Zeitschrift für Islamische Studien
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Yasmin Alhawari: „<strong>Islamische</strong>s Recht“ von Rüdiger Lohlker<br />
Yasmin Alhawari<br />
REZENSION ZU „ISLAMISCHES RECHT“ VON RÜDIGER LOHLKER<br />
D<br />
ie Thematisierung und systematische Darstellung unterschiedlicher<br />
Aspekte des islamischen Rechts hat in den letzten Jahren<br />
sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch im medialen<br />
Kontext eine zunehmende Beachtung erfahren. Dies schlägt<br />
sich nicht zuletzt in der einschlägigen Fachliteratur nieder, die sich mit der<br />
Thematik um Begriffe wie Šarīʿa, islamisches Recht oder fiqh auseinandersetzt.<br />
Dabei werden diese Bezeichnungen teilweise in unterschiedlicher Weise<br />
definiert und deren Gegenstandsbereiche verschiedenartig behandelt.<br />
Nachdem beispielsweise Mathias Rohe mit seiner Publikation ,,Das islamische<br />
Recht. Geschichte und Gegenwart“ die Historie und vor allem die<br />
Rechtspraxis anhand konkreter Urteile behandelt und hierbei Bezüge zum<br />
Rechtssystem moderner islamisch geprägter Gesellschaften gezogen hat, hat<br />
nun auch Rüdiger Lohlker ein Werk mit dem Titel ,,<strong>Islamische</strong>s Recht“ veröffentlicht,<br />
das im Folgenden rezensiert wird. Lohlker verfolgt dabei einen<br />
grundlegend divergenten Ansatz, indem er seinen Schwerpunkt auf die in den<br />
uṣūl al-fiqh dargelegten Methoden der Rechtsfindung setzt.<br />
Rüdiger Lohlker ist Professor <strong>für</strong> Islamwissenschaften an der Universität Wien<br />
und setzt sich seit vielen Jahren mit Themen des islamischen Rechts auseinander.<br />
Seinem Buch hat er den Titel ,,<strong>Islamische</strong>s Recht“ verliehen, doch er betont,<br />
dass ,,dieser Beitrag […] keine Normierung dessen [beansprucht], was islamisches<br />
Recht ist“ 1 . Vielmehr ginge es um eine offene Vorgehensweise, bei<br />
der ,,auch Reflexionen über und ausgehend von diesen ‚Wurzeln‘“ 2 , das heißt<br />
den uṣūl al-fiqh, im Vordergrund stünden.<br />
Als Basis dieser Reflexionen bedient sich Lohlker zahlreicher klassischarabischer<br />
Texte, die er selbst übersetzt und auch in Form von längeren Zitaten<br />
in sein Buch integriert.<br />
Im Vorwort verspricht Lohlker, in erster Linie ,,die älteren gelehrten Diskussionen“<br />
zu fokussieren, wobei ,,moderne Entwicklungen immer wieder kurz<br />
angesprochen“ werden. 3 Dabei konzentriert sich seine Untersuchung primär<br />
auf sunnitisch geprägte Diskurse und Rechtsmethoden; dennoch berücksichtigt<br />
er die Ansichten schiitischer Rechtsgelehrter und bringt nicht zuletzt zentrale<br />
rechtsmethodische Prinzipien der Zwölferšīʿa zum Ausdruck.<br />
Im Zusammenhang mit seiner Untersuchung der methodischen Herangehensweisen<br />
der Rechtsgelehrten im skizzierten historischen Verlauf liegt Lohlkers<br />
Erkenntnisinteresse in letzter Konsequenz in der Erfassung der hinter den<br />
Rechtsurteilen stehenden gedanklichen Strukturen. Bewusst verzichtet wird<br />
daher auf die in zahlreichen anderen Werken aufgeführten Rechtsbestimmungen<br />
zu einzelnen rechtlichen Bereichen, auch wenn gelegentlich Beispiele zur<br />
Veranschaulichung herangezogen werden. Als zentraler Begriff, der sich im<br />
Rahmen des gesamten Werks vergegenwärtigt, dient die sogenante ,,religiöse<br />
Säkularität des islamischen Rechts und der Rechtsmethodik“, in dem sich die<br />
Beziehung von Säkularität und islamischem Recht widerspiegelt. Ein zentrales<br />
Merkmal, welches nach Lohlker die in dieser Tradition stehenden Schriften<br />
auszeichnet, ist das vielseitig verknüpfte Rhizom als Ausdruck der über<br />
die Demarkationslinie des jeweiligen Texts hinausgehenden Komplexität und<br />
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