11.11.2013 Aufrufe

Berliner Zustände 2008 - Apabiz

Berliner Zustände 2008 - Apabiz

Berliner Zustände 2008 - Apabiz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Im Rahmen des Projektes „Intervention gegen Rechtsextremismus“<br />

wurde unter anderem eine aktivierende Befragung im Rudower Blumenviertel<br />

durchgeführt. Ziel war es, wie der Titel der Studie auch besagt,<br />

„Die Wahrnehmung von Rechtsextremismus und das Zusammenleben von<br />

Migrant/innen und Deutschen im Neuköllner Blumenviertel“ zu erfragen<br />

und darauf aufbauend sozialraumorientierte Handlungsstrategien gemeinsam<br />

mit den Akteuren vor Ort zu entwickeln.<br />

Das folgende Gespräch fand mit Uli Bahr und Dr. Nicole Jäckle statt, die<br />

die aktivierende Befragung im Auftrag des Interkulturellen Bildungs- und<br />

Begegnungs- Centrums e.V. durchführten.<br />

Könnt ihr kurz den Rahmen der aktivierenden<br />

Befragung skizzieren?<br />

Insgesamt haben wir 90 Interviews<br />

geführt, davon waren 60 Interviews<br />

mit zufällig angetroffenen AnwohnerInnen<br />

des Blumenviertels, 22<br />

Interviews mit AnwohnerInnen, die<br />

in der Nachbarschaftsinitiative oder<br />

dem Aktionsbündnis Rudow aktiv<br />

sind oder die wir als BesucherInnen<br />

eines Nachbarschaftsfestes ansprachen.<br />

Acht Interviews führten wir<br />

mit ExpertInnen aus dem Kinderund<br />

Jugendbereich, der Kirchengemeinde<br />

und den Initiativen. Unter<br />

den zufällig Befragten waren vier,<br />

unter den vereinbarten Interviews<br />

waren acht Haushalte mit Migrationshintergrund.<br />

Was ist euer Gesamteindruck?<br />

Auffällig war die relativ große Anonymität<br />

im Viertel. Das Blumenviertel<br />

ist ein reines Wohngebiet, bis auf<br />

das Gemeindezentrum der Philip-Melanchton-Kapelle<br />

gibt es keinen Ort<br />

der Begegnung. Der Anteil der RentnerInnen<br />

im Viertel liegt mit etwa<br />

24% über dem <strong>Berliner</strong> Durchschnitt<br />

von etwa 17%. Die Jugendlichen<br />

verbringen ihre Freizeit meist außerhalb<br />

des Viertels. Kontakte bestehen<br />

zwischen den direkten Nachbarn oder<br />

kommen über die Mitgliedschaft in<br />

Sportvereinen oder Engagement in<br />

der Kirchengemeinde zustande.<br />

Im Blumenviertel dominieren Themen<br />

wie Einbrüche und Vandalismus, das<br />

Thema Rechtsextremismus wurde<br />

häufig diesen Themen untergeordnet.<br />

Exemplarisch ist hier die Antwort<br />

eines älteren Ehepaares auf die Frage<br />

zum Rechtsextremismus im Viertel:<br />

„Das haben wir mal in der Zeitung<br />

gelesen… aber noch nichts mitbekommen…<br />

wir wissen ja auch nicht,<br />

wer hier immer die Scheibenwischer<br />

abbricht.“ Bei den zufällig zustande<br />

gekommenen Interviews hatten 2/3<br />

der Befragten keinen Rechtsextremismus<br />

im Blumenviertel wahrgenommen,<br />

allerdings gab es auch AnwohnerInnen<br />

mit einem ausgeprägten<br />

Problembewusstsein. Die Informationsbroschüre<br />

wurde sehr interessiert<br />

aufgenommen.<br />

Zwar äußerte sich ein Großteil der<br />

befragten „deutschen GesprächspartnerInnen“<br />

neutral bis positiv über<br />

den Zuzug von Familien mit Migrationshintergrund,<br />

gleichzeitig waren<br />

Empathie und Solidarität mit den<br />

Opfern der Brandanschläge jedoch<br />

eher gering ausgeprägt. Andererseits<br />

lernten wir auch Nachbarschaften<br />

kennen, die ein sehr gutes Verhältnis<br />

zu den neu hinzugezogenen<br />

Familien mit Migrationshintergrund<br />

haben. In Hinblick auf eine weitere<br />

Vernetzung der Nachbarschaft durch<br />

die Initiative war die Befragung sehr<br />

erfolgreich: Jetzt lässt sich ein sehr<br />

differenziertes Bild vom Zusammenleben<br />

im Blumenviertel zeichnen, die<br />

Potenziale für eine Aktivierung sind<br />

deutlicher geworden – und sie sind<br />

größer, als wir vor der Studie angenommen<br />

hatten.<br />

Wie war die Situation der Migrant/innen<br />

vor den Anschlägen?<br />

Zwei Drittel der von uns befragten<br />

Familien mit Migrationshintergrund<br />

berichteten von sehr distanziertem<br />

und zum Teil abweisendem Verhalten<br />

mancher „Deutscher“ im Viertel.<br />

Sie hatten das Gefühl, dort nicht<br />

willkommen zu sein, etwa wenn sie<br />

beim Einkaufen angeschaut wurden<br />

„als kämen wir vom Mars“, oder bei<br />

Spaziergängen durch das Viertel von<br />

vielen AnwohnerInnen nicht zurückgegrüßt<br />

werden. Eine Befragte<br />

schilderte ihre Wahrnehmung so:<br />

„Positiven Blickkontakt gibt es im<br />

Viertel kaum, ein herzlicher Umgang<br />

ist mit vielleicht 10% der BewohnerInnen<br />

hier möglich. Ich bin hier<br />

sehr unglücklich“.<br />

Hinzu kam, dass sich die Familien<br />

mit Migrationshintergrund untereinander<br />

nicht kannten und sie<br />

teilweise das Gefühl hatten, vereinzelt<br />

und isoliert „unter Deutschen“<br />

zu wohnen. Einige hatten das Gefühl,<br />

sich ungeschriebenen Regeln unterordnen<br />

zu müssen. Uns wurde auch<br />

von zwei Fällen berichtet, wo Familien<br />

mit Migrationshintergrund ihre<br />

Häuser wegen unerträglicher und von<br />

ihnen als rassistisch empfundener<br />

Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie | <strong>Berliner</strong> <strong>Zustände</strong> <strong>2008</strong> 45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!