Herbstausgabe 2010 - Fachverein Jus | Universität Zürich ...
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<strong>Jus</strong>-Studentinnen anno<br />
dazumal – Interview<br />
mit Dorothea Zimmerli<br />
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«Die Frauen hatten dabei von Kopf bis Fuss<br />
schwarz angezogen zu sein.»<br />
Hattet ihr auch einen Erstsemestrigentag?<br />
Dorothea, wie bist du auf die Idee gekommen, <strong>Jus</strong><br />
zu studieren?<br />
Die Juristerei habe ich einerseits durch meinen<br />
Götti kennengelernt. Er hatte ein Treuhandbüro, gründete<br />
Gesellschaften und erledigte andere Arbeiten. Andererseits<br />
war der Vater einer guten Kollegin von mir Jugendanwalt.<br />
Da ich schon immer mit Kindern und Jugendlichen arbeiten<br />
wollte, konnte ich mir eine solche Tätigkeit gut vorstellen.<br />
Der Jugendanwalt meinte zwar, ich könne schlussendlich<br />
nicht darauf zählen, einmal in diesem Gebiet zu arbeiten.<br />
Doch ich wollte es trotzdem versuchen.<br />
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Nein, früher war der Einstieg ins Studium um einiges<br />
schwieriger. Ich kam mir am Anfang ziemlich verloren vor<br />
an der <strong>Universität</strong>. Es gab im Eingangsbereich des Hauptgebäudes<br />
lediglich eine Tafel, wo jeweils angeschrieben war,<br />
wann und wo welche Vorlesungen stattfinden. Es wurde<br />
einem jedoch nicht gesagt, welche Fächer man am Anfang<br />
belegen sollte. Es gab zwar ein Buch namens «Einführung<br />
in die Rechtswissenschaft», dieses war jedoch so hochstehend<br />
geschrieben, dass ich es erst im späteren Verlauf<br />
meines Studiums verstehen konnte. Zum Glück hatte ich<br />
einige Bekannte an der <strong>Universität</strong>, welche mir am Anfang<br />
Ratschläge gaben.<br />
Worin siehst du den Hauptunterschied zwischen<br />
dem heutigen und dem damaligen Studium?<br />
In der Bewertung der Studenten. Zu unserer Zeit<br />
hatten wir erst am Ende unseres Studiums Prüfungen. Vorher<br />
wurden wir nie benotet. Der Professor hat uns zwar ab<br />
und zu eine Aufgabe gestellt, aber Seminararbeiten oder<br />
Fallbearbeitungen gab es damals noch nicht. So wusste man<br />
bis zum Schluss nicht, woran man war. Das war natürlich<br />
schon eine Belastung.<br />
Wie muss man sich diese Abschlussprüfungen vorstellen?<br />
Wie im heutigen Liz gab es eine Session mit mündlichen,<br />
eine mit schriftlichen Prüfungen. Soweit ich mich erinnere,<br />
musste man innerhalb eines Jahres mit Allem fertig<br />
sein. Geprüft wurden wir unter anderem in Rechtsgeschichte,<br />
Strafrecht, öffentlichem Recht, Privatrecht und römischem<br />
Recht. Während den schriftlichen Prüfungen wurde<br />
man sechs Stunden in einem Raum eingeschlossen. Daher<br />
auch das Wort «Klausur». Bei den mündlichen Prüfungen<br />
waren immer drei Professoren anwesend; zwei prüften, einer<br />
führte Protokoll.<br />
Durftet ihr beschriftete Gesetze an die Prüfungen<br />
mitnehmen?<br />
Nein! Wir durften überhaupt nichts zu den Prüfungen<br />
bringen. Natürlich mussten wir die einzelnen Artikel<br />
nicht wörtlich auswendig kennen. Aber über Inhalt und Systematik<br />
der Gesetze hatte man Bescheid zu wissen.<br />
Vor welcher Prüfung hattest du am meisten<br />
Respekt?<br />
Gefürchtet war die Prüfung im Römischen Recht.<br />
Am Anfang bekamen wir ein lateinisches Digesten-Gesetz<br />
vorgelegt. Die erste Hürde war, es auf Deutsch zu übersetzen.<br />
Dann musste man etwas über dessen Inhalt und Anwendung<br />
schreiben. Zusätzlich gab es noch einen lateinischen Sachverhalt<br />
zu lösen. Das war eine echte Herausforderung.<br />
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Wie wurden die Prüfungsresultate mitgeteilt?<br />
An einem bestimmten Tag nach der letzten Prüfung<br />
wurden die Studenten grüppchenweise vor das Büro der<br />
Fakultätsvertretung im ersten Stock des Hauptgebäudes<br />
zitiert. Die Frauen hatten dabei von Kopf bis Fuss schwarz<br />
angezogen zu sein. Dann kam der grosse Moment: Man wurde<br />
einzeln ins Zimmer gerufen und der zuständige Professor<br />
gab das Prüfungsresultat bekannt. Damals gab es auch noch<br />
keine Noten, sondern nur die Prädikate «vite, cum laude, magna<br />
cum laude und summa cum laude».<br />
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