Karl May Zweite „Reise“ nach K U R D I S T A N - MJB-Verlag Mehr
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vielleicht auch unsere Verhandlungen gehört und verstanden hatten, da von uns so laut und erregt<br />
gesprochen worden war; dann führte ihre Fährte seitwärts wieder in die Tiefe. Da gab es Gras; sie war<br />
also deutlich zu sehen; ich schätzte sie kaum eine Viertelstunde alt und rief Halef und seinen Sohn<br />
herbei, um sie ihnen zu erklären. Wie stolz war der wackere Hadschi darauf, daß seinem Kara die<br />
große Ehre widerfuhr, auf dem jetzigen gefährlichen Gang mitgenommen zu werden!<br />
Wir folgten nun zusammen der Spur. Sie strich quer durch die andern Stapfen <strong>nach</strong> dem<br />
Begräbnisplatz am Wasser hin und führte dann <strong>nach</strong> Norden, sich erst immer nahe ans Ufer haltend.<br />
Natürlich fiel sie von nun an mit derjenigen Spur zusammen, die die beiden Bebbeh gemacht hatten,<br />
ehe sie die vier Haddedihn trafen. Wir hatten also alte, herwärts kommende und neue, wieder<br />
zurückführende Eindrücke vor uns.<br />
Es dauerte nicht lange, so kamen wir an ein Gebüsch, wo die Bebbeh ihre beiden Pferde versteckt<br />
gehabt hatten. Sie hatten diese natürlich hervorgeholt und wieder bestiegen. Sie waren, wie wir sahen,<br />
von hier an Galopp geritten, um den Ihrigen die wichtige Nachricht möglichst bald zu bringen. Ich<br />
erklärte im Weiterschreiten meinem kleinen Schüler alles, was ihm noch nicht verständlich war, und<br />
hatte dabei meine helle Freude über sein gutes, scharfes Fassungsvermögen.<br />
Von dem Versteck der Pferde aus waren wir wohl eine gute halbe Stunde lang dem Lauf des Flusses<br />
gefolgt, jede Deckung sorgfältig für uns benutzend; da kam der Wald von der Höhe herabgestiegen<br />
und bildete einen am Fluss liegenden grasigen Platz, der an den drei andern Seiten von Bäumen<br />
umgeben war.<br />
„Hier müssen wir uns verstecken“, sagte ich.<br />
„Warum gerade hier?“ fragte Halef.<br />
„Weil die Bebbeh hier ihr Nachtlager aufschlagen werden.“<br />
„Sihdi, bist du allwissend?“<br />
„Nein, aber ich ziehe aus den gegebenen Umständen meine Folgerungen. Es ist nicht mehr ganz<br />
eine Stunde bis zum Untergang der Sonne; dann müssen die Kurden lagern.“<br />
„Werden sie nicht vielleicht weiterreiten bis in die Nähe des Felsengrabes?“<br />
„Nein, denn es ist da noch dunkel; der Mond geht erst später auf. Vielleicht benutzen sie seinen<br />
Schein, um sich uns dann zu nähern. Jedenfalls aber bleiben sie vorerst hier.“<br />
„Warum nicht weiter oben, so daß wir, um sie zu sehen, noch weiter zu gehen hätten?“<br />
„Siehst du denn nicht, daß die beiden Kundschafter hier abgestiegen sind? Die vielen Stapfen sagen<br />
dir, daß sie den Platz und auch den angrenzenden Waldsaum durchsucht haben. Welch ein anderer<br />
Grund könnte hierzu vorhanden sein, als daß sie die Ihren bis hierher führen wollen?“<br />
„Du hast recht, wie immer, Sihdi. Was werden wir nun tun? Sie belauschen, um zu hören, was sie<br />
reden werden?“<br />
„Das möchte ich allerdings sehr gern. Wollen sehen, ob sich die Möglichkeit dazu bietet. Wir<br />
verstecken uns im Wald, bis sie kommen.“<br />
Wir drangen links in den Forst ein, bis es da ein Buschwerk gab, das uns, als wir hineingekrochen<br />
waren, vollständig verbarg.<br />
Ich war außerordentlich gespannt darauf, ob die Kurden wirklich da, wo ich es vermutete, anhalten<br />
würden. Halef teilte diese Neugier, und sein Sohn natürlich auch.<br />
Da wir nichts weiter tun als warten konnten, unterhielten wir uns leise miteinander, und ganz<br />
selbstverständlich war das Verhalten der Haddedihn und ihres Scheiks der Gegenstand unseres<br />
Gespräches. Der kleine Hadschi ärgerte sich gewaltig und erging sich in den kräftigsten Ausdrücken<br />
über diese unvorsichtigen Menschen. Noch mehr aber, weit mehr, bedrückte ihn der Gedanke, daß ich<br />
so sehr gekränkt worden war. Ich mochte ihm wieder und immer wieder versichern, daß ich jetzt<br />
weder Ärger noch Kränkung fühle, sondern nur die Verpflichtung, über die Leute zu wachen, deren<br />
Augen blind und taub geworden waren, er glaubte es nicht und gab sich alle Mühe, mich zu beruhigen,<br />
zu trösten und seiner Treue und Anhänglichkeit zu versichern.<br />
Ich hatte jene unbestimmte Ahnung von dem unaufhaltbaren Nahen eines traurigen Ereignisses, die<br />
mich noch nie betrogen hat, sondern stets in Erfüllung gegangen ist; daher die letzten Worte, die ich<br />
Amad el Ghandur zugerufen hatte. Für mich fürchtete ich nichts, sondern es war ein Etwas in mir, das<br />
mir sagte, daß er es sei, der sich zu hüten habe. Ich nahm mir vor, alles zu tun und selbst mein Leben<br />
zu wagen, um das Drohende von ihm abzuwenden.