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Wo ist der Online-Ulysses? - Netzliteratur.net

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„Aktuelle (o<strong>der</strong> genauer: akute) Kanones machen für alle Aktanten im jeweiligen Kunstsystem erkennbar,<br />

wer was in seinem kunstbezogenen Handeln für innovativ, (ge)wichtig, aktuell und<br />

künstlerisch relevant hält.“ (Schmidt 1987, S. 337)<br />

Damit verwe<strong>ist</strong> er jedoch auch auf eine notwendige Empirisierung des Kanonbegriffes<br />

(vgl. Gaiser 1983) und damit auf eine Untersuchungsmethode, auf die im Folgenden<br />

näher eingegangen werden soll.<br />

2.4 Untersuchungsmethode: Rosengrens mention analysis<br />

Das im Moment am me<strong>ist</strong>en Erfolg versprechende Instrumentarium zur Analyse von<br />

zeitlich und räumlich eng umgrenzten literarischen Kanones, stellt die mention analysis<br />

des schwedischen Literatursoziologen Karl Erik Rosengren dar. Ursprünglich Ende <strong>der</strong><br />

1960er Jahre entwickelt, um das schwedische „literarische Klima“ <strong>der</strong> 1880er Jahre<br />

sowie <strong>der</strong> Jahre 1950-1960 empirisch zu analysieren (vgl. Rosengren 1968), <strong>ist</strong> die Methode<br />

inzwischen erfolgreich auch für die Analyse an<strong>der</strong>er Kanones eingesetzt worden.<br />

45 Im Folgenden soll Rosengrens Untersuchungsprogramm in seinen Grundzügen<br />

skizziert werden, 46 um im Anschluss daran eine modifizierte Version für die Analyse<br />

des <strong>Netzliteratur</strong>kanons zu entwickeln.<br />

Das Problem einer Analyse von Kultur im Allgemeinen und von Literatur als Bestandteil<br />

von Kultur im Beson<strong>der</strong>en besteht für Rosengren darin, dass beide nicht direkt<br />

untersucht werden können:<br />

“Culture is abstract. Therefore it can only be indirectly observed. Each single embodiment of culture,<br />

of course can be observed and described in great detail. But culture as such -a class of abstract<br />

phenomena - cannot be directly observed. It must be studied by means of indicators.”<br />

(Rosengren 1981, S. 14)<br />

Diese kulturellen Indikatoren (vgl. dazu Rosengren 1984) stellen in seiner Konzeption<br />

„standardized instruments for measuring various aspects of [...] culture conceived in a<br />

broad perspective“ (Rosengren 1983, S. 7) dar: Sie beschreiben Kultur und ermöglichen<br />

ihre empirische Analyse. Für Rosengren selbst sind literarische Indikatoren interessant,<br />

mit denen er das literarische Milieu untersuchen kann.<br />

Seine Methode geht zurück auf die Beobachtung, dass die Verfasser von Literaturkritiken<br />

den besprochenen Text bzw. dessen Autor sehr oft mit an<strong>der</strong>en Autoren in<br />

Verbindung bringen (vgl. a.a.O., S. 36). Die Häufigkeit aber, mit <strong>der</strong> ein bestimmter<br />

Autor als Bezugspunkt in Rezensionen erscheint, wäre als Maß für dessen Erfolg zu<br />

interpretieren:<br />

“It seemed the success of a foreign or native writer could be measured by the number of times he<br />

was mentioned or referred to in contexts not directly dedicated to him or his work.” (Rosengren<br />

1968, S. 25)<br />

Ausgangspunkt für sein Untersuchungsprogramm <strong>ist</strong> damit <strong>der</strong> für Rosengren beson<strong>der</strong>s<br />

wichtige Bereich des literary criticism bzw. <strong>der</strong> Handlungsbereich <strong>der</strong> Verarbeitung: Er<br />

umfasst Rezensionen in <strong>der</strong> Tagespresse und in Literaturmagazinen genauso wie den<br />

wissenschaftlichen Umgang mit Literatur. Literary criticism bewertet und interpretiert<br />

Literatur, und entscheidet dabei vor allem, welche Autoren in das Literatursystem<br />

45 So etwa auch für Film und Theaterkritik (vgl. einen entsprechenden Hinweis bei Rosengren 1985, S.<br />

160) sowie für Krimiserien (vgl. Wehn 1997a).<br />

46 Hier beziehe ich mich vor allem auf Rosengren 1986 und 1983 als seine beiden wichtigsten Untersuchungen.<br />

Eine ausführlichere, kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Rosengrens Methode bietet Gaiser<br />

1993, insbeson<strong>der</strong>e S. 16-23.<br />

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