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Herbstausgabe 2010 - Fachverein Jus | Universität Zürich ...

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«Es hiess, man könne den<br />

Klienten keine Frau vorsetzen.»<br />

Gab es den FV <strong>Jus</strong> damals schon?<br />

«Es gab unrühmliche Beispiele<br />

von Dozierenden, die immer wieder<br />

dieselbe Vorlesung hielten.<br />

Andere, wie etwa Giacometti, konnten<br />

grossartig erzählen.»<br />

Wie lief eine typische Vorlesung ab?<br />

Nein, aber ich war im Fakultätsausschuss, einer<br />

Studierendenorganisation ähnlich dem <strong>Fachverein</strong>. Man organisierte<br />

auch Anlässe für die Studenten, beispielsweise<br />

einen Samichlausabend, anlässlich welchem wir anschliessend<br />

an das Nachtessen eine Polonaise auf dem Schaffhauserplatz<br />

tanzten.<br />

Daneben gab es ausserdem verschiedene Diskussionsgruppen,<br />

wo man sich über Rechtsfragen unterhalten<br />

konnte. Ziel war es vor allem, den Kontakt unter den Studierenden<br />

zu fördern, der während dem Studium nur spärlich<br />

vorhanden war.<br />

Und wieso hast du eine Doktorarbeit gemacht?<br />

Wurde die Arbeit angenommen?<br />

Ja, das erfuhr ich in der Schlussbesprechung. Ich<br />

weiss noch gut, wie nervös ich war. Meine Arbeit wurde sehr<br />

sorgfältig durchgesehen. Teilweise wollte Oftinger ganze<br />

Formulierungen anders haben. Wir haben viel diskutiert, was<br />

aber sehr schwierig war, da Oftinger die Angewohnheit hatte,<br />

sehr leise zu reden.<br />

Grundsätzlich wie heute: Der Professor referierte zu<br />

einem Thema, die Studierenden machten Notizen. Nur gab es<br />

damals noch keine Folien und nur wenige Skripten. Ich habe<br />

aber nie welche gekauft, das war mir zu bequem. Stattdessen<br />

schrieb ich mit, teilweise sogar in Stenographenschrift,<br />

um möglichst Alles mitzubekommen. Natürlich war die Qualität<br />

der Vorlesungen unterschiedlich. Es gab unrühmliche<br />

Beispiele von Dozierenden, die immer wieder dieselbe Vorlesung<br />

hielten. Andere, wie etwa Giacometti, konnten grossartig<br />

erzählen.<br />

Musstet ihr auch um eure Sitzplätze kämpfen?<br />

Nein, wir waren viel weniger Studenten als heute.<br />

Damals musste der Professor auch noch den Überblick über<br />

die Hörer haben. Er hatte am Ende des Semesters nämlich<br />

die Aufgabe, jedem Studierenden mit seiner Unterschrift zu<br />

bestätigen, dass er an seiner Vorlesung teilgenommen hatte.<br />

Nur wer genug solcher Testate hatte, wurde zu den Abschlussprüfungen<br />

zugelassen.<br />

Wie war der Kontakt zwischen Professoren und<br />

Studierenden?<br />

Eher distanziert. Es gab viel weniger Übungen, Seminare<br />

und Tutorate, wo man direkt mit den Professoren<br />

kommunizieren konnte. Erst als Assistent hatte man dann<br />

wirklich intensiv Kontakt mit den Professoren. Einmal hatte<br />

ich jedoch ein ganz spezielles Erlebnis. Nachdem ich erst einige<br />

Wochen studiert hatte, traf ich auf der Bahnhofstrasse<br />

plötzlich Herrn Zaccaria Giacometti, den berühmten Professor<br />

für Öffentliches Recht. Zu meiner grossen Verwunderung<br />

erkannte er mich und begrüsste mich höflich.<br />

<br />

<br />

Das muss speziell gewesen sein.<br />

Ja, ich war sehr beeindruckt. Giacometti war sowieso<br />

ein sehr engagierter Professor. Er wusste zu allen Normen<br />

interessante Geschichten und erzählte uns stets, warum<br />

sie entstanden sind. Ausserdem trug er immer eine Rose im<br />

Knopfloch. Weil er so nett war, hatten meine Kollegin und<br />

ich die Idee, ihm nach den Abschlussprüfungen auch eine zu<br />

schenken.<br />

Früher machten das Alle. Ohne konnte man gar<br />

nicht in der Praxis arbeiten. Man ging sogar erst an die Abschlussprüfungen,<br />

