Sommer 2011 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
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den Marjellchens nicht gerade weltweise.<br />
„Na, was willst, willst mit raus“ – dabei<br />
strich er verlegen seine fuchsigen<br />
Borsten glatt. Das heißt, er versuchte<br />
es bloß, dabei blieb’s dann auch.<br />
Diesen Rotschopf sollte erst mal einer<br />
bändigen.<br />
Minka gab’s ihm noch einmal, nun<br />
aber ganz doll. Warum ließ er sie<br />
auch so lange warten. Schwups, war<br />
sie im Boot. Michel stellte erleichtert<br />
fest, dass sie eine begeisterte Seglerin<br />
war. Hätt’ ihm grad noch gefehlt,<br />
so eine Landratte in den Bach gehen<br />
zu lassen. Diese hier war mindestens<br />
so gut wie die Mädchen aus seinem<br />
Klub. Und er sagte es ihr auch. Aber<br />
nicht gleich. Erst als sie mitten auf<br />
dem Haff angelangt waren. Anders<br />
hatte sie es schon wegen ihrer Wasserspritzerei<br />
nicht verdient.<br />
„Wenn du wieder mal mit willst,<br />
musst es bloß sagen.“ Das war das<br />
höchste Lob, das er zu vergeben<br />
hatte. Das Festland, die gefahrvolle<br />
Windenburger Ecke, wies er ihr zur<br />
Rechten, den sandgelben Landstreifen<br />
– die Nehrung – zur Linken. Er<br />
zeigte ihr den Weg nach Rossitten<br />
und in welcher Richtung Schwarzort<br />
lag. Dann holten sie die Segel ein.<br />
Das Boot trieb ganz leicht dahin.<br />
Zwischen den Ufern. Da erst sah er<br />
ihr mitten ins Gesicht, erstaunt über<br />
die Farbe ihrer Augen.<br />
„Du hast Augen, tolle Farbe! Wie das<br />
Meer am Morgen.“<br />
„Brauchst dich nicht so fein auszudrücken,<br />
weiß selbst, dass ich Katzenaugen<br />
habe.“<br />
„So, na . . . ich würde sagen, Undinen<br />
haben solche Augen.“<br />
„Undinen? Ich bin aber leibhaftig . . .<br />
und außerdem heiße ich Minka.“<br />
„Das sagst du; wie du mit Wasser<br />
umgehst, sollte man aber meinen, du<br />
kämst von da unten“ – er zeigte<br />
dorthin, wo das klare Wasser ihr Bild<br />
wiedergab. Ihr Oberkörper war weit<br />
über den Rand des kleinen Bootes<br />
gebeugt, als wollte sie gleich wieder<br />
in den Fluten verschwinden. Eine<br />
Undine auf der Suche nach der Seele<br />
eines Menschensohnes? Ein hübsches<br />
Märchen. Minka verwischte<br />
mit raschen Händen das Bild auf der<br />
Wasseroberfläche. Sie lachte.<br />
„Übrigens . . . ich heiße Michel, eigentlich<br />
Michael.“ – Da war die zauberhafte<br />
Stimmung vorbei.<br />
„Also doch kein Prinz, wie ich auch<br />
bloß ein Mädchen bin und Minka heiße<br />
. . . ja, nur eben Minka.“<br />
„Minka mit den Undinenaugen.“ – Er<br />
grinste herausfordernd.<br />
„Und deine sind grau wie altes Reet.“<br />
„Deine Haare gefallen wir sehr. Grad<br />
jetzt. Sie sind wie fliegender Sand,<br />
wenn die Sonne darauf scheint.“<br />
„Haben Undinen auch solche Haare?“<br />
„Ganz bestimmt.“ – Er nickte ernsthaft<br />
und zog die sommersprossige<br />
Nase kraus wie ein kleiner Hund.<br />
„Und du? Du hast rote Borsten wie<br />
ein alter Hofbesen.“<br />
„Gefallen sie dir nicht?“ Er sah sie an<br />
wie ein trauriger Dackel.<br />
„Na, schön sind sie ja wirklich nicht,<br />
aber mach dir nichts draus, die meisten<br />
Männer bei uns zu Haus haben<br />
solche Haare.“<br />
„Waren deine Vorfahren etwa auch<br />
Angelsachsen?“<br />
„Was weiß ich . . . all möglich. Wieso<br />
fragst du?“<br />
„Wo kommst du denn her?“<br />
„Aus Schleswig-Holstein . . . kleines<br />
Fischerdorf an der Schleimündung.“<br />
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