Herbstausgabe 2010 - Fachverein Jus | Universität Zürich ...
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nanzdepartement damit beauftragt, bis Anfang 2011 eine<br />
Vernehmlassungsvorlage vorzubereiten. Dabei sollen neben<br />
den Expertenvorschlägen auch die neusten internationalen<br />
Beschlüsse und Empfehlungen des Financial Stability Board<br />
und des G20-Gipfeltreffens vom November <strong>2010</strong> berücksichtigt<br />
werden. 31 Die Bankenlobby wird sich dank ihrem<br />
Einfluss in Bern sicherlich noch die eine oder andere Relativierung<br />
für den Entwurf erkämpfen. Sodann ist es aber auch<br />
offen, wie die Damen und Herren National– und Ständeräte<br />
auf die Vorschläge der Expertenkommission reagieren werden.<br />
Immerhin sollte der politische Druck genügend gross<br />
sein, damit in absehbarer Zeit eine Lösung vorliegt.<br />
Um den Konkurs einer systemisch relevanten Bank<br />
und im Endeffekt den Zusammenbruch des Systems und damit<br />
einen Vertrauensverlust im Bankensektor der Schweiz<br />
zu verhindern, sind die vorgeschlagenen Lösungen wertvoll.<br />
Sie schränken die Schweizer Grossbanken nicht allzu fest in<br />
ihrer Tätigkeit ein, was grundsätzlich im Interesse des Landes<br />
ist. Ob mit dem Vorschlag der Expertenkommission das<br />
Problem des «too big to fail» gelöst werden würde und damit<br />
der nochmalige Fluchtweg über den Zitronensozialismus<br />
verhindert werden könnte, ist unwahrscheinlich; der Vorschlag<br />
würde das Problem aber sicherlich auf fairere Weise<br />
entschärfen. Immerhin steht am Ende der Geschichte, wenn<br />
man an Island denkt, nicht weniger als ein Staatsbankrott<br />
auf dem Spiel.<br />
1<br />
NZZ Nr. 53 vom 4. März 1995, S. 21.<br />
2<br />
Diese Ansicht wird nicht widerspruchslos geteilt; mehr<br />
dazu z.B. bei ANDREW ROSS SORKIN, Too Big To Fail: Inside the<br />
Battle to Save Wall Street, 2009.<br />
3<br />
Die Sitznahme der Gesellschaft in Bern war ein Politikum,<br />
denn ursprünglich waren die Cayman-Islands dafür<br />
vorgesehen. Dass allfällige Gewinne aus dem Verkauf der<br />
toxischen Aktiven auch auf den Cayman-Islands versteuert<br />
worden wären, war dann doch zu viel des Guten.<br />
4<br />
Zweck der Gesellschaft ist die Veräusserung und Liquidation<br />
der illiquiden Papiere der UBS; in der Regel handelt<br />
es sich um am US-Kapitalmarkt verbriefte «Subprime»-<br />
Hypothekendarlehen an Schuldner mit schlechter Bonität.<br />
5<br />
Die «lender of last resort»-Funktion, d.h. die ausserordentliche<br />
Liquiditätszufuhr an das ganze Bankensystem<br />
oder eine gezielte Liquiditätshilfe an eine Bankengruppe<br />
oder eine einzelne Bank, setzt gemäss Botschaft zum Nationalbankengesetz<br />
(BBl 6133, 6186 f.) immerhin die Solvenz<br />
des unterstützten Finanzinstituts voraus. Es handelt<br />
sich also um Liquiditäts- und keine Solvenzhilfe.<br />
6<br />
Zur Finanzmarktkrise und Bankenkrise im Allgemeinen,<br />
CHRISTINE HIRSZOWICZ, Integrität als Wettbewerbsfaktor? Der<br />
verlorene moralische Kompass, ST 82 (2009) S. 19, CHRISTIAN<br />
STAUB, Das Schweizerische Bankenaufsichtsrecht und die<br />
Kreditkrise, GesKR 4 (2009) S. 502.<br />
7<br />
Obwohl die Swissair aufgrund ihrer in grossem Stil geäufneten<br />
stillen Reserven «fliegende Bank» genannt wurde.<br />
8<br />
Dieser Ausspruch wird dem Ökonomen Hyman Minsky<br />
zugeteilt.<br />
9<br />
Das «moral hazard-Problem» besagt, dass Unternehmen<br />
in Erwartung staatlicher oder privater finanzieller<br />
Unterstützung grössere Risiken eingehen und qualitativ<br />
schlechtere Arbeit leisten als Unternehmen, die mit keiner<br />
Hilfe rechnen können.<br />
10<br />
PETER NOBEL, Die Nationalbank als Lender of Last Resort –<br />
ein leeres Versprechen oder Notrecht?, S. 509 f., in: Walder/<br />
Jaag/Zobl, Aspekte des Wirtschaftsrechts, Festgabe zum<br />
Schweizerischen Juristentag 1994, <strong>Zürich</strong> 1994.<br />
11<br />
ROLF H. WEBER, State Interventions and Competition Distortion<br />
