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Berliner Zustände 2008 - Apabiz

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trat Hennrich aus und mit ihr der<br />

größte Teil des Kreisverbandes. Sie<br />

war angreifbar geworden, weil es<br />

Hinweise darauf gab, dass sie sich auf<br />

einschlägigen Seiten als Prostituierte<br />

angeboten haben solle. Dies machte<br />

sie unhaltbar für die NPD.<br />

Hennrich wurde von der eigenen<br />

Szene mit dem gesamten Arsenal<br />

sexistischer Anschuldigungen belegt,<br />

das denkbar ist. Die UnterstützerInnen<br />

Hennrichs wurden durchgängig<br />

als Alkoholiker und Asoziale<br />

bezeichnet, um deren Austritt es der<br />

Partei nicht schade sei. Die parteioffizielle<br />

Meinung brachte Thomas<br />

Vierk, Mitglied des Landesvorstandes,<br />

zum Ausdruck: „Unser ganzes Streben<br />

muß dem Sozialismus nationaler<br />

Prägung gelten. Es gilt die Gemeinschaft<br />

und nicht der Einzelne an<br />

sich. (…) Niemand möchte, daß ein<br />

Alki, von anderen Drogen spreche ich<br />

hier mal gar nicht, der man gerade<br />

bis zehn zählen kann, eine Führungsrolle<br />

übernimmt.“ Und der ehemalige<br />

Skinhead kann dank seiner eigenen<br />

Biografie ganz authentisch hinzufügen:<br />

„Wie die meisten <strong>Berliner</strong><br />

Kameraden wissen, bin auch ich ein<br />

gebranntes Kind der in seinem Leben<br />

nicht nur gutes getan hat. Kameradschaft<br />

und weltanschaulicher Geist<br />

haben mich wieder in unsere Reihen<br />

gebracht.“ Aber: „Es geht auch nicht<br />

darum, wer in welchem Kreisverband<br />

wieviel Alkohol konsumiert hat oder<br />

noch wird. Viel wichtiger ist es genau<br />

diesen vereinsamten Kameraden klare<br />

Strukturen aufzuzeigen und ihnen<br />

einen Weg zur Wiedereingliederung<br />

in unsere Gemeinschaft zu bieten.“ 8<br />

Vierk brandmarkt mit dem Rückgriff<br />

auf seine eigene ‚unsaubere’ Vergangenheit<br />

die inakzeptable Lebensführung<br />

der KameradInnen um Hennrich.<br />

Zwar scheint auch er zu ahnen,<br />

dass es vor allem solche sind, die sich<br />

von der NPD angesprochen fühlen,<br />

doch hat er im Gegensatz zu den<br />

Anderen seine Lektion gelernt und<br />

tritt ihnen nun als Lehrer gegenüber:<br />

Der „weltanschauliche Geist“ und<br />

„klare Strukturen“ disziplinieren die<br />

Parteimitglieder und beenden das<br />

unmoralische Verhalten. Wer sich<br />

allerdings der Disziplinierunganstalt<br />

namens NPD widersetzt, wird rausgeworfen.<br />

Und es wird gesäubert:<br />

Der RNF läßt inzwischen verlauten,<br />

Gesine Hennrich sei nur einen Monat<br />

lang Landessprecherin gewesen und<br />

schon seit Ende September <strong>2008</strong><br />

„kein Mitglied mehr“. 9<br />

Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum<br />

Berlin e.V. (apabiz)<br />

bietet Informationen, Materialien und Bildungsangebote im Themenbereich<br />

Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus an. Zu diesem<br />

Zweck betreibt der Verein ein umfangreiches öffentlich zugängliches<br />

Archiv und führt Bildungsveranstaltungen durch. Seit <strong>2008</strong> dokumentiert<br />

das apabiz systematisch öffentliche rechtsextreme Aufmärsche<br />

und Veranstaltungen in Berlin.<br />

1 Diese und folgende Zitate liegen als<br />

Audiodokument und in Transkription vor.<br />

Zu den im Text erwähnten extrem rechten<br />

Veranstaltungen können Dokumentationen<br />

beim apabiz angefragt werden.<br />

2 Im <strong>Berliner</strong> Landesvorstand der NPD ist<br />

die Landesvorsitzende der RNF kraft<br />

Amtes vertreten, eine Regelung, die auch<br />

im Bundesvorstand der Partei gilt. Vgl.<br />

Pressemitteilung des RNF, http://www.ringnationaler-frauen.de/netzseiten/index.<br />

php?option=com_content&task=view&id=60<br />

&Itemid=48<br />

3 Vgl. Stella Hähnel, Presseerklärung<br />

v. 01.08.<strong>2008</strong>, http://www.ring-nationaler-frauen.de/netzseiten/index.<br />

php?option=com_content&task=view&id=64<br />

&Itemid=48<br />

4 Während der RNF von „ca. 60 Teilnehmerinnen“<br />

sprach, gab die Leiterin des <strong>Berliner</strong><br />

Verfassungsschutzes, Claudia Schmidt,<br />

zu Protokoll, der RNF gebe häufig überhöhte<br />

Zahlen an. An dem Bundeskongress<br />

hätten „maximal 30 Frauen teilgenommen“.<br />

Vgl. Gitta Schüßler, 2. Bundeskongress des<br />

Rings Nationaler Frauen, Pressemitteilung<br />

v. 29.09.<strong>2008</strong> sowie Inhaltsprotokoll Ausschuss<br />

für Verfassungsschutz, 15. Sitzung<br />

v. 8. Oktober <strong>2008</strong>: http://www.parlamentberlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/<br />

AusschussPr/vfs/vfs16-015-ip.pdf<br />

5 Sexistische und homophobe Beleidigungen<br />

sind keine Domäne der Rechtsextremen.<br />

Auch viele AntifaschistInnen, vor allem<br />

Männer, glauben immer wieder, durch solche<br />

Attacken ihre politischen GegnerInnen<br />

treffen zu können.<br />

6 „Es ist doch Wahnsinn, dass sich Berlin<br />

preist, jedem Arsch Geld hinterher zu<br />

schmeißen. Der Wowereit, beim Thema<br />

Arsch – gut, er wird’s vielleicht auch selber<br />

hineinstecken.“ Dem apabiz liegen Tonaufnahme<br />

und Transkription vor.<br />

7 Vgl. George L. Mosse: Nationalismus und<br />

Sexualität. Bürgerliche Moral und sexuelle<br />

Normen. Reinbek 1987, S. 191.<br />

8 Vgl. http://de.altermedia.info/general/<br />

rucktrittserklarung-von-gesine-hennrichlandesvorsitzende-de-rings-nationalerfrauen-berlins-und-npd-kreisvors-von-berlin-marzahn-hellersdorf-060209_22501.<br />

html, eingesehen am 01.04.2009.<br />

9 Vgl. http://www.ring-nationaler-frauen.<br />

de/netzseiten/index.php?option=com_cont<br />

ent&task=view&id=86&Itemid=2, eingesehen<br />

am 01.04.2009.<br />

Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie | <strong>Berliner</strong> <strong>Zustände</strong> <strong>2008</strong> 39

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