Herbstausgabe 2010 - Fachverein Jus | Universität Zürich ...
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Trennung hingegen erst dann vorgenommen, wenn sich Anzeichen<br />
für eine Insolvenz der (Rest-) Gesellschaft ergeben,<br />
besteht ein latentes Risiko einer Anfechtung nach Art. 288<br />
SchKG. 38 Schliesslich seien noch zwei Punkte in aller Kürze<br />
erwähnt:<br />
• Eine wichtige Komponente des «too big to fail»–<br />
Problems bildet der Umstand, dass kein internationales<br />
Sanierungs- oder Konkursrecht existiert. Die geordnete Abwicklung<br />
im Falle des Konkurses einer global tätigen Bank<br />
birgt deshalb eine enorme Zahl von juristischen Hindernissen<br />
mit sich 39 und kann nicht in vernünftiger Zeit durchgeführt<br />
werden. 40 Ein wichtiger Puzzlestein für eine weitere<br />
Entschärfung der «too big to fail»-Problematik bildet somit<br />
die Schaffung eines internationalen Bankeninsolvenzrechts.<br />
41 • Bei der Umsetzung der zukünftigen Vorschriften<br />
von Basel III werden sich die Banken weltweit grosse Mengen<br />
an Kapital beschaffen müssen. Bereits jetzt zeichnet<br />
sich bei den Finanzinstituten ein «run» auf den Kapitalmarkt<br />
ab, zumal davon auszugehen ist, dass nicht genügend Investoren<br />
für sämtliche Emissionen gefunden werden können. 42<br />
Die Aufsichtsbehörden werden sich somit bei der Festlegung<br />
der Dauer der Übergangsfristen bezüglich Basel III in einer<br />
Zwickmühle befinden: Zwar wäre eine rasche Umsetzung<br />
der neuen Vorschriften zur Entschärfung der «too big to<br />
fail»-Problematik wünschbar. Der damit verbundene Druck<br />
auf die Finanzinstitute, möglichst schnell frisches Kapital<br />
aufzunehmen, kann jedoch zu unerwünschten Effekten führen.<br />
1<br />
Zumal die BIZ ihren Sitz in Basel hat, werden die entsprechenden<br />
Reformvorschläge mit dem Begriff «Basel» bzw.<br />
«Basler Akkord» (II resp. III) bezeichnet.<br />
2<br />
Strengthening the resilience of the banking sector (consultative<br />
document), S. 1: «This consultative Document presents<br />
the Basel Committee’s proposals to strengthen global<br />
capital and liquidity regulations with the goal of<br />
promoting a more resilient banking sector. The objective of<br />
the Basel Committee’s reform package is to improve the<br />
banking sector’s ability to absorb shocks arising from financial<br />
and economic stress, whatever the source, thus<br />
reducing the risk of spillover from the financial sector to<br />
the real economy»; abrufbar unter: http://www.bis.org/<br />
publ/bcbs164.pdf.<br />
3<br />
Vgl. dazu: Strengthening the resilience of the banking<br />
sector (consultative document) (Fn. 2), S. 4 ff. und die Medienmitteilung<br />
«Group of Governors and Heads of Supervision<br />
announces higher global minimum capital standards»;<br />
abrufbar unter:<br />
http://www.bis.org/press/p100912.htm.<br />
4<br />
Unter den Basler Akkorden wird das Kapital entsprechend<br />
seiner Qualität und Fähigkeit, Verluste zu absorbieren<br />
in ein «Tier 1»- und «Tier 2»-Capital eingeteilt (zusammen<br />
als «Total Capital» bezeichnet; das unter Basel II noch<br />
bestehende «Tier 3»-Capital wird aufgehoben). Unter Basel<br />
III bezeichnet:<br />
- «Tier 1»: das Kernkapital, welches aus Aktienkapital, offenen<br />
Reserven und Gewinnvorträgen besteht. Das «common<br />
equity» ist ein (sehr eng gefasster) Teil von diesem<br />
«Tier 1»-Capital, welcher einer Bank unbefristet und zur<br />
Absorption allfälliger Verluste affektiv zur Verfügung steht.<br />
Gewisse hybride Finanzierungsinstrumente (vgl. dazu<br />
«Tier 2»), die unter Basel II noch zum «Tier 1»-Capital gezählt<br />
werden konnten, fallen unter Basel III nicht mehr darunter.<br />
- «Tier 2»: das ergänzende Kapital, welches nur aber eine<br />
begrenzte Verlustabsorptionsfähigkeit aufweist; darunter<br />
fallen hybride Kapitalformen (Mischformen zwischen<br />
Fremd- und Eigenkapital), nachrangige Anleihen sowie<br />
stille Reserven.<br />
5<br />
Der Begriff der «risk-weighted assets» wurde mit Basel II<br />
eingeführt und sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass<br />
die Anlagen einer Bank unterschiedlichen Ausfallrisiken<br />