in Financial Markets, SZW 81 (2009) S. 434 f.<br />
12<br />
Genauer «Expertenkommission zur Limitierung von<br />
volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen».<br />
13<br />
Die geplanten Massnahmen werden ausführlich von Olivier<br />
Baum dargestellt.<br />
14<br />
Schlussbericht der Expertenkommission vom 4. Oktober<br />
<strong>2010</strong>, S. 16.<br />
15<br />
Z.B. ist die FINMA gemäss Banken- und Börsengesetz<br />
im Falle des Zusammenbruchs eines systemrelevanten Finanzinstituts<br />
verpflichtet, die Ansteckung anderer Akteure<br />
zu verhindern (Art. 5 FIN-MAG); vgl. dazu BSK 1999 BEHG-<br />
WATTER, Art. 1 N 14 und BSK BankG-BAHAR/STUPP, Art. 1<br />
N 1. Die SNB wird in Art. 5 Abs. 2 lit. e NBG u.a. als «lender<br />
of last resort» zum Schutz der Stabilität des Finanzsystems<br />
aufgerufen.<br />
16<br />
NZZ Nr. 222 vom 25. September 1998, S. 21.<br />
17<br />
Schlussbericht der Expertenkommission vom 4. Oktober<br />
<strong>2010</strong>, S. 12 f.<br />
18<br />
UBS Geschäftsbericht 2008, S. 425.<br />
19<br />
Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ist die Summe der Marktwerte<br />
aller Güter und Dienstleistungen, die während eines<br />
Jahres in einem Land produziert und erbracht werden.<br />
20<br />
RAPHAEL JAEGER/THOMAS HAUTLE, Bankenkonkurs und Einlagensicherung<br />
in der Schweiz, AJP 18 (2009) S. 402.<br />
21<br />
Schlussbericht der Expertenkommission vom 4. Oktober<br />
<strong>2010</strong>, S. 15.<br />
22<br />
ROLF H. WEBER, State Interventions and Competition Distortion<br />
in Financial Markets, SZW 81 (2009) S. 435.<br />
23<br />
Dazu im Allgemeinen, Schlussbericht der Expertenkommission<br />
vom 4. Oktober <strong>2010</strong>, S. 16 ff.<br />
24<br />
Dazu FRANZ BÖNI, sic! 13 (<strong>2010</strong>) S. 257.<br />
25<br />
An dieser Stelle sei auf die in einigen Kantonen vorhandene<br />
gesetzliche – manchmal auch nur faktische – Staatsgarantie<br />
für die Kantonalbanken zu erwähnen; mehr dazu<br />
bei BODMER, Art. 3a BankG N 13, BSK BankG-STRASSER,<br />
Art. 3a N 58.<br />
26<br />
MARKUS SCHOTT/DANIELA KÜHNE, An den Grenzen des Rechtsstaats:<br />
exekutive Notverordnungs- und Notverfügungsrechte<br />
in der Kritik, ZBl 111 (<strong>2010</strong>) S. 435 ff.<br />
27<br />
Dazu ANDREAS LIENHARD/AGATA ZIELNIEWICZ, Finanzhilfen wie<br />
im Fall UBS bedürfen einer neuen gesetzlichen Ausgestaltung,<br />
NZZ Nr. 38 vom 16. Februar 2009, S. 8.<br />
28<br />
PAUL RICHLI, Die Banken als Knacknuss für die Wirtschaftsverfassung,<br />
NZZ Nr. 98 vom 29. April <strong>2010</strong>.<br />
29<br />
Schlussbericht der Expertenkommission vom 4. Oktober<br />
<strong>2010</strong>, S. 127 f.<br />
30<br />
PHILIPPE M. REICH, Art. 9 KG N 4, in: Baker & McKenzie,<br />
Handkommentar zum KG, Bern 2007.<br />
31<br />
Medienmitteilung des Bundesrates zur Lösung der «Too<br />
big to fail»-Problematik vom 13. Oktober <strong>2010</strong>.<br />
Too big to fail – oder wenn Grösse<br />
eine Rolle spielt<br />
Teil 2<br />
<br />
Die geplanten Massnahmen<br />
I. Basel III<br />
Mit dem derzeit in aller Munde befindlichen Begriff<br />
«Basel» wird ein Vorschlag des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht<br />
der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich<br />
(BIZ) für ein neues Regelwerk im Bereich der Bankenaufsicht<br />
bezeichnet. 1 Dieser Vorschlag ist eine klare Antwort auf die<br />
vergangene Krise an den Finanzmärkten, welche offen zeigte,<br />
dass eine grosse Zahl an Bankinstituten unfähig war, die<br />
Auswirkungen einer solchen Krise zu absorbieren, und das<br />
bisherige Regelwerk «Basel II» dementsprechend überarbeitet<br />
werden musste. 2<br />
Der Vorschlag für das neue Regelwerk Basel III<br />
bringt zahlreiche Anpassungen mit sich, namentlich im Bereich<br />
der Kapitalanforderungen. Zumal dieser Aufsatz einen<br />
Überblick über die Ausgestaltung der regulatorischen Rahmenbedingungen<br />
