Am 18. April 2005 versammelten sich 115 Kardinäle zum Konklave in der Sixtinischen Kapelle, in dem am Tag danach Joseph Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Als „einfacher und demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn“ hatte sich Benedikt XVI. mit sehr bescheidenen Worten am Abend des 19. April 2005 der Welt als neuer Papst vorgestellt, der von Gott auserwählte Nachfolger Johannes Pauls II., der seit 1982 an der Seite des polnischen Giganten stand. Nun kam die Rücktrittsankündigung von Benedikt XVI. am 11. Februar für die ganze Welt überraschend, sodass Kirche und Welt zusammen den Atem anhielten. Das Treffen mit Kardinälen – ein sogenanntes Konsistorium – galt eigentlich der Vorbereitung mehrerer Heiligsprechungen. Aber dann sagte der Papst in lateinischer Sprache, dass er „zur Gewissheit gelangt sei, dass seine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“. Unmittelbar nach dem Papst ergriff der Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Angelo Sodano, der früher Kardinalstaatssekretär war, das Wort und sagte: „Heiliger Vater, Ihre Mission wird weitergehen! Natürlich leuchten auch die Sterne am Himmel immer weiter, und so wird unter uns immer der Stern Ihres Pontifikats weiterstrahlen. Wir sind Ihnen nahe, Heiliger Vater – segnen Sie uns!“ Ungläubiges Staunen, Respekt, Betroffenheit und Dankbarkeit: Die Entscheidung des Papstes zum Rücktritt hat in der Kirche viele Diskussionen ausgelöst, aber auch viele Emotionen losgetreten. Papst Benedikt XVI. hat mit seinem Rücktritt der ganzen Welt ein leuchtendes Beispiel wirklichen Verantwortungsbewusstsein und lebendiger Liebe zur Kirche gegeben. Alle sprachen von einer mutigen und freien Entscheidung des Papstes, der immer das Wohl der Gesamtkirche vor Augen hatte und so sein Verantwortungsbewusstsein über seine Karriere stellte. Nachdem Christus ihm durch die Kardinäle dieses Amt anvertraut hat, hat er dieses Amt nun in der Stunde, in der ihn seine Kräfte immer mehr verließen, in die Hände Gottes zurückgelegt. Der Papstrücktritt folgte den Bestimmungen des Kirchenrechts, das im can. 332 §2 die Möglichkeit eines päpstlichen Amtsverzichts festschreibt. Dieser Rücktritt verlangt, „dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundmacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird“. In seiner Erklärung hat Rücktritt von Papst Benedikt XVI. Ein welthistorisches Ereignis Benedikt XVI. darum auch deutlich darauf hingewiesen, dass er „mit voller Freiheit“ auf dieses Amt verzichte. Bereits nach der Ankündigung seines Rücktritts sprach Benedikt XVI. am Aschermittwoch von den Sünden gegen die Einheit, um dann sofort hinzuzufügen: „Der Glaube ist zwangsläufig kirchlich.“ Zugleich warnte er vor der Laxheit im geistlichen Leben und betonte, dass man die Umkehr nicht aufschieben darf. Beim vorletzten Angelusgebet, wo sich ca. 50.000 Pilger eingefunden hatten, rief Benedikt XVI. die Gläubigen in der Fastenzeit zu Umkehr und zur Absage an Egoismus und Stolz auf. Nur indirekt sprach er von seinem bevorstehenden Rücktritt: „ In jedem Moment stehen wir vor einem Scheideweg und müssen uns für die Nachfolge Gottes entscheiden.“ Jeder muss überlegen, ob er persönlichen Interessen oder dem allgemeinen Wohl folgen wolle. Etwa 200.000 Pilger haben sich am Sonntag, 24.Februar, auf dem Petersplatz versammelt, um das letzte Angelus-Gebet mit Benedikt XVI. zu erleben. Zu diesen sagte der Papst: „Allen danke ich für die vielen Zeichen der Nähe und Zuneigung, vor allem für das Gebet. Der Herr stärke uns alle mit seinem Wort und seiner Gnade.