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Zeitschrift für Islamische Studien

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M. Fuad Sezgin: Die Quellen al-Buḫārīs<br />

gabe tritt uns fast in jedem spätem Buche dieser Art entgegen — dass die genannten<br />

muhammedanischen Theologen den Anfang der Ḥadîthsammlungen<br />

bezeichnen. Nun beruht aber diese Deutung der Nachricht des Aḥmed ibn Hanbal<br />

auf Missverständniss. Die Werke der beiden Theologen sind uns nicht erhalten<br />

geblieben und man kann im Urtheile über die Richtung und Tendenz derselben<br />

sich nicht auf Texte berufen. Doch besitzen wir Andeutungen, aus welchen<br />

gefolgert werden kann, dass es sich bei den Arbeiten der beiden Gelehrten des<br />

II. Jahrhunderts nicht um Ḥadîthsammlungen handeln könne. Vorerst erwähnen<br />

wir mit Bezug auf Ibn Abî ʿArûba die Nachricht, dass derselbe „keine Aufzeichnung<br />

(kitâb) machte, sondern alle Traditionen, die er hörte, im Gedächtniss<br />

bewahrte". 64 Dieser Bericht flösst uns begründeten Verdacht gegen die Correctheit<br />

der aus dem Berichte des Ibn Hanbal abgeleiteten literarhistorirchen<br />

[sic!] Thatsache ein. Insofern in jener Zeit von systematisch angelegtenWerken<br />

die Rede sein kann, so sind es nicht Traditions Sammlungen,sondern im Geiste<br />

jener Zeit Fiḳhbücher, erste Versuche nach den Gesetzkapiteln angeordneter<br />

Codices, nicht ohne Verwendung des dahingehörigen überlieferten Sunnamaterials.<br />

Solche gesetzwissenschaftliche Versuche, welche um jene Zeit nicht vereinzelt<br />

waren, nannte man Sunan; es wird in der Determination derselben ausdrücklich<br />

angegeben, dass sie nach Fiḳhmaterien angeordnet waren, von einigen<br />

heisst es ausdrücklich: kitâb al-sunan fî-1-fiḳh. Dass die Werke des Ibn Ǵurejǵ<br />

und Ibn Abî ʿArûba dieser Klasse angehören, folgt aus der genauen Angabe ihres<br />

Inhaltes bei Ibn Abî-1- Nadîm. Diese Bücher werden also jene sein, mit Bezug<br />

auf welche Aḥmed ibn Hanbal den genannten Gelehrten bahnbrechende<br />

Thätigkeit zuschreibt. Bei Ibn Abî-1-Nadîm finden wir allerdings auch noch<br />

ältere Sunanwerke dieser Art verzeichnet, z. B. — um nur eins zu nennen — ein<br />

Kitâb al-sunan fî-1-fiḳh von Makḥûl (st. 116).“ 65<br />

Anschließend thematisiert Goldziher den Muwaṭṭa des Imam Mālik und<br />

konstatiert, dass dieser nicht als die erste Ḥadīṯsammlung angesehen werden<br />

kann. Mālik hätte vielmehr versucht, vom Standpunkt der Sunna und des Konsensʿ<br />

(iǧmāʿ) heraus ein theoretisches Prinzip wiederzubeleben. 66 Er behauptet,<br />

dass uns keine [gesicherten] Informationen in Bezug auf den Ursprung der systematisierten<br />

Ḥadīṯliteratur vorliegen, und beteuert – wie bereits erwähnt –, dass<br />

die Berichte der muslimischen Autoren in dieser Hinsicht sehr zweifelhaft sind.<br />

Lediglich im dritten Jahrhundert, in dem die musnad-Werke nach Kapiteln angeordnet<br />

wurden, lassen sich diesbezüglich positive Hinweise finden. 67 Später sagt<br />

er, dass die Faktoren <strong>für</strong> die Entstehung der systematisierten Werke in der Auseinandersetzung<br />

zwischen den Traditionalisten (aṣḥāb al-ḥadīṯ) und den Rationalisten<br />

(aṣḥāb ar-raʾy) liegen und dass die Traditionalisten in dieser Auseinandersetzung<br />

gezwungen waren, ihr Material nach Kapiteln anzuordnen. 68 Ferner sei<br />

im Islam al-Buḫārīs Saḥīḥ als erstes systematisiertes Werk anerkannt worden. 69<br />

Nachdem Goldziher auf diese Weise die Datierungen <strong>für</strong> die Anfänge des<br />

tadwīn und des taṣnīf im islamischen Schrifttum als identisch aufzeigt, thematisiert<br />

er lediglich einen Bericht – wenn nicht sogar den kürzesten – von denjenigen<br />

viel detaillierteren Berichten, die <strong>für</strong> die ersten systematisierten Werke im<br />

islamischen Schrifttum angegeben werden, und findet diesen widersprüchlich.<br />

Einen Widerspruch sieht er in den beiden folgenden Aussagen: „Die Personen,<br />

die Aḥmad ibn Ḥanbals Bücher zum ersten Mal nach Kapiteln angeordnet haben<br />

(taṣnīf), sind Ibn Ǧurayǧ (gest. 150) und Ibn Abī ʿArūba (gest. 154)“ und „Er<br />

[Ibn Abī ʿArūba] besaß keine eigenen Werke, sondern lernte die Ḥadīṯe auswendig“.<br />

Falls wir von den Überlieferungen bezüglich des taṣnīf, die die islamischen<br />

Quellen liefern und die noch älter und noch detaillierter sind, absehen, dann gibt<br />

es selbst in diesen beiden Formulierungen keinen Widerspruch. Aḏ-Ḏahabī 70 , der<br />

beide Formulierungen unmittelbar aufeinanderfolgend in der Biographie des<br />

Saʿīd ibn Abī ʿArūba in dieser Form: „wa huwa awwalu man ṣannafa l-abwāba<br />

bi-l-Baṣrati qāla Aḥmad ibn Ḥanbal: lam yakun lahū kitābun innamā kāna yaḥfaẓ“<br />

überlieferte, sah keinerlei Widersprüche. Denn die Hadīṯgelehrten führten<br />

die Aussage Ibn Ḥanbals über Ibn Abī ʿArūba auf die Bedeutung zurück, dass<br />

dieser ein starkes Gedächtnis hätte und die Ḥadīṯe auswendig lernte. Das bedeutet,<br />

dass er seine Ḥadīṯe nicht selbst niederschrieb, jedoch – wie bereits erwähnt<br />

– die Möglichkeit hatte. von den Ḥadīṯbüchern zu seiner Zeit zu profitieren, einen<br />

Abschnitt von diesen zu entnehmen und anzuordnen.<br />

Hier<strong>für</strong> gibt es in der Ḥadīṯliteratur viele Beispiele. Selbst Imām Mālik, der be-<br />

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