Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr
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„Das klingt sehr schön, ist es aber nicht. Ob wir oder sie diese Enge besetzen und ob wir sie nicht<br />
herauf oder sie uns nicht hinunter lassen, das bleibt sich gleich: wir können eben nicht fort.“<br />
„So verjagen wir sie!“<br />
„Das würde ja den Kampf geben, den wir vermeiden wollen.“<br />
„Nun, dann bleiben wir hier oben, bis ihnen die Zeit so lang wird, daß sie sich fortmachen!“<br />
„Wird ihnen gar nicht einfallen, dies zu tun. Erstens werden sie bleiben, weil sie sich rächen wollen,<br />
und zweitens treibt sie die Not nicht fort, wie sie uns forttreiben würde.“<br />
„Uns? Welche Not?“<br />
„Der Hunger. Wasser gibt es freilich; aber was sollen wir essen? Gibt es ein Wild hier oben auf der<br />
kahlen Felsenplatte? Nein. Und unser Proviant ist dermaßen zusammengeschwunden, daß ich <strong>nach</strong>her<br />
noch fortgehen muß, um Fleisch zu schießen.“<br />
„Du malst das so schlimm aus, weil es deine Gewohnheit ist, an alles mögliche Üble, was kommen<br />
kann, vorher zu denken. Ich sehe nicht so schwarz wie du, denn ich habe zwanzig tapfere Krieger bei<br />
mir, die, falls wir angegriffen werden, diese Höhe wie eine Festung verteidigen werden. Und was den<br />
Proviant betrifft, so werde ich diese Männer jetzt alle auf die Jagd senden. Wir haben damals sehr<br />
reichlich Wild gefunden, und es wird wohl jetzt auch nicht weniger davon vorhanden sein.“<br />
„Ich bitte dich, dies nicht zu tun.“<br />
„Warum?“<br />
„Weil es eine große Unvorsichtigkeit sein würde. Wir müssen hier so wenig Spuren wie möglich<br />
machen; wenn aber zwanzig Männer <strong>nach</strong> allen Richtungen hier herum- und auseinanderlaufen, so<br />
müssen die Kurden, wenn sie kommen, sofort auf uns aufmerksam werden.“<br />
„Sie werden uns auch ohnedies bemerken. Du bist, wie ich schon wiederholt gesagt habe, viel zu<br />
ängstlich.“<br />
„Hier ist es besser, ängstlich als vertrauensselig zu sein. Ich bitte dich wirklich dringend, heute nicht<br />
hier zu bleiben! Wir müssen uns einen Lagerplatz suchen, wo wir verborgen sind und den Zugang zu<br />
dieser Höhe beobachten können.“<br />
„Bestürme mich nicht mit dieser Bitte; ich kann sie dir nicht erfüllen. Ich gehöre hier zu meinem<br />
Vater. Wenn ihr nicht hier oben bleiben wollt, so geht, wohin ihr wollt!“<br />
„Wir bleiben, wir bleiben!“ riefen die Haddedihn einmütig.<br />
„Hörst du es?“ fragte Amad el Ghandur. „Sie bleiben bei mir; du aber hast deinen Willen und<br />
kannst dir einen anderen Lagerplatz suchen. Halef und sein Sohn werden sich wahrscheinlich zu dir<br />
halten.“<br />
„Davon bin ich überzeugt, denn der Hadschi weiß, daß meine Ansicht wohlbegründet ist. Aber was<br />
könnte es nützen, wenn wir uns von euch trennten? Wir brächten uns in Sicherheit, während ihr euch<br />
in Gefahr befändet; das würde uns als Feigheit ausgelegt werden können, und um dies zu vermeiden,<br />
werden wir bleiben. Aber wenn dann eintrifft, was ich dir vorausgesagt habe, so wirf die Schuld nicht<br />
auf uns.“<br />
Ich nahm meinen Henrystutzen, um mich zum Jagen zu entfernen. Als der Lord dies sah, fragte er:<br />
„Wohin, Sir?“<br />
„Fleisch schießen.“<br />
„Well, gehe auch mit.“<br />
„Es wäre mir lieber, wenn ihr hier bleibt.“<br />
„Aus welchem Grund?“<br />
„Weil so wenig wie möglich Spuren verursacht werden dürfen.“<br />
„Auf eine mehr kommt es doch wohl nicht an. Was macht Ihr übrigens für ein Gesicht. Ärgert Euch<br />
wohl über die Haddedihn?“<br />
„Ja.“<br />
„Warum? Habe bemerkt, daß Ihr Euch mit dem Scheik strittet, konnte aber Gerede nicht verstehen.“<br />
„Ich bin darüber unwillig, daß sie hier oben bleiben wollen, während ich es unten im dichten Wald<br />
für sicherer für uns halte.“<br />
„Wohl wegen Bebbeh?“<br />
„Ja.“<br />
„Laßt Euch nicht anfechten! Ob wir hier oben oder dort unten mit ihren Köpfen zusammenrennen,<br />
ist ganz egal.“