“ Der Papst wolle die Kirche keineswegs im Stich lassen; „im Gegenteil, wenn Gott dies von mir verlangt, dann heißt das, dass ich weiterhin der Kirche dienen kann mit derselben Zuneigung und Liebe, wie er es bisher tat, doch auf eine Weise, die meinem Alter und meinen Kräften entspricht“, so der Papst. Großer Applaus begleitete schließlich den Pontifex, als er zur letzten Generalaudienz am 27. Februar antrat. Da hielt er dann seine letzte Katechese als amtierender Papst bei kalten Temperaturen, aber strahlenden Sonnenschein in einem fröhlichen Ton über den Sinn und den Wert der Dankbarkeit. Der Ausgangspunkt für die Dankbarkeit ist die Fähigkeit, aus dem „Gedächtnis“ die Wohltaten Gottes zu erkennen. Dieses Bewusstsein, das zur „Erinnerung“ wird, ist eine Bestätigung für die Gegenwart des Herrn in den menschlichen Belangen durch seine Vorsehung. Benedikt XVI. wollte in zweierlei Hinsicht an den Beginn seines Amts als Nachfolger Petri am 19. April 2005 denken, an dem ein von wunderbarem Fischfang, aber auch von Gegenwind gekennzeichnetes Abenteuer für Christus seinen Anfang nahm. Die vertrauensvolle Haltung der kindlichen Hingabe des Menschen, auf dass dieser auf seiner irdischen Wanderschaft nicht allein sei, stellte eine Konstante seines im Jahr des Glaubens endenden Pontifikates dar. Auch wenn er Gegenwind und Widerstände erfahren habe, betonte der scheidende Papst ebenso: „Ich habe mich beim Tragen der Freude und der Last des Petrusdienstes nie allein gefühlt.“ Zwar bestand in den Tagesmeldungen manchmal die Tendenz, einen einsamen und von den Männern der Kurie umkämpften Papst zu zeigen, doch die schier unendliche Schar der bewegten und jubelnden Menschen auf dem Petersplatz ist ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, welche Spuren Benedikt XVI., ein überragender Theologe und Gelehrter, im Herzen des Volkes Gottes hinterlassen hat, das die Gelegenheit zur letzten Umarmung auf dem Platz zwischen den Säulen von Bernini wahrgenommen hat. „Ich möchte, dass jeder die Freude des Christseins spürt.“ Das waren die beschwörenden Worte von Benedikt XVI., einem der größten Denker unserer Zeit. Trotz „Polemiken und Verrat“ dankte Benedikt XVI. seinen Mitarbeitern in der Kurie, die ein bedeutendes Zeichen dafür seien, dass das Böse nicht allgegenwärtig sei und in den Heiligen Palästen auch die tägliche Arbeit und Pflicht für das Wohl der Leitung der Kirche verrichtet werde. Benedikt XVI. wollte erneut an das Wohl des mystischen Leibes Christi anknüpfen, gleichsam um seine Geste des Verzichts zu rechtfertigen und zu begründen. Er habe die Wahl „im vollen Bewusstsein um die Schwere und Neuheit getroffen“ und empfinde nun eine „tiefe Heiterkeit des Gemütes“. Vor dem Hintergrund der Unentschlossenheit und Unbestimmtheit dieser Welt, die möglicherweise von einem Mangel an Bezugspunkten herrühre, fügte der Papst folgende Worte hinzu: „Die Kirche zu lieben bedeutet, den Mut zu haben, schwierige Entscheidungen zu treffen und stets das Wohl der Kirche anstatt des persönlichen in den Vordergrund zu stellen.“ Ist nicht in der Kirche selber der Konsens brüchig geworden, weil kirchenfeindliche Kräfte die Deutungshoheit an sich gezogen haben, was gesellschaftlich und im Glauben als Fortschritt zu gelten hat? Wohl hat es den Papst, der mir überaus feinfühlig erschien, sehr geschmerzt, dass ihn sein eigenes Volk in Deutschland am meisten bekämpft und geschmäht hat. Als der Papst am 28. Februar um 20.00 Uhr tatsächlich zurücktrat, hat er sich von allen Kardinälen persönlich verabschiedet. Er bezog zunächst seine Sommerrresidenz in Castelgandolfo, bis seine endgültige Bleibe, das Karmelkloster innerhalb der vatikanischen Mauern, entsprechend umgebaut ist. In diesen Räumen war bis vor kurzem das Schwesternkloster „Mater Ecclesiae“ untergebracht, das der Sel. Papst Johannes Paul II. 1992 zur spirituellen Unterstützung des Nachfolgers Petri errichten ließ. In den Zellen des Klosters lebten acht Schwestern, die verschiedenen religiösen Orden angehörten: Klarissen, Karmelitinnen, Benediktinerinnen und Salesianerinnen, die aus aller Welt stammten und sich alle fünf Jahre abwechselten. Die 450 Quadratmeter große Wohnung wird zum Teil erheblich umgebaut, um Benedikt XVI. und die Personen, die ihn begleiten werden, aufnehmen zu können, darunter die vier Haushälterinnen und seinen Sekretär Erzbischof Dr. Georg Gänswein. Das bleibende Motto des Pontifikats von Benedikt XVI. werden wohl der Titel seiner ersten Enzyklika „Deus Caritas est“ („Gott ist die Liebe“) sein, und