liefern soll, werden die vorgeschlagenen<br />
Massnahmen in einer Kurzübersicht dargestellt: 3<br />
• Die Kernmassnahme von Basel III liegt in der<br />
Verbesserung der Qualität und Zusammensetzung der Kapitalbasis.<br />
Durch eine deutliche Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen<br />
soll erreicht werden, dass international<br />
tätige Bankinstitute Verwerfungen an den Finanzmärkten<br />
– bei weiterlaufendem Geschäftsgang – absorbieren können.<br />
Dazu wird insbesondere vorgeschlagen, dass das sog.<br />
«Tier 1 Capital» (Kernkapital) enger gefasst wird; es muss<br />
hauptsächlich aus «common equity» (auch als «Core Tier 1<br />
Capital» bezeichnet), d.h. Kapital der höchsten Qualität, bestehen.<br />
4 Überdies wird die bereits unter Basel II bestehende<br />
«Basisanforderung» durch einen «Kapitalpuffer» ergänzt,<br />
welcher eine verbesserte Stabilität der Banken in Krisenzeiten<br />
gewährleisten soll; dazu kommt sodann ein (noch nicht<br />
festgelegter) Risikozuschlag für systemrelevante Banken.<br />
Wie unter Basel II beträgt die Basisanforderung auch bei Basel<br />
III 8% der risikogewichteten Aktiven (sog. «risk-weighted<br />
assets» 5 , RWA). Während die Banken gemäss Basel II davon<br />
aber nur 2% (der 8%) mit common equity (resp. 4% Tier 1 Capital)<br />
unterlegen mussten, liegt die Quote bei Basel III mit<br />
4.5% common equity (6% Tier 1 Capital) signifikant höher. 6<br />
Der Kapitalpuffer beträgt 2.5% und hat vollständig aus common<br />
equity zu bestehen. Die Banken sollen somit dazu gezwungen<br />
werden, die RWA mit Kapital zu unterlegen, welches<br />
im Falle einer Krise geeignet ist, Verluste effektiv aufzufangen.<br />
• Zweitens sollen (u.a.) die Kapitalanforderungen für<br />
gewisse Gegenpartei-Kreditrisiken erhöht werden, um das<br />
Risiko zu verringern, dass durch den Ausfall eines Kreditinstituts<br />
(im Sinne einer Kettenreaktion) auch andere Kreditinstitute<br />
«angesteckt» werden und ebenfalls in Schieflage<br />
geraten. Dadurch sollen namentlich auch die sich aus der internationalen<br />
Vernetzung der Finanzmärkte bzw. Grossbanken<br />
ergebenden Risiken aufgefangen werden.<br />
• Drittens soll eine «leverage ratio» eingeführt werden,<br />
um den Verschuldungsgrad der Banken zu begrenzen. 7<br />
Mittels einer simplen Verschuldungsobergrenze soll verhindert<br />
werden, dass die Banken zu grosse Bilanzen (und damit<br />
zu grosse Risiken) aufbauen.<br />
• Viertens schlägt der Ausschuss für Basel III verschiedene<br />
Massnahmen vor, welche dazu beitragen sollen,<br />
dass in wirtschaftlich guten Zeiten ein Liquiditätspuffer aufgebaut<br />
wird, von welchem die Banken in Krisenzeiten zehren<br />
können.<br />
• Fünftens wird die Einführung eines weltweiten<br />
minimalen Liquiditätsstandards für international tätige<br />
Banken vorgeschlagen, der aus einem 30-tägigen Liquiditätsdeckungsgrad<br />
(«liquidity coverage ratio») und einem<br />
langfristigen Liquiditätsgrad («net stable funding ratio») besteht.<br />
Dadurch soll eine Fristenkongruenz bei der Finanzierung<br />
erreicht werden (sog. «goldene Bankregel»): langfristig<br />
gebundenes Vermögen (z.B. Anlagen) soll langfristig (Eigenkapital<br />
oder langfristiges Fremdkapital) refinanziert werden,<br />
um Liquiditätskrisen zu vermeiden.<br />
II. «Swiss Finish»<br />
i. Expertenbericht TBTF<br />
Die eben umschriebenen Vorschläge für die zukünftigen<br />
aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen von «Basel<br />
III» gelten nicht automatisch für international tätige Banken.<br />
Vielmehr müssen sie von den einzelnen Staaten effektiv<br />
übernommen werden. Dazu hat der Bundesrat die «Expertenkommission<br />
zur Limitierung von volkswirtschaftlichen<br />
Risiken durch Grossunternehmen» («ExKo») eingesetzt, welche<br />
in ihrem unlängst publizierten Schlussbericht (der nun<br />
in die Vernehmlassung gehen wird) Vorschläge zur Umset-<br />
16 Artikel Artikel<br />
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