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Herbstausgabe 2010 - Fachverein Jus | Universität Zürich ...

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zung von Basel III – dem sog. «Swiss Finish» – präsentierte.<br />

Dieses von der Expertenkommission einstimmig verabschiedete<br />

Massnahmenpaket schlägt Adaptionen in vier Punkten<br />

vor: Zunächst sollen in den Bereichen Eigenmittel, Liquidität<br />

und Risikoverteilung Anpassungen vorgenommen werden,<br />

um das Risiko einer Insolvenz zu senken. Sodann sollen aber<br />

auch organisatorische Massnahmen getroffen werden, welche<br />

im Falle einer Insolvenz eines Instituts die Auswirkungen<br />

derselben auf den übrigen Markt möglichst eindämmen.<br />

Wie im Vorschlag des Basler Ausschusses festgehalten,<br />

spielen die erhöhten Eigenmittelvorschriften für<br />

systemrelevante Banken eine entscheidende Rolle, zumal<br />

dadurch die Ausfallwahrscheinlichkeit solcher Institute<br />

(und die damit verbundene Notwendigkeit staatlicher Rettungsaktionen)<br />

reduziert werden kann. Die Expertenkommission<br />

hat diesbezüglich das Konzept von Basel III, bestehend<br />

aus einer Basisanforderung, einem Puffer und einer<br />

progressiven Komponente, übernommen. 8 Hinsichtlich der<br />

Kalibrierung, d.h. der Definition der Anforderungen an die<br />

einzelnen Komponenten, geht der von der Expertenkommission<br />

vorgeschlagene Swiss Finish jedoch erheblich über<br />

Basel III hinaus. Wie bei Basel III beträgt die Basisanforderung<br />

8% der RWA, wovon mind. 4.5% aus common equity<br />

bestehen müssen. 9 Der Puffer beträgt demgegenüber mit<br />

8.5% ein Mehrfaches gegenüber Basel III (2.5%) und muss<br />

zu mind. 5.5% aus common equity und zu max. 3% aus bedingten<br />

Pflichtwandelanleihen, sog. «contingent convertible<br />

bonds» («CoCos») 10 , bestehen. Die progressive Komponente,<br />

welche ebenfalls mit CoCos unterlegt werden muss, bemisst<br />

sich nach dem Marktanteil der Bank und ihrer Bilanzsumme<br />

und beträgt (gemessen an den aktuellen Werten der Credit<br />

Suisse und UBS) ca. 6% der RWA. 11 Der Kalibrierungsvorschlag<br />

der Expertenkommission würde somit von den beiden<br />

Grossbanken CS und UBS eine Unterlegung von 19% der<br />

RWA (Basel III: 10.5%) mit Tier 1+2 Capital verlangen, wovon<br />

mind. 10% aus common equity (Basel III: mind. 7%) bestehen<br />

müssen.<br />

Hinsichtlich der Anpassung und Verschärfung der<br />

Liquiditätsvorschriften schliesst sich die Expertenkommission<br />

den Vorschlägen von Basel III an, 12 zumal sich in der<br />

vergangenen Finanzkrise gezeigt hat, dass die bisherigen<br />

Vorschriften die Krisenresistenz von international tätigen<br />

Grossbanken nicht sicherstellen konnten. 13 Deshalb sollen<br />

die Parameter für die Stresstests, welche die Banken zur<br />

Prüfung ihrer Krisenresistenz durchführen müssen, verschärft<br />

werden. Wie in Basel III vorgeschlagen, soll in guten<br />

Zeiten ein Liquiditätspuffer aufgebaut (und gehalten) werden,<br />

der in einer Krisensituation eingesetzt werden kann. 14<br />

Als weitere Kernmassnahme sollen die Risikoverteilungsvorschriften,<br />

welche das maximale risk exposure<br />

einer Bank gegenüber einzelnen Gegenparteien bestimmen,<br />

verschärft werden. Dadurch soll verhindert werden, dass der<br />

Ausfall einer systemrelevanten Grossbank im Sinne eines<br />

Domino-Effekts weitere Institute in Schieflage versetzt. 15<br />

Eine Bank, die einen «too big to fail»-Status geniesst,<br />

erbringt – wie bereits vorstehend ausgeführt – Leistungen,<br />

welche für die Schweizer Volkswirtschaft unverzichtbar sind<br />

und bei Ausfall derselben nicht innert nützlicher Frist substituiert<br />

werden können (insbesondere die Abwicklung des<br />

Zahlungsverkehrs über SIC bzw. euroSIC/TARGET2 sowie das<br />

Einlagen- und Kreditgeschäft). 16 Mittels präventiven Vorkehrungen<br />

im Bereich der Organisation von Finanzinstituten soll<br />

nun die Weiterführung dieser systemrelevanten Funktionen<br />