das sei zugleich auch Auftrag und Zukunft der Kirche. Gerade in diesem Kontext möchte ich nicht verheimlichen, was ich wirklich denke: wenn wir auf die acht Jahre Papst Benedikt XVI. zurückschauen, dann bleibt dem, der die Kirche liebt, keineswegs verborgen, dass Benedikt XVI. seit vielen Jahren bedrängt wurde, sodass auch viele seiner Impulse vermasselt wurden. In diesem Kontext möchte ich aber auch nicht verheimlichen, dass er es war, der mich am 31. Jänner 2009 zum Weihbischof von <strong>Linz</strong> ernannt hat. Für nicht wenige Kritiker, die sich auch nach seinem Rücktritt mitunter sogar „scheinheilig“ zu Wort gemeldet haben, waren sein Denken, Reden und Handeln unerwünscht. Immer wieder musste er für Vergehen einstehen, die er nicht begangen hatte. Schlimm, wenn man daran denkt, wie viel Spott und Hohn man über Papst Benedikt XVI. ausgegossen hat, ja sogar von einem „tragischen Pontifikat“ konnte selbst ein katholischer „Schreiberling“ reden. Und heute müssen wir nicht wenigen Vertretern aus der Politik und den Medien, aber leider auch vielen Vertretern innerhalb der deutschsprachigen Kirche ins Stammbuch schreiben, dass sie es nun endgültig geschafft haben, den Papst zu Fall gebracht zu haben. „Für die Welt verborgen.“ Mit diesem Wort hat Benedikt XVI. bei seinem Abschied von den Priestern und Seminaristen Roms am 14. Februar den Zustand bezeichnet, den er für die Zeit erwartet, wenn er am 28. Februar nicht mehr Papst ist. Aus den Blicken vieler Priester sollen damals Betroffenheit, Wehmut und Tränen gesprochen haben. Benedikt XVI. sprach zum letzten Mal über das Konzil, er sprach eine Stunde darüber, ohne Pausen und Unterbrechungen, und druckreif, wie alles war, was der Papst der Kirche sagte. Und dann die Hausaufgabe, die der Papst der Kirche auftrug: „Dafür zu arbeiten, dass das wahre Konzil Wirklichkeit wird, und die Kirche wirkliche Erneuerung erfährt.“ Darin sah er immer seine Aufgabe: das 2. Vatikanische Konzil als bleibende Aufgabe. Papst Benedikt XVI. hat sich viele Jahre bemüht, die heutigen Probleme der Kirche aufzuzeigen: die Neuevangelisierung des europäischen Kontinents, die Weitergabe des Glaubens in der Familie, die Demontage des Menschen, die aufblühende Kirche in Asien und Afrika, die „Reform der Reform“ im Kirchenverständnis und in der Liturgie und die innere Reinigung der Kirche. Unsere Kirche braucht eine Dynamik der Umkehr und eine Vitalität, die von der Bereitschaft abhängt, sich mit Christus zu vereinen. Wann wird die Saat des Theologen-Papstes im Ackerboden der Kirche aufgehen? Wir stehen mit dem Jahr 2013 vor einer neuen Zäsur, mehr als im Jahr 2005. Deshalb haben die Kardinäle sich dieses Mal mehr Zeit genommen, vorher ausführlicher miteinander zu reden: über die wirklichen Probleme der Kirche. Wenn wir in Zukunft wenig von Papst Benedikt XVI. hören werden, so bin ich trotzdem gewiss: Wir werden ihn wohl sehr vermissen, denn er wird uns wirklich fehlen. Viele in unserem Land haben die Chance kaum erkannt und auch nicht genutzt, sich an diesem großen Papst aufzurichten. Im Ausland hat man Benedikt XVI. mit großer Bewunderung und voll des Lobes gesehen. In Österreich und Deutschland waren die Äußerungen mancher selbsternannter „Propheten“ kleingeistig und nörglerisch. Ein großer Kirchenlehrer ist gegangen, erst recht werden wir sein reichhaltiges Vermächtnis in unserer <strong>Pfarre</strong> lebendig halten. Die wahre Bedeutung dieses Pontifikats werden wir alle wohl erst später erkennen. Als Christen brauchen wir keine Angst zu haben, gegen den Strom zu schwimmen. Pfarrfirmung 11. Mai, 9.00 Uhr, Altabt Altmann Hofinger, Stift Schlierbach Im Kreuzfeuer In ganz Europa diskutiert die Politik über neue Familienmodelle, die zugelassen werden sollten. Gleichgeschlechtliche Paare, die Kinder adoptieren, heterosexuelle Paare, die keine feste Bindung eingehen. Die Kirche muss tatsächlich die Debatte dazu nutzen, um die traditionelle Familie zu fördern. Alles andere würde unsere Gesellschaft weiterhin destabilisieren. 6 Nr. <strong>174</strong> April 2013 7