18.11.2013 Aufrufe

Zusammenfassung Arbeitsrecht

Zusammenfassung Arbeitsrecht

Zusammenfassung Arbeitsrecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Zusammenfassung</strong> <strong>Arbeitsrecht</strong><br />

für die Prüfung der Aufbaustufe anhand des Lehrbuches von Wolfgang Portmann und<br />

Jean-Fritz Stöckli<br />

1. Kapitel: Allgemeines zum Arbeitsvertrag<br />

Das Wesen des Arbeitsvertrages<br />

• Begriffselemente<br />

- Legaldefinition: Das Recht des Einzelarbeitsvertrages wird Individualarbeitsrecht genannt (Art.<br />

319ff.), das Recht des Gesamtarbeitsvertrages (GAV) gehört dagegen zum kollektiven <strong>Arbeitsrecht</strong><br />

(Art. 356ff.). Zum Normalarbeitsvertrag: Art. 359ff.<br />

- Privatrechtlicher Vertrag: Arbeitsvertrag (AV) des OR ist ein privatrechtlicher Vertrag<br />

- Schuldrechtlicher Vertrag: es entstehen Forderungen, weshalb der AV ein schuldrechtlicher Vertrag ist.<br />

- Leistung von Arbeit: in Frage kommt jede planmässige körperliche oder geistige Tätigkeit zur Erfüllung<br />

eines Bedürfnisses (nie: Unterlassungspflicht, nie: geschuldeter Arbeitserfolg)<br />

- Arbeitsleistung auf Zeit: die Arbeitsleistung ist auf Zeit geschuldet, weshalb erst das Ende des Arbeitsvertrages<br />

die Arbeitsobligation zum Erlöschen bringt (vgl. Art. 114 I). Man unterscheidet AV auf bestimmte<br />

oder unbestimmte Zeit, d.h. befristete und unbefristete (Art. 319 I). Im Rahmen der Arbeitszeit<br />

kann auch Teilzeitarbeit vereinbart werden (Art. 319 II).<br />

- Entrichtung eines Lohns: Zeitlohn (z.B. Monatslohn), Leistungslohn (z.B. Akkordlohn), Geldlohn und Naturallohn<br />

(z.B. Kost und Logis) sind umfasst<br />

- Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation: wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls<br />

ist nötig. Für das Vorliegen einer Eingliederung sprechen umfassende Weisungs- und Kontrollbefugnisse<br />

(Art. 321 d; Subordinationsverhältnis) sowie sonstige Gestaltungselemente des konkreten Rechtsverhältnisses<br />

(vorgeschriebene Arbeitszeiten, Zuweisung eines Arbeitsplatzes, etc.)<br />

• Abgrenzung des Arbeitsvertrages von anderen Rechtsbeziehungen<br />

- Schuldrechtliche Verträge mit Selbstständigen: liegt kein Subordinationsverhältnis vor (Indizien: eigene<br />

Arbeitsorganisation des Arbeitsleistenden, für die er das unternehmerische Risiko trägt), sind<br />

oft Aufträge oder Werkverträge vorliegend. Im Gegensatz zum Auftrag wird der AV zwingend auf Zeit<br />

abgeschlossen und er kann sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich sein (nicht so der AV). Wer in<br />

der Organisation seiner Arbeit grds. selbstständig ist, ist i.d.R. also Beauftragter. Im Werkvertrag ist<br />

ferner ein Arbeitserfolg geschuldet, wobei auch hier auf die Eingliederung abgestellt werden kann:<br />

Unternehmer ist also, wer über den Einsatz seiner Produktionsmittel selbstständig bestimmt.<br />

- Gesellschaftsvertrag: ist ein Interessengemeinschaftsvertrag, der AV hingegen ein Interessengegensatzvertrag.<br />

Zu weiteren Abgrenzungen siehe Buch S. 8ff.<br />

• Rechtsnatur<br />

Der AV ist ein gesetzlich geregelter, synallagmatischer Dauerschuldvertrag mit personenbezogenen<br />

Elementen (Treuepflicht, Fürsorgepflicht). D.h. er ist ein Schuldvertrag (Verpflichtungsgeschäft), vollkommen<br />

zweiseitig (gegenseitige Leistungspflichten), lässt ein Dauerschuldverhältnis entstehen (wiederholtes<br />

Leistungsverhalten nötig) und ist ein Nominatvertrag (Art. 319ff.)<br />

• Parteien<br />

Der AV ist ein Zweiparteiengeschäft. Beteiligt sind der Arbeitnehmer (nur natürliche Personen, Art.<br />

321) sowie der Arbeitgeber (natürliche und juristische Personen wie auch Rechtsgemeinschaften; oft<br />

wird dabei das Weisungsrecht von Stellvertretern oder Organen ausgeübt).<br />

Die Anbahnung des Arbeitsvertrages<br />

• Vertragsverhandlungsverhältnis<br />

Wird meist durch Stellenausschreibungen oder –gesuche in Gang gebracht, welche die Bedeutung einer<br />

Einladung zur Antragsstellung haben, also keine Anträge im Rechtssinne sind. Im Vertragsverhandlungsverhältnis<br />

kommen verschiedene Vorschriften zur Anwendung, die kein vertragliches Verhältnis<br />

voraussetzen:<br />

Seite 1


- Allgemeiner Persönlichkeitsschutz: Die Rechte nach Art. 28ff. ZGB sind zu wahren (Geheim- und<br />

Privatsphäre, Rassendiskriminierung)<br />

- Gleichstellung von Mann und Frau: ist zu beachten, vgl. Art. 3 II GlG (verboten sind direkte und indirekt<br />

diskriminierende Zugangsvoraussetzungen und Auswahlkriterien unter Vorbehalt gewisser Ausnahmen,<br />

etwa wenn das Arbeitsziel untrennbar mit der Geschlechtszugehörigkeit verbunden ist. Bei<br />

diskriminierender Ablehnung entsteht ein Anspruch auf Entschädigung, der den Charakter einer<br />

Strafzahlung hat, Art. 5 II Satz 1 GlG. Die Frist beträgt nach Art. 8 II GlG drei Monate).<br />

- Datenschutz: die Pflicht des potentiellen Arbeitgebers zum Schutz der Daten eines Stellenbewerbers<br />

beurteilt sich analog Art. 328 b Satz 1 OR und nach dem Bundesgesetz über den Datenschutz<br />

(DSG). Dies wirkt sich aus auf: (1) die Befragung des AN (Fragen können nach Würdigung aller Umstände<br />

des geplanten Arbeitsverhältnisses unzulässig sein, wenn ein hinreichender Zusammenhang<br />

zum Arbeitsverhältnis fehlt, beachte v.a. Art. 3 DSG), (2) die Referenzen, graphologischen Gutachten<br />

und psychologischen Eignungstests (Einwilligung des Bewerbers vorausgesetzt, Art. 4 II und IV<br />

DSG sowie Art. 12 II lit. b DSG; Beschränkung der Abklärungen auf die Eignung des Bewerbers für<br />

das konkrete Arbeitsverhältnis, Art. 328b Satz 1 analog), sowie (3) den Umgang mit Daten des Bewerbers<br />

(potentieller AG muss die Daten durch angemessene technische und organisatorische<br />

Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten schützen, vgl. Art. 7 I DSG).<br />

- Treu und Glauben: Pflicht, den Verhandlungspartner über erhebliche Tatsachen nicht zu täuschen,<br />

Schutz der Rechtsgüter des Partners (Konkretisierungen sind die Auskunftspflicht Fragen müssen<br />

wahrheitsgemäss beantwortet werden, jedoch dürfen unzulässige Fragen unrichtig beantwortet<br />

werden; die Offenbarungspflicht bestimmte Tatsachen müssen von sich aus mitgeteilt werden,<br />

wenn objektive Ungeeignetheit des potentiellen AN für den Job vorliegt; und Wahrheitspflicht des<br />

Stellenbewerbers richtige und vollständige Mitteilung auch neben dem Bereich der beiden genannten<br />

Pflichten). Bei einem Verstoss gegen Treu und glauben wird eine Haftung aus culpa in<br />

contrahendo ausgelöst.<br />

• Das Zustandekommen des Arbeitsvertrages<br />

- Austausch übereinstimmender Willenserklärungen (Art. 1 I): Konsens muss sich mindestens auf die<br />

wesentlichen Vertragspunkte beziehen (obj. wesentlich: Abschluss eines privat- und schuldrechtlichen<br />

Vertrags, der eine auf Zeit zu erbringende entgeltliche Arbeitsleistung im Dienst des AG zum<br />

Gegenstand hat, wobei Inhalt und Umfang der Arbeitsleistung dem Grundsatz nach festgelegt werden<br />

müssen, nicht aber die Vergütung, vgl. Art. 322 I // subj. wesentlich sind Punkte, deren Regelung<br />

eine conditio sine qua non für den Abschlusswillen mindestens einer Partei darstellt). Allgemeine<br />

Arbeitsbedingungen müssen stillschweigend oder ausdrücklich übernommen werden, um Geltung<br />

zu erlangen (Globalübernahme, vgl. auch Ungewöhnlichkeitsregel etc.).<br />

- Zustandekommen durch Gesetzesvorschrift: Art. 320 II, massgebend sind ausschliesslich die objektiven<br />

Umstände gesetzliche Begründung eines faktischen Vertragsverhältnisses (str.). Die Bestimmung<br />

ist zwingend, möglich sind aber ausdrückliche Unentgeltlichkeitsvereinbarungen!<br />

• Die Gültigkeit des Arbeitsvertrages und seiner Abreden<br />

- Inhalt des AV: kann grds. frei vereinbart werden (Art. 19 I), beachte jedoch gesetzliche Schranken<br />

(Art. 20 I, Widerrechtlichkeit).<br />

- Inhalt einzelner Abreden: auch diese sind von obiger Regel umfasst, beachte jedoch in diesem Zusammenhang<br />

speziell die zwingenden Bestimmungen des <strong>Arbeitsrecht</strong>s (Kataloge aus Art. 361 I und<br />

362 I) sowie in GAVs oder Betriebsordungen (Art. 357 II und 39 II ArG), welche abweichende Vereinbarungen<br />

ersetzen! Achtung, es ist jeweils nur die betroffene Abrede betroffen, nicht der AV<br />

selbst (lex specialis zu Art. 20 II OR).<br />

- Form des AV: Formfreiheit nach Art. 320 I. Ausnahmen sind der Lehrvertrag (Art. 344a I) und der<br />

Heuervertrag für Seeleute (Art. 69 II SSG). Eine gewisse Relativierung bringt Art. 330b OR mit sich<br />

(Informationspflicht, wobei die Verletzung aber nicht zum Dahinfallen des Vertrages führt).<br />

- Form der einzelnen Abreden: gewisse Abrede bedürfen der einfachen Schriftlichkeit, z.B. Art. 324a<br />

IV, 332 II, 335c II oder 340 I).<br />

- Parteien: Handlungsfähigkeit ist vorausgesetzt (Vorbehalt: Art. 320 III).<br />

- Übervorteilung und Willensmängel: Art. 21 und 23ff. OR finden Anwendung. Relativierung durch Art.<br />

320 III. Irrtum oder Täuschung des AG kann insbesondere vorliegen, wenn der AN bei der Vertrags-<br />

Seite 2


verhandlung seine Auskunfts-, Offenbarungs- oder Wahrheitspflicht verletzt hat (Ausnahme: Unzulässigkeit<br />

der Fragen Begründung: Notwehrrecht der Lüge oder Art 25 I.<br />

- Erbrachte Leistungen aufgrund eines ungültigen Arbeitsvertrages: müssen nach den Grundsätzen<br />

der ungerechtfertigten Bereicherung zurückerstattet werden. Aber: Art. 320 III bei gutem Glauben<br />

des AN. Rechtsfolgen sind ein faktischer Arbeitsvertrag (bringt alle Pflichten eines normalen AV mit<br />

sich) sowie ein Kündigungsrecht beider Parteien mit sofortiger Wirkung (ex nunc, Schutzbestimmungen<br />

von Art. 336ff. finden keine Anwendung). Achtung: Das Dahinfallen des Mangels führt zu dessen<br />

Heilung.<br />

• Die auf den AV anwendbaren Normen in ihrer hierarchischen Reihenfolge<br />

- Zwingendes Gesetzesrecht: Art. 319ff., die in Art. 361 I (beidseitig zwingend) und 362 I (einseitig<br />

zwingend) verzeichnet sind. Durch GAV und NAV darf jedoch auch dann zugunsten des AN von<br />

zwingenden Gesetzesbestimmungen abgewichen werden, wenn diese dies nicht untersagen<br />

(Günstigkeitsprinzip nach Art. 358 und 359 III).<br />

- Normative Bestimmungen von GAVs: Art. 356 I OR, gehen allen Normen ausser dem zwingenden<br />

Gesetzesrecht vor, soweit sie keine Ausnahme vorsehen (Art. 357 I, 361 II und 362 II). Beachte aber<br />

Günstigkeitsprinzip (oben).<br />

- Betriebsordnungen: Art. 37 IV ArG.<br />

- Parteivereinbarungen (unabdingbare Bestimmungen von GAVs oder Betriebsordnungen können<br />

nach dem Günstigkeitsprinzip gemäss Art. 357 II verdrängt werden).<br />

- NAVs: sind Gesetze im materiellen Sinn (Art. 359 I) und gelten unmittelbar für die unterstellten Arbeitsverhältnisse.<br />

Vgl. auch 360 I. Normalarbeitsverträge gegen Missbrauch i.S.v. Art. 360a-f sind<br />

betreffend der einseitig zwingenden Lohnvorschriften dem zwingenden Gesetzesrecht gleichgestellt.<br />

- Dispositives Gesetzesrecht<br />

- Weisungen des Arbeitgebers: Art. 321d.<br />

2. Kapitel: Die Arbeitspflicht<br />

• Der Begriff der Arbeitspflicht<br />

Die Arbeitspflicht ist die auf dem AV beruhende Pflicht des AN zur Leistung von Arbeit im Dienste des<br />

AG (Art. 319 I) und stellt aus Sicht des AN eine Schuld, aus Sicht des AG eine Forderung dar. Sie ist<br />

vermögensrechtlicher Natur und bildet die Hauptpflicht des AN (steht im Austauschverhältnis mit der<br />

Lohnzahlungspflicht).<br />

• Die Arbeitspflicht in persönlicher Hinsicht<br />

- Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistung: Art. 321, wobei bei entsprechender Abrede oder<br />

Umständen der Beizug von Hilfspersonen möglich ist (Haftung nach Art. 101).<br />

- Grundsatz der Pflicht zur Leistung an den AG: Die Leistung ist dem AG zu erbringen, es sei denn,<br />

Vertrag oder Gesetz sehen die Leistung an einen Dritten vor. Jedoch kann der AG den AN nicht<br />

durch Weisung zur Leistung an einen Dritten verpflichten (vgl. Art. 468 II).<br />

• Die Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht<br />

- Normalarbeitszeit: umschreibt die zeitliche Beanspruchung des AN pro Tag, Woche, Monat oder<br />

Jahr und muss bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein. Es bestehen gewisse Schutzvorschriften,<br />

welche die Gestaltungsfreiheit der Parteien einschränken. Heute kennt man vermehrt auch flexible<br />

Arbeitszeitmodelle, etwa Teilzeitarbeit (gilt auch als Arbeitsvertrag i.S.v. Art. 319 II), Job Sharing<br />

(Aufteilung der Arbeitszeit wird den beteiligten AN überlassen), Jahresarbeitszeit, Lebensarbeitszeit,<br />

gleitende Arbeitszeit (AN kann Arbeitszeit in bestimmtem Rahmen vor- oder nachholen),<br />

zielorientierte Arbeitszeit (bestimmter Zeitpunkt wird festgelegt, indem der AN seine Arbeit zu erledigen<br />

hat braucht er länger richtet sich die Vergütung nach Art. 312c III), Schichtvereinbarung (Art.<br />

25 ArG), Arbeit auf Abruf (meist Arbeit mit kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit, KAPOVAZ)<br />

sowie Aushilfs- und Gelegenheitsarbeit (jeweils neue, befristete AV von kurzer Dauer werden abgeschlossen).<br />

- Überstunden: (1) Pflicht zur Leistung von Überstunden ist unter gewissen Umständen gegeben.<br />

Die Wirkung dieser Pflicht besteht in der zeitlichen Erweiterung der Arbeitspflicht, während der<br />

Grund in der Treuepflicht zu sehen ist. Voraussetzungen sind die Notwendigkeit der Überstunden,<br />

Seite 3


die psychische und physische Leistungsfähigkeit des AN sowie die Zumutbarkeit nach Treu und<br />

Glauben. Zu beachten sind ferner Schutzvorschriften wie die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die<br />

Überzeitarbeit, die freien Tagen und Pausen, etc. (2) Abgeltung von Überstunden: abzugelten sind<br />

Überstunden, wenn sie vom AG angeordnet wurden oder er nicht einschreitet, obwohl er von ihrer<br />

Leistung Kenntnis hat (unerheblich, ob sie notwendig waren oder nicht) sowie Überstunden, die nicht<br />

angeordnet wurden sofern sie notwendig waren oder vom AN nach Treu und Glauben als notwendig<br />

betrachtet werden durften. Überstunden von AN in leitender Stellung sind nur abzugelten, wenn eine<br />

feste Arbeitszeit vereinbart ist (wird durch höheren Lohn kompensiert). Grundsätzlich sind Überstunden<br />

in Lohn zu entschädigen, der sich nach dem Normallohn mit einem Zuschlag von mindestens<br />

einem Viertel bemisst (Art. 321c III). Gibt der AN sein Einverständnis, kann auch durch Gewährung<br />

von Freizeit kompensiert werden (Art. 321c II). Durch schriftliche Abrede, NAV oder GAV kann eine<br />

andere Lösung getroffen werden (Art. 321c II). (3) Abgrenzungen: keine Überstunden stellen nicht<br />

bezogene Ferien, Feiertage und Freitage dar, ferner ein Gleitzeitüberhang, Mehrarbeit im Rahmen<br />

von Jahresarbeitszeit sowie Überzeit (Arbeitszeit, die über die Höchstarbeitszeit hinaus geleistet<br />

wird; vgl. Art. 12 ArG auch hier ist Kompensation durch Freizeit nach Art. 13 II ArG möglich, andernfalls<br />

ist ein Lohn mit Zuschlag von einem Viertel auszuzahlen, Art. 13 I ArG, wobei diese Regelung<br />

im Gegensatz zu derjenigen bei Überstunden zwingend ist Anspruch des AN nach 342 II).<br />

- Kurzarbeit: gewöhnliche Arbeitszeit wird vorübergehend reduziert (normalerweise zur Existenzsicherung<br />

des Unternehmens, wobei Lohnkürzungen vorgenommen werden. Dies ist nur mit Zustimmung<br />

der AN möglich. Liegt diese vor, ist Art. 324 nicht anzuwenden.<br />

• Die Arbeitspflicht in örtlicher Hinsicht<br />

Der Arbeitsort entspricht dem Betriebsort, soweit vertraglich nichts anderes ausdrücklich festgelegt<br />

wird. Jedoch sind je nach Art der Aufgaben allenfalls auch an anderen Orten Leistungen zu erbringen.<br />

Ein neuer Arbeitsort kann natürlich vertraglich vereinbart werden. Eine dauernde Versetzung aufgrund<br />

des Weisungsrechts des AG scheint dagegen unzulässig. In den genannten Fällen, wo die Änderung<br />

zulässig ist, kommt es darauf an, ob die Versetzung dem AN nach Treu und Glauben zumutbar ist<br />

(Art. 321d II). Abgrenzung: eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz ist stets zulässig, sofern sie<br />

durch betriebliche Gründe gerechtfertigt ist.<br />

• Die Arbeitspflicht in gegenständlicher Hinsicht<br />

Die Frage, welche Arbeit der AN zu verrichten hat, bestimmt sich nach dem AV, resp. nach der von<br />

ihm erfassten Stelle. In diesem Rahmen konkretisiert der AG die Arbeitspflicht durch sein Weisungsrecht.<br />

