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Steinkreis 231 - Das Volk von Tir Thuatha

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<strong>Steinkreis</strong> <strong>231</strong><br />

Der Klang der Welt<br />

Dorf, „Häuser am See“. Zuerst hatten wir<br />

bloß den glitzernden See erblickt, als die<br />

Nachmittagssonne sich durch Wolkenlücken<br />

stahl und ihr Licht auf den Wellen tanzen<br />

ließ. Dann, als wir das südliche Ufer erreichten,<br />

<strong>von</strong> dem aus wir das Land jenseits da<strong>von</strong><br />

nur als dünne Linie erahnen konnten,<br />

bemerkten wir einen flachen Hügel, durchsetzt<br />

mit abgeschliffenen Felsblöcken, rund<br />

wie die Murmeln eines Riesenkindes, und<br />

die dünnen Rauchfäden, die <strong>von</strong> ihm aufstiegen.<br />

Sogar etwas krüppelig gewachsenen<br />

Wald gab es ringsherum, sorgsam gehütet, so<br />

schien es, denn die Danannain bauten nur<br />

wenig daraus – die Häuser, die wir sahen,<br />

waren halb in den Boden eingelassen und<br />

mit Stein und Soden gedeckt. Nur ganz oben<br />

auf dem Hügel standen aus Holz gefügte<br />

Rundhütten – das waren die Häuser jener,<br />

die das höchste Ansehen genossen: Schamanen,<br />

Krieger und, weit vor allen anderen,<br />

Aurnia, gesegnete Mutter vieler Kinder, ehrwürdige<br />

Großmutter <strong>von</strong> zwei Dutzend,<br />

geachtetes Oberhaupt des Dorfes, bald fünfzig<br />

Winter hatte sie überlebt und das –<br />

glaubte man Dunchads Worten – ihrer überbordenden<br />

Fülle wegen. Er sagte, sie gleiche<br />

wunderlichen Tieren ohne Arme und Beine,<br />

die weit im Nor an den eisigen Gestaden<br />

lebten – Verwandte hätten ihm da<strong>von</strong><br />

berichtet.<br />

Aurnia thronte auf einem erhöhten Lager,<br />

gebettet auf Pelze, und nun legte ihr Dunchad<br />

das Fell des Flathaff zu Füßen, stinkend<br />

noch <strong>von</strong> dem Fleisch, das an ihm haftete,<br />

gleichwohl aber prächtig weiß und groß wie<br />

kein anderes, auf dem sie ruhte. Da verlangte<br />

sie den Mann zu sehen, der den Wolf erlegt<br />

hatte und als Martell vor sie trat in all seiner<br />

Jugend, da staunte sie, weil er so schmal war,<br />

lachte dann, lobte seinen Mut und hieß uns<br />

um seinetwillen – und weil es der Brauch so<br />

verlangte – 
willkommen in Marallynntech.<br />

Wir waren bereits neugierig empfangen<br />

worden, als wir uns der Siedlung genähert<br />

hatten. Hirten hatten uns erspäht und laut<br />

rufend angekündigt:„Dunchad sibolchovel!<br />

Yllrel mara Gwestin! – Dunchad ist zurück!<br />

Er bringt viele Gäste!“<br />

Struppige, halbnackte Kinder – es gab sie<br />

in verblüffend großer Zahl im Dorf – hatten<br />

uns begleitet, durch einen Bering <strong>von</strong> Felsen,<br />

der als Brustwehr nichts taugte, weil er voller<br />

Lücken war, hinauf auf den Hügel, zu Aurnias<br />

Haus. Unsere Pferde hatten sie bestaunt<br />

und gebettelt – „Archvar! Archvar!“ –, reiten<br />

zu dürfen, was wir lächelnd gewährten.<br />

Schließlich hatte Dunchad uns in das große<br />

Rundhaus eingelassen und nun standen wir<br />

vor der Herrin der Danannain vom See.<br />

„Willkommen seid ihr alle, die ihr dem<br />

Flathafftöter folgt!“ schloß sie uns ein in die<br />

Einladung an Martell. „Danas Segen sei mit<br />

euch, solange ihr unsere Gäste seid!“ Aurnias<br />

Worte taten uns wohl und obgleich ihr fetter<br />

Leib sie in meinen Augen unbeholfen und<br />

schwerfällig machte: in ihren grünen Augen<br />

erkannte ich Wärme und Mutterwitz, das<br />

lange graue Haar mit den kupferfarbenen<br />

Strähnen aber, das ihr einer Robe gleich über<br />

die Schultern auf den wogenden Busen<br />

strömte, betonte ihre Ehrwürdigkeit.<br />

„Wir sind froh über Danas Wohlwollen“,<br />

sagte Craig, „erschien doch einem unserer<br />

Gefährten im Traum ein Zauberer, der ihm<br />

weissagte, Dana würde uns alle verzehren.“<br />

Aurnia spuckte verächtlich aus. „Fürchtet<br />

keinen bösen Zauber, so lange ihr in Dwyllûgnach<br />

wandert! Mächtig sind die Zauberer<br />

aus dem Süd, doch so lange Danas Kinder<br />

der Großen Mutter einig dienen, können die<br />

Grauen diese Länder nicht betreten. Sie lauern<br />

an den Grenzen und suchen Zwietracht<br />

zu säen. Wir aber sind treu. Ihr seid in<br />

Sicherheit.“<br />

Da bedankten wir uns artig und lobten die<br />

Großzügigkeit der Herrin. Und wir waren<br />

wahrhaft dankbar, denn nicht nur, daß die<br />

Rentierjäger für uns ihre Zelte aufstellten,<br />

nein, es würde am Abend auch ein Festmahl<br />

zu unseren Ehren geben. Zuvor aber würden<br />

wir baden.<br />

<strong>Das</strong> grau und grün schimmernde Wasser<br />

des Sees war kalt. Trotzdem tauchten wir<br />

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