im Fall der Insolvenz gewährleistet werden. 17 Dabei ist es<br />

primär die Aufgabe der systemrelevanten Banken, eine zur<br />

Umsetzung dieser Ziele geeignete Organisationsstruktur zu<br />

wählen. Sollte dies jedoch nicht geschehen bzw. kann eine<br />

Bank den Nachweis für das Treffen solcher Vorkehrungen<br />

nicht erbringen, soll die FINMA die notwendigen organisatorischen<br />

Massnahmen subsidiär anordnen können. Überdies<br />

schlägt die Expertenkommission ein Anreizsystem vor, indem<br />

Banken, welche über die organisatorischen Mindestanforderungen<br />

des «Swiss Finish» hinausgehen, ein Rabatt auf<br />

der progressiven Eigenkapitalkomponente gewährt werden<br />

soll. 18 Sofern bei einer Bank dennoch der Krisenfall eintritt<br />

und die Insolvenz droht, sollen die systemrelevanten Bereiche<br />

– zwecks Sicherstellung der Weiterführung derselben –<br />

auf einen selbständigen Rechtsträger übertragen werden. 19<br />

ii. Beleuchtung der contingent convertible<br />

bonds als Teil der Kernmassnahme Eigenkapital im<br />

Besonderen.<br />

Die geplante Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften<br />

ist zufolge des Umstands, dass das Eigenkapital<br />

der meisten Grossbanken vor der Finanzkrise nur 1-2.5%<br />

ihrer gesamten Bilanzsumme ausmachte, zu begrüssen.<br />

Im Vorschlag der Expertenkommission wurde dieser Punkt<br />

denn auch eingehend behandelt. Insbesondere die bedingten<br />

Pflichtwandelanleihen, die sog. «contingent convertible<br />

bonds» oder kurz «CoCos» bzw. «CoCo-Bonds», sorgten für<br />

viel Gesprächsstoff.<br />

Bei contingent convertible bonds handelt es sich<br />

um Anleihensobligationen, welche beim Eintritt einer – im<br />

Rahmen der Emission festgelegten – Bedingung (sog. «trigger<br />

event») zu einem vorbestimmten Umwandlungsverhältnis<br />

in Aktien gewandelt werden. 20 Sofern während der<br />

Laufzeit der Obligation (Emissionsdatum bis zur Fälligkeit)<br />

die Bedingung nicht eintritt, verhalten sich CoCos gleich wie<br />

eine «normale» Obligation: Der Zeichner erhält den Nominalbetrag<br />

zuzüglich des/der Coupons zurück. Tritt die Bedingung<br />

hingegen ein, verändert sich der Payout: die Obligationen<br />

werden in Aktien gewandelt, der Zeichner wird somit<br />

vom Fremd- zu einem Eigenkapitalgeber. Aufgrund dieser<br />

sowohl fremd- wie eigenkapitalähnlichen Komponente gehören<br />

CoCo-Bonds zu den hybriden Finanzinstrumenten.<br />

Die Kerneigenschaft der contingent convertible<br />

bonds, die Umwandlung von Fremd- zu Eigenkapital bei<br />

Eintritt der festgelegten Bedingung, macht dieses Kapitalinstrument<br />

nun besonders attraktiv für die Verwendung als<br />

Eigenkapitalpuffer. Einerseits ermöglichen sie eine steuereffiziente<br />

Kapitalisierung, 21 welche – je nach regulatorischer<br />

Ausgestaltung – an das «Tier 1»- oder «Tier 2»-Capital<br />

angerechnet werden kann. 22 Andererseits kann – bei entsprechender<br />

Ausgestaltung des trigger events (Wandlung<br />

bei einer Unterschreitung einer vorbestimmten Quote des<br />

«Tier 1»-Capitals an den RWA) – die schnelle Refinanzierung<br />

in einer Krisensituation erreicht werden: Im Falle des Eintritts<br />

grosser Verluste (und der damit verbundenen Erosion<br />

des Eigenkapitals) wird sich ein in Schieflage geratenes Institut<br />

am Kapitalmarkt regelmässig kein neues Kapital mehr<br />

beschaffen können (oder dies nur zu äusserst unattraktiven<br />

Konditionen). 23 Sofern das Finanzinstitut nun aber CoCos<br />

ausgegeben hat, werden diese bei Bedingungseintritt «automatisch»<br />

zu Eigenkapital, womit eine schnelle Sanierung<br />

begünstigt werden kann.<br />

Problematisch an den eben umschriebenen CoCo-<br />

Bonds ist nun aber, dass diese ein bisher weitgehend unbekanntes<br />

und damit unerprobtes Kapitalinstrument darstellen<br />

24 , weshalb in der Schweiz auch noch kein Markt für CoCos<br />

besteht. 25 Ein solcher muss vielmehr zunächst aufgebaut<br />

werden, was durch den Umstand, dass die CoCos gemäss Kalibrierungsvorschlag<br />