Unzumutbare Arbeit darf jedoch abgelehnt werden (Art. 321d II). Von der Arbeitspflicht erfasst<br />

sind aber die Hauptarbeit, die übliche Hilfsarbeit, die Sonderarbeit (infolge ausserordentlicher Umstände,<br />

z.B. Vertretungen), die blosse Arbeitsbereitschaft sowie die mittelbare Streikarbeit (Arbeit, die<br />

entweder einen Streikbruch voraussetzt oder einen Streikbruch ermöglicht. Unzumutbar ist hingegen<br />

die unmittelbare Streikarbeit, welche Ersatzarbeit für einen streikenden AN darstellt würde Streikerfolg<br />

vereiteln).<br />

• Die Arbeitspflicht in qualitativer Hinsicht<br />

Art. 321a gibt eine generelle Antwort auf die Frage, wie zu arbeiten ist, d.h. sie konkretisiert die Arbeitspflicht<br />

in qualitativer Hinsicht (keine selbstständige Pflicht entscheidende Bedeutung für allfällige<br />

Haftung nach Art. 321e II).<br />

• Das Entfallen der Arbeitspflicht<br />

Die Arbeitspflicht ist von vornherein auf die Dauer des AV und auf die vereinbarte Arbeitszeit beschränkt.<br />

Innerhalb entfällt oder ruht sie bei Annahmeverzug des AG nach Art. 324, bei unverschuldeter<br />

Verhinderung des AN nach Art. 324a, bei Freizeit und Ferien nach Art. 329ff. sowie bei rechtmässigem<br />

Streik nach Art. 28 III). Der AN begeht also in diesen Fällen keine Vertragsverletzung. Der<br />

Lohnanspruch bleibt nicht in allen Fällen erhalten.<br />

• Die Verletzung der Arbeitspflicht<br />

- Überblick über die Sanktionen: Kündigung (nur bei beharrlicher Arbeitsverweigerung), Verweigerung<br />

der Lohnzahlung (nicht bei bloss mangelhafter Arbeitsleistung), Schadenersatzpflicht (Art. 321e oder<br />

337d), Konventional- und Ordnungsstrafen (bei ausreichender Rechtsgrundlage im V oder Betriebsordnung)<br />

oder Erfüllungszwang (keine praktische Bedeutung).<br />

Seite 4


- Haftung des AN: (1) Voraussetzungen und Beweislast Bestätigung von Art. 97 I in Art. 321 e I,<br />

d.h. es braucht einen Schaden, eine Vertragsverletzung, einen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang<br />

sowie ein Verschulden nach dem besonderen Massstab von Art. 321e II (auch Ü-<br />

bernahmeverschulden ist erfasst). (2) Schadenersatzbemessung: 321e II sowie 99 III iV.m. 43 und<br />

44 (Reduktion insbesondere bei Selbstverschulden des AG oder Betriebsrisiko bei schadensgeneigter<br />

Arbeit, vgl. 321e II. (3) Geltendmachung: spätestens bei Beendigung des AV, wobei die Lehre<br />

z.T. den Untergang schon annimmt, wenn der Lohn weiterhin in vollem Umfang vorbehaltlos ausbezahlt<br />

wird. Im Übrigen gilt die Verjährungsfrist von Art. 127. Verrechnung ist in den Fällen von Art.<br />

323b II zulässig. (4) Vertragliche Abweichungen: Art. 321e ist einseitig zwingend (Art. 362). Eine<br />

Wegbedingung der Haftung ist zulässig, sofern sie nicht Grobfahrlässigkeit betrifft (Art. 100 I).<br />

3. Kapitel: Die Lohnzahlungspflicht<br />

Der Begriff der Lohnzahlungspflicht<br />

Pflicht des AG zur Entrichtung einer Vergütung für die Arbeitsleistung des AN (Art. 319 I, 322 I). Es ist die<br />

Hauptpflicht des AG, vermögensrechtlicher Natur und steht zur Arbeitspflicht in einem Austauschverhältnis.<br />

Keinen Lohncharakter haben Leistungen, die nicht im Austausch erbracht werden (z.B. Spesen) sowie<br />

freiwillige Leistungen (wie Gratifikationen).<br />

Die Quellen der Lohnbestimmung<br />

• Gesamtarbeitsvertrag<br />

Die vorgesehenen Tarife sind grds. zwingend, jedoch sind höhere Löhne nach dem Günstigkeitsprinzip<br />

(Art. 357 II) möglich, tiefere hingegen nur, wenn der GAV dies gestattet (Art. 357 I).<br />

• Normalarbeitsvertrag<br />

Die Lohnsätze können von den Parteien grds. geändert werden (Art. 360 I), nicht aber im Falle eines<br />

NAV der vor Missbräuchen schützen soll (nach Art. 360a und 360d II).<br />

• Einzelarbeitsvertrag<br />

Unzulässig sind einseitige Kürzungen durch den AG. Bei Widerhandlung verletzt der AG seine vertragliche<br />

Lohnzahlungspflicht und gerät in Schuldnerverzug.<br />

• Übung<br />

Übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien über die Lohnhöhe sind keine notwendige Bedingung<br />

des AV. Fehlt es daran, so ist der übliche Lohn zu entrichten, sofern er nicht ohnehin durch GAV<br />

oder NAV festgelegt ist.<br />

• Billigkeit<br />

Ergeben die bisherigen Mittel kein Ergebnis, ist der Lohn durch das Gericht nach Billigkeit festzulegen.<br />

• Staatliche Lohnvorschriften<br />

Die Vertragsfreiheit der GAV- und EAV-Parteien wird durch staatliche Lohnvorschriften beschränkt,<br />

insbesondere Art. 8 III Satz 3 BV / Art. 3 II GlG, Art. 349a II (Handelsreisende), Art. 321c III / 13 I / 17b<br />

I und II / 19 III ArG (Lohnzuschläge für Überstunden, Überzeit, Nacht- und Sonntagsarbeit) sowie Art.<br />

110 BV (Allgemeinverbindlichkerklärung von GAVs durch staatliche Behörden) und Art. 360a ff.<br />

(NAV).<br />

Die Lohngleichheit von Mann und Frau<br />

• Allgemeines<br />

Es handelt sich um ein unmittelbar justiziables Grundrecht (Art. 8 III Satz 3 BV), welches alle Lohnbestandteile<br />

betrifft, zwingend wie auch unverzichtbar (Art. 341 I). Wiederholt wird dies in Art. 3 II GlG.<br />

• Diskriminierungsverbot<br />

- Direkte und indirekte Diskriminierung: Es muss eine Lohnungleichheit zwischen Personen verschiedenen<br />

Geschlechts vorliegen, die auf einem geschlechtsspezifischen Umstand beruht. Die Diskriminierung<br />

kann auftreten als direkte (Ungleichbehandlung stützt sich ausdrücklich auf die Geschlechtszugehörigkeit<br />

oder ein Kriterium, das nur von einem Geschlecht erfüllt werden kann und<br />

kann nicht sachlich begründet werden) und indirekte (eine formal geschlechtsneutrale Regelung betrifft<br />

im Ergebnis wesentlich mehr Angehörige des einen Geschlechts und ist ohne sachliche Recht-<br />

Seite 5


fertigung). Nur objektive Umstände können zu einer Rechtfertigung führen (z.B. Leistung, Qualifikation,<br />

Ausbildung, Berufserfahrung, Aufgabenbereich, etc.).<br />

- Individuelle und generelle Diskriminierung: letztere liegt vor, wenn eine als typisch weiblich betrachtete<br />

Arbeit schlechter entlöhnt wird.<br />

- Erfordernis der gleichwertigen Arbeit: Diskriminierungsverbot besteht nur innerhalb gleichwertiger<br />

Arbeit, wobei aber auch Arbeiten unterschiedlicher Natur erfasst sein können (hängt auch von Wertungen<br />

ab).<br />

- Erfordernis des gleichen AG: erfasst ist auch der Fall, indem eine Abhängigkeit zwischen Lohnsystemen<br />

verschiedener AG besteht.<br />

• Rechtsansprüche<br />

Rückwirkend kommt nur eine Anhebung des tieferen Lohnes in Frage (Art. 5 I lit. d GlG), für die Zukunft<br />

auch eine Senkung des höheren. Der EAV ist folglich bezüglich der Lohnfestsetzung teilnichtig.<br />

• Geltendmachung<br />

Bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen ist der zivilprozessuale Weg zu wählen, wobei die Beschwerde<br />

in Zivilsachen an das BGer (Streitwertgrenze: 15'000.-, Art. 74 BGG) als auch die subsidiäre<br />

Verfassungsbeschwerde zulässig ist. Nach Art. 6 GlG genügt das glaubhaft machen der Diskriminierung.<br />

Der Lohnnachzahlungsanspruch verjährt in fünf Jahren (Art. 128 Ziff. 3).<br />

Erscheinungsformen des Lohnes<br />

• Nach dem Vergütungsmassstab<br />

- Zeitlohn: leistungsunabhängiger Lohn, der nach Zeitabschnitten bemessen wird (Art. 319 I / Stunden-<br />

, Tag-, Wochen-, Monats- oder Jahreslohn). Bei letzteren drei werden regelmässig keine Abzüge für<br />

Feiertage, freie Tage und berechtigte Absenzen vorgenommen (Art. 329).<br />

- Leistungslohn: Der echte Leistungslohn bemisst sich nach der individuellen Leistung des AN (Akkordlohn,<br />

Prämie, Provision), der unechte hängt auch von anderen Faktoren beeinflusst werden<br />

(Gruppenakkord, Anteil am Geschäftsergebnis). Im Einzelnen:<br />

(1) Akkordlohn: Leistungslohn, der nach der Menge der geleisteten Arbeit bemessen wird (Art. 319<br />

I). Der Akkordlohnansatz wird aufgrund der Zeit bestimmt, die ein durchschnittlicher AN für die<br />

betreffende Arbeit i.d.R. benötigt. Festlegung erfolgt vertraglich oder durch den AG. Aber: auch hier<br />

ist kein Arbeitserfolg geschuldet. Es ist möglich, dass der gesamte Lohn eines AN aus Akkordlohn<br />

besteht, oft wird jedoch ein Mindestlohn in Gestalt eines Zeitlohns garantiert (Verdienstsicherungsklauseln).<br />

Auch Gruppen können Empfänger von Akkordlohn sein (unechter Leistungslohn). Zu beachten<br />

sind beim Akkordlohn die besonderen gesetzlichen Vorschriften aus Art. 326a sowie Art. 326.<br />

(2) Prämie: dies ist eine Vergütung für besondere Leistungen der AN (z.B. bei besonderer Qualität,<br />

Quantität, Verbesserungsvorschlägen, Auslastung, Sparsamkeit, Pünktlichkeit, seltenen Absenzen,<br />

Betriebstreue, etc.). Keine Prämien i.S.v. Leistungslohn stellen freiwillige Zahlungen des AG für einmalige<br />

Sonderleistungen sowie Vergütungen, die nicht an individuelle Resultate anknüpfen, dar. Bei<br />

Prämien, die Leistungslohn bilden, sind die gesetzlichen Bestimmungen über den Akkordlohn entsprechend<br />

anzuwenden.<br />

(3) Provision: Vergütung, die sich prozentual nach dem Wert einzelner Geschäfte bestimmt, welche<br />

der AN vermittelt oder abgeschlossen hat (Vermittlungs- oder Abschlussprovision). Voraussetzungen<br />

sind nach Art. 322b I und III eine Provisionsabrede, ein rechtsgültiger Geschäftsabschluss, die Ausführung<br />

des Geschäfts durch den AG sowie die Erfüllung der vertraglichen Pflicht durch den Kunden.<br />

Erstere beiden können nicht zum Nachteil des AN abgeändert werden (Art. 362), die beiden anderen<br />

sind dispositiv. Art. 322c gewährt dem AN im Zusammenhang mit der Provisionsabrechnung weitere<br />

(einseitig zwingende) Rechte. Ausserdem sind die Bestimmungen des Akkordlohns anzuwenden.<br />

Die Schutzbestimmung bezüglich Handelsreisender aus Art. 349a II ist auf alle AN anzuwenden, die<br />

auf Provisionsbasis arbeiten.<br />

(4) Anteil am Geschäftsergebnis: Erfolgsvergütung, die sich nach dem Gesamtergebnis des Unternehmens<br />

beurteilt. Möglich sind insbesondere eine Gewinnbeteiligung (i.d.R am Geschäftsgewinn,<br />

aber auch etwa am Cashflow), eine Umsatzbeteiligung oder eine sonstige Beteiligung. Art. 322a<br />

räumt dem AN einseitig zwingende Rechte ein, nämlich auf Auskunft und Einsicht (Abs. 2) sowie auf<br />

Abschrift der gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 3). Der Anteil am Geschäftsergebnis darf nur dann<br />

Seite 6


ausschliesslich den Lohn darstellen, wenn die schriftlich vereinbart ist und ein angemessenes Entgelt<br />

resultiert (Art. 349a analog).<br />

• Nach dem Leistungsgegenstand<br />

- Geldlohn<br />

- Naturallohn: z.B. Gewährung von Unterkunft und Verpflegung (v.a. bei Hausgemeinschaft mit dem<br />

AG nach Art. 322 II OR und 331f. ZGB), Trinkgeld (heute nicht gross relevant, da Trinkgeld inbegriffen<br />

ist die sog. Overtips die heute gewährt werden, gelten nicht als Lohn und müssen vom AG<br />

deshalb nicht ersetzt werden), eine Beteiligung am Unternehmen (Ausgabe von Mitarbeiteraktien,<br />

Partizipations- und Genussscheinen sowie Optionen kann freiwillig erbrachte Leistung des AG<br />

darstellen oder auch Züge einer Gratifikationen annehmen oder als Bestandteil des Arbeitsentgelts<br />

vereinbart sein).<br />

• Kombination von Lohnbestandteilen<br />

Der Lohn kann aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sein. Geschuldet sind allenfalls<br />

auch gesetzliche oder vertragliche Zuschläge (Zulagen), wie etwa für Überstundenarbeit (Art. 321c III),<br />

Überzeit, Nacht- und Sonntagsarbeit (Art. 13 I, 17b I und II, 19 III ArG), erschwerte Arbeitsbedingungen,<br />

Ferienzulagen (trotz der zwingenden Vorschrift von Art. 329d teilweise zulässig), Teuerungszulagen<br />

oder Sozialzulagen.<br />

• Sondervergütungen<br />

- Gratifikationen: Sondervergütung für bestimmte Anlässe aufgrund guter geleisteter Arbeit. Nach Art.<br />

322d I hat der AN einen Anspruch, sofern es verabredet ist. Eine Gratifikation liegt nach er Rechtsprechung<br />

nur vor, wenn ihre Ausrichtung (echte G.) oder zumindest Bestimmung der Höhe (unechte<br />

G.) in das Ermessen des AG gestellt ist. Zu beachten sind auch Art. 3 GlG und der allg. Gleichbehandlungsgrundsatz.<br />

Lehre und Rechtsprechung nehmen ferner bei dreimaliger ununterbrochener<br />

und vorbehaltloser Ausrichtung einer Gratifikation einen Anspruch auf zukünftige solche Leistungen<br />

an (nach Portmann abzulehnen, da nicht auf Verpflichtungswillen geschlossen werden dürfe).<br />

- Lohnbestandteile: Die Rechtsprechung nimmt Sondervergütungen, die weder nach ihrem Grundsatz<br />

noch nach ihrer Höhe im Ermessen des AG stehen (z.B. 13. Monatslohn) vom Anwendungsbereich<br />

von Art. 322d aus. Sie gelten als Lohnbestandteile, womit 322d II nicht anwendbar ist. Sondervergütungen<br />

mit Lohncharakter können grds. nicht gekürzt oder gestrichen werden (Ausnahmen möglich<br />

bei Vereinbarung oder wenn sie sich aus dem Zweck der Sondervergütung ergeben).<br />

Lohnabzüge<br />

Verpflichtung des AG zum Abzug von Arbeitnehmerbeiträgen an AHV, IV, EO, Arbeitslosenversicherung,<br />

berufliche Vorsorge, etc.; Quellensteuern; Lohnrückbehalte gemäss Art. 323a und anderes.<br />

Die Lohnzahlung bei Verhinderung an der Arbeitsleistung<br />

• Grundsatz und Ausnahmen<br />

Aufgrund der synallagmatischen Natur des AV gilt: Ohne Arbeit kein Lohn (Anwendung von Art. 82<br />

und 119 II). Dies gilt etwa bei unberechtigter Arbeitserweigerung, verschuldeter Verhinderung des AN,<br />

Unmöglichkeit (sofern nicht im Bereich von Art. 324 und 324a) sowie rechtmässigen Streiks und Aussperrungen.<br />

Einschränkungen gibt es bei Annahmeverzug des AG, unverschuldeter Verhinderung des<br />

AN, Gewährung von Freizeit und Ferien (Art. 329ff.) sowie Bestimmung gemäss EAV, NAV oder GAV<br />

oder entsprechender Übung (Art. 322 I). Im Einzelnen:<br />

• Lohn bei Annahmeverzug des AG<br />

- Tatbestand: Arbeit kann infolge Verschuldens des AG nicht geleistet werden, die Lohnzahlungspflicht<br />

bleibt bestehen. Es liegt ein Fall des Gläubigerverzugs vor. Gemäss Art. 324 kommen als Grund sowohl<br />

das Verschulden des AG sowie sonstige Umstände in Betracht (so z.B. Störungen im Betriebsablauf,<br />

wirtschaftliche Schwierigkeiten, etc.). Ein Fall des Annahmeverzugs ist auch die Freistellung<br />

des AN durch den AG (nicht bei vertraglicher Vereinbarung). Nach Art. 324 zu beurteilen ist auch die<br />

berechtigte Leistungsverweigerung des AN aufgrund von Art. 82. Beim Streik tritt ferner gegenüber<br />

den leistungswilligen AN ebenfalls kein Annahmverzug ein.<br />

- Rechtsfolge: AG muss weiterhin Lohn entrichten (Art. 324 I, aber: Anrechung gemäss Abs. 2).<br />

Seite 7


- Abweichende Regelungen: Art. 324 ist einseitig zwingend (Art. 362), jedoch kann somit die Arbeitspflicht<br />

vertraglich reduziert, suspendiert oder modifiziert werden (so dass der Verzug gar nicht eintritt,<br />

z.B. bei Freistellung und Kurzarbeit).<br />

• Lohn bei unverschuldeter Verhinderung des AN<br />

- Tatbestand nach Art. 324a I:<br />

(1) Verhinderung liegt in der Person des AN (subjektive Gründe wie Krankheit oder Unfall, gesetzliche<br />

Pflichten, Schwangerschaft, etc.; nicht jedoch objektive Gründe wie Lawinenniedergang,<br />

Strassensperren, Stromausfall, etc ohne Arbeit kein Lohn)<br />

(2) Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung (z.B. wenn Verlegung des Arzttermins in<br />

die Freizeit unzumutbar ist).<br />

(3) fehlendes Verschulden des AN (Lehre und Rechtsprechung gehen von einem gemilderten Verschuldensbegriff<br />

aus, der sich auf Vorsatz und Grobfahrlässigkeit beschränkt. Verkehrs- und Sportunfälle<br />

gelten demnach als unverschuldet, wenn keine groben Regelverstösse begangen wurden.<br />

Keine Rolle spielt das Verschulden bei Schwangerschaft, Begründung einer gesetzlichen Pflicht oder<br />

Übernahme eines öffentlichen Amtes.<br />

(4) Ablauf der Karenzfrist (befristeter AV für mehr als drei Monate oder bei entsprechend längerer<br />

