Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr
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Der Abend senkte sich nieder, und es wurde dunkel um uns; da hörten wir Pferdegetrappel; die<br />
Kurden kamen. Der Hufschlag ging nicht weiter; ich hatte mich also nicht getäuscht; sie hielten auf<br />
dem von mir vorher bestimmten Platz an.<br />
„Sihdi, du hast richtig vermutet; sie steigen von den Pferden. Wollen wir hin?“<br />
„Du nicht und auch Kara Ben Halef nicht. Ihr würdet euch unnötig in Gefahr begeben, da ihr die<br />
kurdische Sprache nicht versteht. Ich gehe allein.“<br />
„Gut; aber wenn du nicht bald wiederkommst, folge ich <strong>nach</strong>!“<br />
„Keine Unvorsichtigkeit, Halef! Ich will sie belauschen und muß also so lange warten, bis sie von<br />
dem reden, was ich hören will. Darüber können Stunden vergehen.“<br />
„Ich werde dir gehorchen; aber wehe ihnen, wenn sie dich erwischen! Ich steche und schieße sie alle<br />
nieder, alle!“<br />
Ich hatte mir die Art und Weise, in der ich mein Vorhaben ausführen wollte, schon zurechtgelegt.<br />
Das Frühlingswasser hatte nämlich vom Berg herab und durch den Wald ein Rinnsal, einen ziemlich<br />
tiefen natürlichen Graben gerissen, in dem es dem Fluß zugeführt wurde. Dieser Graben war jetzt<br />
trocken und ging quer über den Platz, auf dem die Bebbeh angehalten hatten. Ich kroch aus dem<br />
Gebüsch hervor in diese Rinne hinab und schob mich langsam in derselben weiter. Die Kurden<br />
sprachen nicht laut, da ja die Haddedihn zufällig in der Nähe sein konnten; aber als ich eine genügende<br />
Strecke vorwärts gekommen war, hörte ich eine Stimme fragen:<br />
„Brennen wir ein Feuer an?“<br />
„Nein“, antwortete eine andere. „Erst muß ein Lauscher weiter abwärts gehen, um <strong>nach</strong>zuforschen,<br />
ob wir hier sicher sind.“<br />
„Wir sind es, denn die Haddedihn lagern oben am Grab und werden sich in dieser Dunkelheit nicht<br />
so weit davon entfernen.“<br />
„Ja, die Haddedihn, das sind dumme Molche, die sich nicht aus ihren Höhlen wagen. Aber dieser<br />
fremde Teufel ist überall da, wo er nicht hingehört, und mit ihm der kleine Hund mit dem dünnen<br />
Bart, der Gasâl Gaboga, meinen Vater, erschossen hat. Dieser Zwerg soll gemartert werden, daß sein<br />
Schmerzgeheul weit über die Berge und durch die Täler erklingt!“<br />
Er nannte einen seiner Leute beim Namen und schickte ihn fort, die Gegend abwärts zu erkunden.<br />
Es war mir natürlich sehr lieb, daß es jetzt noch dunkel bleiben sollte; das konnte mir nur nützlich<br />
sein. Ich kroch also weiter und immer weiter, bis ich die Waldbäume hinter mir hatte und mich im<br />
Graben am Rand des Grasplatzes befand. Die Pferde waren <strong>nach</strong> dem Wasser gelaufen; links vom<br />
Graben hatten sich die Kurden niedergesetzt, um auf die Rückkehr des Kundschafters zu warten. Sie<br />
konnten jetzt lauter sprechen, denn falls Haddedihn in der Nähe gewesen wären, hätte er sie<br />
wahrscheinlich entdeckt und es gemeldet.<br />
Aus dem, was ich bis jetzt gehört hatte, war zu schließen, daß diese Kurden von dem Sohn Gasâl<br />
Gabogas, den Halef damals erschossen hatte, angeführt wurden. Wehe uns, wenn wir in die Hände<br />
dieses Bluträchers fielen! Im Verlauf des jetzt nun folgenden Gespräches hörte ich, daß er Ahmed<br />
Asad hieß; er wurde von den andern so genannt. Mein an die Dunkelheit gewöhntes Auge zählte jetzt<br />
elf Personen. Wenn ihrer nicht mehr waren, brauchten wir uns allerdings nicht zu fürchten.<br />
„Ein Glück“, sagte Ahmed Asad, „daß ich auf den Gedanken kam, zwei Späher vorauszusenden!<br />
Hätte ich das nicht getan, so wären wir den Haddedihn in die Hände geritten.“<br />
„Wann greifen wir sie an?“ fragte einer.<br />
„Das kommt darauf an, ob unser Bote schnell genug gewesen ist. Am liebsten noch in der Nacht,<br />
weil sie uns da nicht sehen können und wir sie da so überraschen, daß sie lebendig in unsere Hände<br />
fallen. Also köstliche Pferde haben sie?“<br />
„Ja. Zunächst der Rapphengst des Fremden, der sich Kara Ben Nemsi nennt und zwei<br />
Zaubergewehre besitzt, mit denen man unendlich oft schießen kann, ohne laden zu müssen. Sodann ist<br />
noch ein junger Rapphengst da, den der Knabe des kleinen Kerls mit den wenigen Barthaaren reitet.<br />
Und endlich ist noch eine kostbare Schimmelstute vorhanden, die dem Scheik Amad el Ghandur<br />
gehört. Auch eine Schecke soll es geben, die ausgezeichnet ist.“<br />
„Hast du diese Pferde alle gesehen, als du oben warst?“<br />
„Alle, nur die Schecke nicht.“<br />
„Glaubst du, daß sie besser sind als meine schwarze Perserstute?“