der Expertenkommission unterschiedliche<br />

Trigger-Events 26 und somit ein unterschiedliches Risikoprofil<br />

aufweisen, verkompliziert wird. Diese Schaffung<br />

eines Marktes für CoCos hat (aufgrund der drängenden<br />

Umsetzung der regulatorischen Vorschriften) zeitnah zu<br />

geschehen. Dabei ist auch der enorme Kapitalbedarf im<br />

Auge zu behalten: unter der Prämisse, dass die CS und UBS<br />

ihr CoCo-Kontingent voll ausschöpfen würden, beträgt das<br />

Emissionsvolumen rund CHF 70 Mrd. 27 Schliesslich verbleibt<br />

abzuklären, für welche Investoren CoCos überhaupt ein interessantes<br />

Objekt zur Kapitalanlage darstellen könnten. 28<br />

Zumal die Coco-Bonds dem Zeichner in guten Zeiten lediglich<br />

den vordefinierten Coupon gewähren, bei Aufkommen<br />

einer Krise aber das Risiko beinhalten, dass der Anleger<br />

statt dem Nominalbetrag lediglich im Kurs stark gesunkene<br />

Aktien zugeteilt erhält, müssen sie zu attraktiven Konditionen<br />

emittiert werden. 29 Je nach Kapitalausstattung einer<br />

Bank vor der Emission können die contingent convertible<br />

bonds somit zu einer teuren Finanzierungsform werden.<br />

III. Bemerkungen<br />

Die von der Expertenkommission gemachten Vorschläge<br />

hinsichtlich des Umgangs mit der TBTF-Problematik<br />

gehen sicherlich in die richtige Richtung. Das vielschichtige<br />

Problem des Umgangs mit Instituten, welche «too big to fail»<br />

sind, vermögen sie aber freilich nicht vollends zu lösen. In<br />

der Folge sollen deshalb einige Punkte, welche von der Expertenkommission<br />

nicht behandelt bzw. als nicht regulierungsbedürftig<br />

erachtet wurden, herausgegriffen und kurz<br />

erörtert werden.<br />

Zunächst ist festzuhalten, dass der Bericht der Expertenkommission<br />

davon auszugehen scheint, dass vor allem<br />

die Grösse eines Bankinstituts begrenzt werden muss. 30<br />

Die schiere Grösse allein ist nun aber nach der hier vertretenen<br />

Auffassung nicht das einzige Problem, welches ein<br />

Unternehmen in Schieflage und zum Zusammenbruch des<br />

internationalen Finanzsystems führen kann. 31 Ein wesentlicher,<br />

im Bericht der Expertenkommission aber nicht näher<br />

beleuchteter Punkt, sind auch die Geschäftsbereiche, in<br />

denen eine Bank tätig ist, zumal die Risiken, welche dabei<br />

eingegangen werden, die systemrelevanten Bereiche stärker<br />

gefährden können. Wie die vergangene Finanzkrise gezeigt<br />

hat, wurde das Einlagen- und Kreditgeschäft verschiedener<br />

Finanzinstitute (namentlich der UBS und verschiedener<br />

amerikanischer Banken) durch exzessive Eigenhandelstätigkeiten<br />

