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Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr

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Einwilligung zu erlangen, sondern sagte nur, daß es auch mein Wunsch sei, meinen Paten, der meinen<br />

Namen trage, bei mir zu haben; da ließen sie jeden Einwand fallen.<br />

Am nächsten Morgen wurde schon frühzeitig zum Aufbruch gerüstet. Es waren ohne mich und den<br />

Knaben zwanzig Reiter, alle <strong>nach</strong> Kräften aufs beste bewaffnet. <strong>Mehr</strong>ere Packpferde mußten die<br />

Speisevorräte tragen, die wir mitnahmen, um nicht unterwegs auf die zeitraubende Jagd angewiesen zu<br />

sein. Amad el Ghandur ritt die Schimmelstute, ich meinen Rih und der Knabe den Sohn meines<br />

Rappen; Omar Ben Sadek saß auf dem Schecken des Aladschy; Halef hatte das nächstdem beste Pferd<br />

des Stammes geliehen bekommen, und auch die andern waren so gut beritten, daß wir in Beziehung<br />

auf die Schnelligkeit unserer Reise ganz ohne Sorge sein konnten.<br />

Unserm Programm gemäß gelangten wir gegen Abend des nächsten Tages an die kleine Hütte, in<br />

der wir Allo, den bärenhaften Köhler, gefunden hatten. Sie war unbewohnt und ganz verfallen. Am<br />

darauffolgenden Mittag erreichten wir den Berosieh-Fluß, in dessen Wasser wir wie damals badeten.<br />

Einen Tag später ging es über die Höhe von Bane und dann in den <strong>nach</strong> Süden führenden Paß hinein.<br />

Vierundzwanzig Stunden darauf kamen wir in das schmale Tal mit dem wiesenähnlichen Streifen in<br />

der Mitte, wo die Bebbeh uns zum zweitenmal überfallen hatten, hierauf in das krumme Seitental, in<br />

dem wir mit dem Bruder des Scheiks Gasâl Gaboga über<strong>nach</strong>tet hatten. Nachher gelangten wir an den<br />

Lagerplatz, wo die beiden Haddedihn gegen mich gestreikt hatten. Da blieb Amad el Ghandur halten<br />

und sagte zu mir:<br />

„Effendi, mein Vater lebte wohl heute noch, wenn wir uns nicht hier gegen deinen Willen empört<br />

und <strong>nach</strong>her infolgedessen den Scheik Gasâl Gaboga freigelassen hätten. Wir sind damals große Toren<br />

gewesen.“<br />

Ich zog es vor, nicht zu antworten, denn meine Antwort hätte nur ein Vorwurf sein können, der<br />

vollständig überflüssig war.<br />

Auch an das Haus von Mahmud Manßur, dem Scheik der Dschiaf-Kurden, kamen wir wieder und<br />

stiegen bei demselben ab. Zu unserer Freude lebte der Hausmeister Dschibrail Mamrasch mit seinem<br />

Weib noch. Sie erkannten uns wieder und luden uns ein, bei ihnen zu über<strong>nach</strong>ten. Wir erfüllten ihnen<br />

diesen Wunsch sehr gern, denn wir hatten Zeit dazu und wußten, daß wir ihnen wirklich willkommen<br />

waren.<br />

Bis jetzt hatten wir fast gar nichts erlebt. Ich war mit Halef und seinem Sohn stets vorangeritten, um<br />

die Gegend zu erkunden, und die Haddedihn hatten nur in bedeutender Entfernung folgen dürfen. Auf<br />

diese Weise war jede gefährliche Begegnung vermieden worden, aber auch jedes Zusammentreffen<br />

mit jemandem, bei dem wir uns <strong>nach</strong> dem jetzigen Stand der Dinge hätten erkundigen können. Dies<br />

konnte bei Dschibrail Mamrasch <strong>nach</strong>geholt werden.<br />

Halef hatte seinem Sohn unterwegs jeden in unserer Erinnerung lebenden Platz gezeigt und ihm —<br />

vielleicht zum hundertsten Mal — erzählt, was da geschehen war. Das geschah natürlich stets in seiner<br />

bilderreichen Weise, die mir auch jetzt viel Spaß bereitete. Seiner Schilderung <strong>nach</strong> war er wenigstens<br />

ein halber, ich aber viel mehr als ein ganzer Gott.<br />

Ich hatte den kleinen Kara Ben Halef gleich vom ersten Tag unseres Ritts an in die Schule<br />

genommen. Er kam fast nie von meiner Seite und zeigte sich außerordentlich aufmerksam und<br />

gelehrig. Ich lehrte ihn auf die Stimmen der Wildnis zu achten, und bei jeder Spur, auf die wir trafen,<br />

zeigte ich ihm, <strong>nach</strong> welchen Regeln sie gelesen werden müßte, um richtig verstanden zu werden;<br />

dabei bekam ich schon <strong>nach</strong> Verlauf der ersten Woche die Überzeugung, daß er sich zu einem recht<br />

tüchtigen Beduinen entwickeln würde. Ich gewann ihn lieb und sah, daß er mir seine Zuneigung auch<br />

geschenkt hatte. Omar Ben Sadek hatte sich diese ebenfalls errungen und wurde von ihm nicht anders<br />

als Amm, d. i. Oheim von väterlicher Seite, genannt.<br />

Als wir zum erstenmal bei Mamrasch eingekehrt waren, hatten wir von ihm erfahren, daß sich nicht<br />

viele Dschiaf-Kurden, zu denen er gehörte, in der Nähe befanden, vielmehr hatte der Stamm der Bilba<br />

sich aus Persien herüber in die Nähe gezogen. So stand es auch noch am heutigen Tag.<br />

„Und die Bebbeh?“ fragte ich ihn. „Wo haben diese jetzt ihre Weideplätze?“<br />

„Zwischen Persien und dem Zagros-Gebirge“, antwortete er.<br />

„Also ziemlich weit von hier. Sind vielleicht in letzter Zeit welche hier in der Umgegend gewesen?“<br />

„Bei mir nicht; aber eine Tagreise von hier pflegt jährlich ein Trupp von ihnen Rast zu machen.“<br />

„Ach, wirklich? Mit solcher Regelmäßigkeit?“<br />

„Ja. Jährlich einmal, ich glaube, um die jetzige Zeit lagern sie dort.“

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