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Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr

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„Die Bebbeh? Das lügst du!“<br />

„Wahre deine Zunge! Ich bin Hadschi Halef Omar und habe noch nie gelogen. Die zwei<br />

Kundschafter der Bebbeh haben euch weisgemacht, daß sie Soran-Kurden seien, und von euch alles<br />

erfahren, was sie wissen wollten. Nun sind sie zurückgekehrt, um den Bluträcher Ahmed Asad, den<br />

Sohn Gasâl Gabogas, herbeizuholen. Er hält gar nicht weit von hier und will uns überfallen.“<br />

Das brachte die Haddedihn denn doch aus ihrer Fassung. Sie forderten Halef auf, alles zu erzählen;<br />

er antwortete:<br />

„Eigentlich seid ihr keines Wortes wert. Ihr habt euch von meinem Effendi losgesagt, und so sollten<br />

wir eigentlich fortreiten und uns nicht weiter um euch bekümmern; aber ich weiß, was ich meiner<br />

Bekehrung zur wahren Liebe schuldig bin, und werde euch also eure Bitte erfüllen. Der Effendi Kara<br />

Ben Nemsi, ich, der Hadschi Halef Omar, und mein Sohn Kara Ben Halef, wir sind am Lager der<br />

Bebbeh gewesen und haben ihre Gespräche belauscht. Hätten wir das nicht getan, so würdet ihr noch<br />

heute <strong>nach</strong>t abgeschlachtet wie Schafe, die keinen Hirten und Beschützer haben.“<br />

Er erzählte nun das, was wir getan, gesehen und gehört hatten, in seiner farbenreichen Weise und<br />

schloß die besten Ermahnungen daran. Schon glaubte ich, daß diese seine Vorstellungen nicht ohne<br />

Erfolg sein würden, da fuhr ihn Amad el Ghandur an:<br />

„Schweig! Wir brauchen deine Ermahnungen nicht; wir wissen selbst, was wir zu tun haben. Also<br />

zwölf Bebbeh habt ihr gezählt?“<br />

„Ja. Wenn du sie <strong>nach</strong>zählen willst, so geh hin zu ihnen!“<br />

„Und da machst du solchen Lärm! Zwölf gegen zwanzig!“<br />

„Aber es können leicht noch mehr kommen, denn Ahmed Asad hat von einem Boten gesprochen.“<br />

„Sie mögen kommen; wir fürchten sie nicht. Was schreist du da über unser großes Feuer! Gerade<br />

dieses ist für einen solchen Überfall gut. Wir setzen uns in den Schatten; da können die Bebbeh uns<br />

nicht sehen; wir aber erblicken sie, sobald sie kommen, und geben ihnen unsere Kugeln.“<br />

„Aber unser Ritt sollte doch friedlich sein!“<br />

„Schweig! Die Kurden kommen, sich an uns zu rächen: wir müssen uns wehren. Aber selbst wenn<br />

wir dies nicht müßten, würden wir es doch tun. Diese Hunde sind nicht wert, daß sie unter Allahs<br />

Himmel wandeln; sie müssen von der Erde verschwinden.“<br />

„Gut, ich werde schweigen; ihr aber werdet weinen und heulen über das, was daraus folgen wird!“<br />

Er wandte sich ab und ging dahin, wo Omar Ben Sadek und der Lord saßen. Ich hatte mir<br />

vorgenommen, nichts zu sagen, konnte es aber doch nicht übers Herz bringen. Es war ja doch möglich,<br />

Blutvergießen zu verhüten. Die Haddedihn konnten hier oben und die Bebbeh unten an ihren Gräbern<br />

beten und die gegenseitige Rache für später aufheben. Darum machte ich noch einen Versuch, zum<br />

Frieden zu reden:<br />

„Amad el Ghandur, ich war dein Freund, dein Bruder und Gefährte und will es auch jetzt noch sein.<br />

Hast du nicht heute diesen Stein in dieses offene Grabmal geworfen und dabei behauptet, daß dein<br />

Vater gerächt sei? Warum trachtest du <strong>nach</strong> neuem Blut?“<br />

„Die Rache war nicht tot“, murrte er; „sie hat nur geschlafen und ist wieder aufgewacht.“<br />

„Nein, so ist es nicht; sie schläft noch jetzt; sie will nicht erwachen; aber du willst sie aufwecken.<br />

Wer einen Brand entfacht, soll vorsichtig sein und es sich vorher bedenken, denn er kann sich leicht<br />

selbst verbrennen.“<br />

„Meinst du, daß ich deine guten Lehren brauche?“<br />

„Ja, das meine ich. Gerade jetzt solltest du ein offenes Ohr für sie haben. Ich mag mich nicht<br />

rühmen und will mir auch das, was ich getan habe, nicht bezahlen lassen; aber heute, wo so vieler<br />

Leben, auch das deinige, von dir abhängt, muß ich dich an den Kerker von Amadije erinnern, in dem<br />

du verschmachtet wärst, wenn ich dich nicht herausgeholt hätte. Wäre Mohammed, dein Vater, noch<br />

am Leben, der damals mit uns war, er würde dir raten, auf meine Worte zu hören.“<br />

„Nein“, fuhr er da auf, „das würde er nicht, denn dein Rat und deine Worte haben ihn damals ins<br />

Verderben geführt. Du bist nicht unseres Glaubens; du gehörst nicht zu uns. Wenn ein gläubiger<br />

Moslem einem Christen folgt, ist es stets zu seinem Schaden. Ich will Rache; ich will Blut, und ich<br />

werde meinen Willen haben.“<br />

„Und ich will Liebe und Versöhnung. Wir werden sehen, wessen Wille bessere Früchte bringt!“

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