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Zeitschrift für Islamische Studien

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Mukadder Tuncel: Die Gottessohnschaft von ʿUzayr<br />

nutzt er die Formel „Sohn Gottes“ ausschließlich, um die Aussagen der Adressaten<br />

wiederzugeben. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass der Koran<br />

die Idee der Gottessohnschaft sowohl in der metaphorischen als auch in der<br />

wörtlichen Bedeutung ablehnt. 71<br />

d) Extratextualität<br />

Die hebräische Bibel beschreibt Esra als den Führer der zweiten Rückkehrwelle,<br />

der gleichzeitig als Priester und als Gesetzeslehrer agiert. Durch seine Aktionen<br />

erlangt er eine hohe Stellung, die aus religionswissenschaftlicher Sicht nicht von<br />

geringer Bedeutung ist: Die Kodifikation, das Studium und die Umsetzung des<br />

Gesetzes sollen die Gebote der Einhaltung und der Reinhaltung des Gesetzes erfüllen,<br />

die zur wichtigen Grundlage des Judentums geworden sind. Durch die<br />

zusätzlichen Funktionen, die die rabbinische Tradition Esra verleiht, erhält er<br />

einen noch höheren Rang und genießt die Gleichstellung mit Moses. Aus der<br />

Entfaltung seiner Funktion und Stellung innerhalb der jüdischen Tradition haben<br />

die muslimischen Gelehrten bzw. Exegeten es als natürlich angesehen, den<br />

Schluss zu ziehen, dass eine derart wichtige Person zumindest an einem bestimmten<br />

Ort in einer bestimmten Zeit von einer bestimmten Gruppe von Juden<br />

mit der Intention, ihren Rang zu erhöhen, als Sohn Gottes bezeugt worden sein<br />

könnte. 72 Folglich ist <strong>für</strong> sie die Koranstelle über die Gottessohnschaft ʿUzayrs<br />

nachvollziehbar. Außerdem be<strong>für</strong>wortet die Tatsache, dass die islamischen Quellen<br />

nicht berichten, dass laut den muslimischen Exegeten die medinensischen<br />

Juden im Zeitraum der Offenbarung des Korans gegen den Vers einen Einwand<br />

erhoben haben, die Aussage des Korans. Weder die jüdischen Quellen beinhalten<br />

eine solche Aussage explizit, noch ist im Allgemeinen bekannt, dass es je eine<br />

solche Gruppierung gab. Diese Tatsache ist vermutlich auch vielen Koranexegeten<br />

bewusst gewesen, sodass sie immer wieder mit der Intention auf den Offenbarungsanlass<br />

hingewiesen haben, dass sich der Koranvers über die damaligen<br />

Juden auf einige Männer unter den medinensischen Juden bezieht. 73<br />

Zusammenfassung<br />

A) Auch wenn die Mehrheit der Wissenschaftler davon ausgeht, dass ʿUzayr mit<br />

Esra gleichzusetzen ist, gibt es keine Übereinstimmung darüber, wer genau<br />

ʿUzayr tatsächlich gewesen ist. Das Ursprungs- und Ableitungswort des Esra,<br />

azaryahu, ist – wie Adam darlegt – auch der Beiname von Metatron. Aus der<br />

Perspektive dieser Etymologie betrachtet, stehen sich zwei Theorien bzw.<br />

Gleichsetzungen gegenüber: ʿUzayr = Esra vs. ʿUzayr = Metatron (Henoch).<br />

B) Setzt man ʿUzayr mit der biblischen Person Esra gleich, stellt man fest, dass<br />

weder im kanonischen jüdischen Werk, also in der Hebräischen Bibel, noch in<br />

den apokryph-apokalyptischen Esra-Schriften von einer Gottessohnschaft des<br />

Esra die Rede ist. Aus der Sicht der Religionswissenschaft und in der rabbinischen<br />

Tradition erlangt Esra im Laufe der Geschichte zwar eine noch größere<br />

Relevanz und Bedeutung. Doch wird Esra auch hier wiederum keine Gottessohnschaft<br />

zugeschrieben. Die Darstellungen von Esra in den islamischen Quellen<br />

scheinen von den apokryph-apokalyptischen Schriften inspiriert zu sein.<br />

C) Allerdings legen die islamischen Überlieferungen über den Offenbarungsanlass<br />

des Verses 9:30 dar, dass einige Juden die Gottessohnschaft von ʿUzayr bezeugt<br />

haben. Ibn Ḥazm dagegen behauptet, dass jemenitische Juden diesen Glauben<br />

bezeugt hätten. Die Analyse hat gezeigt, dass seine Behauptung aus verschiedenen,<br />

aber insbesondere aus historischen Gründen problematisch ist. Nicht<br />

aus dem Offenbarungsanlass allein, sondern u. a. auch wegen der verallgemeinernden<br />

Ausdrucksweise als literarisches Stilmittel der arabischen Sprache oder<br />

aufgrund der eigenartigen, verallgemeinernden Ausdrucksweise des Korans haben<br />

die meisten muslimischen Exegeten abgeleitet, dass dieser koranische Vers<br />

mit seiner Zuschreibung an eine spezielle jüdische Gruppe adressiert ist. Beinahe<br />

alle Wissenschaftler gehen trotz der Mängel an direkten historischen Beweisen<br />

davon aus, dass die koranische Aussage keine Beschuldigung ist, sondern dass<br />

sie eine Grundlage hat; sei diese angelehnt an die samaritische Tradition, 74 an<br />

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