blutrünstig und beutegierig, doch in den<br />

Tagen unseres Aufenthaltes dort erlebten wir<br />

sie großzügig und tief im Fühlen.<br />

Am Tag nach dem Festmahl luden sie uns<br />

ein, an der Eröffnung der Großen Jagd teilzunehmen<br />

– tagelang würden die Jäger mit<br />

Hunden und Karren den Renen folgen, um<br />

den Wintervorrat aufzufüllen und wir sollten<br />

einen Teil für uns nehmen dürfen.<br />

Noch verwunderlicher war das Ansinnen,<br />

das Aurnia am Morgen nach der zweiten<br />

Nacht in Marallynntech an uns richtete.<br />

Gestützt <strong>von</strong> zwei jungen Mädchen schaukelte<br />

sie auf ihren kleinen Füßen zu dem<br />

großen Zelt, in dem Martell mit Oda, Craig<br />

und mir nächtigte. Sie rief uns heraus und<br />

zum See hinunter, wo sie zu baden gedachte.<br />

Allem üblen Gerede zum Trotz waren die<br />

Danannain überaus reinliche Leute und Aurnias<br />

Bad zog sich um so mehr in die Länge,<br />

denn bei allen Handreichungen benötigte sie<br />

die Hilfe ihrer Mädchen. Wie sie da als rosiger<br />

Hügel im Wasser schwebte, gemahnte sie<br />

selbst an einen Wal – einen mit roter Mähne<br />

–, zumal, als sie vor Vergnügen Wasser ausprustete.<br />

„Wollt ihr nicht ins Wasser kommen?“<br />

forderte sie uns lachend heraus. „Mißgönnt<br />

nicht der Jungfer euren Anblick!“<br />

Oda zögerte nicht lange, in wenigen<br />

Augenblicken war sie nackt und warf sich in<br />

das dunkle Wasser. Craig jagte ihr hinterher.<br />

Bald scherzten sie miteinander und spritzten<br />

sich naß. Martell tauchte unter und trieb<br />

dann ganz ruhig an der Oberfläche.<br />

Aurnia betrachtete Martell, dem es bisher<br />

nur mit Mühe gelungen war, den Nachstellungen<br />

der Mädchen zu entgehen. „Schau!<br />

Die Große hier ist eine meiner Töchter. Sie<br />

sagt, sie mag dich, Junge!“<br />

Ihr Name war Una und ihr Liebreiz war<br />

beträchtlich. Sanft fließendes rotblondes<br />

Haar umschmeichelte ein schmales, knochiges<br />

Gesicht mit heller Haut und vollen Lippen.<br />

Wie bei ihrer Mutter blitzten ihre<br />

Augen grün. Als sie aber ihr Kleid fallenließ,<br />

um ihrer Mutter uns Wasser zu helfen, da<br />

stockte mir der Atem und Martell schlug die<br />

Augen nieder. „Mutter, du machst ihn verlegen“,<br />

sagte sie leise. „Wir wissen nicht, was<br />

Sitte bei ihnen ist …“<br />

„Sitte!“ polterte Aurnia und plantschte vor<br />

Vergnügen. „Die Göttin hat die Dinge so<br />

gefügt, wie sie sind. Und ich weiß, was Sitte<br />

ist!“ Sie sah Martell an. „Sitte ist, daß sich<br />

eine Frau alsbald einen Mann erwählt. Sitte<br />

ist, daß sie mit ihrer Gunst nicht geizt und<br />

daß sie der Sippe und dem Land Kinder<br />

schenkt. Sitte ist, daß ich mir aussuche, wen<br />

ich will und wann ich ihn will.“ Aurnia faßte<br />

Una am Handgelenk und hielt es Martell<br />

hin. „Ist sie nicht schön?“<br />

<strong>Das</strong> war sie. Ihrer Mutter entging jedoch,<br />

wie ihr Kind den Mund verzog – angepriesen<br />

zu werden wie ein Stück Vieh, wo doch<br />

die Rede <strong>von</strong> freier Wahl ging, das mißfiel<br />

der Tochter – Aurnia schien es nicht zu<br />

kümmern.<br />

Da aber sagte Martell: „Ich bin noch jung<br />

und habe viel zu lernen. Wenn Una erlaubt,<br />

werde ich als ganzer Mann zurückkehren und<br />

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