Berliner Zustände 2008 - Apabiz
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die ihn in der Nähe der Grauen<br />
Wölfen verorten lassen und scheint<br />
in einem Netzwerk aktiv zu sein, in<br />
dem sich auch erklärte „Graue Wölfe“<br />
wohl fühlen. Dieser fragwürdige Beitrag<br />
zur „Integration“ deutsch-türkischer<br />
Mitbürger_innen zeigt, wie<br />
unbekannt die Gruppen und Personen<br />
sind, die sich positiv auf Faschismus<br />
beziehen.<br />
Die türkischen extremen Rechten<br />
werden als ein Randproblem in<br />
Deutschland gesehen – so wie andere<br />
Probleme der hier lebenden Menschen<br />
mit „migrantischem Hintergrund“.<br />
Da die türkischen extremen Rechten<br />
eine hauptsächlich auf die Türkei<br />
gerichtete Politik verfolgen, werden<br />
ihre Propaganda und Organisationen<br />
als harmlos für die BRD und damit<br />
harmlos für „die Deutschen“ betrachtet<br />
– und ihre Anhänger_innen als<br />
nicht-integrierbar gesehen.<br />
Die Verbreitung der extrem nationalistischen<br />
Ideologie erfolgt tatsächlich<br />
durch die Ablehnung der von<br />
der deutschen Mehrheitsgesellschaft<br />
erzwungenen Identität – einer Mehrheitsgesellschaft,<br />
die diese Jugendlichen<br />
sowieso nicht will. Und durch<br />
den Reflex, einen Stolz auf<br />
eine eigene nationale und religiöse<br />
Identität aufzubauen – in diesem<br />
Fall „türkisch und muslimisch“. Das<br />
homogenisierende Bild der „Türk_innen“,<br />
das diesen ein „allgemeines<br />
aggressives Verhalten“ zuschreibt,<br />
verhindert die Unterscheidungs- und<br />
Erkenntnismöglichkeiten. So ist für<br />
viele nicht durchschaubar, dass diese<br />
„gewalttätigen Migrant_innen“ eine<br />
Ideologie verfolgen, die Teil einer<br />
europaweiten/globalen faschistischen<br />
Bewegung ist. Die Ethnisierung des<br />
Problems verharmlost die Tatsache<br />
einer die Staatsgrenzen übergreifenden<br />
Faschisierung der Menschen auf<br />
allen Ebenen und vereinfacht somit<br />
das Nicht-erkennen (oder Nicht-anerkennen)<br />
des Faschismus – bzw. Neofaschismus<br />
– mit dem wir es zu tun<br />
haben. Die MHP/Grauen Wölfe und<br />
ihr faschistischer Anhang – genauso<br />
wie die deutschen Neonazis und ihr<br />
faschistischer Anhang – sind eine<br />
Gefahr, der begegnet werden muss.<br />
Es gilt zudem auch die türkischen<br />
Institutionen und Vereinigungen<br />
aufzufordern, sich klar zu positionieren<br />
und sich gegen den Faschismus/Neofaschismus<br />
zu stellen und<br />
dies nicht nur mit plumpen „gegen<br />
Gewalt“-Aussagen zu tun, sondern<br />
mit einer klaren Ausgrenzung und<br />
Stellungnahmen gegen Faschismus/<br />
Neofaschismus.<br />
Diese Kritik darf jedoch nicht in<br />
einer Form geschehen, in der sie<br />
den deutschen Rechten in die<br />
Hände spielt und weiter die vorherrschenden<br />
rassistischen Diskurse und<br />
Bedrohungsszenarien bedient, die die<br />
bundesrepublikanische Mehrheitsgesellschaft<br />
gegen Migrant_innen und<br />
Menschen mit migrantischem Hintergrund<br />
sowieso schon führt. Es muss<br />
klar gesagt werden, dass das Problem<br />
nicht bei den „Türk_innen“ schlechthin<br />
liegt, sondern das Problem Nationalismus<br />
und Faschismus heißt.<br />
A<br />
K Graue Wölfe/Türkischer Nationalismus<br />
ist eine kleine Gruppe von Menschen, die im letzten Jahr zu diesem<br />
Thema recherchiert und gearbeitet hat. Schwerpunkt dieser Arbeit<br />
waren, neben der Arbeit im Archiv des apabiz, die lokalen Strukturen<br />
in Berlin und allgemein der BRD. Über Kritik, Fragen und Infos zum<br />
Thema freuen wir uns sehr. Kontakt: akgrau@web.de<br />
1 Für mehr Informationen über die von Grauen<br />
Wölfe verübten Anschläge und Attentate:<br />
Azlan, Fikret/Bozay, Kemal: Graue Wölfe<br />
heulen wieder. Türkische Faschisten und<br />
ihre Vernetzung in der BRD, Münster 2000.<br />
2 Janitscharen (Yeniçeri) ist die Name der<br />
Soldateneinheiten des Osmanischen Reiches<br />
gewesen. Die Yeniçeri und Mehter, die militärische<br />
Kapelle des Osmanischen Reiches,<br />
sind beliebte Motiven der türkischen Nationalist_innen<br />
und Fundamentalist_innen<br />
und tauchen gleichermaßen häufig als<br />
Motiv auf den Plakaten der MHP und den<br />
islamischen Fundamentalist_innen auf bzw.<br />
während ihrer Aktivitäten als Inszenierungen.<br />
3 Dieser Angriff wurde durch eine enorme<br />
Hetzkampagne der türkischen Massenmedien<br />
gegen Kurd_innen vorbereitet und begleitet.<br />
Viele in der BRD lebenden Menschen<br />
mit türkischem Hintergrund folgen täglich<br />
dem Tagesgeschehen in der Türkei durch<br />
Satellitenfernsehen und durch türkische<br />
Zeitungen und werden genauso effektiv<br />
beeinflusst wie diejenigen, die in der Türkei<br />
leben.<br />
4 In den durch das Osmanischen Reich<br />
eroberten Gebieten lebten und leben Bevölkerungen<br />
mit eigenen Sprachen und Religionen.<br />
Die pantürkische militärische Front,<br />
die am 1923 den türkischen Staat gründete,<br />
forderte eine bedingungslose Akzeptanz<br />
der türkischen nationalen Einheit in allen<br />
noch in seinem Einfluss übrig gebliebenen<br />
Gebiete.<br />
Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie | <strong>Berliner</strong> <strong>Zustände</strong> <strong>2008</strong> 31