Kündigungsdauer beim unbefristeten AV.<br />

- Rechtsfolge: Der Lohn muss für eine beschränkte Zeit weiter entrichtet werden (vgl. Art. 324a). Die<br />

Gerichte orientieren sich an sog. Skalen. Mehrere Verhinderungsphasen innerhalb eines Kalenderjahres<br />

werden zusammengezählt.<br />

- Abweichende Regelungen: Art. 324a I ist zugunsten des AN zwingend, weshalb es also möglich ist,<br />

auch bei anderen Verhinderungsgründen eine Lohnfortzahlungspflicht zu vereinbaren. Art. 324a II<br />

kann zugunsten des AN abgeändert werden, indem längere Zeitabschnitte festgelegt werden. Die<br />

gesetzliche Ordnung nach Art. 324 I-III kann durch Abrede, NAV oder GAV als Ganzes durch eine<br />

mindestens gleichwertige Regelung ersetzt werden ( Modell Taggeldversicherungen, 80% des<br />

Lohns während langer Zeit). Ist der AN für solche Fälle oblig. versichert, muss der AG den Lohn<br />

nach Art. 324b I nicht entrichten, wenn die Versicherungsleistungen 80% des Lohns abdecken.<br />

Die Ausrichtung und Sicherung des Lohnes<br />

• Zahlungsfristen und –termine<br />

- Im Allgemeinen: der Lohn muss am Ende des Monats ausgerichtet werden. Vgl. zu Abweichungen<br />

Art. 323 I bis III).<br />

- Vorschuss: Vorschusspflicht nach Art. 323 IV bei Notlage des AN und Fähigkeit des AG, den Vorschuss<br />

billigerweise zu gewähren. Es wird nur Lohn für bisher geleistete Arbeit bezahlt (Vorverlegung<br />

der Fälligkeit). Die Vorschrift ist beidseitig zwingend (Art. 361).<br />

• Lohnrückbehalt (zur Sicherung von Forderungen des AG)<br />

- Grundlage: Abrede, Übung, NAV oder GAV (Art. 323a I).<br />

- Höhe: Art. 323a II.<br />

- Verwendung: als Sicherheit für Forderungen des AG aus dem Arbeitsverhältnis (Verrechnung möglich)<br />

oder als Konventionalstrafe (nur wenn verabredet, üblich oder durch NAV oder GAV vorgesehen).<br />

Erstere Möglichkeit unterliegt nicht den allg. Schranken von Art. 323b II (h.L.).<br />

• Modalitäten der Lohnzahlung<br />

Art. 323b I fordert Auszahlung in gesetzlicher Währung, innerhalb der Arbeitszeit (aber abweichende<br />

Übung angenommen bei Überweisung), sowie Übergabe einer schriftlichen Abrechnung (einseitig<br />

zwingend nach Art. 362).<br />

• Verrechnung<br />

Gemäss Art. 323b möglich, soweit pfändbar. Unbeschränkt im Rahmen von Abs. 2, worunter Ersatzforderungen<br />

aus Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung fallen.<br />

• Truckverbot<br />

Abreden über die Verwendung des Lohnes im Interesse des AG sind nichtig (Art. 323b III). Ein Geschäft<br />

fällt nicht unter dieses Verbot, wenn der AG zwar ein Interesse an ihm hat, es aber auch und<br />

insbesondere vorwiegend im Interesse des AN liegt (Beispiele auf S. 96f.).<br />

• Abtretung und Verpfändung künftiger Lohnforderungen<br />

Seite 8


Ist grds. nichtig (Art. 325 II). Ausnahme nach Abs. 1 oder bei Vereinbarung (nicht zwingende Norm).<br />

Die Verletzung der Lohnzahlungspflicht<br />

Mögliche Sanktionen sind die Kündigung (fristlos möglich bei wiederholter oder dauernder Verletzung,<br />

Sondervorschrift aus Art. 337a), Verweigerung der Arbeitsleistung (Art. 82 analog), Schadenersatzpflicht<br />

(Verzugszinse nach Art. 104 sowie weiterer Schaden nach Art. 106 I bei Verschulden) sowie Erfüllungszwang<br />

(Leistungsklage).<br />

4. Kapitel: Die Treuepflicht<br />

Der Begriff der Treuepflicht<br />

Es handelt sich um die Pflicht des AN, die berechtigten Interessen des AG in guten Treuen zu wahren<br />

(Art. 321a I). Dazu gehören Konkretisierungen wie etwa die Pflicht zur sorgfältigen Behandlung der Produktionsmittel<br />

(Art. 321a II), Unterlassung der Schwarzarbeit (321a III), Geheimhaltungspflicht (321a IV),<br />

Rechenschaftspflicht (321b I), Herausgabepflicht (321b I und II) sowie die Pflicht zur Leistung von Überstunden<br />

(Art. 321c). Daneben obliegt es Lehre und Rechtsprechung, die allgemeine Treuepflicht nach Art.<br />

321a I auszulegen und zu konkretisieren. Die Treuepflicht hat folgende Eingeschaften: (1) Nebenpflicht<br />

mit personenbezogenem Charakter (Gegenstück zur Fürsorgepflicht), (2) vorwiegend Unterlassungspflicht<br />

(alles ist zu unterlassen, was den AG wirtschaftlich schädigen könnte, aber auch Mitteilungs- und<br />

Rechenschaftspflicht als Handlungspflichten), (3) bezogen auf dienstliches Verhalten, (4) beschränkt auf<br />

die Dauer des Arbeitsverhältnisses (aber gewisse nachwirkende Pflichten wie Art. 321a IV), (5) Inhalt<br />

kann je nach Umständen schwankend sein (z.B. höhere Anforderungen an leitende Angestellte), (6) Begrenzung<br />

durch die eigenen überwiegenden Interessen des AN.<br />

Die allgemeine Treuepflicht<br />

Folgende Fallgruppen sollen den Inhalt der allg. Treuepflicht überschaubar darstellen, sind aber natürlich<br />

nicht vollständig. Überschneidungen sind möglich.<br />

• Verhalten gegenüber dem AG<br />

Verletzung bei widerrechtlichem oder ungebührlichen Verhalten.<br />

• Betriebsfrieden<br />

Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens. Verletzung bei widerrechtlichem oder ungebührlichem Verhalten<br />

gegen Kollegen, Vorgesetzten oder Untergebenen sowie Unruhestiftung etc.<br />

• Ansehen des Unternehmens<br />

Es ist zu unterlassen, was den Kredit oder das Ansehen des Unternehmens gefährden oder zerstören<br />

könnte.<br />

• Abwerbung von Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten<br />

Stellt einen Verstoss vor und kommt insbesondere hinsichtlich der Gründung eines eigenen Unternehmens<br />

vor.<br />

• Bestechung<br />

Verstoss gegen Treuepflicht bei Annahme oder dem Verlangen von Schmiergeldern, mit denen einem<br />

Dritten zum Nachteil des AG Vorteile verschafft werden sollen. Eine tatsächliche Schädigung ist nicht<br />

vorausgesetzt. Der AG kann pflichtwidrig entgegengenommene Gelder nach Art. 423 I herausverlangen.<br />

• Benutzung von Betriebseinrichtungen für private Zwecke<br />

Nur zulässig, wenn er sich auf ein geringfügiges übliches Mass beschränkt und vom AG nicht untersagt<br />

wird.<br />

• Mitteilungen betreffend Arbeit und Betrieb<br />

Fragen betreffend Arbeit und Betrieb sind vom AN wahrheitsgemäss zu beantworten. Der AN muss<br />

den AG von sich aus über wesentliche Tatsachen vollständig, rechtzeitig und wahrheitsgemäss informieren<br />

(z.B. Schadensfälle, Absenzen, Bestellungen, etc.).<br />

• Sonderleistungen in ausserordentlichen Situationen<br />

Insbesondere in Notsituationen muss der AN aufgrund der Treuepflicht im Rahmen des Zumutbaren<br />

über die normale Arbeitspflicht hinaus im Interesse des AG tätig werden (Überstunden, etc.).<br />

Seite 9


• Ausserdienstliches Verhalten<br />

Ist grds. von der Treuepflicht nicht erfasst. Ausnahmen bestehen bei AN in leitender Stellung sowie<br />

bei AN, die in Tendenzbetrieben arbeiten. Diese Betriebe verfolgen auch einen ideellen, z.B. wissenschaftlichen,<br />

künstlerischen, konfessionellen, gewerkschaftlichen, politischen, karitativen oder erzieherischen<br />

Zweck. Dieser Tendenz dürfen AN auch in der Freizeit nicht entgegenwirken.<br />

Pflicht zur sorgfältigen Behandlung der Produktionsmittel (Art. 321a II)<br />

Sie bildet einen gesetzlich normierten Ausfluss aus der allgemeinen Treuepflicht und umfasst auch die<br />

Pflicht zum sparsamen Umgang mit Material. Die ebenfalls im Artikel genannte Pflicht zum fachgerechten<br />

Einsatz der Produktionsmittel betrifft hingegen die Arbeitspflicht in ihrer qualitativen Seite.<br />

Pflicht zur Unterlassung von Schwarzarbeit (Art. 321a III)<br />

Der AN darf keine Arbeit gegen Entgelt für einen Dritten leisten, soweit er dadurch seine Treuepflicht<br />

verletzt, insbesondere also den AG konkurrenziert oder wenn die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird<br />

(auch bei unentgeltlicher Tätigkeit man muss dann auf Abs. 1 abstellen). Ansonsten ist eine Nebentätigkeit<br />

zulässig. Das gesetzliche Konkurrenzverbot erlischt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses,<br />

wird aber allenfalls durch ein schriftlich vereinbartes ersetzt (Art. 340ff.). Art. 321a ist dispositiv.<br />

Die Geheimhaltungspflicht (Art. 321a IV)<br />

AN muss Geheimnisse des AG wahren, von denen er in dessen Dienst Kenntnis erhält. Die betreffende<br />

Tatsache darf dabei nicht offenkundig und nicht allgemein zugänglich sein, es muss ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse<br />

bestehen und ein Geheimhaltungswille erkennbar sein (kann sich auch aus den<br />

Umständen ergeben). Von Bedeutung sind vor allem Fabrikationsgeheimnisse, Geschäftsgeheimnisse,<br />

Berufsgeheimnisse (bei gewissen Kategorien von Berufen) sowie sonstige Geheimnisse.<br />

Die Pflicht besteht vor allem während der Anstellungsdauer, besteht aber auch danach in beschränktem<br />

Umfang fort (nachwirkende Pflicht). Nach Ende des Arbeitsverhältnisses ist jedoch eine Abwägung zwischen<br />

Geheimhaltungsinteresse und den Interessen des AN an wirtschaftlicher Entfaltung und beruflichem<br />

Vorkommen nötig. Der Wortlaut ist unglücklich, da sowohl während als auch nach dem Ende des<br />

AV ein berechtigtes Interesse des AG vorausgesetzt ist. Vorsatz ist jeweils nicht vorausgesetzt.<br />

Auch bei illegalem oder unethischem Verhalten im Betrieb dürfen externe Stellen nur angerufen werden,<br />

wenn der AG zuerst informiert wurde und untätig bleibt (sog. Whistleblowing). Art. 321 a IV ist dispositiv<br />

und kann in den Grenzen von Art. 27 II verschärft werden.<br />

Die Rechenschaftspflicht (Art. 321b I)<br />

Der AN muss dem AG über alles, was er bei seiner vertraglichen Tätigkeit für diesen von Dritten erhält,<br />

Rechenschaft ablegen.<br />

Die Herausgabepflicht (Art. 321b)<br />

Der AN muss alles herausgeben, was er bei seiner Tätigkeit von Dritten erhält (Abs. 1 Recht an Zuwendungen<br />

Dritter, die für den AG bestimmt sind) oder was er in Ausübung seiner Tätigkeit hervorbringt<br />

(Abs. 2 Recht am Arbeitsergebnis). Vorbehalten bleiben Verrechnung und Retentionsrecht des AN.<br />

Die Verletzung der Treuepflicht<br />

Mögliche Sanktionen sind Kündigung (fristlos nur in schweren Fällen), eine Schadenersatzpflicht (Art.<br />

321e, Exkulpation möglich), Konventional- und Ordnungsstrafen (vorgesehen in AV oder Betriebsordnung)<br />

und Erfüllungszwang (macht in gewissen Fällen Sinn, etwa bei Konkurrenzverboten oder bei der<br />

Herausgabe- und Geheimhaltungspflicht). Nicht in Frage kommt die Verweigerung oder Herabsetzung<br />

des Lohns, weil die Treuepflicht nicht in einem Austauschverhältnis zur Lohnzahlungspflicht steht.<br />

Seite 10


5. Kapitel: Die Fürsorgepflicht<br />

Der Begriff der Fürsorgepflicht<br />

Dies ist die Pflicht des AG, die berechtigten Interessen des AN zu wahren, insbesondere durch die Gewährung<br />

von Fürsorge und Schutz. Diese allgemeine Fürsorgepflicht ist im Gesetz nicht ausdrücklich<br />

geregelt, lässt sich aber aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten. Sie ist in besonderen gesetzlichen<br />

Pflichten konkretisiert, wie etwa der Pflicht zum allgemeinen Schutz der Persönlichkeit des AN<br />

(Art. 328-328a), Pflicht zum Schutz der Daten des AN (Art. 328b und 1ff. DSG), Pflicht zur Gleichstellung<br />

der Geschlechter (Art. 1ff. GlG), Pflichten bei genetischen Untersuchungen (Art. 1ff. GUMG), Pflicht zur<br />

Gewährung von Freizeit, Ferien und Urlaub (Art. 329ff.), Pflicht zum Schutz des Vermögens des AN hinsichtlich<br />

Arbeitsgeräte und Material (Art. 327), Auslagen (Art. 327a-327c) und Kaution (Art. 330), Pflicht<br />

zur Ausstellung eines Zeugnisses (Art. 330a), Pflicht zur Information über das Arbeitsverhältnis (Art.<br />

330b). Sie ist eine Nebenpflicht mit personenbezogenem Charakter und bildet das Gegenstück zur<br />

Treuepflicht des AN. Sie ist grds. eine Unterlassungspflicht und auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses<br />

beschränkt (einzelne Ausnahmen) sowie eine wichtige Schranke für das Weisungsrecht des AG. Die<br />

Fürsorgepflicht wird zudem durch die eigenen überwiegenden Interessen des AG begrenzt.<br />

Die Pflicht zum allgemeinen Persönlichkeitsschutz<br />

• Grundsatz<br />

Die Persönlichkeit des AN ist zu achten und zu schützen, auf die Gesundheit gebührend Rücksicht zu<br />

nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen (Art. 328 I Satz 1). Bis zu einem gewissen<br />

Grad kann in die Verletzung der geschützten Persönlichkeitsgüter eingewilligt werden (vgl. Art. 27 II<br />

ZGB), was durch den AV an sich schon geschieht!<br />

• Schutzmassnahmen<br />

- Im Allgemeinen: Vor allem hat der AG Eingriffe in die Persönlichkeitsgüter zu unterlassen, aber es<br />

gibt auch Handlungspflichten, z.B. zum Schutz vor Betriebsgefahren und Eingriffen von Vorgesetzten,<br />

Kollegen und Dritten. Einzelne Sonderfälle:<br />

- Schutz der Gesundheit: Notwendige, nach dem Stand der Technik anwendbare und angemessene<br />

und zumutbare Massnahmen müssen getroffen werden (Art. 328 II).<br />

- Wahrung der Sittlichkeit (Art. 328 I): Insbesondere umfasst sind sexuelle Belästigungen (Verhaltensweisen,<br />

die auf Geschlechtszugehörigkeit beruhen und die Würde der Betroffenen beeinträchtigen).<br />

Vgl. Art. 6 GlG (Unterlassung, Beseitigung, Feststellung, Entschädigung).<br />

- Schutz vor Mobbing: dabei handelt es sich um systematisches, ohne begründeten Anlass erfolgendes<br />

Ausgrenzen eines Gruppenmitglieds durch die eigene Gruppe.<br />

- Besonderer Schutz bei Hausgemeinschaft (Art. 328a)<br />

• Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

Ist im Gesetz nicht ausdrücklich verankert. Er untersagt dem AG eine willkürliche Benachteiligung einzelner<br />

AN gegenüber der Mehrzahl anderer AN des gleichen Betriebs, d.h. also eine sachfremde<br />

Schlechterstellung. Achtung: der Grundsatz der Vertragsfreiheit geht der Gleichbehandlung vor, d.h.<br />

es können mit verschiedenen AN unterschiedliche (schlechtere) Arbeitsbedingungen ausgehandelt<br />

werden als mit anderen.<br />

• Beschäftigungsanspruch?<br />

Wird von der h.L. verneint und nur beim Lehrvertrag und bei spezifischen Berufsgruppen anerkannt, in<br />

denen die Nichtbeschäftigung eine Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens mit sich bringt.<br />

Gemäss Portmann ist auf den Einzelfall abzustellen. Bei einer gewissen Intensität kann eine Nichtbeschäftigung<br />

eine Persönlichkeitsverletzung darstellen, die gerechtfertigt werden muss (z.B. durch ü-<br />

berwiegende Interessen des AG.<br />

Die Pflicht zum Datenschutz (Art. 328b Satz I OR und DSG)<br />

• Allgemeines<br />

Das DSG enthält in Art. 3 Legaldefinitionen, die im Buch auf S. 122f. näher erläutert werden.<br />

• Gegenstand der Bearbeitung<br />

Der AG darf Daten über den AN nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis<br />

betreffen oder zur Durchführung des AV erforderlich sind (Art. 328b Satz 1). Jede darüber hinausge-<br />

Seite 11


hende Bearbeitung ist persönlichkeitsverletzend. Die Norm ist einseitig zwingend (Art. 362). Der Zusammenhang<br />

zum Arbeitsverhältnis muss unmittelbar sein und ist nach einem objektiven Massstab zu<br />

beurteilen. Daten zur Eignung sind Angaben über berufliche und persönliche Qualifikationen (etwas<br />

weiter geht der Umfang bei Tendenzbetrieben und leitenden Angestellten), Daten zur Durchführung<br />

des AV sind Angaben zu Sozialversicherungen, Zivilstand, Militär, etc.<br />

• Art der Bearbeitung<br />

- Übersicht: Persönlichkeit der betroffenen Person darf durch die Bearbeitung nicht widerrechtlich verletzt<br />

werden (Art. 12 I DSG). Konkret kann Widerrechtlichkeit begründet werden bei:<br />

- Bearbeitungsgrundsätze (Art. 12 II lit. a DSG): Grundsätze sind enthalten in Art. 4 (Abs. 1: keine<br />

Drohung oder absichtliche Täuschung, etc. / Abs. 2 v.a. kein heimliches Bearbeiten; Geeignetheit,<br />

Erforderlichkeit, Zumutbarkeit der Datenbearbeitung / Abs. 3 Zweckbindungsgebot), 5 I (Datenrichtigkeit)<br />

und 7 I DSG (Datensicherheit), wobei dies nicht abschliessend ist sondern der Ergänzung<br />

durch Art. 6 I und 10a DSG bedarf.<br />

- Ausdrücklicher Wille der betroffenen Person (Art. 12 II lit. b DSG): Verbot kann nicht allgemein ausgesprochen<br />

werden, sondern nur gegenüber bestimmten Bearbeitern und in Bezug auf bestimmte<br />

Bearbeitungsarten.<br />

- Besonders schützenswerte Personendaten und Persönlichkeitsprofile (Art. 12 II lit. c DSG) Legaldefinition<br />

in Art. 3 DSG.<br />

- Rechtfertigungsgründe: Einwilligung, überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder Gesetz<br />

(Art. 13 I DSG). Abs. 2 enthält Leitlinien für ein allenfalls überwiegendes Interesse des Bearbeiters<br />

