Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr
Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr
Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Nach dem Kaukasus.“<br />
„Kaukasus? Weshalb?“<br />
„Sprachstudien.“<br />
„Unsinn! Schwatzt genug in fremden Zungen. Was habt Ihr davon, Euch mit den Tscherkessen<br />
herumzubalgen. Geht mit mir! Soll Euch kein Geld kosten.“<br />
„Wohin?“<br />
„Zu den Haddedihn.“<br />
„Was?“ fragte ich, nun meinerseits erstaunt. „Ihr wollt zu den Haddedihn?“<br />
„Yes“, nickte er, und seine Nase nickte auf ihre eigene Rechnung gar dreimal. „Warum nicht? Habt<br />
Ihr etwas dagegen?“<br />
„Nicht das geringste. Aber wie kommt Ihr auf diesen Gedanken? Wollt Ihr etwa wieder <strong>nach</strong><br />
‚Fliegenden Stieren‘ graben?“<br />
„Haltet den Mund! Braucht mich nicht zu foppen, Sir; bin von diesem Gedanken längst<br />
abgekommen. Aber Ihr wißt, daß ich Mitglied vom Traveller-Klub, London, Near Street 47, bin. Habe<br />
mich da anheischig gemacht, eine Reise von achttausend Meilen zu machen, ganz egal, wohin.<br />
Überlegte mir die Sache. Dachte an unsere früheren Ritte und entschloß mich, die bekannten Orte<br />
aufzusuchen und dann von Bagdad <strong>nach</strong> Indien und China zu gehen. Wollt Ihr mit?“<br />
„Danke! Habe nicht so lange Zeit.“<br />
„Dann wenigstens mit zu den Haddedihn. Wollte mir hier einige Führer nehmen; habe sie sogar<br />
schon angestellt; können aber dableiben, wenn Ihr mitgeht.“<br />
Der Gedanke, die Haddedihn und namentlich Halef zu besuchen, war mir höchst sympathisch; aber<br />
ich hatte nun einmal anders über meine Zeit verfügt und machte Einwendungen. Er hörte sie jedoch<br />
gar nicht an, schüttelte den Kopf, wobei seine Nase in ein bedenkliches Schlingern kam, wedelte mit<br />
den Armen, so daß ich mich durch einige Schritte <strong>nach</strong> rückwärts in Sicherheit bringen mußte, und<br />
ließ eine solche Flut von Einwendungen, Vorwürfen und Ermahnungen über mich los, daß ich<br />
schließlich bat:<br />
„Nehmt Eure Stimmwerkzeuge in acht, Sir! Vielleicht habt Ihr sie später auch noch einmal nötig.“<br />
„Pshaw! Ich werde so lange reden, bis Ihr sagt, daß Ihr mitmachen wollt.“<br />
„Wenn das der Fall ist, so muß ich mich nun freilich mehr über Euch erbarmen als Ihr selbst. Ich<br />
reite mit. Doch sage ich Euch, daß ich nicht mehr als einen Monat für Euch haben kann.“<br />
„Schön, schön, herrlich, prächtig, Sir! Aus Monat wird leicht Jahr. Kenne Euch. Yes.“<br />
Er umarmte mich wieder und versuchte, einen zweiten Kuß an den Mann zu bringen, dem ich aber<br />
durch eine schlaue Kopfbewegung entging, so daß die drohend zugespitzten Lippen in der Luft laut<br />
auseinanderplatzten. Darauf erkundigte ich mich, wo er in Damaskus wohnte.<br />
„Beim englischen Konsul; ist entfernter Verwandter“, antwortete er. „Und Ihr?“<br />
„Bei Jakub Afarah natürlich. Ich habe dadurch große Freude angerichtet. Warum habt Ihr ihn nicht<br />
besucht?“<br />
„Woher wißt Ihr, daß ich nicht bei ihm gewesen bin?“<br />
„Weil er es mir gesagt hätte.“<br />
„Well. Dachte, daß er mich gleich dortbehalten würde; wißt ja, daß ich gern mein eigener Herr bin.<br />
Gast ist immer gebundener Mann. Doch da ich Euch gefunden habe, will ich Euch zu ihm begleiten.<br />
Möchte gern das famose Klavier sehen, auf dem Ihr damals Konzert gegeben habt.“<br />
Kain und Abels Erinnerungsstätte erregte jetzt weniger unsere Aufmerksamkeit; wir ritten bald <strong>nach</strong><br />
der Stadt zurück. Das war wieder einmal so ein unerwartetes Zusammentreffen, wie ich sie so oft<br />
erlebt hatte! Die Folge davon war anstatt der geplanten Reise <strong>nach</strong> Norden ein Ausflug zu den lieben<br />
Haddedihn vom Stamm der Schammar. Zwei Tage später waren wir schon unterwegs, ganz allein,<br />
denn Führer konnten uns nur lästig fallen. Was die Vorbereitungen zu diesem Ritt betrifft, so kosteten<br />
sie mich keinen Pfennig. Lindsay kaufte drei gute Kamele, eins davon zum Tragen der Vorräte, die<br />
wir mitnahmen. Auch für Geschenke hatte er in höchst anständiger Weise gesorgt. Leider war es mir<br />
nicht möglich gewesen, ihn zu bestimmen, seinen schauderhaften, graukarierten Anzug abzulegen.<br />
Auf alle meine darauf bezüglichen Vorstellungen gab er immer nur die eine Antwort:<br />
„Laßt mich mit Euren fremden Kleidern in Ruh! Habe einmal in einem kurdischen Anzug gesteckt,<br />
einmal und nicht wieder! Bin mir vorgekommen wie ein Löwe in der Eselshaut!“<br />
„Wirklich? Sonderbar!“