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Zeitschrift für Islamische Studien

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Yaşar Sarıkaya: Die Authentizität des al-Ǧāmiʿ aṣ-ṣaḥīḥ<br />

lim durch das Konsens-Konzept der Ḥadīṯgelehrten religiös begründet. Ibn aṣ-<br />

Ṣalāḥ (g. 643/1245), der die späteren Ḥadīṯwissenschaftlichen <strong>Studien</strong> maßgeblich<br />

beeinflusst hat, erklärte im 13. Jahrhundert, dass die Ḥadīṯe in diesen beiden<br />

Werken, den Ṣaḥīḥayn, aufgrund des unfehlbaren Konsenses der Gemeinschaft<br />

der Muslime den höchsten Grad der Glaubwürdigkeit und damit kanonischen<br />

Status besäßen. Denn die Gemeinschaft der Muslime könne in Dingen, über die<br />

sie einen Konsens erreicht hat, nicht irren. Ihm zufolge ist es keinem späteren<br />

Ḥadīṯexperten mehr erlaubt, die Glaubwürdigkeit einer Prophetenüberlieferung<br />

in diesen Werken anzuzweifeln und darüber selbständig ein Urteil zu fällen. 5 Bereits<br />

vor ihm hatte al-Ḥākim an-Naysābūrī (g. 1014) die Ṣaḥīḥayn zum als allgemein<br />

akzeptierten Maß <strong>für</strong> authentische Ḥadīṯe erklärt. 6<br />

Die muslimische Kritik an dem Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī<br />

Die sunnitische Welt ist bis heute weitgehend der Auffassung Ibn aṣ-Ṣalāḥs gefolgt.<br />

Das zeigt sich darin, dass der Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī in der Folgezeit – abgesehen<br />

von wenigen Fragen und Bemerkungen zu dem einen oder anderen Ḥadīṯ –<br />

kaum Gegenstand systematisch-kritischer Untersuchung war. Im Gegenteil widmeten<br />

sich unzählige Gelehrte mittels der Kommentare, Subkommentare und<br />

Randglossen der Verherrlichung dieser Sammlung. 7 Das darf jedoch nicht den<br />

Eindruck vermitteln, als hätte der Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī diese hohe Autorität und<br />

Immunität von seiner Entstehung an schon immer besessen. Vor Ibn aṣ-Ṣalāḥ<br />

hatten sich zahlreiche Gelehrte gegenüber dem Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī (und dem<br />

von Muslim) kritisch geäußert. 8 Sie unterzogen die darin enthaltenen Ḥadīṯe sowohl<br />

hinsichtlich ihrer Isnāde, als auch ihrer Textinhalte einer kritischen Prüfung.<br />

Die bekanntesten sind:<br />

1. Ibn Ḥazm (g. 456/1063). Der andalusische Universalgelehrte und Anhänger<br />

der muslimischen Rechtsschule der Ẓāhiriten schätzt zwar den Ṣaḥīḥ von al-<br />

Buḫārī hoch und erkennt ihn sogar zusammen mit dem Ṣaḥīḥ Muslims als die<br />

authentischste Ḥadīṯsammlung an, kritisiert jedoch in seinem Werk al-Muḥallā<br />

zahlreiche Ḥadīṯe sowohl hinsichtlich ihrer Isnāde wie auch hinsichtlich ihrer<br />

Inhalte. Nach dem Prinzip: „Wir machen nur Überlieferungen zur Grundlage <strong>für</strong><br />

unsere Beurteilung, die von zuverlässigen Tradenten durch einen ununterbrochenen<br />

Isnād überliefert werden. Schwache Überlieferungen jedoch lehnen wir ab,“ 9<br />

kritisierte er beispielsweise Ḥadīṯe, in deren Überlieferungsketten ein oder mehrere<br />

Überlieferer weggelassen wurden oder denen die gesamte Überliefererkette<br />

fehlt (muʿallaq). Ḥadīṯe dieser Art seien aufgrund der Mängel im Isnād<br />

„schwach“ oder sogar „erfunden.“ Mit dieser Auffassung weicht Ibn Ḥazm von<br />

der Mehrheit der Ḥadīṯgelehrten ab, die zwar die muʿallaq-Ḥadīṯe theoretisch als<br />

„schwach“ kategorisieren, den Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī und den von Muslim jedoch<br />

von der Kritik ausnehmen, obwohl auch diese Autoren zahlreiche Ḥadīṯe dieser<br />

Form überliefert haben. 10<br />

2. Abū ʿAlī al-Ġassānī (g. 498/1104) ist ein Ḥadīṯexperte aus Cordoba. In seinem<br />

Taqyīd al-muḥmal 11 beschäftigt er sich mit den Überlieferern der Ṣaḥīḥayn, vor<br />

allem hinsichtlich der inkorrekten Schreibweise und Aussprache von Namen,<br />

Beinamen, Ehrennamen der Überlieferer, die zwar mit denselben Buchstaben<br />

geschrieben, jedoch unterschiedlich ausgesprochen werden. Das Werk umfasst<br />

vier Kapitel. Im ersten Kapitel befasst er sich mit der gleichen oder unterschiedlichen<br />

Schreibweise von Herkunftsbezeichnung bestimmter Überlieferer. Das<br />

zweite Kapitel handelt von den Fehlern, welche die Überlieferer der Ṣaḥīḥayn im<br />

Isnād ihrer Überlieferungen begangen haben. Im dritten Kapitel weist der Autor<br />

auf die Überlieferungsfehler im Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī hin, fügt aber hinzu, dass<br />

diese Fehler nicht auf den Autor, sondern auf seine Schüler zurückgehen, die das<br />

Werk abgeschrieben und tradiert haben. Es handelt sich um solche Fehler im<br />

Isnād, die erst durch eine vergleichende Analyse der Versionen desselben Ḥadīṯ<br />

festgestellt werden können. Al-Ġassānī stellt in den 135 Überliefererketten verschiedene<br />

Fehler fest. Im vierten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit den Fehlern<br />

in den Beinamen der Überlieferer. Dabei beruft er sich auf die Arbeiten von<br />

ʿAlī b. ʿUmar al-Dāraquṭnī und Abū Masʿūd al-Dimašqī. 12 Seite | 18

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