ausgesetzt sind. Die einzelnen Anlagen sollten deshalb mit<br />
einem ihrem individuellen Ausfallrisiko entsprechenden<br />
Faktor multipliziert werden. Daraus resultieren die «risikogewichteten<br />
Aktiven», welche somit die einem erhöhten<br />
Verlustrisiko unterliegenden Teile der Aktiven einer Bank<br />
darstellen. Vgl. dazu: Basel II – Meilenstein der Bankenregulierung,<br />
S. 4 ff., abrufbar unter: http://www.swissbanking.org/basel_ii_meilenstein_der_bankenregulierung.<br />
pdf.<br />
6<br />
Diese Werte sollen aber erst ab dem 1. Januar 2015 gelten.<br />
Die lange Übergangsfrist erklärt sich dadurch, dass<br />
die Banken Zeit zum Aufbau des «Core Tier 1»- und «Tier<br />
1»-Capitals benötigen. Auf den 1. Januar 2013 (geplante<br />
Umsetzung von Basel III in den einzelnen Staaten) müssen<br />
von den 8.0% Total Capital lediglich 4.5% in Tier 1-Capital<br />
(davon 3.5% common equity) gehalten werden; vgl. Medienmitteilung<br />
«Group of Governors and Heads of Supervision<br />
announces higher global minimum capital standards»,<br />
abrufbar unter:<br />
http://www.bis.org/press/p100912.htm.<br />
7<br />
Die «leverage ratio» schreibt ein minimales Verhältnis der<br />
Eigenmittel im Vergleich zur Bilanzsumme vor und setzt<br />
damit eine Obergrenze für den Verschuldungsgrad (Fremdkapital/Eigenkapital)<br />
fest.<br />
8<br />
Die Basisanforderung dient dabei der Aufrechterhaltung<br />
der normalen Geschäftstätigkeit, der Puffer erhöht die Fähigkeit<br />
der Institute, Verluste zu absorbieren, und die progressive<br />
Komponente sorgt schliesslich dafür, dass Banken<br />
mit zunehmender Systemrelevanz eine höhere Solvenz<br />
aufweisen; vgl. Schlussbericht der Expertenkommission<br />
zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch<br />
Grossunternehmen («Schlussbericht ExKo»), S. 27; abrufbar<br />
unter:<br />
http://www.sif.admin.ch/dokumentation/00514/<br />
00519/00592/index.html?lang=de.<br />
9<br />
Vgl. die Ausführungen unter I.<br />
10<br />
Vgl. dazu die Ausführungen unter II.ii.<br />
11<br />
Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 61.<br />
12<br />
Vgl. oben I.<br />
13<br />
Aufgrund der durch die Finanzkrise hervorgerufenen Verunsicherung<br />
trocknete der schweizerische Interbankenmarkt<br />
praktisch komplett aus. Die Finanzinstitute trauten<br />
sich gegenseitig nicht mehr über den Weg und liehen sich<br />
keine Gelder mehr, sodass die SNB die notwendige Liquidität<br />
gewährleisten musste.<br />
14<br />
Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 35.<br />
15<br />
Vgl. dazu: Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 36.<br />
16<br />
Vgl. den Aufsatz von Fabio Andreotti, III.<br />
17<br />
Dazu ausführlich: Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 38.<br />
18<br />
Vgl. Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 39 f.<br />
19<br />
Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 39.<br />
20<br />
Vgl. dazu die umfassende Darstellung bei: BISHOP/LIU/<br />
MURRAY/SOLOMONIA, Contingent Convertible Bonds:<br />
Strengthening the Resilience of the Banking Sector (abrufbar<br />
unter: http://www.bis.org/publ/bcbs165/stbdmpalez.<br />
pdf), S. 1f. Möglich ist auch eine Ausgestaltung in der Form,<br />
dass bei Bedingungseintritt ein Teil der Forderung der Obligationäre<br />
abgeschrieben wird, diese somit nur einen prozentualen<br />
Anteil des Nominalbetrags zurückerhalten.<br />
21<br />
Aus steuerlicher Sicht werden CoCos wie Fremdkapital<br />
behandelt. Somit können die Banken die Zinsleistungen,<br />
welche sie den Investoren der CoCos erbringen müssen,<br />
vom steuerbaren Gewinn abziehen; vgl. Schlussbericht<br />
ExKo (Fn. 8), S. 63.<br />
22<br />
BISHOP/LIU/MURRAY/SOLOMONIA (Fn. 20), S. 1 sowie S. 2 f.<br />
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht der BIZ ist im<br />
Moment daran, die Einordnung der contingent convertible<br />
bonds in das Capital-Framework zu diskutieren. Zumal die<br />
CoCos erst nach ihrer Wandlung zu «common equity» und<br />
damit verlusttragungsfähig werden, besteht eine Tendenz<br />
diese dem «Tier 2»-Capital zuzurechnen.<br />
23<br />
Paradebeispiel ist die UBS, welche sich 2008 zufolge ihres<br />
schlechten Ratings nicht mehr am Kapitalmarkt sondern<br />