(besonders bedeutsam: lit. a). Die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund muss freiwillig erfolgen,<br />

wobei dies auch stillschweigend geschehen kann (ausser bei besonders schützenswerten Daten,<br />

vgl. Art. 4 V DSG). Eine Einwilligung im Rahmen von Art. 328b ist nicht möglich (zwingende Norm).<br />

• Rechtsansprüche und –behelfe<br />

Verweis aus Art. 15 I DSG zu Art. 28-28l ZGB. Möglich sind deshalb also die Klage auf Unterlassung,<br />

Beseitigung, Feststellung, Schadenersatz, Genugtuung und Gewinnherausgabe (Art. 28a III), vorsorgliche<br />

Massnahmen, Gegendarstellung sowie als Besonderheiten des DSG der Bestreitungsvermerk<br />

(Art. 15 II DSG) sowie die Information (Art. 7a DSG), Recht auf Auskunft gegenüber dem AG (Art. 8<br />

DSG, Einschränkungen durch Art. 9 und 10 DSG) und die Anrufung des Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten<br />

(Art. 29 DSG).<br />

• Anwendungsbereiche des Datenschutzrechts im Arbeitsverhältnis<br />

- Anbahnung des AV: Anwendung bei Befragung, Referenzen, Gutachten, Tests, etc.<br />

- Durchführung des AV: Anwendung im Bereich Kontrolle und Überwachung, Führung der Personalakte,<br />

Bekanntgabe von Daten an Dritte.<br />

- Nach Beendigung des AV: Datenvernichtung erforderlich, soweit kein schutzwürdiges Interesse besteht<br />

(Art. 4 II DSG).<br />

Die Pflicht zur Gleichstellung der Geschlechter (Art. 8 III BV und GlG)<br />

• Diskriminierungsverbot<br />

Kern des Gleichstellungsgesetzes, Art. 3 GlG. Es verbietet direkte und indirekte Diskriminierung und<br />

bezieht sich sowohl auf tatsächliche Handlungen wie auch auf rechtliche Vorgänge, ist zwingend und<br />

setzt kein Verschulden voraus. Angemessene Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen<br />

Gleichstellung bilden keine Diskriminierung (Art. 3 III GlG).<br />

• Rechtsansprüche bei einer Diskriminierung<br />

Unterlassungsanspruch (Art. 5 I lit. a GlG), Beseitigungsanspruch (Art. 5 I lit. c GlG Verbandsklage<br />

nach Art. 7 GlG möglich), Lohnzahlungsanspruch (Zahlung eines diskriminierungsfreien Lohns, Art. 5 I<br />

lit. d GlG), Entschädigungsanspruch (Art. 5 II GlG); vorbehalten bleiben Schadenersatzansprüche,<br />

Genugtuungsansprüche, weitergehende vertragliche Ansprüche (Art. 5 V GlG / Art. 41, 49, 97 OR).<br />

• Geltendmachung<br />

Beweislasterleichterung nach Art. 6 GlG, nur Glaubhaftmachung nötig. Weg des Zivilprozesses ist zu<br />

wählen, wobei Art. 343 OR unabhängig vom Streitwert anwendbar ist (Art. 12 II GlG).<br />

Seite 12


Pflichten bei genetischen Untersuchungen<br />

Niemand darf wegen seines Erbguts diskriminiert werden, vgl BG über genetische Untersuchungen beim<br />

Menschen (GUMG) Art. 4. Zum AV im Speziellen: Art. 21 und 22 GUMG.<br />

Die Pflicht zur Gewährung von Freizeit, Ferien und Urlaub<br />

• Freizeit<br />

- Wöchentliche Freizeit: Ein Tag pro Woche (Art. 329 I) kein gesetzliche Anspruch auf Fünftagewoche.<br />

Im Anwendungsbereich des ArG ist zusätzlich wöchentlich ein freier Halbtag zu gewähren (Art.<br />

21 I ArG). Eine Abgeltung des freien Tages durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen ist<br />

nicht zulässig (Art. 329d II analog). Es besteht kein Lohnanspruch für die freien Tage (jedoch stellt<br />

sich Frage bei Wochen-, Monats- oder Jahreslohn nicht).<br />

- Übrige Freizeit: Zu gewähren sind daneben die üblichen freien Stunden und Tage und nach erfolgter<br />

Kündigung die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit (Art. 329 III). Darunter<br />

Fallen Feiertage, wichtige persönliche und familiäre Angelegenheiten (Geburt, Hochzeit, Krankenbesuche,<br />

Prüfungen, etc. sofern die Verlegung in die Freizeit nicht zumutbar ist), Stellensuche<br />

(grds. ein halber Arbeitstag pro Woche). Bei persönlichen und familiären Angelegenheiten und bei<br />

der Stellensuche spricht man von ausserordentlicher Freizeit, weil man sich diese vom AG gewähren<br />

lassen muss (gegenseitige Rücksicht nötig, Art. 329 IV). Das OR enthält keine spezifische Lohnvorschrift.<br />

Es ist üblich, bei Wochen-, Monats- und Jahreslohn auf Lohnabzüge zu verzichten.<br />

• Ferien<br />

- Dauer: mindestens vier Wochen pro Dienstjahr (Art. 329a I), bei unter 20-jährigen fünf Wochen. Diese<br />

Regelung ist einseitig zwingend (Art. 362). Bei der pro-rata Berechnung ist auf ganze oder halbe<br />

Ferientage auf- oder abzurunden. Bei Krankheit oder Unfall in den Ferien besteht ein Anspruch auf<br />

Nachgewährung.<br />

- Kürzung (Art. 329b): um einen Zwölftel für jeden vollen Monat, den der AN an der Arbeitsleistung<br />

verhindert ist, wenn der AN durch sein Verschulden (i.S.v. Art. 324a) während eines Dienstjahres um<br />

insgesamt mehr als einen Monat verhindert ist (Abs. 1) oder wenn er unverschuldet durch Gründe,<br />

die in seiner Person liegen (Krankheit, Unfall, öffentliches Amt, etc.) verhindert ist, wobei dann ein<br />

Monat ausser Betracht fällt (Abs. 2). Bei Schwangerschaft fallen sogar zwei Monate ausser Betracht<br />

(Abs. 3). Dies ist aus dem Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres ersichtlich. Bei unberechtigter Arbeitsverweigerung<br />

liegt keine Verhinderung vor und Ferienkürzungen sind unbeschränkt zulässig.<br />

Art. 329 I ist dispositiv, 329 II und III sind einseitig zwingend, können aber im Rahmen von GAV oder<br />

NAV durch eine andere gleichwertige Lösung ersetzt werden (Art. 329b IV).<br />

- Zeitpunkt: wird vom AG bestimmt (Art. 329c II), wobei die Ferien aber im Verlauf des betreffenden<br />

Jahres gewährt werden müssen (Art. 329c I, einseitig zwingend) und mindestens zwei Ferienwochen<br />

zusammenhängen müssen (Erholungszweck). Die Wünsche des AN sind zu berücksichtigen (Art.<br />

329c II) und die Ferien frühzeitig festzulegen. Ein Widerruf durch den AG ist nur bei wichtigen Gründen<br />

und Schadloshaltung des AN möglich. Verletzt der AG seine Pflichten, kann der AN den Ferienbezug<br />

ablehnen (evtl. entsteht dann Annahmeverzug des AG) oder Ferien eigenmächtig beziehen<br />

(Achtung: Grund für fristlose Entlassung wenn ungerechtfertigt).<br />

- Lohn (Art. 329d): umfasst zwei Punkte, nämlich (1) das Ferienabgeltungsverbot in Abs. 2 (beidseitig<br />

zwingend), das bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt, d.h. danach sind Ferien auszuzahlen<br />

oder z.B. durch Freistellung als in natura abgegolten zu betrachten. Die Rechtsprechung lässt<br />

bei unregelmässiger oder kurzer Beschäftigungsdauer entgegen dem Gesetzeswortlaut eine Abgeltung<br />

zu. (2) Ferienlohngebot, d.h. der gesamte Lohn (inkl. Entschädigung für ausfallenden Naturallohn)<br />

ist für die Feriendauer zu gewähren (Abs. 1, einseitig zwingend). Der Ferienlohn darf grds.<br />

nicht durch Lohnpauschalen oder Zuschläge abgegolten werden, jedoch besteht eine Ausnahme,<br />

wenn sich die Berechnung wegen unregelmässiger oder kurzer Beschäftigung als schwierig erweist.<br />

Beachte auch Art. 329d III bei Verletzung der Interessen des AG.<br />

• Urlaub<br />

- Im Allgemeinen: ein gesetzlicher Anspruch auf (unbezahlten) Urlaub gibt es nicht, jedoch sieht das<br />

Gesetz folgende Urlaubsarten vor:<br />

- Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit (Art. 329e I)<br />

Seite 13


- Mutterschaftsurlaub (Art. 329f 14 Wochen, i.d.R. gedeckt durch Mutterschaftsversicherung).<br />

Die Pflicht zum Vermögensschutz<br />

• Im Allgemeinen<br />

Zum Teil sind diese Pflichten in besonderen gesetzlichen Bestimmungen enthalten, z.T. ergeben sie<br />

sich direkt aus der Fürsorgepflicht (Bsp. sichere Aufbewahrungsmöglichkeiten für Sachen des AN, O-<br />

rientierung über betriebliche Sozial- und Versicherungsleistungen, Ersatzleistung bei Schädigung in<br />

Erfüllung der Arbeitspflicht).<br />

• Arbeitsgeräte und Material<br />

Der AG muss den An mit den Geräten und dem Material ausrüsten, das dieser zur Arbeit benötigt (Art.<br />

327 I).<br />

• Auslagen<br />

Anspruch auf Ersatz aller Auslagen (Spesen), die dem AN notwendigerweise durch die Ausführung<br />

seiner Arbeit entstehen (Art. 327a I, einseitig zwingend nach 362). Eine kostendeckende Spesenpauschale<br />

ist nach Art. 327a II möglich. Auch Gesamtvergütungen, die Lohn und Auslagen einschliessen,<br />

sind gemäss h.L. nicht untersagt, sofern der Restbetrag nach Abzug des Lohns zur Deckung der notwendigen<br />

Auslagen ausreicht (anders beim Handelsreisenden, Art. 349d II). Zur Auszahlung und Abrechnungspflicht:<br />

Art. 327c I und II.<br />

• Kaution<br />

Es handelt sich um einen Wertgegenstand, den der AN zur Sicherung seiner Verpflichtungen aus dem<br />

Arbeitsverhältnis dem AG übergibt und dient so dem selben Zweck wie der Lohnrückbehalt (Art. 330).<br />

Vorausgesetzt ist eine entsprechende Vereinbarung. Der AG kann seine fälligen Forderungen mit der<br />

Rückgabeforderung des AN verrechnen, sofern die Erfordernisse aus Art. 120 I erfüllt sind.<br />

Pflichten zur Ausstellung eines Zeugnisses und zur Erteilung einer Referenz<br />

• Zeugnis<br />

- Inhalt (Art. 330a I): Das Vollzeugnis enthält Angaben über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses<br />

sowie über Leistungen und Verhalten des AN, wogegen die Arbeitsbestätigung nur über Art und<br />

Dauer des Arbeitsverhältnisses Auskunft gibt (Art. 330a II). Das Zeugnis muss grds. wahr, vollständig<br />

und klar sein, d.h. soweit zutreffend müssen auch nachteilige Umstände und Bewertungen aufgenommen<br />

werden (ansonsten droht Schadenersatzpflicht gestützt auf Art. 41ff.). Einmalige negative<br />

Vorfälle, die für den Gesamteindruck unerheblich sind, müssen weggelassen werden.<br />

- Form: das Zeugnis ist schriftlich abzufassen und rechtsgültig zu unterschreiben.<br />

- Zeitpunkt der Ausstellung: Eine Ausstellung kann jederzeit verlangt werden (Art. 330a I), wobei ein<br />

Zeugnis, das während des laufenden AV ausgestellt wird, als Zwischenzeugnis bezeichnet wird. Der<br />

AN muss beim Zwischenzeugnis jedoch ein berechtigtes Interesse haben. Die Verjährungsfrist des<br />

Anspruchs beträgt zehn Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 127).<br />

- Durchsetzung des Anspruchs: es ist eine Leistungsklage möglich.<br />

• Referenz<br />

Dritten muss der AG auf Anfrage hin Auskünfte über den AN erteilen, sofern dieser dies wünscht. Ohne<br />

Einwilligung ist der AG nicht zur Referenzerteilung berechtigt, namentlich wenn er dadurch gegen<br />

das DSG verstösst oder der AN nur eine Arbeitsbestätigung verlangt hat (würde sonst sinnlos). Die<br />

Auskunftserteilung stellt in diesen Fällen eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung dar, sofern<br />

kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.<br />

Die Pflicht zur Information über das Arbeitsverhältnis (Art. 330b I)<br />

Es soll erhöhte Rechtssicherheit geschaffen werden. Verletzt der AG seine Informationspflicht, fällt der<br />

AV deswegen nicht dahin. Dem AN stehen aber Sanktionen zur Verfügung, wie sie allgemein bei einer<br />

Verletzung der Fürsorgepflicht in Betracht fallen (siehe sogleich).<br />

Die Verletzung der Fürsorgepflicht<br />

Es gibt aufgrund der heterogenen Natur der Fürsorgepflicht vielfältige Sanktionsmöglichkeiten. Zur Verfügung<br />

stehen etwa (1) Kündigung (fristlos nur bei schweren Verletzungen der Fürsorgepflicht, namentlich<br />

Seite 14


ei gravierenden Persönlichkeitsverletzungen), (2) Verweigerung der Arbeitsleistung (bei Unzumutbarkeit<br />

Annahmeverzug des AG), (3) Schadenersatz- oder Genugtuungspflicht (AG haftet aus Art. 97 allenfalls<br />

auch nach 41ff., wobei auch Organ- und Hilfspersonenhaftung zu berücksichtigen sind. Ein Selbstverschulden<br />

des AN bildet einen Reduktionsgrund i.S.v. Art. 99 III i.V.m. 44 I. Eine vertragliche Wegbedingung<br />

der Haftung ist in Abweichung zu Art. 100 und 101 OR unzulässig, soweit die verletzte Pflicht<br />

zwingend ist, was namentlich bei Art. 328 der Fall ist), (4) Erfüllungszwang (Leistungsklage und Zwangsvollstreckung,<br />

geringe praktische Bedeutung) sowie (5) besondere spezialgesetzliche Sanktionen (DSG<br />

und GlG, siehe oben).<br />

6. Kapitel: Sonstige Wirkungen des Arbeitsvertrages<br />

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers<br />

• Allgemeines<br />

Es handelt sich um das Recht des AG, dem AN über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten im<br />

Betrieb Weisungen zu erteilen (Art. 321d I; Subordinationsverhältnis). Es handelt sich um ein ausfüllendes<br />

Gestaltungsrecht, d.h. das Rechtsverhältnis kann ohne Zustimmung der anderen Personen<br />

vom Inhaber der Rechtsmacht näher bestimmt werden. Die Weisung als Rechtsausübung ist davon zu<br />

unterscheiden. Sie stell ein einseitiges Rechtsgeschäft dar (empfangsbedürftige Willenserklärung).<br />

• Gestalt der Weisungen<br />

Möglich sind nach Art. 321 d I allgemeine Anordnungen (generell-abstrakte Richtlinien) oder besondere<br />

Weisungen (individuell konkrete Direktiven) sowie Zwischenstufen. Sie müssen ohne besondere<br />

Umstände zur Kenntnis genommen werden können.<br />

• Inhalt der Weisungen<br />

- Zielanweisungen: die zu erbringende Arbeitsleistung wird nach Art, Umfang, Zeit, Ort und Organisation<br />

näher bestimmt (Kernprodukt des Weisungsrechts)<br />

- Fachanweisungen: Vorschriften werden erteilt, wie eine Arbeit auszuführen ist (bei fachlich weisungsfreien<br />

AN nicht zulässig)<br />

- Verhaltensanweisungen: Vorschriften über das Verhalten im Betrieb (z.B. Arbeitszeit, -kleidung, Gesundheitsvorsorge,<br />

Unfallverhütung, etc.). Nach h.L. sind auch Weisungen zum ausserdienstlichen<br />

Verhalten zulässig, solange sie den durch die Grenzen der Treuepflicht abgesteckten Rahmen nicht<br />

überschreiten.<br />

• Schranken des Weisungsrechts<br />

Weisungen sind subsidiär zu allen anderen Regelungen des Arbeitsverhältnisses. Bedeutende gesetzliche<br />

Schranken bilden insbesondere Art. 321a (Treuepflicht v.a. bei Weisungen zum ausserdienstlichen<br />

Verhalten), 321d OR und 2 ZGB (Treu und Glauben z.B. kein sachliches Interesse des<br />

AG, Unzumutbarkeit) sowie 328 (Persönlichkeitsschutz z.B. bei Gesundheitsgefährdung). Vertragliche<br />

Schranken sind die vertraglich bestimmte Tätigkeit (Ausnahme: ausserordentliche Umstände),<br />

sowie die wirkungsfreien Bereiche (keine Fachanweisungen bei AN mit spezialisierten Fachkenntissen,<br />

z.B. Mediziner; Zurückhaltung bei AN in leitender Stellung).<br />

• Befolgungspflicht (Art. 321d II)<br />

Weisungen sind nach Treu und Glauben zu befolgen, es sei denn, sie kamen in Überschreitung des<br />

Weisungsrechts zustande. Solche Weisungen sind rechtsunwirksam (keine Befolgungspflicht).<br />

• Sonderfragen<br />

U.u. ist der AG verpflichtet Weisungen zu erteilen (z.B. zum Schutze des AN oder Dritten, vgl. Art. 55<br />

OR); grds. geht die Weisung einer höheren Instanz derjenigen einer unteren vor; Weisungen können<br />

bedingt sein sowie jederzeit abgeändert, ersetzt oder widerrufen werden (obwohl es sich um ein Gestaltungsrecht<br />

handelt); Art. 321d ist grds. dispositiv, wobei jedoch etwaige Vereinbarungen der Einschränkung<br />

anderer Bestimmungen unterstehen (insbesondere Art. 328).<br />

Seite 15


Das Recht am Arbeitsergebnis<br />

• Im Allgemeinen<br />

Das Recht am Arbeitsergebnis steht gemäss <strong>Arbeitsrecht</strong> dem AG zu (Folge von Art. 319 I). Nach Art.<br />

321b II muss der AN deshalb alles sofort herausgeben, was er in Ausübung seiner vertraglichen Tätigkeit<br />

hervorbringt.<br />

• Rechte an Sachen<br />

Dem AG steht Eigentum an Sachen zu, die der AN in Ausübung seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit<br />

hervorbringt. AN ist jeweils ferner nur Besitzdiener an Sachen des AG.<br />

• Rechte an Erfindungen und Designs<br />

- Begriffe: Eine Erfindung i.S.v. Art. 332 setzt eine technische Regel voraus (Anleitung um Handeln,<br />

wie ein bestimmter Erfolg herbeigeführt werden kann), einen Schutz vor Eingriffen Dritter (z.B. Patent<br />

oder Geheimhaltung), Fertigstellung (während der Dauer des Arbeitsverhältnisses oder bei Verstoss<br />

des AN gegen Treu und Glauben z.B. durch vorzeitige Kündigung). Ein Design ist eine Gestaltung<br />

von Erzeugnissen oder Teilen davon.<br />

- Aufgabenerfindungen und –designs: Erfindungen und Designs, die der AN bei Ausübung seiner<br />

dienstlichen Tätigkeit und in Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht macht oder daran mitwirkt (Art. 332<br />

I). Entscheidend ist einzig, ob der AN verpflichtet war, sich um den Eintritt des hervorgebrachten erfinderischen<br />

Erfolgs zu bemühen. Nicht erforderlich ist, dass die Erfindung während der Arbeitszeit<br />

oder am Arbeitsplatz gemacht wurde. Aufgabenerfindungen und –designs gehören nach Art. 332 I<br />

dem AG (originärer Erwerb der Immaterialgüterrechte). Dem AN bleibt nur sog. Erfinderehre. Die erfinderische<br />