nachdem sichergestellt war, dass die<br />

Doktorarbeit angenommen wurde.<br />

Wie muss man sich das Verfassen einer<br />

Doktorarbeit vorstellen?<br />

Zuerst musste man sich ein Thema und einen Professor<br />

für die Arbeit suchen. Ich konnte meine Dissertation<br />

bei Professor Oftinger zum Thema Publizität im Vormundschaftsrecht<br />

schreiben. Dabei musste ich viele Bücher durchlesen<br />

und die relevanten Informationen heraussuchen. Man<br />

muss bedenken, dass es damals noch keine Computer gab.<br />

Ich schrieb meine Arbeit von Hand und tippte sie am Schluss<br />

mit der Schreibmaschine ab.<br />

Wo fand man früher die juristischen Bücher?<br />

Im Gebäude direkt vis-à-vis der Mensa, wo heute<br />

das Europainstitut ist, war früher die Bibliothek der Juristen.<br />

Ich sass viel dort, suchte Bücher und schrieb an meiner Arbeit.<br />

Dort habe ich auch Arthur Meier-Hayoz kennengelernt.<br />

Er schrieb zur selben Zeit wie ich bei Karl Oftinger seine<br />

Dissertation über das Vertrauensprinzip im Vertragswesen.<br />

Später wurde er dann Professor an der <strong>Universität</strong> <strong>Zürich</strong>.<br />

Wie wurdest du betreut?<br />

Zwischendurch hatte ich eine Besprechung mit<br />

Professor Oftinger. Aber er schaute nur, dass ich nicht zu<br />

sehr thematisch abweiche. Am Ende musste man die Arbeit<br />

dem Professor zur Korrektur abgeben.<br />

Wie gestaltete sich danach dein Einstieg ins<br />

Berufsleben?<br />

Es war nicht einfach. Mit etwas Glück kam ich zu<br />

einem Auditoriat am Bezirksgericht <strong>Zürich</strong>. Mein damaliger<br />

Chef war mit meiner Arbeit sehr zufrieden und stellte mir ein<br />

gutes Empfehlungsschreiben aus. Danach wollte ich eigentlich<br />

bei einer Kanzlei arbeiten. Meine Bewerbungen wurden<br />

allerdings unter dem Hinweis auf mein Geschlecht immer<br />

abgewiesen. Es hiess, man könne den Klienten keine Frau<br />

vorsetzen. So habe ich dann bei einer Rechtsschutzversicherung<br />

gearbeitet.<br />

Was geschah mit deinem Ziel, Jugendanwältin<br />

zu werden?<br />

Schliesslich konnte ich in die Jugenddirektion der<br />

Stadt <strong>Zürich</strong> wechseln. Dort arbeitete ich als Adjunktin des<br />

damaligen Jugenddirektors Adolf Maurer, dem Vater der späteren<br />

Stadträtin und Polizeivorsteherin, Esther Maurer. Das<br />

war zwar nicht direkt eine Anwaltstätigkeit, aber doch eine<br />

sehr spannende Arbeit in diesem Gebiet.<br />

Einige Jahre später lernte Dorothea an einem Juristentag<br />

den Richter Ernst Zimmerli kennen und lieben. Nach<br />

ihrer Hochzeit entschied sie sich für die familiäre Laufbahn<br />

und wurde Mutter von zwei Kindern. Obwohl sie nie mehr als<br />

Juristin arbeitete, stand sie ihrem Ehemann immer wieder<br />

bei schwierigen Gerichtsentscheiden zur Seite und engagierte<br />

sich aktiv in der Gemeinde und der Politik. Im Alter von<br />

87 Jahren verstarb sie letzten Winter in <strong>Zürich</strong>.<br />

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