32 im Investmentbanking gefährdet. Es wäre deshalb<br />

wohl prüfenswert gewesen, die Anlagen von Banken, welche<br />

aus der Eigenhandelstätigkeit des Investmentbankings herrühren,<br />

auf eine bestimmte Quote zu beschränken. 33 Dies<br />

namentlich, da der Eigenhandel einer Bank für das Anbieten<br />

der Kerndienstleistungen im Bankwesen in keiner Weise<br />

erforderlich ist. Von der Einführung eines Trennbankensystems,<br />

bei welchem die Banken – im Gegensatz zum Universalbankensystem<br />

– nur bestimmte Bankdienstleistungen anbieten<br />

dürfen und somit die Eigenhandelstätigkeit vom Einlagengeschäft<br />

getrennt hätte, 34 hat die Expertenkommission<br />

hingegen ausdrücklich abgesehen. 35<br />

Sodann übernehmen sowohl «Basel III» als auch<br />

der Vorschlag der Expertenkommission die risikogewichteten<br />

Aktiven als Bezugsgrösse für die Bestimmung der Eigenkapitalanforderung<br />

für Banken. Zwar mag durchaus eine<br />

gewisse Logik für die Gewichtung von Anlagen nach ihrer<br />

Ausfallwahrscheinlichkeit sprechen. Namentlich bei komplexen<br />

Finanzprodukten kann das Defaultrisiko – wie uns<br />

die Vergangenheit deutlich vor Augen geführt hat – aber nur<br />

schwer vorhergesagt werden. 36 Die RWA als Gradmesser für<br />

die Eigenmittelquote kann die Banken (und Aufsichtsbehörden)<br />

dementsprechend in einer falschen Sicherheit wiegen.<br />

Überdies ist zu bemerken, dass die risikogewichteten Aktiven<br />

nicht unabhängig bestimmt werden: die Banken gewichten<br />

ihre Anlagen und berechnen die RWA-Position vielmehr<br />

selber.<br />

Im Weiteren stellt sich die Frage, wie sich das von<br />

der Expertenkommission vorgeschlagene Konzept der Abtrennung<br />

systemrelevanter Funktionen von den übrigen<br />

Bereichen eines Bankinstituts mit den Regelungen (und<br />

der bundesgerichtlichen Rechtssprechung) zur Pauliana<br />

vereinbaren lässt. Gemäss dem Schlussbericht der Expertenkommission<br />

soll die Restgesellschaft eine gleich hohe<br />

oder höhere Eigenmitteldeckung als die Trägergesellschaft,<br />

auf welche die systemrelevanten Funktionen übertragen<br />

werden, aufweisen. 37 Dies würde aber bedingen, dass noch<br />

ausreichend Eigenkapital für zwei rechtlich selbständige<br />

Gesellschaften vorhanden ist und die Trennung entsprechend<br />

früh vorgenommen wird. Es scheint jedoch fraglich,<br />

ob in diesem Zeitpunkt ein solch negatives Signal für das<br />

Fortbestehen beider Gesellschaften wünschbar ist. Wird die<br />

18 Artikel Artikel<br />

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