Tätigkeit gilt durch den Lohn als abgegolten.<br />

- Gelegenheitserfindungen und –designs: Immaterialgüter, die der AN bei Ausübung seiner dienstlichen<br />

Tätigkeit , aber nicht in Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht macht (Art. 332 II). Vorausgesetzt<br />

ist also ein sachlicher, inhaltlicher Zusammenhang mit der vertragsgemässen Tätigkeit, nicht aber<br />

die Pflicht, sich um den Erfolg zu bemühen. Diese Gelegenheitserfindungen stehen grds. dem AN zu<br />

(sog. freie Gelegenheitserfindungen), ausser es besteht schriftliche Abrede, die etwas anderes besagt<br />

(Art. 332 II sog. gebundene Gelegenheitserfindungen aufgrund einer Erfinderklausel; kein<br />

Originärerwerb). Zum Vorgehen bei gebundenen Gelegenheitserfindungen siehe Art. 332 III und IV.<br />

Die Vergütung hat nicht Lohncharakter, sondern stellt eine Entschädigung für die Überlassung dar<br />

(Verjährung nach Art. 127 bzw. 128 Ziff. 1).<br />

- Arbeitsfremde Erfindungen und Designs: Immaterialgüter, die der AN weder in Erfüllung seiner vertraglichen<br />

Pflichten noch bei Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit macht. Sie stehen dem AN zu (er<br />

darf jedoch dadurch den AG nicht konkurrenzieren).<br />

• Rechte an urheberrechtlich geschützten Werken<br />

Werke aus Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben. Es fehlen Bestimmungen darüber,<br />

ob und welche Rechte dem AG zustehen sollen. Nach h.L. beurteilt man diese Situation analog Art.<br />

332a, wobei jedoch kein originärer Rechtserwerb stattfindet, sondern ein derivativer Erwerb von Nutzungsrechten<br />

(Entschädigung dafür gilt als im Lohn enthalten).<br />

Der Übergang einzelner Rechte und des gesamten Arbeitsverhältnisses<br />

• Übergang einzelner Rechte aus dem Arbeitsverhältnis<br />

Zu beachten sind die Übertragungsbeschränkungen aus Art. 325 und 333 IV. Letzterer Artikel ist praktisch<br />

relevant für das Recht des AG auf die Arbeitsleistung und das daraus fliessende Recht zu deren<br />

Empfang. Für die Abtretung dieser Rechte braucht es grds. die Zustimmung des AN. Daneben kann<br />

sich eine Befugnis zur Übertragung aber aus den Umständen ergeben (z.B. Betriebsstörung o.ä.).<br />

Nicht personenbezogene Rechte des AG fallen nicht unter Art. 333 IV.<br />

• Übergang des gesamten Arbeitsverhältnisses<br />

- Betriebsübernahme:<br />

(a) Begriff: Art. 333 I-III erfassen den rechtsgeschäftlichen Tatbestand der Betriebsübernahme (sinngemäss<br />

anwendbar sind sie nach Art. 338a I auch auf die gesetzliche Betriebsnachfolge aufgrund<br />

von Erbgang). Als Betrieb gilt eine auf Dauer gerichtete, in sich geschlossene organisatorische Leistungseinheit.<br />

Betriebsteilen fehlt die wirtschaftliche Selbstständigkeit.<br />

Seite 16


(b) Übergang der Arbeitsverhältnisse: Alle Arbeitsverhältnisse gehen mit allen Rechten und Pflichten<br />

auf den Erwerber über (Art. 333 I; gesetzlicher Übergang infolge eines rechtsgeschäftlichen Tatbestands).<br />

Die Bestimmung ist zwingend, wobei aber der AN den Übergang seines Arbeitsverhältnisses<br />

ablehnen kann ( Auflösung nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist).<br />

(c) Weitergeltung der GAVs: GAV muss während eines Jahres eingehalten werden (Art. 333 Ibis; =<br />

gesetzliche Erstreckung der Vertragsbindung).<br />

(d) Solidarische Haftung: der bisherige AG und der Erwerber des Betriebs haften für gewisse Forderungen<br />

des AN solidarisch (Art. 333 III, einseitig zwingend). Diese Bestimmung ist nicht anwendbar,<br />

wenn die Übernahme des Betriebs aus der Konkursmasse des bisherigen AG erfolgt ist (BGer).<br />

(e) Kündigungsschutz: Kündigung ist missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird während der AN<br />

gewählter Arbeitnehmervertreter (ANV) ist und kein begründeter Anlass nachgewiesen werden kann<br />

(Art. 336 II lit. b). Siehe zum Betriebsübergang Art. 336 III.<br />

(f) Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft: Art. 333a gewährt Informationsrechte (Verletzung hindert<br />

Wirksamkeit des Betriebsübergangs jedoch nicht) und Konsultationsrechte der ANV.<br />

- Umstrukturierungen: vgl. auch Bestimmungen des Fusionsgesetzes.<br />

- Erbgang: Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber sofern es nicht wesentlich mit Rücksicht<br />

auf die Person des AG eingegangen wurde (Art. 338a als Bestätigung von Art. 560). Die Vorschriften<br />

der Betriebsnachfolge (oben) sind sinngemäss anwendbar (Art. 338a I Ablehnungsrecht<br />

nach 333 I und II sowie solidarische Haftung des Nachlasses und der Erben nach 333 III).<br />

Verzicht, Verjährung und Verwirkung<br />

• Verzicht<br />

Der Träger eines subjektiven Rechts kann auf dieses verzichten, wenn kein besonderer Grund entgegensteht.<br />

AN kann bis einen Monat nach Ende des AV auf Forderungen aus zwingenden Gesetzesvorschriften<br />

gemäss Art. 341 I nicht verzichten (Art. 341 I ist somit Ergänzung zu Art. 361 und 362).<br />

Das Verzichtsverbot erfasst nach Auslegung analog auch zwingende Rechte des AN aus Gesetz (z.B.<br />

337a) oder Betriebsordnung sowie die Anerkennung von Pflichten durch den AN (z.B. bei 321e II). Es<br />

sind einschränkend aber nur Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis betroffen. Verzichte im<br />

Rahmen eines Vergleichs fallen ebenfalls nicht unter diese Norm. Es gibt keine Formvorschrift (so<br />

kann ein Verzicht u.U. auch in Form einer Saldoklausel, wenn diese nach Auslegung mit negativer<br />

Schuldanerkennungswirkung ausgestattet sein soll, auftreten).<br />

• Verjährung<br />

Art. 341 II verweist auf Art. 127ff.. Art. 128 III (fünfjährige Frist) kommt gemäss h.L. nur bei Forderungen<br />

mit Lohncharakter zur Anwendung. Andere Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis verjähren<br />

nach Art. 127 in zehn Jahren (z.B. Ansprüche aus Art. 327a, 329a, 330a, 332 IV, 335 II und 337 I,<br />

337c III, 97 bzw. 321e). Die Verjährung beginnt mit Fälligkeit der Forderung (Art. 130 I), d.h. spätestens<br />

mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 339 I).<br />

• Verwirkung<br />

Rechte aus dem Arbeitsverhältnis können aufgrund von Art. 2 II (Rechtsmissbrauchsverbot) auch<br />

verwirken, dies v.a. bei widersprüchlichem Verhalten.<br />

Vorbehalt und zivilrechtliche Wirkungen des öffentlichen Rechts<br />

Beachte dazu v.a. Art. 342 II (sog. Rezeptionsklausel, d.h. aus öffentlichem Recht wird ein zivilrechtlicher<br />

Erfüllungsanspruch). Erläuterungen im Buch auf S. 182ff.<br />

7. Kapitel: Die ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages<br />

Allgemeines<br />

• Begriffe<br />

- Kündigung: Willenserklärung, die darauf abzielt, das Arbeitsverhältnis einseitig auf einen gegenwärtigen<br />

oder zukünftigen Zeitpunkt hin zu beenden (Wirkung ex nunc). Beruht auf einem subjektiven<br />

Recht, dem Kündigungsrecht (aufhebendes Gestaltungsrecht).<br />

Seite 17


- Ordentliche Kündigung: Erklärung des Willens das Arbeitsverhältnis einseitig und ex nunc unter Einhalt<br />

der vorgeschriebenen Fristen und Termine aufzuheben (auch wenn keine Frist besteht, z.B. bei<br />

entsprechender Abrede bei der Probezeit, Art. 335b I und II; oder im ersten Dienstjahr aufgrund Bestimmung<br />

in einem GAV, Art. 335c II Halbs. 2).<br />

• Anwendungsbereich<br />

- Unbefristetes Arbeitsverhältnis: die ordentliche Kündigung (oK) ist der normale Beendigungsgrund<br />

für das unbefristete Arbeitsverhältnis. Siehe Art. 335 I.<br />

- Befristetes Arbeitsverhältnis: die oK ist grds. ausgeschlossen, denn das Arbeitsverhältnis endet<br />

durch blossen Zeitablauf (Art. 334 I). Ausnahmen bestehen in der Probezeit (bei Vereinbarung, Art.<br />

335b analog), nach Ablauf von zehn Jahren (Art. 334 III), bei Maximalfrist.<br />

• Wirksamkeit<br />

Eine oK ist wirksam, wenn sie das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen<br />

Fristen und Termine in rechtsgültiger Weise zu beenden vermag. Sie ist eine empfangsbedürftige Willenskerklärung,<br />

ist formfrei und muss unmissverständlich sein. Bedingungen sind grds. unzulässig, es<br />

sei denn sie hängen ausschliesslich vom Willen des Empfängers ab (etwa bei Änderungskündigung).<br />

Unwirksam ist eine oK, wenn sie während einer Sperrfrist erklärt wird (Art. 336c II, dazu später).<br />

• Zulässigkeit: Es sind keine besonderen Gründe erforderlich, jedoch darf die Kündigung nicht missbräuchlich<br />

sein (Art. 336). Ist sie missbräuchlich, löst dies eine Entschädigungspflicht aus (Art. 336a),<br />

das Arbeitsverhältnis wird aber dennoch aufgehoben.<br />

Die Begründungspflicht<br />

Auf Verlangen der anderen Partei muss die Kündigung schriftlich begründet werden (Art. 335 II). Eine<br />

Verletzung dieser Pflicht macht die Kündigung weder unwirksam noch missbräuchlich. Sanktionen sind<br />

nur ein Erfüllungsanspruch (mit Hilfe von Art. 292 StGB), eine Verlängerung der Einsprachefrist (Art. 336b<br />

I), ein Einbezug in die Beweiswürdigung ob ein Missbrauchstatbestand vorliegt und die Auferlegung von<br />

Prozesskosten.<br />

Kündigungsfristen und –termine<br />

• Allgemeines<br />

Die Kündigungsfrist (Kf) ist strikt von den Kündigungsterminen (Kt) zu unterscheiden. Erstere setzen<br />

zur Wirksamkeit der Kündigung den Ablauf einer bestimmten Zeit voraus, während letztere bestimmte<br />

Zeitpunkte darstellen, auf welche gekündigt werden kann (z.B. auf den letzten Tag des Monats <br />

führt faktisch oft zu einer Verlängerung der Frist). Die Frist beginnt mit Zugang der Kündigung zu laufen<br />

(keine Erstreckung der Frist wenn der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt<br />

wie bei Art. 78 I!). Die Kf kann auch während der Ferien des AN laufen. Erfolgt eine vorzeitige Kündigung<br />

ist i.d.R eine Kündigung auf den nächstzulässigen Termin anzunehmen.<br />

• Gesetzliche Fristen und Termine<br />

- Probezeit: sieben Tage (Art. 335b I)<br />

- erstes Dienstjahr: ein Monat (Art. 335c I)<br />

- zweites bis neuntes Dienstjahr: zwei Monate (Art. 335c I)<br />

- ab zehntem Dienstjahr: drei Monate (Art. 335c I)<br />

- nach zehn Jahren beim auf längere Dauer abgeschlossenen befristeten AV: sechs Monate (334 III)<br />

Als Probezeit gilt der erste Monat eines AV. Sie kann durch Abrede, NAV oder GAV verkürzt oder auf<br />

höchstens drei Monate verlängert werden (Art. 335b I und für Lehrvertrag Art. 344a IV / gesetzliche<br />

Verlängerung nach Art. 335 b III). Gesetzlicher Kt ist grds. das Monatsende (Art. 335c I, 334 III). Kein<br />

gesetzlicher Termin gilt während der Probezeit.<br />

• Vertragliche Fristen und Termine<br />

Änderungen der gesetzlichen Regelungen sind möglich durch schriftliche Abrede, NAV oder GAV (Art.<br />

335b II, Art. 335c II). Ausserhalb der Probezeit ist Herabsetzung der gesetzlichen Kf unter einen Monat<br />

nur für das erste Dienstjahr durch GAV möglich (Art. 335c II Halbs. 2). Art. 334 III ist ferner beidseitig<br />

zwingend. Eine wichtige Schranke bildet daneben die Kündigungsparität (AN und AG dürfen<br />

keine verschiedenen Kf vereinbaren; Art. 335a I).<br />

Seite 18


Die missbräuchliche Kündigung (sachlicher Kündigungsschutz)<br />

• Voraussetzungen<br />

- Vorliegen einer ordentlichen Kündigung (also kein sachlicher Kündigungsschutz bei Geltendmachung<br />

der Nichtigkeit des AV ex tunc, bei Aufhebung ex tunc nach 320 III, bei Beendigung des befristeten<br />

AV durch Fristablauf nach 334 I, bei Aufhebungsvertrag, bei Tod eine Partei und bei der<br />

ausserordentlichen Kündigung nach Art. 337ff.). Auch erfasst ist die oK während der Probezeit.<br />

- Vorliegen eines Missbrauchstatbestandes (Art. 336 I lit. a-e) oder Art. 336 II lit. a-c, wobei diese Tatbestände<br />

nur vom AG erfüllbar sind. Art. 336 ist nicht abschliessend. Nach BGer kann der sachliche<br />

Kündigungsschutz vertraglich erweitert werden, obwohl Art. 336 beidseitig zwingend ist.<br />

• Rechtsfolgen<br />

- Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Die Missbräuchlichkeit ändert nichts an der Wirkung der oK.<br />

- Anspruch auf Entschädigung: Nach Art. 336a I ist eine Entschädigung auszurichten (Strafzahlung,<br />

Wiedergutmachungsfunktion). Entschädigung wird vom Gericht festgesetzt, darf aber die Höhe von<br />

sechs Monatslöhnen nicht überschreiten. Formell ist bei der Geltendmachung der Entschädigung eine<br />

schriftliche Einsprache zu erheben (bis spätestens zum Ende der Kf), es darf keine Einigung der<br />

Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bestehen und Klage muss spätenstens 180<br />

Tage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben werden. Werden die Fristen nicht eingehalten,<br />

verwirkt der Anspruch.<br />

- Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung: bleiben vorbehalten (aus anderen Gründen, Art.<br />

336a II Satz 2).<br />

Die Kündigung zur Unzeit (zeitlicher Kündigungsschutz)<br />

• Voraussetzungen<br />

- Vorliegen einer ordentlichen Kündigung (wie beim sachlichen Kündigungsschutz oben)<br />

- Ablauf der Probezeit (Art. 336c I und 336d I), entscheidend ist der Zugang.<br />

- Vorliegen eines Tatbestandes der Unzeit: Art. 336c I lit. a-d (nur vom AG erfüllbar) und Art. 336d I<br />

(nur vom AN erfüllbar). Die Tatbestände sind abschliessend aufgezählt (im Gegensatz zu den Missbrauchstatbeständen<br />

beim sachlichen Kündigungsschutz).<br />

• Rechtsfolgen<br />

- Nichtigkeit der Kündigung (Art. 336c II Halbs. 1): massgebend ist der Zeitpunkt des Zugangs. Es<br />

muss nach Ablauf der Sperrfrist nochmals gekündigt werden! Der zeitliche Kündigungsschutz bietet<br />

somit einen echten Bestandesschutz.<br />

- Ruhen der Kündigungsfrist (Art. 336c II Halbs. 2, Art. 336d II): wenn die Kündigung vor Beginn einer<br />

Sperrfrist erfolgte, die Kündigungsfrist aber noch nicht abgelaufen ist. Gilt ein Endtermin im Sinne eines<br />

Kündigungstermins und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen,<br />

so verlängert sich diese bis zum nächsten Endtermin (Art. 336c III, Art. 336d II). In dieser<br />

Phase ist jedoch der Beginn einer neuen Sperrfrist ausgeschlossen, da die Verlängerung bloss<br />

koordinative Zwecke hat.<br />

- Lohnzahlung?: Art. 336c beantwortet nicht die Frage, wie lange der AG während des zeitlichen Kündigungsschutzes<br />

den Lohn zahlen muss. Die Lösung richtet sich nach den allgemeinen Regeln von<br />

Art. 324a (unverschuldete Verhinderung)!<br />

Die Kündigung unter Verstoss gegen das Gleichstellungsgebot<br />

• Diskriminierende Kündigung<br />

- Voraussetzungen: geschlechtsspezifische Diskriminierung ist gemäss Art. 3 II GlG auch bei Entlassungen<br />

verboten. Vom GlG erfasst sind direkt diskriminierende Entlassungen wie auch indirekt diskriminierende.<br />

- Rechtsfolgen: Anspruch auf Entschädigung nach Art. 5 II Satz 1 GlG im Betrag von höchstens sechs<br />

Monatslöhnen (Art. 5 IV Satz 3 GlG). Vorbehalten bleiben Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung<br />

sowie weitergehende vertragliche Ansprüche (Art. 5 V GlG). Auch hier gilt die Beweislasterleichterung<br />

von Art. 6 GlG. Beachte auch die Voraussetzungen der Geltendmachung der Entschädigung<br />

nach Art. 336b aufgrund des Verweises von Art. 9 GlG.<br />

• Kündigung nach einer Beschwerde über eine geschlechtsspezifische Benachteiligung<br />

Seite 19


- Voraussetzungen: Art. 10 GlG enthält eine kündigungsschutzrechtliche Spezialregelung für einen<br />

besonderen Fall der Rachekündigung. Vorausgesetzt ist eine ordentliche Kündigung und die im Artikel<br />

genannten Punkte.<br />

- Rechtsfolgen: (1) Gerichtliche Aufhebung der Kündigung (Art. 10 I und III Satz 1 GlG, Art. 11 III Satz<br />

1 GlG). Es handelt sich um ein Gestaltungsklagerecht das zu einem echten Bestandesschutz des Arbeitsverhältnisses<br />

führen kann. (2) Entschädigung nach Art. 336a (vgl. Art. 10 IV GlG), wenn nicht am<br />

Arbeitsverhältnis festgehalten werden soll. (3) Provisorische Wiedereinstellung: vorsorgliche Massnahme<br />

für die Dauer des Verfahrens, wenn die Voraussetzungen nach Art. 10 III GlG erfüllt sind.<br />

Die Massenentlassung<br />

• Begriff<br />

Eine Massenentlassung i.S.v. Art. 335d und 335e setzt voraus: (1) Kündigungen durch den AG (aller<br />

Art), (2) innerhalb desselben Betriebs, (3) Mindestzahl entlassener AN (vgl. Gesetz), (4) nicht personenbezogene<br />

Kündigungsgründe (z.B. aufgrund mangelhafter Leistung), (5) Zeitraum von 30 Tagen.<br />

• Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft<br />

Art. 335f räumt der Arbeitnehmerschaft gewisse Rechte ein, namentlich ein Informationsrecht (Mitteilungspflicht<br />

nach Art. 335f III lit. a-d sowie Auskunftspflicht nach Art. 335f III bei Verletzung Erfüllungsklage,<br />

