11.11.2013 Aufrufe

Berliner Zustände 2008 - Apabiz

Berliner Zustände 2008 - Apabiz

Berliner Zustände 2008 - Apabiz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

kriminellen Auswüchsen wie dem sexuellen<br />

Missbrauch von Kindern den<br />

Kampf ansagt. Denn das Ganze sei<br />

pervers, nicht nur das Detail. Während<br />

sich „das System (...) von innen<br />

heraus zerstöre“, müssten „nationale<br />

Aktivisten“ im gesamten Land die<br />

„vielfältigen Missstände in unserem<br />

Volk“ anprangern. Die VertreterInnen<br />

des „Systems“ begingen ungestraft<br />

„Schweinereien“, die „Krankhaftigkeit“<br />

des Systems werde „von Jahr zu<br />

Jahr“ schlimmer. Selbstverständlich<br />

sind daran auch Juden beteiligt: um<br />

den Drogen- und Prostitutionsskandal<br />

Michel Friedmans bei seinen ZuhörerInnen<br />

in Erinnerung zu rufen,<br />

reichen Wulff die Worte „Pinkel“,<br />

„weiße Straße“ und „Weiber aus der<br />

Ukraine“ als Chiffre. Und die Linken<br />

sind vom System bezahlt, PDS heiße<br />

vielleicht „Pädophile Debile Systemlinge“.<br />

Nationalismus und<br />

bürgerliche Moral<br />

Wer das Andere so beschreibt, reklamiert<br />

für sich und seine politischen<br />

Ziele eine moralische Respektabilität,<br />

die überraschen mag. Wulff selber,<br />

Vater von drei kleinen Söhnen, ist<br />

es „selbstverständlich“ die „größte<br />

Pflicht nationaler Solidarität, wenn<br />

eine nationale Mutter aus unseren<br />

Kreisen darum bittet, hier aufzutreten“.<br />

So sehr „die Systemlinge“ angegriffen<br />

werden, eine Kritik an einer<br />

bürgerlichen Ordnung, die Frauen<br />

keine Chancengleichheit einräumt,<br />

findet nicht statt. Im Gegenteil: eine<br />

„gesunde Ordnung“, eine „völkische<br />

Ordnung“ müsse die „Gemeinschaft<br />

des Volkes“ prägen. Wulff nennt die<br />

untergegangene DDR als teilweises<br />

Vorbild, „insbesondere was die<br />

Förderung von Familie und Kindern<br />

anging“, denn in „Mitteldeutschland“<br />

seien die „Nachwehen von einem<br />

System“ erhalten geblieben, „von<br />

dem wir nicht sprechen dürfen“: dem<br />

Nationalsozialismus.<br />

Aus seiner Sicht werden Repräsentanten<br />

des Systems zu moralischen<br />

Außenseitern, die Elite wird mit<br />

Drogen und sexuellen Perversionen<br />

identifiziert. Sie haben die Grenzen<br />

der Respektabilität überschritten und<br />

müssen untergehen, zusammen mit<br />

dem System, das sie hervorgebracht<br />

hat und das sie repräsentieren. Dagegen<br />

repräsentieren die „nationalen<br />

Aktivisten“ die „gesunde Ordnung“;<br />

ihr scheinbar vorbildlicher Lebenswandel<br />

beinhaltet das Aufrechterhalten<br />

der ehelichen, familiären und<br />

völkischen Gemeinschaft. Sie wenden<br />

sich nicht gegen die bürgerliche, patriachale<br />

Familie, sondern überhöhen<br />

sie zu einer alternativlosen naturgegebenen<br />

Ordnung.<br />

Das nationalistische Gemeinschaftsgefühl<br />

stellt sich bei solch banalen<br />

Aktivitäten wie dem Säubern von<br />

Spielplätzen her, wo das Bezirksamt<br />

„unsere Kinder“ im „Modder“ spielen<br />

lasse. Dies hält die Pressesprecherin<br />

des RNF, Stella Hähnel, für bürgernah,<br />

eine vermutlich ‚instinktsichere‘<br />

Einschätzung. Frauen haben ihre zugewiesene<br />

Rolle allein im völkischen<br />

Gefüge von Ehe, Familie und Volksgemeinschaft.<br />

In der Propaganda des<br />

RNF ist das Emanzipationsbedürfnis<br />

von Frauen ein unnatürliches Verhalten.<br />

Frauenrollen außerhalb der Mutterschaft<br />

werden nicht thematisiert<br />

und die spezifischen Schwierigkeiten,<br />

die Frauen in Betrieben oder akademischen<br />

Berufen haben, tauchen<br />

beim RNF nicht auf.<br />

Die Rolle der Frau wird mit genetischen<br />

oder gar, bei Hähnel, mit<br />

„hormonellen Unterschieden“ erklärt,<br />

auf jeden Fall aber sind diese „von<br />

Geburt an angeboren“. Eine antifeministische<br />

Motivation ist bei<br />

den Argumenten des RNF deutlich<br />

sichtbar. Die Linken und die „Emanzen“<br />

hätten ein Problem, sie fühlten<br />

sich Männern gegenüber minderwertig<br />

und „versuchen so zu tun, als ob<br />

sie ein Mann wären“. Gender Mainstreaming<br />

sei ein Programm, um die<br />

Identität der Geschlechter zu brechen<br />

und eine Sexualisierung schon von<br />

Kindern durchzusetzen.<br />

Rechtsextreme<br />

Frauenemanzipation?<br />

Es ist in der Forschung nicht ausgemacht,<br />

ob rechtsextreme Frauen sich<br />

bei ihrem politischen Engagement<br />

von einem Emanzipationsbedürfnis<br />

leiten lassen. Oder ob ihr Engagement<br />

überwiegend aus dem Bedürfnis<br />

gespeist wird, sich im Gegenteil der<br />

patriachalen Rollenverteilungen zu<br />

vergewissern und aktiv dazu beizutragen,<br />

diese aufrecht zu erhalten.<br />

Dieser Diskurs kann hier nicht geführt<br />

werden; sicherlich trifft beides<br />

zu.<br />

Vieles spricht dafür, dass sich vor<br />

dem Hintergrund einer zunehmenden<br />

Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie | <strong>Berliner</strong> <strong>Zustände</strong> <strong>2008</strong> 37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!