nur durch Ausgabe einer Pflichtwandelanleihe<br />
(«mandatory convertible note», MCN) über CHF 6 Mrd. an<br />
die Schweizerische Eidgenossenschaft refinanzieren<br />
konnte. Vgl. auch den Aufsatz von Fabio Andreotti, II.<br />
24<br />
Bisher gab es erst zwei Emissionen von CoCo-Bonds:<br />
eine durch die britische Lloyds Banking Group (Folge des<br />
trigger events: Umwandlung in Aktien) und die andere<br />
durch die niederländische Rabobank (Folge des trigger<br />
events: Abschreibung von 25% der Rückzahlungsforderung<br />
der Obligationäre); vgl. BISHOP/LIU/MURRAY/SOLOMONIA<br />
(Fn. 20), S. 1.<br />
25<br />
NZZ vom 5. Oktober <strong>2010</strong>, S. 25.<br />
26<br />
Der Vorschlag der Expertenkommission sieht zwei Formen<br />
von CoCos vor: solche mit hohem und solche mit tiefem<br />
Trigger. Hoch triggernde Cocos sollen demnach bei<br />
Unterschreiten einer Quote des common equity von 7% der<br />
RWA, tief triggernde Cocos beim Unterschreiten einer entsprechenden<br />
Quote von 5% gewandelt werden; vgl.<br />
Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 61.<br />
27<br />
NZZ vom 6. Oktober <strong>2010</strong>, S. 33.<br />
28<br />
Vorwiegend institutionelle Investoren und Hedge Funds<br />
dürften Interesse an solchen Produkten zeigen. Um den<br />
Aufbau eines solchen Marktes für CoCos zu fördern,<br />
schlägt die Expertenkommission Anreize im Sinne einer<br />
steuerlichen Begünstigung der CoCos für Zeichner dieser<br />
Produkte vor; vgl. Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 63.<br />
29<br />
NZZ vom 7. Oktober <strong>2010</strong>, S. 27.<br />
30<br />
Darauf deutet die stark steigende progressive Komponente<br />
der Eigenkapitalanforderung hin.<br />
31<br />
Vgl. auch NZZ vom 11. Oktober <strong>2010</strong>, S. 15.<br />
32<br />
Mit dem Begriff Eigenhandel wird der Handel mit Finanzinstrumenten<br />
von Banken in eigenem Namen und auf eigene<br />
Rechnung bezeichnet. Gegenstück bildet der Kundenhandel,<br />
also der Handel auf Rechnung der Kunden der<br />
Bank.<br />
33<br />
In den USA wurde auf Vorschlag des Ökonomen Paul Volcker<br />
(sog. «Volcker Rule») der Dodd/Frank (Wall Street Reform<br />
and Consumer Protection) Act erlassen, welcher die<br />
Eigenhandelstätigkeit von US-Banken einschränkt, indem<br />
gewisse spekulative Geschäfte nur noch auf Rechnung von<br />
Kunden abgeschlossen werden dürfen.<br />
34<br />
Eine solche Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken<br />
wurde in den USA 1933 durch den Glass-Steagall<br />
Act eingeführt (1999 aufgehoben durch den Gramm–<br />
Leach–Bliley Act).<br />
35<br />
Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 49.<br />
36<br />
So hatte ein Grossteil der mittlerweile als «Ramschpapiere»<br />
bezeichneten verbrieften Subprime-Hypotheken<br />
der UBS, welche in den StabFund der SNB transferiert<br />
wurden, das höchste Bonitätsrating «AAA» (= Ausfallrisiko<br />
praktisch Null).<br />
37<br />
Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 41.<br />
38<br />
In den Entscheiden BGE 134 III 452 und BGE 135 III 265<br />
hat das Bundesgericht die Voraussetzungen der Absichtsanfechtung<br />
nach Art. 288 SchKG umfassend thematisiert.<br />
39<br />
Als Beispiel mag der Konkurs von Lehman Brothers gelten,<br />
der sich nun seit 2 Jahren ohne nennenswerte Ergebnisse<br />
hinzieht, obwohl es sich dabei lediglich um eine Investmentbank<br />
handelte.<br />
40<br />
So führte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier<br />
aus, der Staat und die Bürger dürften bei der Krise einer<br />
international tätigen Bank nicht mehr vor die inakzeptable<br />
Wahl gestellt werden, entweder eine Katastrophe und eine<br />
unorganisierte, nicht vorbereitete Pleite zu riskieren oder<br />
aber das Institut mit Steuergeldern retten zu müssen; vgl.<br />
NZZ vom 21. Oktober <strong>2010</strong>.<br />
41<br />
Schlussbericht ExKo (Fn. 8), S. 45 f.<br />
42<br />
So führte die Deutsche Bank unlängst eine Kapitalerhöhung<br />
durch, um die Eigenmittelanforderungen von Basel III<br />
zu erfüllen, obwohl noch nicht klar ist, wie die Vorschriften<br />
letztendlich genau aussehen werden.<br />
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