Schadenersatz oder Leistung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung),<br />

ein Konsultationsrecht nach Art. 335f I (Mitspracherecht bei Verletzung gleich wie bei der Informationspflicht).<br />

• Einschaltung des kantonalen Arbeitsamtes<br />

Es ist dem Arbeitsamt eine schriftliche Anzeige zukommen zu lassen (öffentliche Mitteilungspflicht<br />

nach Art. 335g I und II). Daneben besteht eine Auskunftspflicht des AG gegenüber dem Arbeitsamt.<br />

Beachte Art. 335g IV (Mindestfrist 30 Tage nach Einreichung, bis Kündigungen wirksam werden).<br />

8. Kapitel: Weitere Beendigungsarten und –folgen<br />

Die ausserordentliche Kündigung (aoK)<br />

• Allgemeines<br />

- Begriff: Erklärung des Willens, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis unter Nichteinhaltung der vorgeschriebenen<br />

Fristen und Termine bzw. ein befristetes Arbeitsverhältnis vor Ablauf der festen Vertragsdauer<br />

einseitig und ex nunc aufzuheben. Das Gesetz behandelt die aoK unter er Bezeichnung<br />

fristlose Auflösung. aoK und fristlose Kündigung dürfen aber nicht gleich gesetzt werden, denn nicht<br />

jede aoK ist auch fristlos, resp. nicht jede fristlose Kündigung ist auch eine aoK.<br />

- Anwendungsbereich: Liegt ein wichtiger Grund vor, kann jedes Arbeitsverhältnis jederzeit rechtmässig<br />

ausserordentlich gekündigt werden. Die aoK ist also bei befristeten und unbefristeten AV möglich<br />

und kann auch vor Stellenantritt, während der Probezeit, während einer Sperrfrist gemäss Art. 336c,<br />

336d und 10 GlG sowie (nach erfolgter ordentlicher Kündigung) während der laufenden Kündigungsfrist<br />

erklärt werden.<br />

- Wirksamkeit: Zugang, allfällige Form, unmissverständlicher Auflösungswille sowie Bedingungslosigkeit<br />

(ausser wenn Bedingungseintritt vom Empfänger abhängt) müssen beachtet werden.<br />

- Zulässigkeit: Die aoK ist nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der sie rechtfertigt (ansonsten<br />

Entschädigungspflichten nach Art. 337c und 337d jedoch bleibt die Kündigung wie bei der<br />

missbräuchlichen gültig).<br />

• Begründungspflicht<br />

Auf Verlangen ist die aoK schriftlich zu begründen (Art. 337 I Halbs. 2). Eine Verletzung macht die<br />

Kündigung weder unwirksam noch ungerechtfertigt i.S.v. Art. 337c und 337d. Sanktionen sind der Erfüllungsanspruch,<br />

der Einbezug in die Beweiswürdigung (bei der Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt)<br />

und bei der Auferlegung der Prozesskosten.<br />

• Wichtiger Grund<br />

- Begriff und Bedeutung: liegt bei einer aoK ein wichtiger Grund vor, ist sie gerechtfertigt, sonst ungerechtfertigt.<br />

Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden<br />

nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf<br />

Seite 20


(Art. 337 II). Er muss objektiv geeignet sein, die Unzumutbarkeit zu bewirken, andererseits aber<br />

auch das subjektive Empfinden der Unzumutbarkeit hervorrufen. Es darf keinen anderen Ausweg als<br />

die aoK geben (ultima ratio). Soweit das Gesetz den wichtigen Grund nicht selbst konkretisiert, muss<br />

das Gericht nach Ermessen entscheiden (Art. 337 III sowie Art. 4 ZGB). Art. 337 ist beidseitig zwingend<br />

(auch Abs. 3, obwohl in Art. 361 nicht erwähnt).<br />

- Gesetzliche Konkretisierungen: kein wichtiger Grund liegt im Falle von Art. 337 III vor, jedoch nimmt<br />

das Gesetz bei Art. 337a (Lohngefährdung) und Art. 346 II (Lehrvertrag) einen wichtigen Grund an.<br />

- Konkretisierungen in Lehre und Rechtsprechung: meist liegt eine schuldhafte Vertragsverletzung vor,<br />

die Unzumutbarkeit bewirkt, wenn sie das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig<br />

zerstört hat (nur bei besonders schweren Verfehlungen kann unmittelbar gekündigt werden, ansonsten<br />

ist Verwarnung und anschliessende Zuwiderhandlung nötig!). Ein wichtiger Grund kann ferner<br />

vorliegen, wenn mit einem Umstand bei Vertragsschluss nicht zu rechnen war (nicht jedoch, wenn<br />

dieser in das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko des AG fällt. Mögliche Pflichtverletzungen im Einzelnen:<br />

(1) Verletzung der Arbeitspflicht in Form vorsätzlichen längeren Fernbleibens von der Arbeit ohne<br />

zureichenden Grund (ein bis zwei Tage) oder in Form mangelhafter Arbeitsleistung und grobem Verschulden<br />

oder vollständigem beruflichem Versagen. (2) Verletzung der Lohnzahlungspflicht (Art.<br />

337a). (3) Verletzung der Treuepflicht (strafbare Handlungen gegen den AG, inakzeptables Verhalten,<br />

Abwerbung von Mitarbeitern oder Kunden, Schmiergelder, schwere Verletzung der Geheimhaltungspflicht,<br />

etc. (4) Verletzung der Fürsorgepflicht (strafbare Handlungen gegen den AN, exzessive<br />

Überwachung, schwerwiegendes Blossstellen, etc.<br />

- Geltendmachung: Nach Kenntnisnahme des wichtigen Grundes muss die aoK rasch ausgesprochen<br />

werden (bei komplizierter Entscheidstruktur höchstens eine Woche). Bestand der wichtige Grund<br />

schon vor Vertragsabschluss, kann der Vertrag alternativ angefochten werden (Willensmangel). Ein<br />

Nachschieben von Kündigungsgründen, die man vor der Kündigung nicht kannte (die aber schon<br />

bestanden), wird als zulässig betrachtet. Hat der Vertragspartner eine mildere Folge als die aoK angedroht<br />

oder eine Wiedergutmachung akzeptiert, ist eine aoK nicht mehr möglich.<br />

• Gerechtfertigte ausserordentliche Kündigung<br />

- Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens der Gegenpartei (Art. 337b I): hier liegt der wichtige<br />

Grund im vertragswidrigen Verhalten (muss allein von der Gegenpartei verschuldet sein). Als<br />

Rechtsfolge wird das Arbeitsverhältnis aufgelöst und die kündigende Partei hat Anspruch auf Schadenersatz<br />

(positives Interesse, aber analoge Anwendung von Art. 337c II). Es gibt im Gegensatz zu<br />

Art. 337c III keine Entschädigung. Art. 337b I ist ferner beidseitig zwingend.<br />

- Kündigung wegen sonstiger Gründe (Art. 337b II): darunter fallen vor allem Fälle, in denen die kündigende<br />

Partei ein Mitverschulden trifft (selten, da Fortführung des AV meist zumutbar), und Fälle, in<br />

denen keine Partei ein Verschulden trifft (meist keine wichtigen Gründe). Rechtsfolge ist auch hier<br />

die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie vermögensrechtliche Folgen nach gerichtlichem Ermessen.<br />

Auch diese Norm ist beidseitig zwingend.<br />

• Ungerechtfertigte ausserordentliche Kündigung<br />

- Ungerechtfertigte Entlassung (Art. 337c): es liegt kein wichtiger Grund vor. Rechtsfolge ist die Auflösung<br />

des Arbeitsverhältnisses, ein Schadenersatzanspruch (an der Stelle des dahinfallenden Lohnanspruchs).<br />

Eine Reduktion nach Art. 44 wird abgelehnt. Auch sonstiger Schaden ist zu ersetzen. Ferner<br />

kann das Gericht den AG verpflichten, eine Entschädigung zu bezahlen (in den meisten Fällen Art.<br />

337c III, schliesst eine Entschädigung nach Art. 336a oder Art. 5 II oder 10 IV aus, führt aber zur Erhöhung<br />

der Entschädigung nach Art. 337c III). Art. 337c, inkl. II und III ist einseitig zwingend.<br />

- Ungerechtfertigtes Nichtantreten oder Verlassen der Arbeitsstelle (Art. 337d): die ungerechtfertigte<br />

aoK geht vom AN aus, indem er ohne wichtigen Grund die Arbeit nicht antritt oder die Stelle fristlos<br />

verlässt. Rechtsfolge ist die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, eine Pauschalentschädigung (Art.<br />

337d I Halbs. 1) sowie Ersatz weiteren Schadens (Art. 337 I Halbs. 2 Beweislast beim AG, Vorteilsanrechnung<br />

muss gemacht werden). Art. 337d ist beidseitig zwingend.<br />

Der Zeitablauf<br />

Das befristete Arbeitsverhältnis endigt nach Ablauf der vereinbarten Zeitdauer ipso iure (Art. 334 I). Die<br />

Befristung kann gesetzlich vorgesehen sein (z.B. Art. 354) oder ausdrücklich oder stillschweigend verein-<br />

Seite 21


art werden. Es ist auch zulässig, dass der Beendigungszeitpunkt nur objektiv bestimmbar ist (dies incertus<br />

quando). Da AN mit befristetem AV in gewissen Punkten schlechter gestellt sind (kein Kündigungsschutz,<br />

keine Kündigungsfristen, etc.) sind Kettenarbeitsverträge (Aneinanderreihung befristeter AV) nur<br />

zulässig, wenn sie auf sachlichem Grund beruhen. Ansonsten werden sie als einheitliches unbefristetes<br />

Arbeitsverhältnis behandelt. Eine oK ist grds. ausgeschlossen. Siehe aber Vermutung von Art. 334 II.<br />

Tod einer Partei<br />

• Tod des Arbeitnehmers<br />

Das Arbeitsverhältnis erlischt nach Art. 338 I. Evtl ist nach Art. 338 II ein Lohnnachgenuss geschuldet.<br />

• Tod des Arbeitgebers<br />

Führt nur zur Beendigung, wenn das Arbeitsverhältnis wesentlich mit Rücksicht auf die Person des AG<br />

eingegangen wurde (Art. 338a II Halbs. 1). Folge ist Schadenersatz aufgrund der vorzeitigen Beendigung.<br />

Andere AV gehen von Gesetzes wegen auf die Erben über (Art. 338a I).<br />

Der Aufhebungsvertrag<br />

Bewirkt die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den vereinbarten Zeitpunkt und<br />

kann auch stillschweigend abgeschlossen werden. Bei unausgewogenen Aufhebungsverträgen kann sich<br />

die Umgehungsproblematik stellen (z.B. aufgrund Art. 324a, 336c, 337c)<br />

Gemeinsame Folgen der Beendigung<br />

• Fälligkeit aller Forderungen<br />

Nach Art. 339 I (beidseitig zwingend) werden alle Forderungen fällig. Die Verjährung beginnt zu laufen<br />

(Art. 130 I) und der Verzug tritt ohne Mahnung ein (Art. 102 II).<br />

• Gegenseitige Rückgabepflichten<br />

Vlg. Art. 339a I, beidseitig zwingend. Die Rückgabepflicht ruht, solange einer Vertragspartei ein Retentionsrecht<br />

zusteht (Abs. III, beidseitig zwingend vgl. Art. 895ff. ZGB).<br />

• Abgangsentschädigung (Art. 339d)<br />

Geringe praktische Bedeutung, da Leistungen, die der AN von einer Personalfürsorgeeinrichtung erhält,<br />

angerechnet werden können (diese sind i.d.R höher als die Abgangsentschädigung). Ansonsten<br />

sind die Voraussetzungen aus Art. 339d I zu beachten. Anspruchsberechtigt sind auch Ehegatten und<br />

Kinder (Art. 339b II). Fälligkeit tritt mit Beendigung des AV ein. Zur Höhe vgl. Wortlaut der Norm. Zu<br />

einem allfälligen Wegfall vgl. Art. 339c III (abschliessend).<br />

• Nachwirkendes Konkurrenzverbot<br />

- Voraussetzungen und Rechtsfolgen: besteht nur bei entsprechender Vereinbarung. Voraussetzungen<br />

sind nach Art. 340 eine schriftliche Abrede, Handlungsfähigkeit des AN im Zeitpunkt der Abrede<br />

sowie ein Einblick es AN in den Kundenkreis oder in Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse des<br />

AG und eine erhebliche Schädigungsgefahr für den AG bei Verwendung dieser Kenntnisse durch<br />

den AN. Ein gültiges Konkurrenzverbot besagt, dass sich der AN jeder konkurrenzierenden Tätigkeit<br />

zu enthalten hat. Nach BGer gelten die Voraussetzungen nach Art. 340ff. auch für andere nachvertragliche<br />

Einschränkungen der Betätigungsfreiheit (z.B. Abwerbeverbot).<br />

- Beschränkungen: Das Verbot muss nach Art. 340a I angemessen begrenzt werden nach Ort, Zeit<br />

und Gegenstand. Werden diese Grenzen überschritten, hat das Gericht die Möglichkeit das Verbot<br />

nach seinem Ermessen einzuschränken.<br />

- Ansprüche bei Verletzung des Konkurrenzverbots: (1) Unterlassungsanspruch (nach Art. 340b III<br />

sind jedoch schriftliche Abrede, eine Rechtfertigung durch die verletzten oder bedrohten Interessen<br />

des AG und eine Rechtfertigung im Hinblick auf das Verhalten des AN vorausgesetzt). Ist (1) gegeben,<br />

kann daneben auch (2) eine Konventionalstrafe (bei besonderer Abrede, wie dies üblich ist <br />

durch Leistung der Konventionalstrafe wird AN, sofern nichts anderes vereinbart ist, vom Konkurrenzverbot<br />

befreit, bleibt aber für weiteren Schaden ersatzpflichtig, Art. 340b II, vgl. auch Art. 160-<br />

163) und (3) einen Schadenersatzanspruch nach Art. 340b I bzw. II oder III geltend gemacht werden.<br />

- Wegfall: (1) wenn AG kein erhebliches Interesse mehr daran hat, (2) wenn der AG ohne begründeten<br />

Anlass kündigt (also wenn der AN sich nicht mehr als geringfügige Pflichtverletzungen hat zuschul-<br />

Seite 22


den kommen lassen) oder (3) wenn der AN das Arbeitsverhältnis aus einem begründeten, vom AG<br />

zu verantwortenden Anlass auflöst.<br />

9. Kapitel: Besondere Arbeitsverträge<br />

Arbeitsverträge mit besonderem Zweck<br />

• Lehrvertrag<br />

Untersteht privatrechtlichen (Art. 344ff. und ergänzend 319ff, vgl. Art. 355) und öffentlichrechtlichen<br />

Normen (BBG, BBV zivilrechtlich bedeutsam im Rahmen von Art. 342 II). Prägendes Element des<br />

Lehrvertrags ist der Ausbildungszweck. Vorausgesetzt ist Schriftlichkeit (Art. 344a I). Eine kt. Behörde<br />

muss den Lehrvertrag genehmigen (kein Gültigkeitserfordernis). Der Lehrvertrag ist nicht notwendigerweise<br />

entgeltlich (vlg. Wortlaut Art. 344). Zu weiteren Besonderheiten vgl. Art. 344ff.<br />

• Sonstige Arbeitsverträge mit Ausbildungszweck<br />

z.B. Praktikum, Umschulung (Art. 344ff. sinngemäss anwendbar)<br />

Arbeitsverträge mit besonderem Arbeitsort<br />

• Handelsreisendenvertrag<br />

Geregelt in Art. 347ff. (ergänzend sind Art. 319ff. anwendbar, vgl. Art. 355). Nach Art. 347a I ist ein<br />

schriftlicher Vertrag vorausgesetzt (kein Gültigkeitserfordernis). Vgl. gesetzliche Bestimmungen für<br />

weitere Besonderheiten.<br />

• Heimarbeitsvertrag<br />

Anwendbar sind primär Art. 351ff., ergänzend auch Art. 319ff. (vgl. Art. 355).<br />

• Heuervertrag<br />

Vgl. Seeschifffahrtsgesetz Art. 68-81 und 162.<br />

Arbeitsverträge mit besonderer Arbeitszeit<br />

• Teilzeitarbeit<br />

Arbeitszeit ist gegenüber der betriebs- oder branchenüblichen Arbeitszeit reduziert, wobei das Arbeitsverhältnis<br />

aber fortdauert. Rechtlich wird die Teilzeitarbeit behandelt wie die Vollzeitarbeit aus<br />

Art. 319ff. (vgl. Art. 319 II bloss deklaratorischer Charakter). Es können jedoch gewisse Probleme<br />

entstehen, z.B. bei (1) Mehrfachbeschäftigung (zulässig, soweit nicht gegen Art. 321a III verstossen<br />

wird. Die Leistungsfähigkeit darf nicht reduziert werden. Meist wird eine stillschweigende Wegbedingung<br />

des Konkurrenzverbotes angenommen.), bei (2) Überstunden (nur beschränkte Heranziehung<br />

von Teilzeit-AN möglich), bei (3) Lohnfortzahlung (wenn Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate dauert,<br />

besteht ein Anspruch auf den hypothetischen Lohnbetrag, wenn der AN unverschuldeterweise<br />

verhindert ist Abstellen auf Durchschnittslohn während einer repräsentativen Zeit), bei (4) Freizeit<br />

(richtet sich grds. nach Art. 329 Feiertage, die in seine Arbeit fallen, sind nicht nachzuholen. Freizeitgewährung<br />

nach Art. 329 III ist nicht üblich) und bei (5) Ferien (Art. 329a gilt auch hier, Ferienlohn<br />

bestimmt sich nach dem hypothetischen Erwerb).<br />

• Job Sharing<br />

Eine Stelle wird von mehreren AN besetzt, denen die Aufteilung der Arbeitszeit überlassen wird. Es<br />

besteht also ein Gruppenarbeitsverhältnis, wobei die einzelnen AN notwendigerweise Teilzeitarbeit<br />

leisten. Der AG verzichtet auf ein Weisungsrecht bei der Gestaltung der Arbeitszeit. Ohne gegenteilige<br />

Abrede haben die AN die Pflicht, sich gegenseitig zu vertreten (str.). Der Anspruch auf Lohnfortzahlung<br />

richtet sich nach Art. 324a I, auch wenn der verhinderte AN vertreten wird (für Vertreter gilt das<br />

Gesagte zu der Vertretung Überstunden). Gewährung von Freizeit nach Art. 329 III ist eher selten.<br />

Bei der Kündigung können, wenn eine Eigengruppe vorliegt, nur alle gemeinsam kündigen. Liegt eine<br />

Betriebsgruppe vor, können die AV separat gekündigt werden (dazu später).<br />

• Arbeit auf Abruf<br />

Verschiedene Ausgestaltungen sind erfasst. Die einzelnen Arbeitseinsätze erfolgen jeweils auf Veranlassung<br />

des AG hin:<br />

- Arbeit auf Abruf mit Befolgungspflicht: AN ist verpflichtet, dem Abruf Folge zu leisten. Wichtigstes<br />

Bsp. ist die KAPOVAZ. Der Bereitschaftsdienst ist entschädigungspflichtig. Es liegt ein fortdauerndes<br />

Seite 23


Arbeitsverhältnis vor, das aktualisierte und latente Phasen aufweist. Der Abruf durch den AG ist eine<br />

Willenserklärung, mit der ein ausfüllendes Gestaltungsrecht ausgeübt wird. Problematisch ist, dass<br />

der AN u.U. kein existenzsicherndes Einkommen erzielt, da er nicht abgerufen wird, sich aber bereit<br />

halten muss und somit keine andere Arbeit annehmen kann. Daher sollte eine Mindesteinsatzdauer<br />

festgelegt werden. Bei KAPOVAZ liegt zugleich i.d.R. Teilzeitarbeit vor.<br />

- Arbeit auf Abruf ohne Befolgungspflicht: AN ist nicht verpflichtet, dem Abruf Folge zu leisten. Mit jedem<br />

