Wo ist der Online-Ulysses? - Netzliteratur.net
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Obwohl die Schmidtsche Konzeption inzwischen hin und wie<strong>der</strong> als zu undifferenziert<br />
kritisiert wurde, hat sie seit ihrer ersten Ausarbeitung vor über 20 Jahren nichts an Eleganz<br />
und Produktivität verloren. Die grobe Einteilung in nur vier Handlungsbereiche <strong>ist</strong><br />
relativ einfach nachvollziehbar, reduziert dabei die Komplexität eines mo<strong>der</strong>nen Medienbetriebes<br />
auf anschauliche Art und Weise und trägt dabei enorm zur Strukturierung<br />
von Medienanalysen bei. Die Übertragung auf an<strong>der</strong>e mediale Zusammenhänge hat<br />
deutlich machen können, dass das Konzept über die traditionelle Literatur hinaus wirksam<br />
werden kann. 30<br />
Aktanten handeln im Literatursystem und sie handeln in spezifischen Rollen. Basierend<br />
auf Schmidts Überlegungen werden vier Rollen unterschieden, die in zeitlichen<br />
und kausalen Beziehungen zueinan<strong>der</strong> stehen:<br />
• Literaturproduktion (LP),<br />
• Literaturvermittlung (LV),<br />
• Literaturrezeption (LR) sowie<br />
• Literaturverarbeitung (LVA).<br />
Literaturproduktion <strong>ist</strong> Voraussetzung für die Vermittlung, welche die Rezeption ermöglicht.<br />
Daran schließt sich die Verarbeitung an, die auf die Produktion zurückwirkt.<br />
Dazu treten direkte Wechselwirkungen zwischen Produktion und Rezeption: Autoren<br />
schreiben für ein bestimmtes Publikum, während Leser bestimmte Autoren kaufen.<br />
Schließlich beeinflussen sich auch Vermittlung und Verarbeitung gegenseitig: Verlage<br />
versuchen, auf Kritiker einzuwirken, indem sie Autoren beson<strong>der</strong>s herausstellen (‚promoten’).<br />
Umgekehrt bietet Literaturkritik eine Orientierung für Verlage, die ihre Verlagsprogramme<br />
planen.<br />
Diese (im jeweiligen h<strong>ist</strong>orischen Kontext auch unterschiedlichen) Beziehungen<br />
zwischen den einzelnen Handlungsrollen konstituieren das jeweilige Literatursystem.<br />
Dass sie unterschiedliche Notwendigkeiten aufweisen, sei nur kurz angedeutet: Für die<br />
literarische Kommunikation unverzichtbar sind Produzent und Rezipient. Vermittler und<br />
Verarbeiter können weg- o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Rollen zusammenfallen (vgl. a.a.O., S. 15-16).<br />
Aus Platzgründen soll an dieser Stelle nicht näher auf die traditionellen Definitionen<br />
<strong>der</strong> Handlungsrollen eingegangen werden, auch die Diskussion des Handlungsrollenmodells<br />
selbst sowie von Erweiterungen des Konzeptes werden vernachlässigt (dazu<br />
ausführlicher: Hartling 2002, S. 27-33). Hier sei die Auffassung festgehalten, dass das<br />
Phänomen <strong>Netzliteratur</strong> als ein Literatursystem entsprechend dem ‚traditionellen’ modelliert<br />
werden kann. In diesem können, vereinfacht gesagt, die vier klassischen Handlungsschemata<br />
Produktion, D<strong>ist</strong>ribution, Rezeption und Verarbeitung nachgewiesen<br />
werden. Als theoretische Vorannahme können damit auch vier <strong>net</strong>zspezifische Handlungsrollen<br />
modelliert werden.<br />
2.2.2 Aktanten im (Netz-) Literatursystem<br />
2.2.2.1 <strong>Netzliteratur</strong>produktion<br />
Produzenten von <strong>Netzliteratur</strong> können entsprechend den oben skizzierten zwei Schwerpunkten<br />
31 in zwei große Gruppen eingeteilt werden: (1) Bei den stark computerbasierten<br />
Texten kann ein Autor bzw. ein Autorenkollektiv, ganz im Sinne des klassischen Autoren-Begriffes,<br />
ausgemacht werden. Abhängig von <strong>der</strong> künstlerischen Konzeption kann<br />
<strong>der</strong> Autor aber mehr o<strong>der</strong> weniger deutlich hinter sein Werk treten o<strong>der</strong> er sucht seine<br />
30 Zu den Le<strong>ist</strong>ungen des Modells (bezogen auf das Fernsehsystem) vgl. auch Schmidt 1994, S. 23-25.<br />
31 Vgl. Kapitel 2.1.3.<br />
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