Arbeitseinsatz kommt deshalb ein neuer AV zustande, denn der Abruf hat die Bedeutung einer<br />

Vertragsofferte. Alllenfalls kann ein Rahmenvertrag abgeschlossen werden, der die Konditionen für<br />

alle Einsätze festlegt.<br />

Arbeitsverträge mit mehreren Beteiligten<br />

• Gestuftes Arbeitsverhältnis<br />

Liegt vor, wenn ein AN zur Erfüllung seiner Pflichten eine Hilfsperson beizieht, mit der er selbst durch<br />

einen AV verbunden ist. Zwischen Hauptarbeitgeber und Hilfsperson liegt somit nur ein mittelbares<br />

Arbeitsverhältnis vor (kein echtes Vertragsverhältnis, jedoch entstehen daraus Fürsorgepflichten des<br />

Haupt-AG, z.B. nach Art. 328 II, andererseits Treuepflichten der Hilfsperson, z.B. nach Art. 321a IV<br />

und ein Weisungsrecht des Haupt-AG in gewissem Umfang gemäss Art. 321d Erscheinungsform<br />

des faktischen Vertragsverhältnisses). Es kommt also zu einer Art Aufspaltung der AG-Stellung.<br />

• Gruppenarbeitsverhältnis<br />

- Eigengruppe: Verbindung mehrerer AN aus eigenem Entschluss mit dem Zweck, einem AG eine<br />

gemeinsame Arbeitsleistung zu erbringen (z.B. beim Job Sharing). Es handelt sich dabei i.d.R. um<br />

eine einfache Gesellschaft, weshalb mit jedem einzelnen AN ein AV abzuschliessen ist. Das einzelne<br />

Arbeitsverhältnis ist jedoch in seiner Existenz und Ausgestaltung von den anderen abhängig, d.h.<br />

grds. können nur alle AN gemeinsam kündigen oder entlassen werden.<br />

- Betriebsgruppe: Verbindung mehrerer AN auf Anordnung des AG (oft im Zusammenhang mit Akkordarbeit<br />

oder beim Job Sharing). Es fehlt aber an einem vertraglichen Zusammenschluss der Mitglieder,<br />

weshalb keine einfache Gesellschaft vorliegt. Die AV können somit separat gekündigt werden.<br />

• Personalverleih<br />

- Im Allgemeinen: geregelt im Arbeitsvermittlungsgesetz (AVG), das private und öffentliche Arbeitsvermittlung<br />

(durch die kt. Arbeitsämter) und den Personalverleih regelt. Beim Personalverleih (PV)<br />

sind drei Parteien beteiligt, nämlich der Verleiher (AG), ein Entleiher (Einsatzbetrieb) und ein AN.<br />

Der PV kommt in drei Arten vor, nämlich als Temporärarbeit (einmalige Überlassung des AN), Leiharbeit<br />

(wiederholte Überlassung des AN) und gelegentliches Überlassen der AN an den Einsatzbetrieb.<br />

- Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und AN: Es handelt sich um einen AV, wobei aber gewisse<br />

Rechte und Pflichten auf den Entleiher übergehen (Aufspaltung der AG-Stellung). Das AVG sieht<br />

gewisse Besonderheiten vor. So ist der AV z.B. ungültig, wenn der Verleiher keine Bewilligung für<br />

den Personalverleih hat.<br />

- Rechtsverhältnis zwischen Entleiher und AN: kein Vertragsabschluss, jedoch faktisches Vertragsverhältnis:<br />

dem Entleiher steht Weisungsrecht i.S.v. Art. 321d zu, der AN hat Treuepflichten z.B. i.S.v.<br />

Art. 321a IV und der Entleiher Fürsorgepflichten z.B. aufgrund Art. 328 II. Beim Verleiher verbleiben<br />

der Anspruch auf die Arbeitsleistung, die Lohnzahlungspflicht und das Kündigungsrecht. Schädigt<br />

der AN den Entleiher durch Verletzung der Arbeitspflicht, drängt sich eine analoge Anwendung von<br />

Art. 321e auf.<br />

- Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und Entleiher: beruht auf einen sog. Verleihvertrag (kein Arbeitsvertrag).<br />

Ist aufgrund der Regelung in Art. 22 AVG ein Nominatvertrag.<br />

(Das Kapitel 10 wird aufgrund mangelnder Relevanz hier nicht behandelt.)<br />

Seite 24


11. Kapitel: Die Koalitionsfreiheit<br />

Ausgangslage<br />

Neben den vielen Schutzvorschriften des <strong>Arbeitsrecht</strong>s zugunsten der AN soll auch die Einräumung von<br />

Gruppenmacht das Machtgefälle zwischen AG und AN ausgleichen, vor allem indem Arbeitnehmerverbände<br />

mit Arbeitgeberverbänden Arbeitsbedingungen aushandeln ( GAV). Zu diesem Zweck räumt<br />

das Gesetz den Verbänden eine überbetriebliche Normsetzungsbefugnis ein, d.h. auch EAV-Parteien<br />

werden vom GAV miterfasst, obschon sie ihn nicht selbst abgeschlossen haben.<br />

Die Koalitionsfreiheit im weiteren Sinne<br />

Art. 28 BV ist in einem weiteren Sinne zu verstehen, da sich nur Abs. 1 auf die Koalitionsfreiheit im eigentlichen<br />

Sinne bezieht, während Abs. 2-4 die Arbeitskampffreiheit betreffen. Nach h.L. ist ferner die<br />

Tarifautonomie in Art. 28 BV mitenthalten (dazu später).<br />

Unter Koalition ist ein Arbeitsverband zu verstehen, d.h. eine Vereinigung von AN (eine Gewerkschaft)<br />

oder von AG (ein Arbeitgeberverband). Im strengen Sinn werden nur Arbeitsverbände als Koalitionen<br />

bezeichnet, die alle Voraussetzungen der Tariffähigkeit erfüllen (dazu später).<br />

Die Koalitionsfreiheit im engeren Sinne<br />

• Allgemeines<br />

Die Koalitionsfreiheit i.S.v. Art. 28 I BV ist ein gegen den Staat gerichtetes Freiheitsrecht (Spezialfall<br />

der Vereinigungsfreiheit nach Art. 23 BV). Einschränkungen sind nach Art. 36 BV zulässig. Beachte<br />

auch indirekte Drittwirkung nach Art. 35 III BV.<br />

• Positive Koalitionsfreiheit (KF)<br />

- Auf Einzelebene: Die positive KF ist zunächst das Recht der einzelnen AN und AG, sich zum Schutz<br />

ihrer Interessen zusammenzuschliessen. Bei Eingriffen von privater Seite verwirklicht sich die indirekte<br />

Drittwirkung der positiven KF über die Bestimmungen des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes<br />

(Art. 27 II, 28 ZGB z.B. gegen schwarze Listen; Art. 328 OR gegen Benachteiligungen<br />

bei Beförderungen etc.; Art. 328b gegen die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der<br />

Bewerbung; Art. 336 II lit. a gegen Kündigungen aufgrund gewerkschaftlicher Tätigkeit).<br />

- Auf Verbandsebene: Vereinigungsgarantie unter den Verbänden selbst (Art. 28 I BV), Bestandesgarantie<br />

(Recht auf Existenz) und Betätigungsgarantie (Recht zur Interessenverteidigung der Mitglieder,<br />

Teilnahme und Abschluss von GAVs). Letzteren beide sind in Art. 28 BV nicht ausdrücklich erwähnt,<br />

aber von h.L. und Rechtsprechung anerkannt. Privatrechtlich strahlt die positive KF aus in<br />

Form von Art. 28 ZGB (Persönlichkeit des Verbandes wird geschützt), Art. 2ff. UWG, Art. 356 IV OR.<br />

• Negative Koalitionsfreiheit<br />

- Auf Einzelebene: Recht der Einzelnen AG und AN, Arbeitsverbänden fernzubleiben (Art. 28 I BV).<br />

Der privatrechtliche Schutz der negativen KF vollzieht sich durch Art. 28 ZGB, Art. 70 II ZGB (zwingendes<br />

Austrittsrecht aus Vereinen), Art. 336 II lit. a (Missbräuchlichkeitstatbestand) und Art. 356a I<br />

(Gültigkeit kollektivrechtlicher Abreden, Unzulässigkeit des Verbandszwangs). Unter letzteren Artikel<br />

fallen sog. Absperrklauseln (nur Mitglieder der vertragsschliessenden Gewerkschaft dürfen eingestellt<br />

werden, Nichtmitglieder werden bei Nichtbeitritt entlassen, oder: aus der Gewerkschaft austretende<br />

AN werden vom AG entlassen), teilweise die Differenzierungsklauseln (Benachteiligung bei<br />

Arbeitsbedingungen nur zulässig wenn AN die uneingeschränkte Möglichkeit haben, sich i.S.v.<br />

Art. 356b dem GAV anzuschliessen und wenn die eingeräumten Vorteile nicht übermässig sind) sowie<br />

die Exklusivvertragsklauseln (AG drüfen nicht mit anderen ANVerbänden gleichlautende GAVs<br />

abschliessen betrifft das Verbot nur anderlslautende GAVs, ist es zulässig).<br />

- Auf Verbandsebene: Recht, Vereinigungen fernzubleiben und aus ihnen auszutreten.<br />

Die Arbeitskampffreiheit<br />

• Arten des Arbeitskampfs<br />

- Streik: kollektive Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung zur Durchsetzung von Forderungen<br />

nach bestimmten Arbeitsbedingungen (zentrales Kampfmittel der AN).<br />

- Aussperrung: kollektiver Ausschluss von AN von Arbeit und Lohn (Hauptkampfmittel der AG). Man<br />

unterscheidet die Abwehraussperrung als Reaktion auf einen bereits begonnen Streik und die An-<br />

Seite 25


griffaussperrung (als Beginn des Arbeitskampfs, ist praktisch bedeutungslos) sowie die suspendierende<br />

(AV wird nicht aufgelöst) und die lösende Aussperrung (Auflösung der AV ohne dass Kündigungsfristen<br />

und –termine eingehalten werden müssen).<br />

• Rechtmässiger Arbeitskampf<br />

- Voraussetzungen: Art. 28 III gewährt ein verfassungsmässiges Recht auf Streik und Aussperrung unter<br />

folgenden fünf Voraussetzungen: (1) Tariffähiges Subjekt (rechtliche Eigenschaft, GAVs<br />

abschliessen zu können: auf AN-Seite nur Koalitionen, auf AG-Seite Koalitionen und Einzel-AG), (2)<br />

durch GAV regelbares Ziel („Arbeitsbeziehungen betreffen...“), (3) Einhaltung der Friedenspflicht<br />

(aufgrund Gesetz, z.B. Art. 357a oder GAV oder laufendem Schlichtungsverfahren), (4) Verhältnismässigkeit<br />

(ultima-ratio-Prinzip, vgl. Art. 28 II BV, Unterlassung von Gewalt- und Straftaten, Erhaltung<br />

lebenswichtiger Dienste, etc.) sowie (5) kein gesetzlicher Ausschluss (der den Grundsätzen von<br />

Art. 36 BV genügt, z.B. Art. 96 BPV).<br />

- Rechtsfolgen: Freiheitsrecht der BV schützt vor Eingriffen des Staates. Privatrechtlich gelten folgende<br />

Auswirkungen: ein rechtmässiger Streik lässt die Hauptpflichten aus dem EAV für die Streikenden<br />

ruhen, wobei auch die Lohnpflicht entfällt (Art. 82 OR). Eine oK aufgrund Streikteilnahme ist missbräuchlich<br />

(lässt sich als eigener Missbrauchstatbestand bezeichnen, kann jedoch auch auf Art. 336<br />

I lit. b und II lit. a gestützt werden). Fristlose Entlassungen sind ungerechtfertigt i.S.v. Art. 337c.<br />

Bezüglich der Arbeitswilligen gerät der AG nicht in Annahmeverzug nach Art. 324, wenn er ihnen<br />

keine Arbeit zuweisen kann (gilt auch wenn dies aufgrund eines fremden Streiks der Fall ist, wenn<br />

die AN einen Vorteil aus dem fremden Streik haben könnten). Somit entfällt der Lohnanspruch der<br />

arbeitswilligen AN. Arbeitswillige dürfen ferner unmittelbare Streikarbeit ablehnen, nicht aber<br />

mittelbare (Arbeit, die einen Streikbruch voraussetzt oder ermöglicht).<br />

Bei der rechtmässigen Aussperrung ruhen die Hauptpflichten aus dem EAV bei den suspendierend<br />

Ausgesperrten (kein Annahmeverzug nach Art. 324, kein Lohnanspruch, Missbräuchlichkeit von oK<br />

nach Art. 336 I lit. b, Ungerechtfertigtheit von aoK nach Art. 337d. Bei den lösend Ausgesperrten<br />

werden die Arbeitsverhältnisse beendet, der Lohnanspruch erlischt.<br />

• Rechtswidriger Arbeitskampf<br />

- Erscheinungen: Ist eine oder sind mehrere Rechtmässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, ist der<br />

Arbeitskampf rechtswidrig. Namentlich handelt es sich um wilde Streiks (kein tariffähiger ANVerband),<br />

Sympathiestreiks (eingesetzt zur mittelbaren Erzwingung von Arbeitsbedingungen anderer<br />

GAV-Parteien kein durch GAV regelbares Ziel), Streiks zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen<br />

(kein Regelungs- sondern Rechtsstreit nicht durch GAV regelbares Ziel), Streiks unter Verletzung<br />

der Friedenspflicht, unverhältnismässige Streiks (Nichtausschöpfung der Verhandlungs- und Vermittlungsmöglichkeiten),<br />

Angriffsaussperrung (unverhältnismässig) und lösende Aussperrung, wenn sie<br />

bereits zu Beginn eines Arbeitskampfes erfolgt.<br />

- Rechtsfolgen: Einstandspflicht der Verantwortlichen. Dies können sein Verbände (z.B. Aufgrund Verletzung<br />

von Art. 357a I oder II Konventionalstrafe und Haftung aus Art. 97 OR gegenüber dem<br />

Vertragspartner, nicht aber gegenüber Dritten, da Drittschadensliquidation hier nicht anerkannt) oder<br />

Parteien des EAV (AN: Verletzung der Arbeitspflicht und Haftung nach Art. 321e bei Verschulden,<br />

d.h. wenn die Rechtswidrigkeit erkennbar war fristlose Kündigung möglich; AG: Annahmeverzug<br />

nach Art. 324 bei rechtswidriger Aussperrung, verschuldensunabhängig und Haftung nach Art. 97<br />

sowie gerechtfertigte fristlose Kündigung jeweils bei Verschulden).<br />

Die Tarifautonomie<br />

Rechtsmacht, durch GAV die Arbeitsbedingungen mit verbindlicher Wirkung für die betroffenen EA-<br />

Verhältnisse zu regeln (nicht ausdrücklich in Art. 28 BV, aber anerkannt).<br />

12. Kapitel: Der Gesamtarbeitsvertrag (GAV)<br />

Begriff, Entstehung und Beendigung des GAV<br />

• Begriff<br />

Vertrag auf überbetrieblicher Ebene (d.h. AN-Seite tritt in Gestalt eines rechtlich selbständigen Verbands<br />

auf) zwischen AG oder deren Verbände und AN-Verbänden andererseits (Art. 356 I), der – al-<br />

Seite 26


lenfalls neben schuldrechtlichen – auch normative oder indirekt-schuldrechtliche Bestimmungen enthält<br />

(liegen nur schuldrechtliche Bestimmungen vor, handelt es sich nicht um einen GAV)<br />

• Entstehung<br />

Vorausgesetzt sind übereinstimmende gegenseitige Willenserklärungen der Parteien i.S.v. Art. 1 OR<br />

und nach Art. 356c I die Schriftform.<br />

• Beendigung<br />

Der GAV endet durch Zeitablauf, wenn er befristet ist, durch oK (nach Art. 356c II), durch aoK (bei unvorhersehbaren<br />

und grundlegenden Veränderungen, Verlust der Tariffähigkeit, schweren Pflichtverletzungen<br />

der Gegenpartei, etc.), durch Aufhebungsvertrag (insbesondere bei der Ersetzung durch einen<br />

neuen GAV) oder durch Resolutivbedingung. Kündigung und Aufhebungsvertrag müssen schriftlich<br />

erfolgen (Art. 356 I). Der dahingefallene GAV wirkt individualrechtlich weiter, solange keine Änderungskündigung<br />

ausgesprochen wurde oder Änderungsvertrag abgeschlossen wurde (h.L.).<br />

Vertragsschliessende und beteiligte Subjekte des GAV<br />

• Vertragsschliessende Kollektivparteien<br />

- Im Allgemeinen: man unterscheidet den Verbandsvertrag als Vertrag zwischen einem AN-Verband<br />

und einem AG-Verband und den Firmenvertrag als Vertrag zwischen einem AN-Verband und einem<br />

einzelnen AG. Die vertragsschliessenden Verbände müssen tariffähig sein.<br />

- Tariffähigkeit: rechtliche Eigenschaft, GAVs abschliessen zu können. Kommt dem AG ipso iure zu,<br />

während Verbände gewisse Anforderungen erfüllen müssen: (1) Rechtsfähigkeit (juristische Person),<br />

(2) Gegnerunabhängigkeit (personelle, finanzielle, organisatorische und ideelle Unabhängigkeit von<br />

der Gegenpartei; zulässig sind aber Hausverbände, die nur AN eines bestimmten Betriebs umfassen,<br />

wenn sie wirtschaftlich unabhängig sind und den Rückhalt eines Dachverbandes geniessen),<br />

(3) Unabhängigkeit von Dritten (z.B. vom Staat, der Kirche, Parteien oder sonstigen Dritten, d.h. es<br />

darf keine Weisungsgebundenheit vorhanden sein), (4) Freiwilligkeit der Vereinigung, (5) Gestaltung<br />

der Arbeitsbedingungen (es muss zu den Verbandszielen gehören, die Arbeitsbedingungen zu gestalten).<br />

- Tarifzuständigkeit: Verband muss nach seinen Statuten befugt sein, einen GAV von der Art des geplanten<br />

abzuschliessen.<br />

- Mehrheit von Vertragsparteien: Auf jeder Seite es GAV können mehrere Vertragsparteien stehen. Es<br />

gilt das Prinzip der Gleichberechtigung (Art. 356 IV relative Gleichstellung, d.h. proportionale<br />

Gewichtung) und es besteht ein Beitritts- und Verhandlungsanspruch (BGer hat entgegen dem Wortlaut<br />

von Art. 356 IV entschieden, dass die an einem GAV beteiligten Parteien sich nicht auf die Vertragsfreiheit<br />

berufen können, um eine die AN ausrechend vertretende Minderheitsgewerkschaft ohne<br />

berechtigtes Interesse daran zu hindern, dem Vertrag beizutreten. Somit hat jeder loyale und repräsentative<br />

Minderheitsverband einen Beitrittsanspruch. Der ferngehalten AN-Verband hat aber natürlich<br />

keinen Einfluss auf den Inhalt des GAV, weshalb die Lehre teilweise einen Verhandlungsanspruch<br />

fordert ( es kann bei einem Scheitern ggf. der Weg des rechtmässigen Arbeitskampfs beschritten<br />

werden).<br />

• Beteiligte Einzelvertragsparteien<br />

- Direkte Vertragsbindung: Zu den beteiligten AG und AN i.S.v. Art. 357 I gehören die Mitglieder der<br />

vertragsschliessenden Verbände, die Angeschlossenen sowie AG und AN, die kraft<br />

Allgemeinverbindlicherklärung oder Gesetz in die Wirkung des GAV einbezogen werden. Ihnen<br />

gegenüber gelten die Bestimmungen des GAV normativ (direkte Vertragsbindung). Die<br />

Verbandsmitglieder bleiben an den GAV gebunden, sofern sie aus ihrem Verband vor dem Ende der<br />

Geltungsdauer des GAV austreten. Das gleiche gilt bei Auflösung des vertragsschliessenden<br />

Verbandes oder dessen Verlust der Tariffähigkeit.<br />

Anschluss: Einzelne AG und einzelne (im Dienst beteiligter AG stehende) AN können sich mit Zustimmung<br />

der Vertragsparteien dem GAV anschliessen und gelten dann als beteiligte AG und AN<br />

(Art. 356b I, Art. 357 I normative Wirkung des GAV). Die GAV-Parteien dürfen den Antrag auf<br />

Anschluss nur ablehnen, wenn sie ein schutzwürdiges Interesse haben. Nachträgliche Änderungen<br />

des GAV finden, sofern sie nicht grundlegend sind, auch auf Angeschlossene Anwendung. Art. 356c<br />

I verlangt ferner Schriftlichkeit (in der Praxis nicht genau gehandhabt). Die Erhebung von Solidari-<br />

Seite 27


tätsbeiträgen von Angeschlossenen ist zulässig, sofern sie nicht so hoch sind, dass sie den Verbandsbeitritt<br />

veranlassen. Aus Art. 356b III geht e contrario hervor, dass die Bestimmungen eines<br />

GAV, durch die einzelne AG oder AN zum Anschluss gezwungen werden sollen, grds. zulässig sind<br />

(sog. Anschlusszwang Absperr- wie auch Differenzierungsklauseln sind also erlaubt). Untersagt<br />

wird lediglich der Anschlusszwang gegen Andersorganisierte. Art. 356c II statuiert ein gesetzliches<br />

Kündigungsrecht bezüglich des Anschlusses.<br />

Allgemeinverbindlicherklärung: der Bundesrat kann GAVs als allgemein verbindlich erklären (siehe<br />

entsprechendes Gesetz AVEG), wenn strenge Voraussetzungen gegeben sind. So müssen die<br />

GAVs begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung<br />

tragen und die Rechts- und Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen, Art. 110 II BV, und es müssen<br />

die Voraussetzungen des AVEG erfüllt werden. Im Rahmen der flankierenden Massnahmen<br />

zum Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der EU wurden weitere Bestimmungen in das AVEG<br />

eingeführt (Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung in gewissen Fällen). Folge der Erklärung<br />

ist, dass die Vertragsbindung auf alle AG und AN des betreffenden Wirtschaftszweiges oder Berufes<br />

ausgedehnt wird.<br />

Direkte Vertragsbindung aufgrund von Gesetz: Art. 333 Ibis (Betriebsübernahme Erwerber muss<br />

während eines Jahres den GAV einhalten, wobei indirekt-schuldrechtliche Bestimmungen nur weitergelten,<br />

wenn sie dem Schutz der AN dienen).<br />

- Indirekte Vertragsbindung: Liegt vor, wenn schuld- oder mitgliedschaftsrechtliche Verpflichtungen der<br />

EAV bestehen, gesamtarbeitsvertragliche Bestimmungen einzuhalten oder aufgrund von Gesetz. Es<br />

tritt dabei keine normative Wirkung ein, die betroffenen AG und AN gelten nicht als beteiligt i.S.v. Art.<br />

357 I.<br />

Gesamtarbeitsvertragliche Ausdehnungspflicht: Der GAV kann eine Ausdehnungsklausel enthalten,<br />

welche besagt, dass die beteiligten AG die arbeitsvertraglichen Bestimmungen des GAV auch gegenüber<br />

den nichtbeteiligten AN einzuhalten haben (indirekt-schuldrechtlicher Charakter, da einzelne<br />

AG gegenüber dem Verband verpflichtet werden).<br />

Statutarische Ausdehnungspflicht: Statuten sehen die Ausdehnungspflicht im obigen Sinn vor<br />

(mitgliedschaftliche Verpflichtung)<br />

Einzelarbeitsvertragliche Übernahme: Die Parteien eines EAV können auf individualrechtlicher Ebene<br />

vereinbaren, dass ein bestimmter GAV auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar sein soll (Bezugnahmeklausel<br />

es ist von einer dynamischen Verweisung auszugehen, d.h. auch Änderungen werden<br />

erfasst). Da die Bestimmungen nicht normativ wirken, sind einzelne Abweichungen möglich.<br />

Erklärung: AG können sich auch durch Erklärungen zur Beachtung von GAV-Bestimmungen ohne<br />

normative Wirkung verpflichten. Man unterscheidet: Verpflichtungserklärung des einzelnen AG<br />

(schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber den anderen GAV-Parteien entsteht) oder Unterstellungserklärung<br />

(?).<br />

Gesetz: Bei Verweisen auf die üblichen Arbeitsbedingungen haben GAVs einen Einfluss. Bsp. Art.<br />

322, Art. 7 UWG, etc.<br />

Der Inhalt des Gesamtarbeitsvertrages<br />

• Normativer Inhalt<br />

- Wesen: Ein GAV kann, muss aber nicht, normative Wirkungen enthalten. Es handelt sich um Bestimmungen<br />

über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse (Art. 356 I),<br />

die unmittelbar sowie grds. unabdingbar und unverzichtbar für die beteiligten AG und AN gelten (Art.<br />

357 I und 341 I). Der Vertragsschluss findet dabei auf einer übergeordneten kollektivrechtlichen E-<br />

bene statt, während die Wirkung also auf der untergeordneten individualrechtlichen Ebene eintritt.<br />

Da dadurch auch Pflichten entstehen ist die gesetzliche Grundlage aus Art. 357 nötig (Einräumung<br />

einer Normsetzungsbefugnis an Private). Daraus folgt: die Auslegung der normativen Bestimmungen<br />

nach den Regeln der Gesetzesauslegung, die Nichtanwendung von Art. 20 II bei Ungültigkeit, der<br />

Wegfall ex nunc bei Willensmängeln sowie keine Durchsetzung von Amtes wegen.<br />

- Wirkung: unmittelbar (Art. 357 I Verdrängung entgegenstehender einzelvertraglicher Regelungen),<br />

unabdingbar (Art. 357 I, Ausnahmen: Öffnungsklausel, d.h. der GAV sieht Abweichungen vor,<br />

Seite 28


sowie Günstigkeitsprinzip, d.h. abweichende Abreden zugunsten des AN sind zulässig, Art. 357 II<br />

Halbs. 2)<br />

Die Prüfung, ob eine abweichende Regelung günstiger ist, hat nach der Methode des Gruppenvergleichs stattzufinden, d.h. es findet kein Einzelvergleich<br />

von Abreden statt, aber auch kein Gesamtvergleich, sondern es werden eng zusammenhängende Bestimmungen verglichen. Dies geschieht<br />

nach einem objektiven Massstab. Aus dem Günstigkeitsprinzip folgt, dass der GAV stets nur Mindestarbeitsbedingungen festsetzen kann. Er darf<br />

andererseits aber nicht übermässig in die Freiheit der Einzelvereinbarung eingreifen, weshalb folgende Klauseln unzulässig sind: Verrechnungsklausel<br />

(übertariflicher Effektivlohn wird mit einer gesamtarbeitsvertraglichen Lohnerhöhnung verrechnet, Buch S. 326), Effektivgarantieklausel (gesamtarbeitsvertragliche<br />

Lohnerhöhung wird auf den individuellen übertariflichen Effektivlohn bezogen). Zulässig sind hingegen: begrenzte Effektivklausel<br />

(bezweckt wie die Effektivgarantieklausel, dass eine gesamtarbeitsvertragliche Lohnerhöhung auf den übertariflichen Effektivlohn bezogen wird,<br />

doch ist ihre Wirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des GAV begrenzt, erstreckt sich also nicht auf die gesamte Dauer), Verdienssicherungsklausel<br />

(Höhe von Sondervergütungen soll nach dem Effektivlohn anstatt nach dem gesamtarbeitsvertraglichen Mindestlohn bemessen werden),<br />

Bestandesklausel (bietet Schutz gegen die einzelvertragliche Herabsetzung des Effektivlohns aus Anlass einer GAV-Lohnerhöhung i.d.R.<br />

keine normative Wirkung).<br />

und unverzichtbar (Art. 341 I, gilt bis ein Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses).<br />

- Gegenstand: Abschlussnormen (normative Bestimmungen des GAV, die sich auf den Abschluss des<br />

EAV beziehen, wie z.B. Formvorschriften, Abschlussgebote, z.B. als Wiedereinstellungsklausel im<br />

Rahmen eines Streikabwicklungsabkommens, Abschlussverbote, die nur zulässig sind, wenn sie vor<br />

Art. 356a II und III standhalten), Inhaltsnormen (beziehen sich z.B. auf Lohn, Arbeitszeit, etc.) und<br />

Beendigungsnormen (haben die Beendigung des EAV zum Gegenstand, z.B. also ein verstärkter<br />

Kündigungsschutz oder Änderung von Kündigungsfristen, vgl. Art. 335c die zwingenden Normen<br />

sind aber zu beachten, so z.B. 335a und 337).<br />

- Durchsetzung: Auf individueller Ebene lassen sich normative Bestimmungen durchsetzen, als wären<br />

sie zwischen den Einzelparteien vereinbart worden, d.h. es stehen die gegeben Zivilklagen z.B. auf<br />

Erfüllung und Schadenersatz zur Verfügung. Auf kollektiver Ebene gibt es zusätzliche Möglichkeiten,<br />

z.B. (1) die Klagen aus gemeinsamer Durchführung nach Art. 357b (es muss vereinbart worden sein,<br />

dass den GAV-Parteien gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrags gegenüber den beteiligten<br />

AG und AN zusteht aktivlegitimiert ist dann die Vertragsgemeinschaft, passivlegitimiert der<br />

einzelne AG oder AN. Bei normativen Bestimmungen ist nach Art. 357b I lit. a nur die Feststellungsklage<br />

möglich), (2) die Klagen aus unlauterem Wettbewerb, (3) die Klage aus einem Firmenvertrag,<br />

(4) die Einwirkung der Verbände auf ihre Mitglieder (Einwirkungspflicht gemäss Art. 357a I gesetzliche<br />

und statutarische Mittel müssen eingesetzt werden, um das widerstrebende Verbandsmitglied<br />

zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten).<br />

- Schranken: Gemäss Art. 358 geht das zwingende Recht vor (Ausnahmen: tarifdispositives Recht,<br />

d.h. Gesetzesrecht, das an sich zwingend ist und nur durch GAV abgeändert werden kann, z.B. Art.<br />

335c II Halbs. 2; und Günstigkeitsprinzip nach Art. 358, das jedoch nur angewendet werden kann,<br />

wenn nicht beidseitig zwingendes Recht, insbesondere gemäss Art. 361, vorliegt). Ferner bilden<br />

Schranken: die Gleichheit der Geschlechter, die Koalitionsfreiheit, die Freiheit der Einzelvereinbarung,<br />

fremde Zuständigkeiten (unternehmerische Entscheidungsfreiheit), das Privatleben der AN,<br />

überwiegende politische Zielverfolgungen.<br />

• Indirekt-schuldrechtlicher Inhalt<br />

- Wesen und Durchsetzung: sie können den einzigen Inhalt des GAV bilden oder neben normativen<br />

oder schuldrechtlichen Bestimmungen stehen. Kennzeichnend ist, dass sie eine Einzelvertragspartei<br />

verpflichten ohne deren Partner aus dem EAV zu berechtigen. Berechtigt können vielmehr sein (1)<br />

die Vertragsgemeinschaft i.S.v. Art. 357b gegenüber den beteiligten AG und AN (wenn gemeinsame<br />

Durchführung vereinbart worden ist), (2) der eigene Verband gegenüber seinen Mitgliedern (durch<br />

Einwirkung auf die Mitglieder, Art. 357a I Halbs. 2), (3) die GAV-Parteien gegenüber den Angeschlossenen<br />

(vgl. Art. 356b I nur, wenn sich die Angeschlossenen im Anschlussvertrag zur Einhaltung<br />

der indirekt-schuldrechtlichen Bestimmungen verpflichtet haben). Möglich ist, dass eine indirekt-schuldrechtliche<br />

Bestimmung zugleich den Charakter einer normativen Bestimmung hat (Auslegung<br />

nötig).<br />

- Gegenstand: Solidarnormen (haben Leistungen des AG zu Gunsten der AN zum Gegenstand, z.B.<br />

Einrichtung von Freizeiteinrichtungen oder Einhaltung eines Betriebsdurchschnittslohnes AG wird<br />

also verpflichtet, AN aber nicht berechtigt, ausser es soll den einzelnen AN ein unmittelbarer Erfüllungsanspruch<br />

zustehen soll), Ordnungsnormen (regeln die Ordnung und das Verhalten der AN im<br />

Betrieb, z.B. Rauchverbote, etc.) und sonstige Normen (z.B. in den Bereichen Mitwirkung, Anschluss<br />

und Solidarbeiträgen, Friedenspflicht der EAV-Parteien, Leistungen an Dritte wie Ausgleichskassen<br />

Seite 29


oder Kontrollen, Kautionen und Konventionalstrafen im Verhältnis zwischen EAV- und GAV-<br />

Parteien).<br />

- Schranken: es gilt das gleiche wie bei den normativen Bestimmungen.<br />

• Schuldrechtlicher Inhalt<br />

- Wesen: besteht aus gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen, die ihre Wirkung zwischen den<br />

vertragsschliessenden Parteien selbst entfalten (Grundtypus eines Vertrages). Die wichtigsten<br />

schuldrechtlichen Bestimmungen beruhen auf Gesetz (Art. 357a Einhaltungs-, Durchführungs-,<br />

Einwirkungs- und Friedenspflicht), weitere können durch GAV begründet werden (Art. 356 III).<br />

- Gegenstand: Einhaltungspflicht (pacta sunt servanda inkl. Verbot von Beeinträchtigungen der Geltung<br />

und Erfüllung), Durchführungspflicht (Pflicht zum Vertragsvollzug sowie zur Erfüllung allfälliger<br />

gesamtarbeitsvertraglich festgelegter Exekutiv-, Rechtsprechungs- und Normsetzungsaufgaben der<br />

zuständigen Organe Bsp. paritätische Kommission, Rekursinstanz, kantonales Einigungsamt sofern<br />

im Kanton vorgesehen), Einwirkungspflicht (Art. 357a I Halbs. 2 einzige Möglichkeit der<br />

Durchsetzung des GAV bei indirekt-schuldrechtlichen Bestimmungen, wenn keine gemeinsame<br />

Durchführung vereinbart ist, sonst ergänzende Funktion. Bei Nichterfüllung der Pflicht wird Verband<br />

dem Vertragspartner aus Art. 97 haftbar. Auf Aussenseiter kann nicht eingewirkt werden, da sich die<br />

Einwirkungsmöglichkeiten ja auf das Mitgliedschaftsverhältnis stützen.), Friedenspflicht (aus Gesetz,<br />

z.B. Art. 357a II relative Friedenspflicht und Art. 28 II BV während der Dauer eines Schlichtungsverfahrens;<br />

oder weitergehend aus dem GAV selbst, z.B. absolute Friedenspflicht, Friedenspflicht für<br />

eine beschränkte Zeit nach Beendigung des GAV, individuelle Friedenspflicht der einzelnen EAV-<br />

Parteien allenfalls indirekt-schuldrechtliche oder sogar normative Wirkung) und weitere Pflichten<br />

(Art. 356 III).<br />

- Auslegung und Ergänzung: Regeln richten sich nach der Auslegung für Verträge.<br />

- Durchsetzung: Mittel sind die Unterlassungsklage, die Feststellungsklage, die Schadenersatzklage<br />

(Art. 97 OR), die Konventionalstrafe (bei entsprechender Vereinbarung), die Kaution, die Urteilspublikation,<br />

die aoK (analog Art. 337, bei schweren Verletzungen des GAV durch die Gegenpartei) und<br />

die Strafverfolgung. Die Klagen können nur gegen die andere GAV-Partei gerichtet werden.<br />

Daneben kommt dem Schlichtungs- und Schiedswesen im <strong>Arbeitsrecht</strong> eine überragende Bedeutung<br />

zur Verhinderung von Arbeitskämpfen zu.<br />

Geltungsbereich und Konkurrenz von GAVs<br />

• Geltungsbereich des GAV<br />

- Grundsatz: bestimmt sich in erster Linie nach dem Parteiwillen (in den Grenzen der Tarifzuständigkeit<br />

der Parteien).<br />

- Zeitliche Geltung: Beginn ist der formgerechte Abschluss des GAV, sofern nichts anderes vereinbart<br />

ist, das Ende fällt mit der Beendigung des GAV zusammen. U.U. ist eine Rückwirkung von Inhaltsund<br />

Beendigungsnormen (nicht aber Abschlussnormen) möglich.<br />

- Räumliche Geltung: man unterscheidet Landes-, Regional- und Lokalverträge. Es ist jeweils auf den<br />

Ort der Betriebsstätte abzustellen, um zu entscheiden, ob ein konkretes Arbeitsverhältnis von einem<br />

GAV erfasst wird.<br />

- Sachliche Geltung: man unterscheidet den Branchenvertrag (gehört Betrieb zur erfassten Branche?<br />

bei Mischbetrieben kommt es auf prägende Tätigkeit an, es werden nicht mehrere GAVs angewendet,<br />

sog. Prinzip der Tarifeinheit) und den Berufsvertrag (hat das EA-Verhältnis eine bestimmte<br />

fachliche Tätigkeit zum Gegenstand?)<br />

- Persönliche Geltung: der GAV kann seine Anwendbarkeit auf bestimmte Kategorien von Personen<br />

beschränken (zu unterscheiden von der Vertragsbindung. So kann z.B. Allgemeinverbindlicherklärung<br />

nur die Vertragsbindung erstrecken, nicht aber den persönlichen Geltungsbereich).<br />

• Konkurrenz von GAVs<br />

Echte Konkurrenz ist selten. Für ihren Fall gilt in gewissen Fällen die Konkurrenzregel aus Art. 4 II<br />

AVEG (allgemeinverbindlicher GAV geht vor), andernfalls vertragliche Regeln (nur Subsidiaritätsbestimmung<br />

ist möglich, nicht verbindlich ist es, wenn ein Vertrag für sich die Priorität beansprucht) oder<br />

die Regeln von Lehre und Praxis (Branchenvertrag vor Berufsvertrag, Spezialitätsprinzip, Anzahl unterstellter<br />

Arbeitsverhältnisse).<br />

Seite 30


13. Kapitel: Die betriebliche Mitwirkung<br />

Mitwirkung beim Erlass der Betriebsordnung - Betriebsordnung im Allgemeinen<br />

Es handelt sich um eine arbeitsrechtliche Rechtsquelle besonderer Art (Art. 37-39 ArG), die vom AG einseitig<br />

erlassen wird oder zwischen ihm und der AN-Vertretung vereinbart wird. Industrielle Betriebe müssen<br />

eine Betriebsordnung aufstellen (Art. 37 I ArG), für andere ist es freiwillig. Nach Bekanntmachung im<br />

Betrieb kommt der Betriebsordnung normative Wirkung zu.<br />

Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft aufgrund des Mitwirkungsgesetzes<br />

Diese umfasst v.a. ein allgemeines Informationsrecht der AN-Vertretung (Art. 9 MitwG), sowie Rechte im<br />

Bereich des Arbeitsschutzes (Gesundheit, etc.), der Betriebsübernahme (Art. 333a I Informationsrecht,<br />

Konsultationsrecht), der Massenentlassung (Art. 335f Informationsrecht, Konsultationsrecht)<br />

und der beruflichen Vorsorge.<br />

Es wird hier auf eine ausführliche <strong>Zusammenfassung</strong> verzichtet, da die Thematik wenig prüfungsrelevant<br />

scheint. Vgl. S. 351ff. Buch.<br />

Phelan Brüderlin<br />

Zürich und Basel im Juni und Juli 2008<br />

Seite 31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!